🦋Kapitel 03🦋

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Total durcheinander ergreife ich meine Jacke und gehe vor die Tür des Studios. Ich brauche etwas Luft, um wieder auf klare Gedanken zu kommen. Heute habe ich wirklich mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass ich Matthew wiedersehe. Dass ich ihn überhaupt jemals wiedersehe. Und dass ich nochmal den Namen Leya von ihm ausgesprochen höre. Denn er ist bisher der Einzige, der diesen Namen je gesagt hat. Die meisten nennen mich Cataleya und Ben darf mich Cat nennen. Nur Matt meinte damals im Camp, er findet Cataleya viel zu lang, und sagte von da an Leya zu mir. Vor allem ist das wirklich ein verrückter Zufall, dass ich ihm ausgerechnet heute wieder begegne. Insbesondere mit dem Zusammenhang, dass ich erst heute Morgen die Box mit den Erinnerungen an unser gemeinsames Feriencamp wiedergefunden und die Dinge darin angeschaut habe.

Matt sieht so verboten gut aus, mit seinem Dreitagebart, ja sogar noch viel besser als damals. Bei dem bloßen Gedanken daran, wie er mich vorhin angeschaut hat, bekomme ich wieder Herzklopfen. Und dazu riecht er noch so gut, das konnte ich gerade, als wir zusammengestoßen sind, ganz deutlich wahrnehmen. Es wundert mich auch irgendwie gar nicht, dass er Model geworden ist, er sah ja schon mit siebzehn zum Niederknien aus.

Da ich leider in den letzten zwei Jahren nichts mitbekommen habe, was Models usw. anging, habe ich nicht wissen können, dass er eine Karriere als Model gestartet hat. Sonst wäre er mir womöglich schon ein wenig früher wieder aufgefallen. Ich war aber viel zu sehr mit mir beschäftigt. Und ich sollte mich sowieso weiterhin auf mich konzentrieren. Zumal ein Mann in meinem Leben im Moment falsch wäre, es würde sich momentan einfach nicht richtig anfühlen. Warum muss nur alles so scheiß kompliziert sein?

Während ich mit dem Rücken gegen die Wand neben der Tür gelehnt dastehe und weiter über das Wiedersehen mit Matt nachdenke, geht plötzlich diese auf und Ben kommt heraus.

Er mustert mich eindringlich. »Ah, hier bist du. Ich habe dich schon gesucht.«

Die Arme um meinen Oberkörper schlingend erwidere ich leise: »Ja, ich musste mal kurz frische Luft schnappen.« Und das ist nicht mal gelogen, das überraschende Wiedersehen hat mich völlig überrumpelt und ich muss wieder einen klaren Kopf bekommen.

»Liegt das vielleicht an Matt?«, fragt er schmunzelnd, kommt langsam auf mich zu und stellt sich vor mich. Mist, er kennt mich einfach zu gut. Leugnen ist wahrscheinlich zwecklos.

Mir auf der Unterlippe herumkauend, überlege ich, was ich genau antworte. Ich habe Ben nämlich bisher noch nie von Matt erzählt.

»Ja, das kann gut möglich sein. Ich habe nur nicht erwartet, ihn heute wiederzusehen, nach so langer Zeit«, antworte ich dann aber wahrheitsgemäß und mir fällt wieder ein, wie unwirklich das alles doch ist.

Ben mustert mich aufgrund meiner Aussage nochmal und Neugierde liegt in seinem Blick. »Demnach kennt ihr euch von früher?«, fragt er und grinst mich an. Ich kenne diesen Blick von ihm und ich weiß, dass er nicht eher Ruhe geben wird, bis ich ihm sage, was es mit Matt auf sich hat.

Ich nicke. »Weißt du, es gab eine Zeit, bevor du, deine Eltern und...« Ich stocke, ehe ich weiterrede. »Neben uns gezogen seid.« Bei dem Gedanken an die Person, bei der es mir schwerfällt, den Namen auszusprechen, muss ich hart schlucken und wende meinen Blick von Ben ab. Es fällt mir nach wie vor schwer, ihn zu sagen. Auch zwei Jahre später noch. Die Tränen, die sich dabei unaufhaltsam in meine Augen drängen, versuche ich wegzublinzeln.

Ben tritt neben mich und legt zaghaft den Arm um meine Schultern. »In knapp acht Wochen jährt es sich zum zweiten Mal«, flüstert er.

Ich lehne mich an Ben, der mich augenblicklich noch fester hält, als er es eh schon tut, da mir auf einmal ein kalter Schauer über den Rücken jagt und ich seine Nähe nun brauche.

»Ja, weißt du schon, was du an dem Tag machen wirst? Er fällt auf einen Samstag dieses Jahr«, wispere ich traurig und schlucke den Kloß herunter, der sich gerade in meinem Hals bildet.

Ben kickt einen kleinen Stein weg, der an seinem Fuß liegt. »Ich werde wohl zu meinen Eltern fahren. Und du?«, antwortet er leise.

»Ich denke, ich werde zu Hause sein...«, erwidere ich, schlinge meine Arme um mich und schaue dem Stein nach, den Ben soeben weggeschossen hat.

»Cat, ich finde es nicht gut, dass du alleine bist an dem Tag. Möchtest du mich nicht begleiten? Dann könntest du auch deine Eltern besuchen«, schlägt er mir vorsichtig und mit einer besorgten Stimme vor.

»Ich überlege es mir, ja?«, entgegne ich, obwohl für mich schon der Entschluss feststeht, dass ich zu Hause bleiben werde. Ich möchte an besagtem Tag alleine sein und nicht in die angstvollen und mitleiderregenden Augen meiner Eltern blicken. Das würde ich nicht durchhalten.

»In Ordnung, überlege es dir. Ach ja, wir machen heute schon eine Stunde eher Schluss, ich habe noch einen Termin bei meinem Tätowierer«, antwortet er.

Ich drehe meinen Kopf zu ihm, um ihn direkt anschauen zu können. »Ah, beginnt er endlich damit, dein Tattoo auf deinem Rücken zu Ende zu stechen? Und das passt mir auch ganz gut, ich muss ebenfalls etwas früher los.«

»Ja, es sind noch ein paar Sitzungen. Ich hoffe, es ist bis zu dem bestimmten Tag fertig. Dann ist das ja perfekt, dass wir heute früher schließen. Hast du wieder einen deiner wichtigen Termine?«, möchte er wissen.

Ich nicke mit dem Kopf und richte meinen Blick wieder nach vorne. Ich mag es nicht, über diese eine Sache zu reden. »Lass uns lieber das Thema wechseln und wieder auf Matt zurückkommen. Du musst mir unbedingt erzählen, wie ihr euch kennengelernt habt. Wir könnten einen Filmeabend bei mir machen, wenn du möchtest. Falls du dich von Chris losreißen kannst. Oder du hilfst mir beim Auspacken der Kartons, anstatt Filme zu schauen«, schlage ich vor, da ich genau weiß, wie sehr Ben das begrüßen würde, weil er dabei mit Sicherheit auch ein paar Infos aus mir herausbekommen würde.

»Das klingt gut, lass uns später mal einen Tag deshalb veranschlagen. Ach, das wird schon gehen. Er kommt heute Abend zu mir und das wohl noch öfter. Da kann ich mir bestimmt einen Tag mal freischaufeln«, sagt er zwinkernd, ehe er fortfährt. »Du hast deine Kartons noch nicht ausgepackt?«

Ich schüttle leicht verlegen mit dem Kopf.

»Ok, dann werden wir das auf alle Fälle zuerst machen. Komm, wir müssen wieder rein. Sonst bekommt Violet noch einen Anfall und dann verschmiert möglicherweise ihr Lippenstift, weil sie dabei so viel Gift spuckt. Das wollen wir doch nicht riskieren«, erwidert er schmunzelnd und löst sich von mir.

Ich grinse. »Du scheinst sie ja sehr zu mögen.«

»Klar, merkt man das denn nicht?«, entgegnet er, ehe er so tut, als ob ihm die Spucke hochkommt und er sich gleich übergeben muss. Dann fährt er fort: »Warum Matt die noch weiter als seine Agentin beschäftigt, frage ich mich eh. Ich habe ihm schon öfters gesagt, dass er sich jemand anderen suchen soll. Und dass ich auch gute Kontakte habe, aber nein.« Dabei hält er mir die Tür zum Studio auf.

»Ben, wir müssen uns definitiv demnächst treffen und uns ausführlich unterhalten«, erwidere ich lächelnd und trete gefolgt von ihm durch die Tür.

Drinnen kommt uns Matts Hund entgegen, dicht gefolgt von ihm. Er schaut mich dabei so intensiv an, dass mein Herz einen kleinen Aussetzer hat, ehe es ganz schnell weiterschlägt.

»Oh, es geht schon weiter? Ich wollte gerade Nuala schnell zum Pinkeln rauslassen«, sagt er, wendet seinen Blick von mir ab und schaut auf seinen Hund.

Ohne lange zu überlegen, wende ich mich an Matt. »Hm, das kann ich gerne machen. Dann können Ben und du euch über die nächsten Einstellungen unterhalten«, schlage ich räuspernd vor, bücke mich und streichle dem Hund über den Kopf.

»Ja, wenn das für dich kein Problem ist«, antwortet mir Matt. »Sie heißt Nuala.«

»Alles klar, dann komm mal mit, Nuala«, wende ich mich an sie. Sie schaut mich schwanzwedelnd an und folgt mir vor die Tür. Dabei kann ich ganz deutlich Matts Blick in meinem Rücken spüren und mir wird ziemlich warm. Genauso wie damals, als ich fünfzehn war.

Als ich nach circa zehn Minuten wieder mit Nuala zurück bin, mustert mich Violet erneut abschätzend von oben bis unten, ehe sie sich abermals Ben zuwendet, mit dem sie gerade eine Diskussion hat. Automatisch schaue ich an mir herunter, ob ich irgendwie einen Fleck auf meiner Kleidung habe oder ob sonst irgendwas komisch ist, aber nein, es scheint alles ok zu sein. Warum schaut sie mich dann so komisch an?

Während ich etwas weiter ins Studio hineinlaufe, sehe ich, wie Chris mittlerweile eine andere Leinwand aufbaut, mit der er so seine Schwierigkeiten zu haben scheint, weil Matt ihm dabei hilft. Dieser trägt noch immer seinen Bademantel. Wie er wohl darunter aussieht? Um diesen Gedanken wieder loszuwerden, schüttle ich leicht mit dem Kopf. Ich darf daran gar nicht denken, schimpfe ich mich innerlich und schaue Nuala an, die sich neben mich gesetzt hat.

Es dauert allerdings nicht lange, da wettert Violet schon wieder los. »Also wenn dein Fotoassistent weiterhin so unfähig ist, dann sitzen wir in zwei Jahren noch hier und sind noch immer nicht fertig mit den Bildern. Jetzt muss schon mein Model ihm beim Aufbauen helfen.«

Matt schüttelt nur mit dem Kopf und sagt nichts zu den Worten seiner Agentin und hilft Chris weiter mit der Leinwand.

Allerdings kann Ben nicht still sein und er blafft zurück: »Lass das mal meine Sorge sein, wen ich hier beschäftige. Und nun setze dich wieder an die Bar, spiele weiter mit deinem Handy und nippe weiter an deinem Drink.«

Sie schnaubt verächtlich mit ihren Nasenlöchern, ehe sie schnippisch entgegnet: »Nun, schlimmer als das, was du hier beschäftigst, kann es ja wohl nicht mehr werden.« Dabei mustert sie mich, macht auf ihrem Absatz kehrt und stolziert wieder zurück an die Bar.

Mir kippt aufgrund ihrer Aussage die Kinnlade runter und ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll.
Was sie gegen mich hat, ist mir wirklich ein Rätsel. Sie hat mich ja schon, als sie mich das erste Mal gesehen hat, so abschätzend gemustert. Dabei hat sie mich noch nicht bei der Arbeit als Fotografin erlebt. Ben meinte, ich darf am zweiten Tag ein paar Bilder machen. Heute soll ich ihm über die Schulter schauen.

Ben bemerkt, dass ich mit offenem Mund dastehe, und flüstert mir zu: »Glaub mir, lege dich besser nicht mit ihr an. Ich mache das nur, weil es mir Spaß macht, sie zu ärgern, und weil sie bei mir meistens irgendwann aufgibt zu motzen.«

Ich nicke und blicke wieder zu Chris und Matt, die wegen Violets Aussage nun beide mit ihren Köpfen schütteln. Immerhin steht die Leinwand und wir können weitermachen.

Matt sieht mich direkt an, formt mit seinen Lippen ein »Danke« und deutet dabei auf Nuala.
Ich forme ein »Bitte« mit meinen Lippen, ehe ich hart schlucken muss, da Matt sich seinen Bademantel auszieht und er nur noch in einer grauen Anzughose und oberkörperfrei vor mir steht.

Wie war das mit ich sollte nicht mehr daran denken, wie gut er aussieht. Das wird gar nicht so einfach sein, jetzt wo ich ihn halbnackt vor mir sehe.

Mit meinen Augen wandere ich über seinen durch Muskeln definierten Oberkörper. Dabei bleibt mein Blick ganz automatisch an seinem beeindruckenden Sixpack und dem ansehnlichen V, zu dem seine Leisten verlaufen, hängen. Direkt stelle ich mir vor, wie ich mit meiner Zunge jede einzelne Vertiefung seiner Muskeln und sein V nachfahre. Um aufgrund meiner Gedanken nicht laut aufzuseufzen, beiße ich mir auf meine Unterlippe und lasse meinen Blick weiter über seine muskulären Arme nach oben zu seinen Augen wandern. Diese sind auf einmal eine Nuance dunkler als eben noch und auf meinen Mund gerichtet.

Scheiße, ist es hier drin wirklich so warm, oder ist es das nur mir? Ich merke, wie mir eine Hitze in die Wangen schießt, und löse meine Lippen von meinen Zähnen. Als sich nun unsere Blicke treffen, ist ein unsagbares Knistern in der Luft und mein Herz beginnt Saltos zu schlagen, und zwar solche, von denen ich nie gedacht hätte, sie noch einmal zu spüren. Gerade als ich mich verlegen abwenden möchte, räuspert sich Violet. Darauf blicke ich zu ihr. Sie sieht mich mit so einem vernichtenden Ausdruck in den Augen an, dass ich sicher tot umgefallen wäre, wenn Blicke töten könnten.

Nein, wir werden definitiv keine Freunde. Heute und morgen kann es ja noch heiter werden. Ich schaue von ihr weg und stelle mich zu Ben. Dieser hat das, was da gerade zwischen Matt und mir war, natürlich bemerkt und grinst mich dümmlich an.
Oh ja, ich muss ihm, wenn wir uns treffen, mit Sicherheit einige Fragen beantworten. Ich muss mich eindeutig zusammenreißen, weil ich mir so etwas wie eben nicht nochmal erlauben darf. Zumal ich gar nicht so wirklich weiß, was das eben war.

Als Ben beginnt Matt neue Anweisungen für die nächsten Posen zu geben, werde ich aus meinen Gedanken gerissen und ich bemühe mich, genau zuzuhören, was er ihm für Anweisungen gibt. Nicht dass sie mir weiterhin vorwirft, ich wäre unfähig. Und das lasse ich mir von der garantiert nicht vorwerfen. Ich kann etwas und das werde ich ihr beweisen.

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