Minchan
Minho sitzt allein in seinem Zimmer, die Dämmerung hat bereits eingesetzt und ein sanftes Licht fällt durch das Fenster. In der Hand hält er einen alten, vergilbten Brief, den er erst jetzt gefunden hat. Es ist ein Brief von Chan, seinem Ex, der vor Jahren gestorben ist. Minho hat die Worte nicht erwartet, die nun vor ihm liegen, und beim Lesen spürt er, wie sich Erinnerungen und Emotionen in ihm zusammenbrauen.
Er beginnt zu lesen:
//Hey Minho,
ich weiß nicht, ob du diesen Brief je lesen wirst. Vielleicht bleibt er nur ein weiterer Beweis meiner schwachen Momente, die ich selbst vor mir zu verstecken versuche. Aber irgendwie habe ich das Bedürfnis, dir zu sagen, was ich seit so langer Zeit in mir verschlossen halte. Was sich in mir staut und manchmal, ganz plötzlich, doch wieder herauskommt, wie ein aufgestautes Echo aus einer Zeit, in der ich dich geliebt habe. Vielleicht ist das hier mein Weg, das Kapitel wirklich abzuschließen – oder es zumindest endgültig zu versuchen. Ich kann nur hoffen, dass das, was ich hier schreibe, irgendwann alles still macht in mir.
Es ist seltsam. Da sind Tage, an denen ich wirklich glaube, es endlich geschafft zu haben. Die Tage, an denen ich aufwache und dich nicht sofort in meinen Gedanken finde. Tage, an denen ich an dir vorbeigehe, ohne dass mein Herz schneller schlägt oder meine Hände anfangen zu zittern. An solchen Tagen sage ich mir, dass es vorbei ist, dass ich dich vergessen habe. Dass ich dich nicht mehr liebe und dass alles, was zwischen uns war, ein Teil meiner Vergangenheit ist, etwas, das ich hinter mir gelassen habe. Und meistens klappt das auch. Die meisten Tage bin ich fast stolz darauf, dass ich all das wirklich in mir ersticken konnte, diese Gefühle, die ich so lange versucht habe zu ignorieren.
Aber dann gibt es diese anderen Tage, an denen es mir vorkommt, als ob du mich verfolgst. Als ob die Erinnerungen wie Gespenster auftauchen und mich heimsuchen, als wäre nichts geschehen. An solchen Tagen kommt plötzlich alles zurück, so stark und lebendig, dass ich fast glaube, ich würde dich noch immer lieben. Ich weiß, dass ich das nicht sollte. Dass all diese Erinnerungen, die schönen und die schmerzhaften, inzwischen nur noch Schatten sind. Aber diese Schatten haben eine Macht über mich, die ich nicht immer kontrollieren kann. Sie kommen aus dem Nichts und breiten sich in mir aus wie ein Gift, das mein Herz langsam wieder vergiftet, und plötzlich stehe ich wieder an dem Punkt, an dem ich mich frage, ob ich dich jemals wirklich loslassen werde.
Ich weiß nicht, ob du jemals verstanden hast, wie viel du mir bedeutet hast. Vielleicht habe ich es dir auch nie richtig gezeigt, oder vielleicht hast du es einfach nicht sehen wollen. Aber es gab eine Zeit, in der ich wirklich geglaubt habe, dass du alles für mich bist. Dass nichts und niemand jemals zwischen uns stehen könnte. Ich weiß, wie dumm das jetzt klingt, wie naiv. Aber damals fühlte es sich so echt an. Es war, als hätte ich endlich jemanden gefunden, der mich wirklich verstand, jemanden, bei dem ich sein konnte, wie ich wirklich bin. Mit dir fühlte sich die Welt sicher an, und ich dachte, ich hätte einen Ort gefunden, an dem ich bleiben wollte.
Doch irgendwann musste ich einsehen, dass das alles nur in meinem Kopf existierte. Dass diese Vorstellung von uns, dieses Bild, das ich mir in meiner Sehnsucht gemalt hatte, nicht die Wirklichkeit war. Vielleicht wollte ich einfach nicht sehen, dass du nie dasselbe gefühlt hast wie ich. Oder vielleicht hattest du es mal, aber es war nur ein flüchtiger Moment, etwas, das für dich nicht denselben Wert hatte wie für mich. Jedenfalls habe ich irgendwann begriffen, dass ich dich nicht mehr lieben sollte. Dass es keinen Sinn hat, jemanden festzuhalten, der längst gegangen ist – auch wenn das Verstehen und das Loslassen zwei völlig unterschiedliche Dinge sind.
Also begann ich, all diese Gefühle zu unterdrücken. Ich versuchte, dich aus meinem Kopf zu verbannen, so wie man einen alten Song ausblendet, der einem nicht mehr gefällt. Ich lenkte mich ab, sagte mir immer wieder, dass ich dich nicht brauche, dass du mir nichts bedeutest und dass ich besser dran bin, ohne dich. Und nach einer Weile begann es tatsächlich zu funktionieren. Ich schaffte es, dich zu verdrängen, jeden Tag ein bisschen mehr, bis die Leere, die du hinterlassen hast, irgendwie weniger schmerzhaft wurde.
Aber was niemand mir gesagt hat, ist, dass die Gefühle nicht wirklich verschwinden. Sie legen sich nur zur Ruhe, wie ein Monster, das sich in den Tiefen meines Inneren versteckt, um irgendwann wieder hervorzukommen, in Momenten, in denen ich es am wenigsten erwarte. Dann sehe ich ein Bild von dir oder höre ein Lied, das uns gehört hat, und plötzlich ist da dieses Stechen in meiner Brust, als würde jemand alte Wunden wieder aufreißen. Es ist, als ob ich alles noch einmal durchlebe, als ob all die unterdrückten Gefühle wieder hochkommen und mich überrollen wie eine Welle, gegen die ich nichts tun kann. Und in diesen Momenten frage ich mich, ob ich dich je wirklich loslassen werde. Ob es jemals eine Zeit geben wird, in der ich nicht mehr an dich denke.
Manchmal fühle ich mich so schuldig dafür, dass ich dich nicht einfach vergessen kann. Ich weiß, dass es nicht gesund ist, jemanden so lange in seinem Herzen zu behalten, jemanden, der längst weitergezogen ist. Aber das ist das Problem – ich habe dir so viel von mir gegeben, dass ich nicht mehr weiß, wie ich die Teile, die du mitgenommen hast, wieder zusammensetzen soll. Du hast eine Lücke in mir hinterlassen, eine Leere, die ich nicht füllen kann, egal wie sehr ich es versuche. Und auch wenn ich mir immer wieder sage, dass ich besser dran bin ohne dich, gibt es da diesen Teil in mir, der das nicht akzeptieren will. Der Teil, der dich immer noch in meinem Herzen hält, als wärst du ein Schatz, den ich beschützen muss, obwohl ich längst weiß, dass es nichts mehr zu beschützen gibt.
Vielleicht ist es einfach so, dass man manche Menschen nie wirklich loslassen kann. Dass sie immer ein Teil von einem bleiben, selbst wenn man sich das nicht eingestehen will. Vielleicht bist du so ein Mensch für mich. Jemand, den ich immer lieben werde, auch wenn ich es mir selbst nie zugeben kann. Ich habe es versucht, wirklich. Ich habe versucht, dich aus meinem Leben zu streichen, jede Erinnerung, jede Sehnsucht. Ich habe versucht, weiterzugehen, neue Menschen zu finden, neue Geschichten zu schreiben, in denen du keinen Platz mehr hast. Aber irgendwie finde ich mich immer wieder hier, in diesem stillen Moment, allein mit meinen Gedanken an dich.
Und vielleicht ist das das Schlimmste daran – dieses ständige Gefühl, zwischen Vergangenheit und Gegenwart gefangen zu sein. Das Wissen, dass ich dich nicht mehr lieben sollte, aber das Gefühl, dass ein Teil von mir nie aufhören wird, es zu tun. Es ist, als ob ich in einem endlosen Kreislauf stecke, in dem ich immer wieder dieselben Fehler mache, dieselben Gefühle unterdrücke, nur um sie irgendwann wieder zu spüren. Ich weiß, dass ich dich nicht mehr will, ich weiß, dass du mir nicht guttust. Aber dann kommt dieser kleine Moment, dieser winzige Rückfall, und plötzlich fühle ich all das wieder, so stark, dass es mich beinahe zerstört.
Ich schreibe diesen Brief nicht, weil ich erwarte, dass du es verstehst. Wahrscheinlich ist es dir längst egal, und das ist auch okay. Vielleicht ist das hier einfach mein Weg, mir selbst klarzumachen, dass es vorbei ist, dass ich weitergehen muss. Aber was ich dir sagen wollte, ist, dass ich nie aufgehört habe, dich zu lieben. Ich habe es versucht, aber da ist immer noch ein Teil in mir, der dich festhält, der dich in mir trägt, wie ein Geheimnis, das ich vor allen verstecke, auch vor mir selbst.
Ich werde weiter versuchen, dich loszulassen, ich werde weiter dagegen ankämpfen. Aber wenn du irgendwann einmal an mich denkst, falls das überhaupt passiert, dann weißt du jetzt, dass da ein Mensch ist, der dich nicht einfach vergessen konnte. Ein Mensch, der immer noch manchmal an dich denkt, in den stillen Momenten der Nacht, wenn niemand hinsieht.
Vielleicht werde ich irgendwann jemanden finden, der diese Leere füllt, jemanden, bei dem ich mich nicht ständig selbst belügen muss. Bis dahin werde ich dich weiter in mir vergraben, bis du nur noch ein schwaches Echo bist, ein Schatten, der immer mehr verblasst. Aber wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, ob ich dich je wirklich loslassen kann...du hast einen Platz in meinem Herzen, einen Platz den niemand verstehen kann... nicht einmal ich selbst verstehe das so wirklich...Ach keine Ahnung, ich geb's auf das alles zu verstehen. Ist eh absolut unnötig...Damit sage ich jetzt wohl endgültig tschüß zu dir.
Dein Chan//
Minho atmet tief ein und aus. Er kann Chans Stimme förmlich hören, wie sie in seinen Gedanken widerhallt. Die Worte sind so ehrlich, so verletzlich. Es ist, als ob Chan ihn direkt anspricht, als ob er noch hier wäre. Minho spürt, wie sich sein Herz zusammenzieht, während er mit den Tränen zu kämpfen hat.
Er hat oft darüber nachgedacht, wie Chan mit seinen Gefühlen gekämpft hat. Manchmal dachte Minho, dass er einfach nicht genug war, dass Chan ihn nicht wirklich geliebt hat. Doch die Worte in diesem Brief erzählen eine andere Geschichte. Chan kämpft mit dem Verlust, mit der Einsamkeit, mit der Liebe, die ihn nicht loslässt. Minho erkennt, dass auch Chan unter ihrer Trennung gelitten hat.
Seine Brust zieht sich immer mehr zusammen. Diese Worte treffen ihn ins Mark. Er fragt sich, ob er jemals wirklich verstanden hat, wie tief Chan fühlte. Ob er ihm die Sicherheit gegeben hat, die Chan gebraucht hätte.
Die Traurigkeit in diesen Worten ist überwältigend. Minho sieht die Parallelen zu seinen eigenen Erfahrungen. Auch er hat versucht, die Erinnerungen an Chan zu verdrängen, die schmerzhafte Leere, die er hinterlassen hat. Es war, als hätte er ein Stück von Minho mitgenommen, etwas, das sich nicht ersetzen lässt. Er hat sich selbst belogen, als er dachte, er könne ohne Chan weitermachen.
Minho kann sich nicht mehr zurückhalten. Tränen rinnen über seine Wangen, als er sich vorstellt, wie einsam Chan sich gefühlt haben muss, als er diesen Brief schrieb. Er kann den Schmerz und die Sehnsucht förmlich spüren, die durch die Worte fließen. Minho hätte für Chan da sein wollen, ihn unterstützen und ihm zeigen wollen, dass er geliebt wird.
"Vielleicht werde ich irgendwann jemanden finden, der diese Leere füllt..."
Diese letzte Zeile hallt in Minhos Kopf nach. Er fragt sich, ob Chan die Liebe gefunden hat, die er suchte, oder ob er sie nie wiedergefunden hat. Minho legt den Brief behutsam auf den Tisch und starrt ins Leere. In diesem Moment wird ihm klar, dass es nicht nur um Chan geht. Es geht auch um ihn. Um die Liebe, die er für Chan empfand, und um die Möglichkeit, dass er vielleicht auch die Vergangenheit loslassen muss, um die Zukunft zu umarmen.
Er steht auf und geht zum Fenster. Draußen ist es dunkel geworden, und die Stadt leuchtet in einem sanften Schein. Minho atmet tief ein und lässt die Erinnerungen an Chan durch seinen Kopf ziehen. Vielleicht wird er eines Tages den Frieden finden, den Chan in seinen letzten Worten gesucht hat. Aber für jetzt bleibt er hier, in der Stille, mit dem Wissen, dass Chan ihn immer noch auf eine Weise begleitet, die er nie für möglich gehalten hätte.
"Du wirst auch immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben...auf ewig, Chan."
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