12

Der Dienstag begann genau wie der Montag und schien sich gerade so in die Ewigkeit zu ziehen.
Patrick war wieder nicht im Wagen gewesen als Henry seine Freundin genau wie am Vortag abgeholt hatte.

Lilians Gedanken drehten sich jedoch nicht um Bowers, sondern lediglich um Patrick und es machte ihr ziemlich zu schaffen, wie es im Moment lief.
Ganz klar würde sie sich wohl nie über ihre Gefühle sein, dafür war sie eben zu sehr sie selbst.

Lilian hatte sich auf Ewig auf Jimmy fixiert und nun, wo er tot war, war auch ihr Gefühl für die Liebe mit gestorben.
Es war nichts mehr übrig und sie wusste nicht, was sie empfand, jedoch ziemlich sicher das es zumindest, was Henry anging keine Liebe war.

Seufzend starrte sie auf die Uhr im Klassenraum und hoffte das der Zeiger endlich das Ende der Stunde anzeigte, aber es sollte noch eine halbe Stunde sein, bis das passierte.
Angespannt knabbert sie auf ihrem Stift herum, da sie sich überhaupt nicht konzentrieren konnte.

,,Lilian?" Durchdrang die Stimme ihres Mathe Lehrers ihre Gedanken.
Sie schreckte auf und blickte zu ihm auf an die Tafel.
Mist, dachte sie, als sie die angefangene Aufgabe an der Tafel sah, welche sie auf keinen Fall lösen konnte.
Hilfesuchend blickte sie durch die Klasse, keine Hilfe in Sicht und schüttelte schließlich den Kopf.

,,Tut mir leid, ich weiß die Antwort nicht." Meinte sie bedauernd und versuchte etwas zu lächeln, jedoch winkte er bloß ab.
,,Kein Wunder das sie in der Schule versagt. Ich habe gehört sie ist jetzt mit Henry zusammen." Hörte Lilian ein Mädchen hinter sich tuscheln und wollte ihr am liebsten ihren Bleistift in die Hand bohren, welcher nun von ihrer Hand gepresst wurde, verdrängte es sich schließlich glücklicherweise aber doch.

Lilians Stresslevel reichte von hier bis zum Mond und nicht mal die Ladung kaltes Wasser, welches sie sich in der Pause ins Gesicht klatschte, schien ihr zu Helfen.
,,Hey wie geht's dir?" Fragte Beverly sie, die neben ihr ihre Hände wusch.
Sie roch fürchterlich nach Rauch, wie der Rest des Toiletten Raumes ebenfalls und schien schon fast mit dem Gestank zu verschmelzen.

,,Gut." Antwortete sie einfach und drehte Beverly den Rücken zu.
Sie hatte kein Interesse daran sie näher kennenzulernen, nicht Heute, nicht Morgen, nicht in tausend Jahren.
Lilian spürte Beverlys Blick in ihren Rücken bohren.
Was wollte sie bloß?

,,Warum hasst du mich so sehr?" Wollte sie auf einmal wissen, ein Hauch von Schmerz und Unverständnis in ihrer Stimme liegend.
Lilian hielt in ihrer Bewegung inne und fragte sie; ,,was meinst du?" als wäre es nicht die Wahrheit, sondern bloß eine dahingestellte These ohne jegliche Tiefe.

,,Ich bin nett zu dir und trotzdem scheinst du mich nicht leiden zu können. Ist es wegen Jimmy?" Der Rest des Satzes wurde immer leiser und Lilians nächste Bewegung war nun umso unerwarteter und schneller.

,,Was nimmst du seinen Namen in deinen Mund?" Im inneren fühlte sie sich lächerlich bei dem, was sie da tat, denn Jimmy war, egal oben mit Schwäche für sie oder auch ohne, jemand, der ihr fremdgegangen war.
Beverly schwieg ehe sie sagte; ,,Also ist es wegen ihm."

Sie bekam keine Antwort, aber Lilians Blick der nun kalt wie Eis war, war ihr Antwort genug.
,,Weißt du, eigentlich sollte ich dich auch nicht mögen, aber du liebst Jimmy und musst dich jetzt von ihm ablenken, also tust du mir ziemlich leid und ich möchte es einfach nur verstehen."
Entgeistert schaute Lilian das Mädchen an, als würde sie ihr das Verrückteste erzählen, was sie jemals gehört hatte.

,,Jimmy ist verschwunden und ich mache mir Sorgen um ihn. Ich bin schlecht gelaunt, mehr nicht das hat rein gar nichts damit zutun das ich dich angeblich nicht mögen würde." Versuchte sie sich rauszureden, jedoch klappte es nicht ganz, denn Beverly lies einfach nicht locker.
,,Ich vermisse ihn nicht." Sagte sie und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.

,,Was?" Lilian wurde von Minute zu Minute verwirrter und wusste nicht recht, was sie dazu sagen sollte, so sehr verwirrte sie das Verhalten von Beverly.
,,Denkst du er war mir treu? Ich denke du magst mich nicht, weil du denkt ich wäre perfekt und alles, was du nicht bist, aber du bist so viel mehr als ich für ihn. Jimmys und meine Beziehung endete wegen dir, Lilian und ich bin unendlich froh darüber, denn ständig hatte ich das Gefühl deine Konkurrentin zu sein. Jimmy hat dir hinterhergeschaut, er hat von dir gesprochen und hat sich andauernd nach Dingen gesehnt, die bloß du ihm geben könntest. Ich war superneidisch auf dich, bis ich bemerkte das, dass alles keinen Sinn ergibt. Wieso sollte ich einem Mann hinterherlaufen, der nicht mich will, sondern dich?" Sie erzählte und Lilian hörte ihr schweigend zu und fuhr in sich.

Wenn Jimmy Beverly schon nicht treu war, war es dann ein Wunder, das er ihr auch nicht treu war?
Wohl kaum ging es ihr durch den Kopf, und plötzlich sah sie Beverly mit ganz anderen Augen, Augen, welche es ihr fast schon nichtmehr erlaubten, sie zu hassen.
Es war dumm gewesen ein Mädchen auf Grund eines Jungen zu hassen.

,,Tut mir leid." Sagte sie ausdruckslos und musste sich erstmal wieder fangen.
,,Ich dachte du wärst das Problem." Lilian kam sich dumm vor als sie ins Gesicht des Mädchens vor ihr schaute und jedes Detail ihres Gesichtes ein weiteres Mal musterte.
Beverly war bildhübsch, und so war sie es auch.

Das verriet ihr ein weiterer Blick in den Spiegel und sie realisierte das der einzig hässliche Jimmy gewesen war, denn ihr entgegen blickten bloß zwei Augenpaare von zwei Mädchen, die genau gleich hübsch waren, bloß auf eine andere Weise.

Sie musste Lächeln und Beverly bot ihr eine Umarmung an, aber sie verweigerte sie, denn plötzlich erschraken beide Mädchen durch ein lautes Geräusch an der Toiletten Tür.

Etwas oder jemand knallte heftig gegen die Tür und geschockt mussten beide hören, wie offenbar vor der Tür eine Schlägerei startete.
Laute Stimmen waren zu hören und mehrere Personen begannen durcheinander zu schreien.

,,Was passiert da?" Wollte Beverly wissen und griff zur Türklinke, aber Lilian hielt sie auf.
,,Nicht! Sonst werden wir auch noch verletzt." Sagte sie und Beverly wartete tatsächlich bis endlich die Stimme einer Lehrerin erklang und die Schlägerei ein Ende fand.

Vorsichtig verließen die beiden Mädchen die Toilette und sahen gerade noch wie der Klub der Verlierer Richie humpelnd hinter sich her schleiften und sich Henry die schmerzende Hand rieb.
,,Was zum?" Fragte Lilian mit bitterem Unterton und sah Henry fragend an.
,,Er hat uns in den Dreck gezogen. Ich musste es tun." Sagte er bloß, als wäre es völlig normal und eine Selbstverständlichkeit einfach Menschen zu schlagen.

Beverly lief den Jungs hastig nach und lies Lilian allein mit Henry und den anderen.
Tatsächlich war Patrick offenbar irgendwann aufgekreuzt, denn nun stand er dort und starrte sie an.
Sie konnte keine Emotionen in seinem Gesicht erkennen und blickte zu Boden, als sie wieder an gestern denken musste.

Die Klingel kündigte das Ende der Pause an und so trennten sich ihre Wege auf Grund der verschiedenen Kurse erneut.
Im Vorübergehen steckte ihr Patrick einen Zettel zu und verschwand schließlich auch in einem Klassenraum.
Verwirrt blieb Lilian stehen und faltete den Zettel auseinander.

Nicht schon wieder, ging es ihr durch den Kopf, als sie sah das Patrick um ein Treffen in der zweiten Pause bat.
Eigentlich wollte sie nicht gehen, aber sie war ihm eine Erklärung schuldig und unter Umständen auch eine Entschuldigung, also entschied sie sich dazu doch zu gehen.
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Das Treffen war an keinen anderen Ort als an der Kussbrücke.
Eine gut gewählte Metapher fand Lilian, wusste allerdings, dass dies wahrscheinlich dazu diente sie zu provozieren.
Es war riskant gewesen sich einfach vom Schulgelände zu schleichen, wo Henry überall lauern könnte.

Patrick wusste zwar von Henry, aber Henny nicht von Patrick.
Auch das Risiko einem Lehrer zu begegnen war groß gewesen und zum Glück war dies nicht passiert.
Nervös stand sie nun vor der Kussbrücke und schaute sich um.

,,Lilian." Sagte Patrick, der jetzt von hinten aus den Barrens kam und über die Brücke zu ihr kletterte.
Verwirrt schaute sie ihn an und er musste lachen.
,,Jaja haha. Was möchtest du?" Lilian war angespannt und wollte so schnell wie es nur gehen würde wieder zurück zur Schule.
Sie hatte keine Uhr und würde sicherlich zu spät kommen.

,,Du wärst doch nicht hier, wenn du es nicht wissen würdest." Meinte Patrick und kam ein Stück näher.
Schuldbewusst biss sie sich auf die Unterlippe.
,,Du weisst es also." Er sah sie aus seinen grünen Augen an und kurze Zeit verging, ehe sie nickte.

,,Patrick es tut mir leid. Ich hätte dich nicht küssen dürfen. Das war ein Fehler, dass sehe ich jetzt ein."
Der Junge legte den Kopf schief und sagte; ,,Schade. Aber warum Henry?"
Lilian seufzte so, als ob das nicht die Frage wäre, welche sie sich sich schon die ganze Zeit gestellt hatte.
,,ich weiß nicht." Meinte sie schließlich und Patrick lachte erneut.

,,Natürlich wie denn auch sonst." Er klang trocken und leicht gereizt.
,,was meinst du damit?" Jetzt war Lilian auch etwas genervt.
Sie war doch nicht hierhergekommen, um sich sowas anhören zu müssen.
,,Nimms mir nicht übel, aber du scheinst nie zu wissen, was du möchtest. Und das ist wirklich sehr anstrengend. Aber zum Glück bin ich nicht all zu leicht gelangweilt. Du wirst dich für das richtige entscheiden." Erklärte er und zuckte selbstbestimmt mit den Schultern.

,,Ach und du weißt das? Was ist denn das richtige?" Mittlerweile war Lilian fast schon wütend, da er so überheblich mit ihr sprach, als wäre sie ganz klein und würde unter ihm stehen.
,,Ich werde dir nicht sagen, was das richtige ist, denn an dem Tag wo du vor mir stehst, und mir sagst das du mich willst, möchte ich das es von dir auskommt und nicht, weil ich dich darauf hingewiesen habe." Lilian schmunzelte, so altklug wie er klang, war sich aber tief im Inneren auch darüber bewusst das er recht hatte.

,,Du denkst also ich würde mich für dich entscheiden. Und das immer?" Mal sehen wer jetzt wen provozieren wird.
Patrick nickte langsam.
Er schien sich der Sache ja wirklich ernst zu sein.
,,Ganz sicher." Seine Worte klangen ruhig und eindringlich, schon fast hypnotisierend.

Lilian war beeindruckt von seiner Selbstsicherheit, wusste aber, dass es nicht so einfach war sich zu entscheiden, geschweige denn sich für sie zu entscheiden.
Das Gespräch mit Beverly hatte ihr gezeigt das Jimmy mit keiner von beiden zufrieden gewesen war, warum sollte sich dann Patrick mit ihr alleine zufriedengeben und das bis ans Ende der Zeit?

In Gedanken versunken merkte sie gar nicht das Patrick seinen Kopf schief gelegt hatte und sie aus großen Augen anschaute.
,,Was denn?" Fragte sie schließlich und wurde schon etwas rot, so unangenehm begann es ihr zu werden.
,,Nichts ich mag es bloß dich anzugucken." Sagte er und Lilian musste verlegen kichern.

Patrick ergriff seine Chance und beugte sich vor, um das Mädchen zu küssen, doch er hatte seine Rechnung offenbar ohne Lilian gemacht, denn diese schob ihn leicht sanft zurück.
,,Was, bin ich dir etwa nicht würdig genug?" Fragte Patrick mit einem amüsierten Unterton und musste leicht grinsen, doch sein Grinsen verschwand genauso schnell wie es kam als das Mädchen schließlich zögerlich nickte.

Gerade wollte er etwas erwähnen wie ,,was muss ich tun, damit du mir eine Chance gibst", oder gar ,,was soll ich noch tun, um es dir zu beweisen?!", als aus dem Nichts ein heftiges Hupen erklang und der Trans AM samt Henry, Belch und Victor die schmale Straße entlang bretterte.
Lilians Gesicht wurde kreidebleich und Patrick atmete genervt aus.
Mit quietschenden Reifen hielt der Wagen direkt vor ihrer Nase.

Die Scheibe der Beifahrerseite wurde heruntergekurbelt, und eine Zigarette flog im hohen Bogen in Patricks Richtung.
Es war ziemlich offensichtlich das diese eigentlich in seinem Gesicht landen sollte, jedoch wich der Junge gekonnt aus.

,,Hockstetter!" Rief Henry aggressiv und stieg aus, die Tür hinter sich zuknallend ging er schnurstracks auf die beiden zu, und schlug Patrick ohne mit der Wimper zu Zucken mitten ins Gesicht.
Lilian schritt entsetzt zur Seite wo sie von Belch gepackt wurde.

,,Bring sie ins Auto, ich kümmere mich um ihn." Dirigierte Henry und Belch gehorchte ihm und zog das Mädchen in den Trans AM.
Er schleuderte sie grob auf die Rückbank neben Victor und verriegelte ihre Tür.
Gebannt starrte Lilian aus dem Fenster und musste dabei zusehen wie sich die Jungs schlugen.

Henry war Patrick leider körperlich überlegen, da er weitaus mehr Kraft besaß als der schlaksige Junge ihm gegenüber.
Patrick war jedoch zäh und man hörte ihn weder vor Schmerz aufschreien, noch schienen ihn die Schläge im geringsten zu stören.

Fast schon verstört blickte Lilian mitten in Patricks Augen die makaber funkelten als seine Nase bereits begann zu bluten.
,,Wir sehen uns später noch auf dem Schrottplatz, da bekommst du, was du wirklich verdienst, wenn du dich traust." Fauchte Henry und spuckte ihm instinktiv ins Gesicht.

Patrick antwortete nicht, sondern hielt lieber den Augenkontakt mit Lilian, welche ihren Blick nicht von Patrick lösen konnte.
Seine Nase blutete heftig und auch seine Lippe war leicht aufgeplatzt.

Lilian hätte ihn Stundenlang so angucken können, jedoch drückte Belch heftig aufs Gaspedal als Henry wieder im Auto war, und lies den Jungen samt seinen Verletzungen einfach dort vor der Kussbrücke zurück.
Bloß Patrick und das Rauschen der Büsche im leichten Wind.
Ihr würdig sein, dachte er und drehte sich schließlich um und verschwand wieder in den Barrens.

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