"Elena? Can I disturb you?"
In meinem Kopf tauchten die Bilder auf, als ich in den Sommerferien vor dieser Tür gestanden hatte und geklopft hatte. Jetzt waren zwei Sachen anders: Ich kannte Orion schon viel besser und ich hatte eine große Kugel, statt eines flachen Bauches. Ich klopfte. "Go away!", schrie Orion. Genau wie damals. "Ich bin's", murmelte ich. "Elena? Bist du sauer?", fragte er mich vorsichtig, als er hörte, dass nur ich vor der Tür stand.
"Nein, eher enttäuscht, aber es ist ja nicht deine Schuld. Du konntest nicht wissen, wie deine Eltern reagieren.", erwiderte ich. In diesem Moment wünschte ich mir, nach Hause fliegen zu können, und bei denen zu sein, die ihr Versprechen halten würden. Die Tür wurde nicht aufgemacht. "Orion?" Keiner meldete sich. Ich schaute nach links und nach rechts. Ich fühlte mich so einsam. Niemand war sonst im Korridor. Ich entfernte mich von der Tür und ging in die Küche. Langsam trat ich ein. Angelina arbeitete. Als sie mich anschaute, hatte sie Tränen in den Augen.
"Elena, I'm so sorry, but I beg you to go in your room. Do you understand me? Your tummy ..." Sie schluckte schwer und wandte sich nach einem Blick auf meinen Bauch wieder von mir ab. Ich hatte den Schmerz und die Trauer in ihren Augen deutlich erkannt. Ich verschwand wieder.
Wollte mich die Familie denn gar nicht mehr? Auch Orion nicht? Vielleicht hatte er es sich anders überlegt, und er hatte vor, sich einfach zurückzuziehen. Was wäre, wenn er mich im Stich ließ? Jetzt, wo wir es schon so weit geschafft hatten? Auf dem Weg in mein Zimmer begegnete ich Aurelia. "Jetzt reicht es mir aber! So können sie dich doch nicht behandeln!", rief sie und eilte in die Küche. Ich wollte das Gespräch nicht hören, deshalb verkroch ich mich unter meiner Bettdecke.
Ich hatte irgendwie Schuldgefühle gegenüber des Babys. Alle hatten sich darauf gefreut, und jetzt wollte es auf einmal keiner mehr. Was musste das nur für ein Gefühl sein? Zu wissen, dass man unerwünscht war? Ich streichelte meinen Bauch und flüsterte: "Bei mir bist du willkommen, keine Angst. Du wirst das Wichtigste in meinem ganzen Leben sein." Welcher Mädchenname gefiel mir noch? Ich konnte mich überhaupt nicht konzentrieren. Schließlich gab ich es auf. Dazu musste ich auch Orion fragen.
Zwei Wochen ging das jetzt schon so dahin. Jedes Mal beim Essen starrten alle bedrückt auf ihre nicht kleiner werdenden Portionen. Alice wusste nicht, wie sie mich behandeln sollte, Elliot ignorierte mich, Angelina kämpfte jedes Mal mit den Tränen, wenn sie mich auch nur ansah. Jack unternahm hin und wieder den Versuch, einen Witz zu reißen, auf den jedoch keiner reagierte. Irgendwann gab er es auf. Orion blieb einfach stumm, und Aurelia war sowieso meistens nicht da. Ich fühlte mich nicht mehr wohl. Früher hatte ich es geliebt, mit dieser Familie zusammen essen zu können, doch dieses eine Wort, dieser Name hatte alles zerstört. Mein Herz wurde immer schwerer.
Mit der Zeit kam ich gar nicht mehr aus meinem Zimmer. In der Nacht weinte ich oft. Manchmal musste ich Saskia anrufen, um zu merken, dass es in meinem Leben überhaupt noch Menschen gab, die zu mir standen.
Meine beste Freundin erzählte mir von ihren Erlebnissen, die mich wenigstens für eine halbe Stunde ablenkten, dann kehrte die Verzweiflung wieder zurück. Mein Baby bewegte sich inzwischen schon sehr oft. Die Tritte, die es mir gab, spürte ich jetzt schon viel mehr.
"Elena?", hörte ich mitten in der Nacht nach drei Wochen Aurelias Stimme. "Darf ich kurz stören?"
Ich setzte mich auf. Die Tür wurde geschlossen. Eine dunkle Gestalt kam auf mein Bett zu. Etwas schepperte. "Aua, verdammt!", fluchte die alte Frau. Ich musste kurz schmunzeln.
"Okay. Du weißt, dass ich schon vor drei Wochen versucht habe, mit meiner Tochter und meinem Schwiegersohn zu reden, aber sie sind immer noch der gleichen Meinung. Das hast du, denke ich, gemerkt ...", begann sie. Ich nickte, obwohl sie es sowieso nicht sehen konnte.
"Nun, ich glaube, dass es besser wäre, wenn du nach Hause fliegst. Nach Deutschland zu deinem Vater und deiner lieben Freundin. Wie hieß sie noch gleich ...?"
"Saskia."
"Ach ja, genau die. Sie vermisst dich sicher, und dort unterstützen dich wirklich alle, oder?"
"Ja", flüsterte ich. Ich hatte gerade keine Stimme, sondern nur einen Frosch im Hals.
"Gut. Ich kaufe dir ein Ticket. Dann kannst du heim." Ich nickte wieder. "Danke."
"Kein Problem. Ich sehe doch, dass es dir scheußlich geht. Ich will doch, dass es dir gut geht. Ich werde demnächst auch wieder nach Deutschland fliegen. Vielleicht auch mit dir, ich weiß es aber noch nicht."
"Was ist mit Orion?" Er hatte nur selten mit mir gesprochen. Was hatte er nur? "Bei der Geburt sollte er dabei sein ...", sagte ich zögernd.
"Ich rede mit ihm. Er soll sich wenigstens um dich kümmern. Mhhh ... Er sollte mit dir mitkommen", überlegte Aurelia.
"Er ignoriert mich. Das wird ihn nicht interessieren", antwortete ich.
"Er ist dein Freund und der Vater des Kindes. Also muss er dir helfen! Das werde ich ihm beibringen." Ich zweifelte daran, dass es Aurelia schaffen würde. Das hatte sie das letzte Mal auch gesagt, und Angelina hatte ihr Wort nicht geändert. Trotzdem stimmte ich zu.
Drei Tage darauf packte ich alles zusammen und schleppte meinen Koffer zur Haustür. Da ich nicht mehr schwer tragen durfte, half mir Elliot. Er redete aber kein Wort mit mir. Erst als wir vor der Haustür draußen auf den Stufen standen, wünschte er mir viel Glück. Dann stieg ich ins Taxi und fuhr zum Flughafen. Orion hatte mich wieder einmal im Stich gelassen ...
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