"Is he a drunkard or what?!"
Am Flughafen in Deutschland schien mir gleich einmal die Sonne auf die Nase. Ich war traurig, dass Aurelia es wieder einmal nicht geschafft hatte, mir etwas Gutes zu tun. Ja, ich weiß, das war nicht nett fomuliert gewesen, aber mich regte im Moment einfach alles auf.
Als ich mit dem Bus bei meinem Haus ankam, fühlte ich mich gleich etwas wohler. Keiner wusste, dass ich heute kommen würde. Ich klingelte, doch es schien keiner daheim zu sein. Deshalb ging ich ums Haus herum in den Garten, hob den Blumenstock links neben der Terassentür hoch und schnappte mir den Ersatzschlüssel.
Als ich in der Eingangshalle stand, atmete ich tief ein. Dieser Geruch war mir so vertraut, dass ich sofort in Tränen ausbrach. Ich konnte einfach nicht glauben, dass Orion mich einfach so im Stich gelassen hatte!
"Dad? Ist wer da? Ich bin es, Elena!" rief ich durchs Haus. Wahrscheinlich war er in der Arbeit. Ich setzte mich auf die Couch im Wohnzimmer und legte mich hin. Nach einer Weile nickte ich ein.
"Ja? Oh, aber natürlich. Ja. Ja, sicher. Kommen Sie einfach heut ... Elena!" Papa kam zu mir geeilt. Ich setzte mich auf. Ich hörte, dass der Gesprächspartner meines Vaters am Telefon redete, doch dann piepte es und die Verbindung war unterbrochen worden.
"Was ist los? Seit wann bist du hier?", fragte Dad besorgt. Ich erzählte ihm alles. Ein paar Mal warf mein Vater einen schnellen Blick auf meinen Bauch.
"Nicht schon wieder! Was ist das eigentlich für ein Typ, dieser Orion?" Papa machte einen erschrockenen Gesichtsausdruck. "Ist er vielleicht ein Säufer oder so was?!" Ich musste kurz lachen. "Nein, Dad. Er ist ganz normal. Aber er lässt mich immer im Stich ...", sagte ich traurig. Ich konnte immer noch nicht verstehen, wieso er so gemein zu mir war.
"Tja, ich weiß es auch nicht. Komm, wir gehen essen. Du hast doch Hunger oder?", vermutete Papa. Ich nickte. Wir wollten in dem Rastaurant essen, indem ich gearbeitet hatte. Mein Chef würde sicher überrascht sein.
"Guten Tag. Was kann ich für Sie tun?", wollte Mr. Underwood wissen. Er musterte mich. Dann fiel bei ihm der Groschen. "Bist du nicht Elena?!" Ich lächelte und nickte.
"Oh, wie die Zeit vergangen ist ...", stotterte er verwirrt.
Zum Essen bestellte ich einen Schweinebraten. Ich hatte plötzlich schrecklichen Hunger. Papa warf mir einen verwunderten Blick zu. Ich schrieb Saskia eine SMS, dass ich wieder da war. Sie schrieb sofort zurück:
Echt? Du musst mir erzählen, was alles passiert ist. Auch wenn ich schon das meiste weiß, trotzdem, ja? Tut mir so leid wegen Orion ... :(
Wenn er so weiter macht, kriegt er es bald mit mir zu tun!!!
Xoxo, Saskia♥♥
Ich lächelte. Wie froh ich war, sie zu haben. Nach dem Essen fuhren wir wieder nach Hause, doch ich stieg schon zwei Stationen früher aus, um meine beste Freundin zu besuchen. Sie umarmte mich lange. Ich drückte sie fest an mich - so gut es mit einem dicken Bauch ging - und wollte sie nicht mehr loslassen, doch schließlich gingen wir dann noch noch rein. Es war schließlich Winter! Es war Mitte Jänner. In einer Woche kam ich ins sechste Monat!
Ich ließ mich in den Sitzsack sinken und schloss für kurze Zeit die Augen. Danach erzählte ich auch Saskia alles; manche Sachen wiederholend, weil sie das meiste schon am Telefon gehört hatte. Sie war echt wütend auf Orion. Sie sagte, wenn sie ihn irgendwann sehen sollte, würde sie ihn grün und blau schlagen. Ich musste lachen. "Danke, dass du dich so für mich einsetzt, aber ich denke, dass es mit Reden auch funktioniert." Wir quatschten noch über viele Sachen. Saskia hatte gerade eine Menge Schularbeiten, und das Lernen nahm einfach kein Ende. Nächste Woche hatte meine Klasse Englisch-Schularbeit und Biologie-Test.
Am Abend, als ich die Einfahrt hinaufschlenderte, hörte ich die Stimme meines Vaters. Wahrscheinlich führte er schon wieder ein Telefonat. Ich öffnete die Tür und trat ein.
"Wie kannst du das nur meiner Tochter antun? Sie hat es gerade nicht leicht! Ihre Mutter ist gestorben und sie bekommt ein Kind mit fünfzehn! Obwohl sie in zwei Wochen Geburtstag hat, trotzdem, du musst ihr helfen!", sagte Dad streng. Mit wem redete er da? Ach ja, ich wurde bald sechzehn. Ich hatte am zweiten Februar Geburstag.
Ich näherte mich der Wohnzimmertür und lauschte weiter. "Bitte lass sie nie wieder im Stich!" Ich stieß die Tür auf. Beide Gesichter drehten sich mir zu.
"Elena!" Papas Gast sprang auf und kam auf mich zugelaufen. "E-es tut mir so leid!", entschuldigte er sich. "Ich wollte doch nicht, dass du gleich abhaust!"
"Gleich?" Ich war empört. "Ich hab drei Wochen gewartet, dass du mit mir redest!" Mein Vater schnappte nach Luft. "Du hast mich fast einen ganzen Monat lang ignoriert!"
Orion schaute verlegen auf seine Füße. "Deswegen bin ich hier. Ich will mich bei dir entschuldigen. Ich kümmere mich ab jetzt besser um dich. Versprochen!", sagte er und kam näher.
"Ich lass euch lieber mal allein", meinte Papa und verließ den Raum.
"Verzeihst du mir?" Mein Freund berührte ganz leicht meinen Bauch. "Bitte."
"Ich hätte nie gedacht, dass du so unfair sein kannst. Was war mit dir los?! Hat dir deine supertolle Familie eingeredet, dass du mich einfach vergessen sollst? Deine Eltern haben mich so sehr verletzt. Ich danke Gott, dass er Aurelia geschaffen hat. Sie hat mir wieder Mut gemacht und mir ein Ticket besorgt!", fauchte ich. Orion wich zurück. Er sah verzweifelt aus.
"Glaubst du ich wollte das? Ich hatte mich einfach nicht mehr unter Kontrolle!" Seine Stimme brach. Er schluckte. Ich stand einfach vor ihm und tröstete ihn nicht. Nein, warum sollte ich auch? Er hatte mich auch im Stich gelassen! "B-bitte, Elena ...", flüsterte mein Freund. Ich schwieg. Was sollte ich sagen? "Das ist noch lange kein Grund, mich einfach links liegen zu lassen! Das ist einfach nur ein Zeichen von purem Egoismus!" Mein Freund kaute auf seiner Unterlippe herum.
"Zeig mir, dass du mich nie mehr vergessen, im Stich lassen oder sonst was wirst."
Mein Freund schluckte wieder. Dann drückte er einfach seine Lippen auf meine. Vier Wochen lang hatte ich darauf verzichten müssen! Aber ich hatte es schon einmal länger geschafft.
Als er sich wieder von mir löste, schaute er mir in die Augen. Seine Augenfarbe war dunkel, fast schwarz. Man konnte ihm die Verzweiflung ansehen. "Ich bin nur wegen dir hierhergekommen", murmelte er und lehnte seine Stirn gegen die meine. Ich senkte meinen Blick.
"Okay, bitte mach das nie wieder. Ich bin schwanger, das heißt, dass ich empfindlichere Gefühle habe", sagte ich lächelnd. "Ja, aber du bist auch in der Pupertät. Da sind die Hormone auch ziemlich schräg drauf ...", erwiderte Orion. Ich lächelte kurz.
"Wenn du das nochmal machst, dann ist es aus."
Mein Freund schlief bei mir im Bett. Zwei Wochen lang blieb alles super. Ich war seit ungefähr einer Woche im siebten Monat. Mein Bauch war inzwischen so dick, dass ich meine Füße nicht mehr sehen konnte.
Und außerdem war heute noch ein besonderer Tag: Mein Geburtstag! Ich war sechzehn. Endlich. Ich machte keine große Party, sondern feierte nur mit Dad, Saskia und Orion. Ach ja, als meine beste Freundin Orion das erste Mal gesehen hatte, hatte sie ihm wirklich eine Ohrfeige gegeben. Am Anfang hatte er ein wenig erschrocken ausgesehen, doch nur, bis er erfahren hatte, was Saskia eigentlich vorgehabt hatte. Ab diesem Punkt hatte er verlegen gelacht.
Meine Freundin hatte einen Kuchen gebacken. Es war eine Erdbeertorte, die mit einer weißen Creme verziert war. Die Mehlspeise sah echt lecker aus. Ich schnitt für jeden von uns ein Stück ab. Währenddessen fotografierte mich Dad. Orion umarmte mich bei einem Foto von hinten und lächelte. Wir schauten uns in die Augen und mussten schließlich so lachen, dass wir nur schwer auf dem Foto zu erkennen waren. Das erste Foto von uns beiden! Ich war hochschwanger, und Orion überglücklich, weil ich ihm wieder einmal verziehen habe.
Dann gab es endlich Geschenke! Von Saskia bekam ich einen Strampler für Babys. Da wir nicht wussten, was es werden würde, hatte sie ihn in der Farbe Gelb gekauft. Papa schenkte mir ein Fußkettchen mit einen vierblättrigen Kleeblatt als Anhänger. Er meinte, das könnte ich in der nächsten Zeit gut gebrauchen. Und von meinem Freund bekam ich einen Ring mit einen Rubinstein darauf. Ich hatte zu Weihnachten schon Schmuck von ihm bekommen, jetzt schon wieder. Wo er den immer herbekam?
Nachher gingen wir zu viert ins Kino und schauten uns Rush an. Obwohl wir gerade gegessen hatten, kaufte ich mir eine große Tüte Popcorn und schaufelte diese fleißig in mich hinein. Das Baby bewegte sich wieder. Dieses Mal war es ein kräftiger Tritt. Ich spuckte vor Überraschung ein paar Popcorn wieder aus. Orion, der seinen Arm um mich gelegt hatte, kicherte und küsste dann meine Stirn. Ich wuschelte ihm durch die Haare und küsste ihn zurück auf seine Nase.
Am Nachmittag musste Saskia nach Hause - lernen. Mein Freund und ich setzten uns in mein Zimmer und hingen unseren eigenen Gedanken nach.
"Ich bin einfach abgehauen. Ich hab nur einen kleinen Zettel hinterlassen, auf dem stand, dass ich dir nachfliege und dass sie sich keine Sorgen machen sollten", brach Orion nach einer Weile die Stille.
"Okay. Wie hast du es geschafft, so schnell einen Flug zu bekommen? Und woher hast du gewusst, wo ich wohne?"
"Das mit dem Ticket ... Meine Oma hat mir ihres gegeben." Das war ja so was von klar gewesen! "Und Aurelia hat gewusst, wo du wohnst. Sie war die einzige, mit der ich genauer darüber gesprochen habe. Ich war eigentlich ziemlich schnell ...", meinte Orion. Ich schmunzelte. Mir war plötzlich kalt. Ich warf einen Blick auf das Thermometer. Zweiundzwanzig Grad. Normal.
"Ist dir auch so kalt?", fragte ich deshalb.
"Nein, wieso? Dir etwa?", entgegnete Orion verwundert. Ich nickte. Dann wurde mir von einer Sekunde auf die andere schwindelig. Ich legte mich aufs Bett und deckte mich bis zum Kinn zu. "Geht's dir nicht gut? Warte, ich heize den Heizkörper ein." Mein Freund ging zum Fenster und drehte dort an der Heizung herum, die sich unter dem Fensterbrett befand. "Geschafft", stieß Orion schlussendlich hervor.
Nach einer viertel Stunde im Bett herumliegen wurde mir wieder wärmer. Was war gerade los gewesen? Das Schwindelgefühl war wieder verschwunden.
Ich richtete mich langsam und vorsichtig auf. Mir ging es wieder gut. Was das wohl gerade gewesen war ...?
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top