"He had an accident."
"Hallo?" Als ich Saskias Stimme hörte, fing ich an zu weinen. Es war einfach zu viel für mich. "Elena? Bist du das?", fragte meine Freundin. Ich hörte Erleichterung in ihrer Stimme. "J-ja.", bekam ich endlich heraus. Dann erzählte ich ihr die ganze Geschichte. Sie unterbrach mich kein einziges Mal, nur ein paar Mal, um zum Beispiel mhm, okay, oder was für ein Arsch zu sagen. Als ich fertig war, sagte meine beste Freundin: "Ich hätte mir echt nicht gedacht, dass du ausgerechnet in London deine erste Liebe triffst. Ich meine ... Du hast dich doch nie für Jungs interessiert!"
Ich schmunzelte. "Tja ... Das hat sich jetzt geändert. Außerdem ... er hat Schluss gemacht. Also ... Wir waren nur anderthalb Wochen zusammen! Das finde ich schrecklich!" Ich wurde wieder von einem Weinanfall geschüttelt. "Vielleicht versöhnt ihr euch wieder", meinte Saskia.
"Nein! Nein, Saskia! Ich will hier raus!", rief ich mit fester Stimme und wischte mir mit einer wütenden Handbewegung die Tränen weg. "Hey, Elena! Es sind doch nur mehr zwei Wochen. Das schaffst du schon", sagte meine Freundin.
"Nur mehr zwei Wochen!? Das ist gerade einmal die Hälfte!", schrie ich und brach wieder in Tränen aus. In diesem Moment klopfte es an der Tür. Ich ignorierte es. "Saskia, ich kann nicht mehr. Ich halte das hier nicht aus. Du bist doch meine beste Freundin! Enttäusch mich nicht, bitte!" Ich war verzweifelt.
Saskia seufzte. An der Tür klopfte es wieder. Diesmal hörte ich die Stimme von Alice. "Ich muss kurz auflegen. Überleg dir deine Meinung noch einmal, okay?", bat ich und ging langsam zur Tür. "Ja, gut", antwortete Saskia und seufzte wieder.
"Danke", dann legte ich auf und öffnete die Tür. Das kleine Mädchen guckte mich mit ihren süßen braunen Augen an. Erst jetzt bemerkte ich, dass ihr heiße Tränen über die Wangen liefen. "Oh my god, what happened, Alice?", fragte ich.
"Orion ... He had an accident. Come with me!" Ich erschrak. Einen Unfall? Wo? Wann? Wie? Ich folgte Alice hinunter in die Eingangshalle. Dort hatte sich die ganze Familie versammelt. Gemeinsam fuhren wir mit Elliots Auto zum Krankenhaus.
Dort angekommen betraten wir das Gebäude und fragten bei der Info nach. Orion war von einem betrunkenen Autofahrer angefahren worden. Ihm ging es einstweilen schlecht. Er hatte ein gebrochenes Bein und eine Gehirnerschütterung mittleren Grades. Die Ärzte hofften, dass er sich noch an alles erinnern konnte. Mir wurde schlecht. Ich ließ mich auf einen Sessel sinken und weinte. Ich kam mir plötzlich so schuldig vor. Warum hatte ich so übertrieben? Vielleicht war Alison ja nett, und sie wollte gar nicht mehr mit Orion zusammen sein. Vielleicht wollten sie einfach nur befreundet sein. Aber wieso hatte er dann immer so überglücklich ausgesehen? War ich wirklich nur eine 'Zwischenfreundin' gewesen? Hatte er das ernst gemeint? Er hatte gesagt, dass ich nur eine sogenannte 'Lückenbüßerin' gewesen war. Anscheinend eine ziemlich Schlechte. Wir hätten uns nicht streiten sollen, dachte ich mir und weinte noch mehr. Jack kam zu mir und nahm mich in die Arme. "Shhh, Elena. It's going to be better. Orion is a strong boy, he will manage", beruhigte er mich. Ich hatte so schreckliche Schuldgefühle, doch wie sollte ich das Jack erklären?
Ein Arzt in einem weißen Kittel kam und berichtete, dass Orion jetzt im OP-Raum war. Die Operation begann. Wir konnten nach Hause fahren, oder aber hier im Krankenhaus warten. Ich beschloss, heimzufahren. Ich hielt es hier nicht aus. Diese weißen, kahlen Wände. Die beschäftigten, gestressten Krankenschwestern und Ärzte, die hier herumwuselten. Dieser scharfe Geruch nach Desinfektionsmittel. Alles bereitete mir im Moment Übelkeit. Jack blieb hier, Elliot auch. Angelina, Alice und ich fuhren mit einem Taxi zum Haus meiner Gastfamilie. Wir drei setzten uns ins Wohnzimmer und schwiegen. Keiner sagte etwas. Auf einmal piepte mein Handy. Eine SMS von Saskia:
Ich hab es mir überlegt. Es wäre schon toll, wenn du wieder hier wärst und mit Alex und mir die restlichen Ferien verbringen könntest. Ich habe mit deinen Eltern geredet. Ich habe ihnen alles erzählt. Sie waren zwar nicht besonders begeistert, dass du nach Hause willst (die Sache mit Orion habe ich verschwiegen), aber das machen wir schon irgendwie. Rufst du mich dann an? XOXO, Saskia <3
Ich konnte jetzt nicht nach Hause fliegen. Ich konnte meinen Freund doch nicht allein lassen ... Was sollte ich nur tun? Ich schrieb zurück:
Lass mal, melde mich morgen. Bey, Elena ♥
Ich ging in mein Zimmer und machte mich fertig fürs Schlafen. Ich war auf einmal schrecklich müde. Nach wenigen Augenblicken war ich eingeschlafen.
Ich wachte durch das Klingeln meines Handys auf. Jack. "Hello?", fragte ich verschlafen. Eigentlich musste ich heute zur Schule. "Elena! Drive to the hospital, fast!", befahl er und erinnerte mich somit an den gestrigen Tag. Meine Laune sank sofort in den Keller und die Schulgefühle überkamen mich erneut. Ich schlüpfte in ein weißes T-Shirt und eine schwarze Jeans. Schließlich noch in meine pinken Converse und dann bestellte ich mir ein Taxi. Zum Glück beherrschte ich diese Kunst bereits. Von Angelina und Alice war keine Spur zu sehen.
Im Krankenhaus wurde ich am Eingang von Jack schon erwartet. "Orion, he is awake!", teilte er mir mit. Ein kleines Fünkchen Hoffnung keimte in mir auf. Wir fuhren mit dem Aufzug in den zweiten Stock und fanden den Rest der Familie vor einer Zimmertür wartend. Alle waren nervös, genauso wie ich. Endlich wurde die weiße Tür geöffnet. Angelina, Elliot, Jack und Alice betraten den Raum, doch ich blieb draußen und wartete, bis seine Familie wieder herauskam. Ich wollte die Familie nicht stören. Es war schließlich ihr Sohn. Nach einer Weile kamen alle wieder. Angelina sah etwas verwirrt aus. Alle vier tuschelten miteinander. Ich konnte nicht verstehen, bis mich Elliot aufklärte. Orion reagierte nicht auf die Stimmen seiner Eltern und Geschwister. Der Hoffnungsfunken wurde kleiner. Die Ärzte hatte doch gesagt, dass er wach war? Hatten sie sich geirrt? Würde er auf mich reagieren?
Ich betrat das Zimmer, das ebenfalls weiß gestrichen war, jedoch von einem Bild von roten Rosen geschmückt wurde, und ging langsam und furchtbar aufgeregt auf das einzige Bett im Raum zu. Orion schaute aus, als würde er schlafen. Er war an vier Schläuche gehängt und war bis zur Brust zugedeckt. Seine Arme lagen auf der Decke. Von außen sah er eigentlich ganz normal aus. "Orion?", flüsterte ich und wartete auf eine Reaktion. Nichts. "Orion. Ich bin es, Elena." Wieder nichts. Ich wurde ungeduldig. "Orion", sagte ich nun mit deutlicher Stimme. Ich bekam Angst. Lebte er noch? Ja, sein Brustkorb hob und senkte sich in einem langsamen, aber gleichmäßigem Takt. Ich setzte mich auf die Bettkante, so wie er es noch vor kurzem bei mir gemacht hatte, und betrachtete ihn. Wann würde mein Orion aufwachen und mir in die Augen sehen? Ich vermisste seine Wärme, seine Küsse, seine Worte. "Orion! Bitte, sag etwas! Ich liebe dich doch so sehr. Du darfst mich nicht enttäuschen. Es tut mir alles so leid, ich habe völlig überreagiert. Ich hätte mich nicht so aufregen sollen. Es tut mir so leid ..." Ich war verzweifelt. Obwohl der Unfall erst gestern war, konnte ich nicht verstehen, wieso er nicht aufwachte. Plötzlich klopfte es an der Tür. Ich war so in meine Gedanken versunken gewesen, dass ich die Umgebung um mich herum völlig vergessen hatte.
Ein Mädchen mit einem kariertem Mini-Rock und einem schwarzen T-Shirt trat ein. Alison. Auch die noch! Sie hatte schwarze vom Kopf abstehende Haare. Sie sah wie ein richtiger Punk aus. Noch dazu zierte ein Metallring ihre Unterlippe. War das mit vierzehn überhaupt schon möglich?
Ich mochte sie nicht. Auf keinen Fall. "Ah, du musst Elena sein. Orion hat so viel von dir gelabert. Einfach nur sinnlos. Er hat gesagt, dass du hübsch bist. Tja ... Das war wohl eine Lüge. Du siehst aus wie ein Feigling, der nichts von Mode versteht. Du bist von Deutschland, oder?"
Ich funkelte sie wütend an. Wie konnte sie es wagen, mich so zu beleidigen?
"Außerdem hat Orion gemeint, dass er wirklich in dich verliebt ist. Nein, kann ich dir nur sagen. Er ist ein Schwein. Ein elendes, schmutziges Schwein, das jedes Mädchen ins Bett zieht!" Das war eine Lüge. Ich hatte noch nicht mit ihm geschlafen, und bedrängen, das tat er schon gar nicht.
"In diesem Raum bist du ein Schwein, kapiert? Ich hab dich von Anfang an nicht leiden können. Deine E-Mail, dass dir das so leid tut wegen Kim, dass war doch alles gelogen! Gib's zu!" Ich konnte es einfach nicht fassen. Sie war so eine falsche Ziege und hatte meinen Orion an der Nase herumgeführt.
"Weißt du, Elena. Ich gebe dir einen Tipp: Misch dich nicht in das Leben von Orion ein! Er gehört sowieso mir!"
Ich zuckte zusammen. Plötzlich stöhnte jemand hinter mir. Alison und ich drehten uns gleichzeitig zu Orion um. Er blinzelte mit seinen Augen und öffnete sie schließlich ganz. Ein Stein fiel mir vom Herzen. Alison schubste mich grob auf die Seite und setzte sich auf die Stelle, auf der ich noch vor wenigen Minuten gesessen hatte. Ich rappelte mich vom Boden auf und ignorierte Alison. Stattdessen schaute ich zu Orion. Er guckte Alison in die Augen. "Schatz! Oh, Gott sei Dank bist du wach. Dieses Mädchen da hinter mir meint, sie sei was Besseres. Ach, Orion-Schatz. Wie geht es dir? Wenn du hier draußen bist, dann gehen wir weg von hier. Weg von diesen Psychopathen." Beim Letzten Wort schaute sie mich an. Ich kochte vor Wut. Und ich fand, dass sie sich wie ein kleiner Teenager an Orion warf. Würde Orion auf ihr Gerede reinfallen? Plötzlich räusperte sich Orion und begann mit etwas belegter Stimme zu sprechen:
"Nein, Alison. Ich hätte nie gedacht, dass du so Eine bist. Ich hab gedacht, dass du nicht so bist wie alle anderen. Aber du hast mich enttäuscht. Ich bin schon die ganze Zeit wach. Ich hab euer Gespräch und das Voherige, als Elena allein hier drin war, mit angehört. Elena ist kein Schwein. Du bist das, Alison. Du ganz allein. Hau ab und lass dich bei mir ja nicht mehr blicken. Und jetzt zisch ab!" Alison schnaubte, dann murmelte sie irgendetwas und eilte aus dem Zimmer. "Elena, setz dich hierher", befahl Orion mit sanfter Stimme.
"Ich wollte erst die Augen öffnen, als wir alleine waren, doch dann kam Alison. Es tut mir auch leid, Elena. Ich hab auch Fehler gemacht, aber ... gehört sich das nicht in einer Beziehung?" Orion lächelte. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass mir Tränen an den Wangen hinunterliefen. "Oh, Orion. Es ist alles so schrecklich schön!", heulte ich und legte meinen Kopf auf seinen Bauch. Ich weinte mich aus, während mich Orion streichelte.
"Jeder macht Fehler, Elena. Aber man kann es wieder gut machen. Zum Beispiel mit ...?" Ich hob meinen Kopf. Orion hatte eine Augenbraue hochgezogen und grinste. Ich lächelte. "... einem Kuss?", beendete ich den Satz und ein Glücksgefühl überkam mich. Ich beugte mich über Orion und atmete seinen Duft ein. Leider roch er derzeit nach Krankenhaus. Ich legte meine Lippen auf seine und es fühlte sich an wie beim Ersten Mal. Ich war so glücklich und wollte auf keinen Fall mehr nach Hause.
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Hiiiii!!!!!! Endlich ist alles wieder gut. Irgendwie konnte ich in diesem Kapitel nichts selbst entscheiden. Mir kommt es so vor, als würden die Personen wirklich leben und bestimmen, was als nächstes passiert. Kennt ihr das auch? Wenn es so richtig spannend ist. Man kann einfach nicht aufhören. Ich liebe dieses Gefühl ...
Tschüss, Lina_Cel_
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