🦋Kapitel 46🦋
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»Matt, warum räumst du deine Tasche in den Kofferraum?«, höre ich Bens Stimme am nächsten Morgen hinter mir, als ich gerade meine Tasche in mein Auto hieve, und ich drehe mich zu ihm um. Da es nichts bringen würde, nach meinem Geständnis noch hierzubleiben, möchte ich weg, weg von hier und weg aus Leyas Leben. Sie habe ich, seit sie gestern weggelaufen ist, nicht mehr gesehen. Natürlich habe ich versucht, sie anzurufen, weil ich mir Sorgen mache. Aber sie hat, wie nicht anders zu erwarten, nicht abgehoben.
»Also? Was ist los?«, reißt mich Ben aus meinen Gedanken, weil ich ihm bisher noch nichts auf seine Frage entgegnet habe.
Ich hole tief Luft, ehe ich ihm antworte: »Ich reise ab. Alles Weitere wird dir Leya erklären. Es tut mir leid. Ich wünsche euch eine schöne Hochzeit und eine wundervolle Zukunft miteinander«, erwidere ich, öffne die Beifahrertür, und Nuala hüpft direkt hinein.
Gerade als ich zur Fahrerseite laufen möchte, stellt sich mir allerdings Ben in den Weg. »Moment mal, wie meinst du das? Habt ihr Streit?«
Ich seufze. »Mehr als das, Ben. Glaub mir, frage besser Leya. Mach es gut«, entgegne ich, umrunde ihn, steige schnell in mein Auto und fahre davon.
Während ich um die Ecke auf die Straße abbiege, sehe ich auf einmal Leya, wie sie auf dem Gehweg zum Haus ihrer Eltern läuft. Ihr Gesicht ist ganz blass und ihre Augen sind gerötet. Mir zieht es bei ihrem Anblick das Herz zusammen, weil ich weiß, dass ich dafür verantwortlich bin. Als sie mich ebenfalls entdeckt, sieht sie mir direkt mit einem so schmerzhaften Ausdruck in die Augen, dass ich den Blick schnell vor ihr abwende, sonst würde sie die Tränen sehen, die mir jetzt über meine Wangen laufen. Verdammt, es schmerzt so sehr, sie nun verlassen zu müssen. Aber es geht leider nicht anders. Es muss sein. Ich weiß zwar noch nicht, wie ich ohne sie weiterleben soll, wahrscheinlich geht das gar nicht, aber es gibt leider keinen anderen Ausweg.
In den darauffolgenden Tagen funktioniere ich nur noch mechanisch. Ich packe meine Sachen zusammen und löse meine Wohnung auf. Da ich die Möbel nicht mitnehmen kann, werden sie mit zum Verkauf angeboten. Weil ich den Verkauf nicht selber überwachen kann, übernimmt das ein Makler für mich, den ich gerade verabschiede.
»Also dann, Mr O'Connor, ich wünsche Ihnen in New York alles Gute. Sobald es etwas zwecks Ihrer Wohnung zu berichten gibt, werde ich mich bei Ihnen melden«, sagt er an meiner Wohnungstür zu mir, reicht mir seine Hand, die ich zum Abschied schüttle, und geht zum Aufzug, der ihn nach unten bringt.
Als ich mich umdrehe, fällt mir plötzlich Leyas mintgrüne Sweatjacke auf, die hinter meiner Leder- und Jeansjacke hervorblitzt und die hinter ihnen an meiner Garderobe hängt. Ich nehme meine Jacken vom Haken und hänge sie daneben. Vor ihrer Jacke stehend, streife ich mit meinen Fingerspitzen darüber und nehme sie schließlich in die Hände. Sofort steigt mir ihr unverkennbarer Duft, der an ihr haftet, in die Nase. Sie hatte sie so oft an, als sie hier war, und ebenso oft habe ich sie ihr auch ausgezogen. Ich sollte sie ihr irgendwie zukommen lassen, da es ihre Lieblings-Sweatjacke ist. Noch als ich überlege, wie ich das am besten tun könnte, piept mein Handy und signalisiert mir damit, dass eine neue Nachricht eingegangen ist. Ich gehe zu meiner Couch, lege ihre Jacke darauf und nehme mir mein Handy vom Tisch. Als ich es entsperre, sehe ich, dass die Nachricht von Chris ist, dem ich vor ein paar Stunden eine Nachricht geschrieben habe.
*Hallo Matt, ich war echt überrascht, von dir zu hören. Du sollst wissen, dass ich das, was du mit Leya gemacht hast, bei Weitem nicht gutheiße. Aber hier geht es ja nicht um sie, sondern um Nuala. Ich kann verstehen, dass du sie nicht mit nach New York nehmen kannst, deshalb sage ich dir zu, dass ich sie nehmen werde. Auch wenn Ben davon noch nichts weiß, aber das regle ich schon. Bitte bringe sie morgen gegen zehn Uhr ins Fotostudio. Da sind Ben und Leya bei einem Außentermin und ihr lauft euch nicht über den Weg. Ich denke, das möchtest sowohl du als auch die beiden vermeiden. Chris*
Nachdem ich die Nachricht gelesen habe, schreibe ich ihm direkt zurück, dass ich ihm Nuala bringen werde. Leider kann ich sie tatsächlich nicht mit nach New York nehmen und mir blutet das Herz. Phoebe kann sie leider nicht nehmen, Leya aus bekannten Gründen auch nicht, und da ist mir als letzte Möglichkeit nur noch Chris in den Sinn gekommen. Somit habe ich es auf gut Glück heute bei ihm versucht und angefragt. Da Ben und er erst in der zweiten Jahreshälfte in ihre Flitterwochen fliegen, wusste ich, dass sie zu Hause sind.
Auch wenn ich Leya doch noch gerne gesehen hätte. Obwohl es sowohl Folter für sie wie auch für mich gewesen wäre, ist es natürlich besser, wenn wir uns nicht über den Weg laufen. Scheiße, meine Gedanken schweifen schon wieder zu ihr ab. Ich vermisse sie so sehr. Ihre Nähe, ihr Lachen, ihre Stimme, ihren Geruch, ihre Berührungen, ihre Küsse und ja, auch den Sex mit ihr. Seufzend nehme ich ihre Jacke wieder in die Hand. Ich drücke sie an mich, setze mich aufs Sofa und lasse das erste Mal seit dem schicksalhaften Abend, an dem ich ihr alles gebeichtet habe, meine Gefühle und Trauer über das Scheitern unserer Beziehung richtig zu und fange an zu weinen. Ich bin normalerweise keiner, der anfängt zu weinen, aber das hier ist etwas ganz anderes und verlangt auch mir einiges ab, auch wenn ich schuld an der ganzen Scheiße bin.
Nuala bemerkt das, hüpft zu mir aufs Sofa und stupst mich mit ihrer feuchten Nase an. Als ich sie anschaue, sitzt sie neben mir, hat ihren Kopf schief gelegt und wimmert.
»Ach, meine Kleine, ich danke dir, dass du mich trösten möchtest. Aber das bringt hier und heute leider nichts. Leider muss ich auch dich zurücklassen. Nicht nur Leya...« Bei meinem letzten Satz bildet sich ein Kloß in meinem Hals. Sie kommt darauf zu mir und legt ihren Kopf auf meinen Oberschenkel. Ich beginne sie hinter ihrem rechten Ohr zu streicheln und merke, wie ich mich wieder etwas beruhige. Verdammt nochmal, warum gibt es nur keinen anderen Ausweg? Gestern habe ich noch ein letztes Mal versucht, meinen Vater umzustimmen, aber auch dieses Mal leider ohne Erfolg. Er hat mir wieder klargemacht, wie wichtig das alles für die Firma, für mein Erbe ist. Ich bin so ein Idiot, warum habe ich nicht von vornherein mit Leya über all das geredet? Vielleicht wäre sie sogar mitgekommen? Wobei, das geht leider nicht, da gibt es ja auch noch die andere Vereinbarung, von der Leya nichts weiß, und das ist auch so am besten. Denn ich glaube, das würde sie nicht verkraften, und Ben würde mich wahrscheinlich umbringen. Das wäre nun aber auch egal, weil mein Herz eh schon gebrochen ist und das somit wohl eher eine Erlösung wäre.
In dieser Nacht finde ich, schon wie in den letzten Nächten, sehr schwer in den Schlaf, weil ich stundenlang wach liege und grüble, was Leya wohl gerade macht und wie es ihr geht. Auch ob es ihr gesundheitlich wieder besser geht, da sie ja angeschlagen war. Dass ich heute ihre Jacke neben mich gelegt habe, macht die ganze Sache nicht besser. Man kann es auch insofern bezeichnen, dass ich mich selber damit quälen möchte, und wahrscheinlich tue ich das auch. Nur ist das für mich auch so etwas wie ein Abschied, ein Abschied von ihr, ein Abschied von einem wundervollen Leben, das ich mit ihr eine Zeit lang teilen durfte.
Als ich am nächsten Morgen ziemlich gerädert gegen fünf Uhr aufstehe, mit Nuala kurz Gassi gehe, ehe ich danach ins Gym gehe, schweifen meine Gedanken wieder zu ihr ab. Ob ich meiner Sehnsucht nachgeben und ihr eine Nachricht schreiben soll? Nur was schreibe ich rein? Wie geht's dir? Das wäre sehr ironisch, weil ich weiß, wie's ihr geht - wie mir beschissen, nein, ich denke, sogar viel schlechter. Ich verwerfe deshalb den Gedanken daran schnell wieder. Als ich im Gym bin, powere ich mich so dermaßen beim Hanteltraining aus, dass ich dadurch tatsächlich für geraume Zeit an etwas anderes als an sie denke. Nachdem ich danach wieder zu Hause angekommen bin, dusche ich und packe Nualas Sachen zusammen, wobei sie mich mit schief gelegtem Kopf beobachtet und mein Herz abermals schwer wird. Sobald schließlich das erledigt ist, verlasse ich zusammen mit ihr um fünfzehn Minuten vor zehn meine Wohnung, um sie pünktlich zu Chris ins Studio zu bringen. Gerade als ich allerdings mit ihr um die Ecke meines Wohnhauses laufe, sehe ich Violet auf der anderen Straßenseite stehen. Natürlich entdeckt sie mich und ruft lauthals über die ganze Straße meinen Namen. Augenverdrehend bleibe ich stehen und warte, bis sie über die Straße zu mir gelangt ist. Während sie vor mir zum Stehen kommt, knurrt Nuala sie direkt an. Mein Hund ist in der letzten Zeit sehr selbstbewusst geworden. Das liegt vor allem an Leya, die mit ihr immer wieder geübt hat, dass sie vor nichts Angst zu haben braucht.
Violet straft sie mit einem bösen Blick, wendet sich dann aber mir zu. »Guten Morgen, Matthew, wie passend. Ich wollte gerade zu dir.«
»Zu mir? Warum?«, frage ich sie leicht genervt, weil sie mir heute wirklich noch gefehlt hat.
»Kannst du dir das denn nicht denken? Ich wollte mit dir noch die letzten Einzelheiten zu dem Abflug in zwei Tagen besprechen. Wo gehst du hin?«, fragt sie, mustert mich von oben bis unten und deutet dabei auf die Tasche mit Nualas Sachen darin.
Ich atme tief durch, ehe ich ihr antworte: »Ich habe noch etwas zu erledigen. Sobald ich dies getan habe, melde ich mich bei dir und wir können das besprechen, weshalb du hier bist«, antworte ich ihr so ruhig wie möglich, weil mich nur ihre pure Anwesenheit einfach nur nervt, und ich hoffe, dass sie sich drauf einlässt und nochmal verschwindet.
Mir mit ihrem rechten Zeigefinger über meinen blanken Unterarm streichend, macht sie meiner Hoffnung aber einen gehörigen Strich durch die Rechnung. »Das wäre doch Schwachsinn, Matt, ich begleite dich einfach kurz und danach können wir ja irgendwo schick essen gehen und reden«, sagt sie und grinst mich dümmlich an.
Verdammt, so war das eigentlich nicht geplant. Ich wollte Nuala alleine zu Chris bringen. Zudem hatte ich heimlich gehofft, Leya doch noch einmal sehen zu können, auch wenn es weh tun wird. Aber nun mit ihr an der Backe wird das eher nicht so prickelnd werden. Nur bringt abwimmeln wohl auch nichts.
»Na gut, dann komm halt mit. Ich muss zu Ben beziehungsweise Chris ins Fotostudio, er nimmt Nuala«, gebe ich nach und setze sie darüber in Kenntnis, wohin mich mein Weg führt. Natürlich auch mit dem kleinen Fünkchen Hoffnung, dass sie das abschreckt, weil sie und Ben ja nicht die besten Freunde sind, aber nein.
»Ich wüsste zwar etwas Besseres, aber das wird nicht der letzte unangenehme Moment sein, den wir in der nächsten Zeit miteinander teilen. Ebenso wie gute Momente«, antwortet sie und läuft voraus.
Bei ihren letzten Worten spanne ich mich automatisch an, da sie mich an genau diese beschissene Tatsache erinnert, eben dass wir leider mehr Zeit ab übermorgen miteinander verbringen, als mir lieb ist. Ich atme schließlich tief durch, entspanne mich wieder ein wenig und gehe ihr nach.
Um kurz vor zehn Uhr stehen wir vor dem Studio und ich öffne die Tür. Nachdem ich Nuala abgeleint habe, stürmt sie sofort auf Chris zu, der schon auf mich beziehungsweise uns zugelaufen kommt. Nachdem er ihr über den Kopf gestreichelt hat, schaut er uns mit hochgezogener Augenbraue an.
»Guten Morgen, Chris«, ergreife ich das Wort.
»Guten Morgen, Matt«, erwidert er in meine Richtung. Violet begrüßt er lediglich mit einem Nicken, weshalb sie empört aufschnauft.
Wir beachten sie aber nicht weiter, und ich folge Chris, der zur Küche des Studios geht. Violet stolziert hinter uns her, sagt aber nichts mehr weiter dazu.
Nachdem Chris Nuala eine kleine Wasserschüssel vor die Nase gestellt hat, erinnert mich das unmittelbar daran, dass das Leya bei unserem Wiedersehen auch direkt gemacht hat. Hach ja, Leya..., schweifen meine Gedanken unmittelbar wieder zu ihr ab.
Um nicht weiter an sie zu denken, räuspere ich mich. »Ey, danke, dass du Nuala nimmst, ich wüsste nicht, wem ich sie sonst anvertrauen könnte.«
»Klar, kein Problem. Ben weiß zwar noch immer nichts davon, aber er kann mir keinen Wunsch abschlagen, von daher geht das klar. Ich werde nachher mit ihm reden, wenn er wieder da ist«, entgegnet er und nimmt Nualas Tasche ab, die ich ihm gerade reiche.
»Ja, mache das. Wenn es aber trotzdem ein Problem damit gibt, melde dich bitte bei mir. Dann finde ich eine andere Lösung. Denn ich denke, er ist auf mich auch nicht gerade gut zu sprechen. Da würde ich das sogar verstehen«, antworte ich.
Chris schüttelt mit dem Kopf. »Sagen wir so, du solltest froh sein, dass er gerade nicht hier ist. Aber der Hund kann ja nichts dafür, demnach wird das kein Problem sein.«
Noch bevor ich etwas erwidern kann, kommt allerdings ein »Was wird kein Problem sein?« aus dem hinteren Teil des Studios, und das sollte für mich das Signal sein, nun schnellstens zu gehen. Denn die Stimme gehört zu Ben, dessen Schritte immer näher kommen. Als er mich schließlich entdeckt, bleibt er wie angewurzelt stehen, und ich kann sehen, dass er nicht erfreut darüber ist, weil er seine Hände zu Fäusten ballt und mich empört ansieht.
»Was zur Hölle machst du hier?«, fragt er mich wütend und kommt auf mich zu. Als er allerdings Violet entdeckt, bleibt er wieder stehen. »Und vor allem, was macht ihr zusammen hier?« Dabei blickt er zwischen ihr und mir hin und her.
»Schatz, bitte, beruhige dich. Matt hat mir nur Nuala gebracht, sie wird von jetzt an bei uns bleiben. Warum, erkläre ich dir. Zudem wollten sie eh gerade gehen«, tritt nun Chris an Bens Seite, legt ihm die Hand auf seine Schulter und schaut uns eindringlich an.
Ich nicke Chris zu, beuge mich zu Nuala runter, die sich neben mich setzt, und kraule sie noch ein letztes Mal hinter ihrem rechten Ohr. »Also, meine Kleine, sei schön artig. Chris und - ich bin mir sicher - auch Ben werden sich gut um dich kümmern. Du wirst mir sehr fehlen. Ich habe dich lieb«, flüstere ich ihr zu und merke, wie meine Augen feucht werden, und blinzle deshalb einmal, damit mir nicht hier noch die Tränen kommen. Nuala schaut mich traurig wimmernd an, leckt mir einmal übers Gesicht, dreht sich danach allerdings um und läuft Schwanz wedelnd davon. Als ich mich aufrichte, sehe ich auch, warum. Denn mit etwas Entfernung steht hinter Ben und Chris wie versteinert Leya und schaut zwischen mir und Violet mit offenem Mund und Tränen in den Augen hin und her.
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