winter ; kapitel 4


kapitel vier

"Du siehst aus wie 'ne fucking Lesbe."

Izzy rollt bei Tobias' Kommentar mit den Augen, dabei ist er nicht einmal ihr gewidmet, sondern Mae, die mit ihnen am Tisch sitzt. Erster Schultag nach den Ferien und direkt, natürlich, eine Gruppenarbeit. Wer hätte es in Geschichte anders erwartet?

Mae starrt nur auf das Arbeitsblatt vor ihr, dreht ihren Stift in der Hand. Ihre neue Frisur - Kurz, unordentlich, gefärbt in einem zu künstlichen blond - scheint nicht nur Tobias' Aufmerksamkeit auf sich gezogen zu haben: Es sind genug Leute im Raum, die ihrem Tisch Blicke zuwerfen. Lächerlich.

Wäre sie nicht ausgerechnet mit diesen beiden in einem Boot, dann wäre ihr die Trennung herzlich egal. Aber so - Tobias' bissige Kommentare, Maes Schweigen, die Luft zwischen ihnen vergiftet von ungesagten Worten? Das hätte sie sich auch sparen können. Aber Izzy arbeitet sowieso lieber allein, und sie bezweifelt, dass diese beiden ein Problem damit haben würden.

Tobias schreibt ein Datum auf die Ecke des Blatts vor ihm. "Du wirst das sowas von bereuen, übrigens."

Mae schiebt sich die Haare aus der Stirn - Sie sind genau auf der Länge, bei der sie ihr in die Augen fallen, jedenfalls vorne; hinten sind sie kürzer. Der ganze Schnitt wirkt nicht gut durchdacht. "Und was geht dich das an?"

"Ziemlich viel."

Izzy ist kein Verfechter der Annahme, dass ein Freund die eigene Frisur bestimmen sollte (denn, das zweifelt sie nicht an, die beiden werden früher oder später wieder zueinander finden), aber sich einzumischen, wäre unsinnig. Als würde Tobias ihr zuhören. Stattdessen greift sie nach einem Textmarker und Bleistift und überfliegt die ersten Zeilen des Textes über Revolutionen.

"Was kommt als nächstes?", fragt Tobias, Hohn in seiner Stimme. "Blau? Pink? Schlimmer kannst du es eh kaum noch machen."

"Ich sagte doch, es geht dich nichts an." Maes Augen sind auf den Text fixiert, aber Izzy ist sich sicher, dass sie ihn nicht liest. Sie selbst unterstreicht eine Zeile, während sie mit halbem Ohr der Diskussion zuhört.

"Du musst das nicht zu tun, um zu zeigen, dass es dir scheiße ohne mich geht. So 'ne Nummer schieben ist nicht cool. Rede einfach mit mir, weißt du?"

"Klar." Mae lacht bloß. "Weil du den Scheiß nicht abziehst."

Jetzt legt Izzy den Stift doch bei Seite und blick zu Tobias. Maes Blick ist auf seinen Hals gerichtet, wo unter seinem Hoodie ein Knutschfleck hervorschaut. Izzy war davon ausgegangen, dass der von irgendeiner Versöhnungssex-Gone-Wrong-Situation kommt, aber Maes Blick sagt etwas anderes.

Teenager, will Izzy murmeln, als wäre sie nicht die Jüngste von ihnen.

"Nicht alle von uns tun Dinge nur aus Verzweiflung, Mae."

"Ich -"

"Herr Kleih, Frau Faber-Tettau, ich möchte Sie bitten, Privatgespräche einzustellen", unterbricht Herr Jäschke die Konversation.

Izzy ist froh über die Möglichkeit, sich wieder dem Text zuzuwenden. Sie weiß nicht, wie sie die Wochen, die sie an diesem Projekt arbeiten werden, überleben soll, und das am besten, ohne dabei ihren verdammten Schnitt wegen Liebesdrama zu ruinieren. Sie würde das Projekt ganz an sich reißen, wenn das nicht heißen würde, mehr Arbeit zu machen, als sie sich im Abschlussjahr leisten kann.

Tobias wirft Mae einen letzten Blick zu, ehe er das Blatt vor sich in Augenschein nimmt. "Immerhin haben wir dich, was?", meint er an Izzy gewandt. "Du bist doch schlau und so."

Manchmal bezweifelt Izzy das. Sie zuckt mit den Schultern.

"Ich meine, du kannst den Scheiß hier, richtig? Komm, was sollen wir überhaupt machen? Hab leider überhaupt nicht zugehört."

Wahrscheinlich ist er wegen der Gruppeneinteilung beschäftigt gewesen. Man würde meinen, wenn Lehrer Gruppen durch Abzählen erstellen, würden sie wenigstens schauen, wer in einem Team landet - Aber nein. "Essays", erklärt Izzy, "Die kurz den Ablauf dieser drei Revolutionen schildern, und eins, das sie vergleicht."

"Kein Bock." Tobias blättert durch die Seiten. "Und wir schreiben das zusammen?"

Das ist vielleicht Herrn Jäschkes Plan gewesen, aber wenn Izzy sich ihre Gruppenmitglieder ansieht, bekommt sie das Gefühl, daraus wird nichts werden. "Wir können aufteilen."

"Cool. Ich mach die französische", entscheidet Tobias, legt den Text darüber ganz nach oben, und nimmt einen abgekauten Bleistift in die Hand, ohne ihn zu benutzen.

Izzy hat den Text zur Hälfte gelesen, aber das ist die Diskussion nicht wert. "Okay. Mae?"

Sie schiebt sich erneut Haare aus der Stirn und zuckt mit den Schultern. "Keine Ahnung. Was willst du?"

Izzy betrachtet die beiden übrigen Themen. "Oktoberrevolution?"

"Klar." Mae durchsucht ihre Tasche, bis sie einen Kugelschreiber daraus hervorzieht. Er macht Werbung für eine Versicherung. "Wer macht den Vergleich?"

"Kann ich machen. Mein Text ist eh nicht so lang." Das ist eine Lüge. Sie ist sich sicher, dass die anderen das wissen, aber es ihnen egal ist: Hauptsache, es ist eine Entschuldigung. Izzy dreht ihren eigenen Kuli zwischen den Fingern. "Wenn das kein Problem für euch ist?"

Keine Antwort. Auch eine Antwort.

"Super." Izzy setzt ein falsches Lächeln auf. Herr Jäschke tendiert dazu, viel zu reden, ohne viel zu sagen, also ist die Stunde beinahe vorbei. "Bis nächste Woche Texte lesen und ein paar Notizen machen, okay?"

Wieder keine Antwort. Immerhin besser als der nächste Streit.

Als es endlich, endlich klingelt, schiebt sie ihre Sachen schneller als sonst in ihre Tasche und springt auf. Durch den Raum möchte sie Jules einen verzweifelten Blick zuwerfen, auch, wenn sie weiß, was sie zurückbekommen wird: Ein unverständliches Stirnrunzeln; eine hochgezogene Augenbraue; ein Augenrollen - Iz, was ist jetzt schon wieder dein Problem? Nur selten wirft ihr Bruder ihr ein Lächeln zu, das sagt, dass er sie versteht, doch heute ist er nicht in der Stimmung dazu. Tatsächlich blickt er nicht zu ihr auf, als er aus der Tür hechtet, noch schneller als sie. Sein Kopf ist gesenkt, seine Schritte eilig.

Izzy folgt ihm langsamer, während Mae hinter ihr einen letzten Kommentar macht, den sie nur mit halbem Ohr hört.

***

Beschissener Morgen. Einfach nur beschissener Morgen.

Jules vergräbt die Hände in den Jackentaschen, obwohl sie trotz des Wetters nicht frieren. Seine Schritte tragen ihn aus dem Gebäude und dem Schulhof hinaus - zwanzig Minuten? hier? - zu dem Bäcker, der nicht direkt neben der Schule ist, sondern zwei Straßenecken weiter; wo der Kaffee schmeckt wie Wasser und die Brötchen nie ganz frisch.

Er ist sich nicht sicher, ob die Leute ihn anders ansehen. Ob er anders aussieht, abgesehen von den Ringen unter seinen Augen. Luka hat ihn gefragt, aber sie kennen sich kaum, und er hat nur "Sorge wegen dem Test" gemurmelt und sich an seinen Text gesetzt. Eigentlich (eigentlich) ist der Test kein Thema: Jules ist gut in Mathe. Aber seine Gedanken drehen sich so sehr im Kreis, dass ihm übel wird. Sich auf Funktionen zu konzentrieren ist keine Option.
Er bestellt sich einen Kaffee, schwarz, und lässt seinen Blick durch den Laden schweifen. Ein paar Achtklässler sitzen um einen Tisch herum und quatschen; eine ältere Frau sitzt in der Ecke über die Tageszeitung gebeugt; am anderen Ende des Raums sitzt - Oh.

Er sagt der Bäckerin, sie könne das Wechselgeld behalten, und setzt sich gegenüber von Lynx hin. Dieser hat Kopfhörer drin und bricht Stück für Stück von einem großen Haferkeks ab. Erst, als Jules energisch eine Melodie auf dem Tisch klopfte, nahm er einen Stöpsel aus den Ohren und verschränkte die Arme, einen verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht.

"Hallo Komplize." Jules trank einen Schluck von dem Kaffee. Schlecht.

"Das, was dir an Silvester passiert ist, ist so schlimm, dass du dich jetzt mit mir abgibst?" Es schien Lynx egal zu sein, dass er mit vollem Mund sprach. "Muss wirklich ernst sein."

"Ich wollte mir nen Kaffee holen und habe dich gesehen."

"Diese Plörre? Gib's zu, du hast keine bessere Option." Lynx spricht zu laut für jemanden, der gerade die Bäckerei beleidigt. "Also - Was ist passiert? Hast du jemandem Feuerwerk ins Gesicht fliegen lassen? Jemanden beleidigt? Irgendjemandem langweiligen Nerdkram erklärt und er war so genervt, dass er dich verprügeln musste?"

Gegen seinen Willen muss Jules lachen. "Ich habe versucht, zu erklären, wie Verschlüsselungsprogramme funktionieren."

"Bitte nicht weiter ausführen. Ich möchte nicht über Zahlen nachdenken."

"Sorge wegen dem Test?"

"Darüber bin ich hinweg. Solange ich mein Abi bestehe..." Lynx zuckte mit den Schultern. "Ich will eh nichts machen, wofür ich das brauche. Wozu der Stress?"

"Trotzdem viel Glück, schätze ich."

Er lacht bloß. "Danke?" Dann schiebt er Jules ein kleines Stück Haferkeks herüber. Der größte Teil ist von ihm zerkrümelt worden. "Du siehst nicht aus, als hättest du gefrühstückt. Ich brauche dich fit für unsere Pläne."

Jules spült das Stück mit zu heißem Kaffee herunter. Staubig. Es hat seine Gründe, dass sich hierhin nur Leute verirren, die anderen Leuten aus dem Weg gehen wollen - Leute, zu denen er nun anscheinend gehört.

"Also - ich sollte abhauen. Wenn man uns zu lange zusammen sieht, wirkt das noch verdächtig." Lynx lacht und schiebt ihm die letzten Überlebenden des Keks-Massakers zu. "Schmiergeld."

"Danke?"

"Aber falls du dich gleich in Mathe zu mir setzen willst, der Platz ist frei. Ich könnte wen gebrauchen, bei dem ich abschauen kann."

Bevor Jules etwas erwidern kann, ist er aus der Tür.



hab die letzte woche nichts gemacht außer hollow knight spielen also kommt das update erst jetzt upsi

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