Babyfaces bilderbuchartige Besichtigung
Die Wohnung ist ein absoluter Traum. Alles, was ich mich die ganze Besichtigung lang frage, ist, wo am Ende der Haken bei der Sache liegt.
"Es ist perfekt", flüstert Pari mir zu und ich nicke. "Wo liegt der Hund begraben?", fragt sie gleich im Anschluss und ich nicke noch heftiger.
Mika zieht die Augenbrauen hoch, während er sich hinter dem Rücken der Maklerin zu uns umdreht. Wir winken ab, aber er lässt sich nicht erweichen und stellt sich ungeniert zu uns. "Das ist eine super schöne Wohnung, Mika", lächele ich ihn an.
"Wo ist der Nachteil?", spuckt Pari unsere Bedenken schließlich doch aus.
"Staffelmiete", antwortet er unerwartet schnell.
"Du kennst den Nachteil und sagst uns nix davon?", werfe ich ihm leicht eingeschnappt vor.
"Das ist unbedeutend, Leute. Wirklich. Eine Erhöhung um drei Euro pro Jahr. Wir könnten ziemlich lange hierbleiben", meint er und ich schaue mich erneut um.
Die drei Zimmer sind alle annähernd gleichgroß, eins hat den Zugang zum Balkon, die Küche ist klein, aber mit allem Nötigen ausgestattet und im Bad mit Duschwanne gibt es sogar Platz für eine Waschmaschine. Der Flur könnte unser Wohnzimmer werden. Wir brauchen keinen riesigen Eingangsbereich für uns. Paris Bild sehe ich direkt an der Wand hängen, auf die man beim Reingehen guckt. In meiner Vorstellung sind wir quasi schon eingezogen und haben uns problemlos mit den neuen Räumlichkeiten arrangiert. Nur einige hundert Meter entfernt befindet sich der nächste Supermarkt; auch die U-Bahn-, S-Bahn- und Busanbindung ist genial.
"Wenn Sie möchten, können Sie den vorbereiteten Vertrag studieren", schaltet sich schüchtern die Vermieterin ein.
"Gute Idee", stimmt Pari zu.
Also setzen wir uns - in Ermangelung eines Tischs oder einiger Stühle - gemeinsam auf den Boden und beugen uns über die Papiere.
"Sollte man nicht länger suchen und mehrere Sachen miteinander vergleichen?", tuschele ich skeptisch mit Mika.
"Lass mich dir mit meinen weisen einundzwanzig, fast zweiundzwanzig Jahren mitteilen: Das ist kein krummer Deal. Meiner Mutter, du weißt doch, sie sitzt im Immobilienbüro, scheint alles sauber zu sein."
"Was hat das dann mit *deiner* fast zweiundzwanzigjährigen Weisheit zu tun?", lache ich.
"Nix, ich wollte das bloß immer mal sagen", grinst er zurück.
"Also ich kann Ihnen nur raten, den Vertrag abzuschließen", meint unsere Maklerin nochmal. Sie stammt aus dem gleichen Immobilienbüro, in dem Mikas Mutter arbeitet und ist somit vertrauenswürdig.
"Dürfen wir Fotos machen?", funkt Pari dazwischen.
"Wenn Sie möchten", zuckt die Vermieterin die Schultern.
Nachdem Pari mit ihren Fotos fertig ist, trudelt eine Nachricht von Tua bei mir, in der steht, dass wir die Wohnung gefälligst nehmen sollen. Sie sei weit unter wert ausgepreist, für das, was sie bietet und in Berlin ist es sonst überall sauteuer.
"Du hast Tua die Bilder geschickt?", ziehe ich überrascht die Augenbrauen hoch.
"Ihm und Tim", streckt sie mir die Zunge raus. "Sie sind die ausgewählten, objektiven Gutachter."
"Also ...?", stellt Mika den Ansatz der Frage in den Raum, die er eigentlich anbringen möchte.
Pari und ich nicken synchron.
"Wir nehmen sie", wende ich mich an die beiden Frauen, die uns geschäftsmäßig gegenüber sitzen.
"Sehr schön", lächelt die Maklerin, sie ist vollkommen zufrieden mit sich.
"Möchten Sie den Vertrag direkt unterzeichnen?", reicht sie uns einen Stift und Mika ist der Erste. Beim Kritzeln seiner Unterschrift atmet er erleichtert aus. Da hat er die Obdachlosigkeit offensichtlich umgangen. Pari setzt ihr Kürzel als nächstes darunter und ich unterschreibe als Letzte.
"Dann ist es amtlich", verkündet unsere Maklerin feierlich. "Glückwunsch zur neuen Wohnung!"
Wir danken ihr und der Vermieterin. Als wir uns verabschieden, fällt mir Mikas Versprechen wieder ein.
"Saufen?", erinnere ich mich. "Auf deine Rechnung?"
"Auf geht's, aber vorher leihen wir uns Jonas Auto und fahren an den See."
"Um am See zu saufen und darauf zu warten, dass wir wieder nüchtern werden?", spielt Pari die Schockierte.
"Wie in alten Zeiten", hebt Mika seine Hände und Pari und ich schlagen links und rechts ein.
Wenig später machen wir in Jonas Auto vor dem Supermarkt halt.
"Ich will drinbleiben", quengle ich und Pari schließt sich nörgelnd an, weshalb Mika schnell das Weite sucht.
Meine beste Freundin versteckt ihre Freude nicht und erzählt mir etwas aufgedrehter als unbedingt notwendig, dass Tim sofort auf ihre Nachricht geantwortet hat und darin erwähnt hat, er würde uns zum Einzug auf jeden Fall besuchen.
"Bist du verliebt?", will ich wissen.
"Nein, aber ein bisschen verknallt vielleicht", erwidert sie und wird dabei niedlich rosa um die Wangen und die Nase rum.
Jemand klopft an unsere Scheibe und ich springe fast vom Sitz, aber es ist nur Mika. Bei ihm ist allerdings ein Gesicht, dass ich nicht erwartet hätte.
"Jenn? Ganz andere Ecke", steige ich verwirrt aus und umarme sie kurz.
"Wir holen Nikos Sachen bei Vic ab", erklärt sie und ich nicke sanft. Ja, er hatte sowas erwähnt. Eine hässliche Trennung. Leider habe ich nicht ordentlich zugehört, ich war zu sehr mit diesem Kerl beschäftigt, der mir scheußlich gefehlt hat. Ich sollte jetzt wirklich langsam anfangen, die gute Freundin zu sein, die ich ihm vorher war.
"Wie habt ihr euch getroffen?", blicke ich zwischen ihr und Mika verwundert hin und her.
"Er hat seinen Ausweis vergessen, ich hab ihm aus der Patsche geholfen. Gut reagiert übrigens", komplimentiert sie ihm und sie geben sich einen High Five.
Zum Abschied winken wir uns und dann geht es los: "Du hast so ein Babyface, dass du an Supermarktkassen deinen Ausweis vorzeigen musst, wenn du Alk kaufst?!", lacht Pari und ich steige mit ein.
"Wahrscheinlich halten sie dich für maximal zwölf, wenn sie dich sehen mit deinen propperen Bäckchen!", kneife ich ihn.
"Ey!", wehrt er uns ab. Sein Lachen dabei nimmt dem Ganzen jedoch die Schärfe. "Die wollen mich ärgern. Bitte, welcher Zwölfjährige hat meine tiefe Stimme?", verteidigt er sich und eigentlich müssten wir ihm dieses Argument gewähren. Bloß weil wir seine Freundinnen sind, ziehen wir ihn weiter auf.
"Mika, du brauchst einen Schnuller, dein Babyjammern hört sich keiner von uns gerne an", verschränke ich die Arme vor der Brust.
"Pass auf, dass du dich bei deinem Rumgebrüll nicht bespeichelst. Die Spucketröpfchen landen nicht auf deinem Lätzchen, sondern auf deiner Kleidung", fügt Pari hinzu.
"Wer von uns sind die Babys, hä?", grummelt er und steuert den Wagen in Richtung Stadtrand und zum Tegeler See, obwohl es Winter ist. Irgendwie ist es dort trotzdem cool, selbst bei eisigen Temperaturen.
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