keep your head up

Seufzend fuhr ich mir durchs Gesicht und kaute auf dem Ende des Bleistiftes herum. Bei dem holzigen Geschmack, welcher sich in meinem Mund ausbreitete, verzog ich kurz mein Gesicht. Heute war einiges zu erledigen und ich kam nicht einmal ansatzweise hinterher.

Am liebsten würde ich ja nach Hause zu meinem Mann, mit ihm einen gemütlichen Abend verbringen und vielleicht auch einfach mal früh ins Bett gehen, anstatt bei einem Film einzuschlafen und den nächsten Tag mit Rückenschmerzen zu verbringen.

Ich schreckte aus meinen Gedanken als mein Handy klingelte. Verwirrt holte ich es aus der Schreibtischschublade und schmunzelte als ich Harrys Namen darauf erblickte. Lächelnd nahm ich den Anruf entgegen und hielt mir das Handy ans Ohr.

"Hallo Love, was gibt's?", fragte ich direkt und krakelte mit dem Bleistift ein wenig auf der Schreibtischunterlage herum. "Hey", erwiderte Harry mit seiner tiefen Stimme und allein nur bei diesem einen Wort konnte ich sein breites Lächeln heraushören. Vermutlich lehnte er sich gerade gegen den Türrahmen, wickelte sich die Schnur vom Telefon um den Finger und lächelte sein typisches Grübchen-Lächeln.

"Ich wollte dich fragen, was du später essen möchtest, darüber hatten wir uns heute morgen nicht unterhalten." - "Mein Mund hatte halt andere Dinge zu tun", erwiderte ich und leckte mir bei dem Gedanken, Harry heute morgen verwöhnt zu haben, über die Lippen.

Mein Mann kicherte am anderen Ende der Leitung. "Ich hatte ja auch nicht gesagt, dass es schlecht war, nur das wir nicht darüber-"

Verwirrt nahm ich mein Handy vom Ohr und betrachtete es, der Anruf ging weiter, doch Harry konnte ich nicht mehr verstehen. "Love? Hazza?", fragte ich etwas deutlicher, erhob mich vom Stuhl und lief im Büro ein wenig auf und ab.

Merkwürdig.

Plötzlich wurde auch der Anruf beendet.

Ich wählte unsere Festnetznummer und anstatt das Handy ans Ohr zu halten schaltete ich den Lautsprecher an. Nach 2-mal Tuten, brach der Anruf jedoch weg. Das durfte doch jetzt nicht wahr sein.

Ob schon wieder was mit dem Telefon war? Seitdem wir ins Haus gezogen waren streikte das Ding und bisher konnte uns der Anbieter auch nicht helfen.

Ich versuchte es erneut, doch diesmal wurde der Anruf direkt abgebrochen. Leise seufzend ließ ich mich auf meinem Stuhl nieder und legte meinen Daumen und Zeigefinger an meine Nase. Dieses ungute Gefühl Harry nicht erreichen zu können, da der Idiot Handys verabscheute, machte sich in meiner Magengegend breit.

Mein Blick wanderte raus aus dem Fenster, der Himmel war blau, keine Wolke, welche den Himmel verdunkelte, war zu sehen. Es sah sogar recht friedlich aus. Ich dachte mir nichts weiter dabei, Harry würde mich bestimmt, wenn alles wieder funktionierte, anrufen und selbst wenn nicht, in weniger als drei Stunden würde ich eh wieder Zuhause sein.

Doch diese Leichtigkeit mit dem abgebrochenen Telefonat umzugehen, nahm von Minute zu Minute ab. Ohne weiter darüber nachzudenken, schloss ich den Tab vom E-Mail Server und klickte auf die Internet-Verlinkung. Auf der Homepage der Stadt suchte ich nach irgendwelchen Meldungen, welche vielleicht einen möglichen Stromausfall oder Weiteres erklären würden, doch da war nichts.

Vielleicht war es ein wenig paranoid vom Schlimmsten auszugehen, aber seit Harrys Unfall, welcher dafür sorgte, dass er von seinem normalen Dienst hinter den Schreibtisch wechseln musste... Da konnte ich irgendwie keinen Gedanken an etwas Simples verschwenden.

Eine Stunde später konnte ich mich aber wirklich nicht mehr auf die Zahlen konzentrieren. Beinahe hätte ich einem Unternehmen auch eine falsche Rechnung ausgestellt.

Ich speicherte alles, schaltete alles ab und klappte den Laptop zu, welchen ich anschließend in meinem Rucksack verschwinden ließ. Relativ schnell hatte ich alles eingepackt, schulterte den Rucksack und nahm die Jacke von der Garderobe. Zu meinem Chef am anderen Ende des Flures brauchte ich weniger als eine Minute und dort angekommen klopfte ich gegen den Türrahmen und setzte ein Lächeln auf als dieser zu mir hochsah.

"Tomlinson, alles gut?", fragte er mich direkt und musterte mich interessiert. "Ich setzte den Rest meiner Arbeit von Zuhause aus fort, ich-"

"Jaja, alles gut. Machen Sie nur. Nehmen Sie den Firmenwagen, dann sind Sie schneller Zuhause." Er griff in eine der Schubladen und warf mir einen Autoschlüssel entgegen. Direkt fing ich diesen auf und strich mit meinem Daumen über das Emblem, welches auf der Rückseite zu sehen war.

"Dankeschön", murmelte ich etwas überfordert und hatte mich immer noch nicht daran gewöhnt, wie entspannt mein Chef war. "Ich sehe doch in Ihrem Blick, dass Sie sich Sorgen um Ihren Mann machen. Also los, ab nach Hause und lassen Sie ihn nicht länger warten."

Ich bedankte mich erneut, verfestigte meinen Griff um den Schlüssel. Auf dem Weg zum Ausgang verabschiedete ich mich von den Kollegen, welche mir bis dahin begegneten. Als ich aus dem Gebäude trat und um die Ecke bog, fiel mein Lächeln.

"Oh Shit", wisperte ich und konnte kaum glauben, wie der Himmel aussah. Dunkelgraue Wolken verschleierten den sonst so blauen Himmel. Nach Hause waren es bestimmt an die 50 Kilometer... Hoffentlich sah es einfach nur schlimmer aus als es war.

Doch leider machte der Regen, welcher Minuten später aufs Dach prasselte, einen Strich durch die Rechnung. Durch den starken Regen konnte ich trotz Scheibenwischer nichts sehen. Mit einem langsamen Tempo kroch ich also über die Autobahn und stellte das Radio, als die Nachrichten anfingen, etwas lauter.

"Und nun zu den Wettermeldungen: Seit mehreren Stunden ist Doncaster von Starkregen befallen. Uns wurde gemeldet, dass es sich bei ca. 200 Liter pro Quadratmeter handelt. Bleiben Sie bitte Zuhause und -"

Ab da an hörte ich gar nicht mehr zu und der Drang nach Hause zu kommen wurde immer größer. Ich bekam schon Bauchschmerzen. Harry bei diesen Umständen allein zu Hause? Shit.

Als ich von der Autobahn abfuhr kam ich an einer Kreuzung, wo reges Chaos herrschte, an. Erst nach einem Moment merkte ich, das die Ampeln ausgeschaltet waren.

Also war der Strom doch weg...

Es erforderte etwas Geduld und Geschick mich an den ganzen Kreuzungen vorbeizuschlängeln. Das Wasser stand teilweise auf den Straßen, sprudelte aus den Gullydeckeln hoch und erschwerte ein Vorankommen immens.

Es dauerte noch eine weitere halbe Stunde bis ich vor der Haustür parken konnte. Auch hier kam das Wasser aus den Gullydeckeln hoch, jedoch lief es eher, anstatt zu sprudeln. Ich ließ meinen Rucksack im Auto, sprintete durch den Regen zu unserem Haus und schloss auf.

"Harry?", rief ich direkt und blickte ins dunkle Haus. Warum waren denn die Rollläden noch unten? Gerade wollte ich auf den Schalter drücken als mir einfiel, dass es ohne Strom gar nicht funktionierte. Erneut rief ich meinen Mann, erhielt aber auch diesmal keine Antwort.

Das durfte doch nicht wahr sein. Wo war mein Mann? Meine Gedanken hatten mich schon die ganze Autofahrt gequält. Ich wollte doch einfach nur zu ihm.

Ich ließ die Tür ins Schloss fallen, zog mir die nassen Schuhe von den Füßen und schälte mich aus meiner Jeansjacke, welche durch das ganze Wasser schon steif war. "Hazza?", fragte ich als ich mich im Haus umsah und erkannte schlussendlich seine Umrisse auf der Truhe oben im Flur.

"L-Louis?", schniefte er leise und krallte sich mit zittrigen Händen an mir fest nachdem ich mich zu ihm hingehockt hatte. "Ich bin da", flüsterte ich, löste eine Hand aus seinem Griff und legte sie ihm an die nasse Wange. "Was ist passiert?", fragte ich und wischte mit meinem Daumen vereinzelt ein paar Tränen weg.

"I-Ich wollte... Ich wollte in den Keller wegen... Wegen dem Regen und dann- Also nach dem Telefonat- Vorher war nichts, deswegen... deswegen habe ich am Telefon auch nichts gesagt, aber dann ich... ich bin ausgerutscht, weil das Wasser..."

"Bist du aufs Knie gefallen?", fragte ich besorgt, ignorierte die Tatsache das unser Haus gerade volllief und hielt die Luft an als er langsam nickte. Harry war einfach wichtiger.

Scheiss aufs Haus.

"I-Ich mag nicht nachsehen Lou- Ich..." Harry fing an mit dem Kopf zu schütteln und krallte sich nur noch mehr an meinem Unterarm fest.

"Ich mach das, in Ordnung? Ich sehe nach und versorge das."

"Es ist so dunkel", wisperte er und schluckte hörbar. "Ich- Ich bin Feuerwehrmann und... und habe Angst vor der Dunkelheit", schluchzte er und klammerte sich so an mir fest, dass ich mich gar nicht bewegen konnte.

"Hazza, du-" Ich atmete tief durch, um nicht selbst die Fassung zu verlieren. Er hatte doch seine Gründe, warum er die Dunkelheit nicht mehr ausstehen konnte...

Warum machte er sich deswegen jetzt so fertig? Kurz schloss ich meine Augen und blinzelte ihn dann an. Wahrscheinlich war der ganze Tag schon zu viel für ihn. Deshalb waren die Rollläden im Erdgeschoss auch noch unten. Er hatte gar nicht die erste Etage verlassen...

"Love? Steh auf, dann kann ich mit dir ins Bad und mir das vernünftig ansehen." Harry brauchte noch einen Moment und schaffte es dann mir hinkend zu folgen. Mit meiner Handytaschenlampe leuchtete ich uns den Weg ins hellblaue Badezimmer und drückte Harry dort auf den Badewannenrand. Das Handy legte ich umgedreht auf dem Boden, damit es uns genügend Licht spendete.

"Mach die Augen zu Love, ich bin hier bei dir." Harry brummte und schloss dann tatsächlich die Augen. Ich biss mir auf die Lippe als ich den nassen Stoff anfing hochzukrempeln. Wie gut das er so gerne diese weiten Stoffhosen trug. Sein Knie war ein wenig aufgeschürft und ich konnte es mir nicht nehmen lassen die dicke, wulstige Narbe, welche sich von der Innenseite seines Oberschenkels übers Knie bis hin zur Wade zog, zu küssen.

"I-Ist es schlimm?" - "Nein, es blutet auch kaum. Ich glaube das du eher ein paar Tage mit blauen Flecken leben musst." - "Der Keller ist voll Wasser", fing er dann wieder an und hielt meine Hände nachdem ich ihn versorgt hatte fest. "Ich gehe gleich mal schauen, aber viel können wir zwei dann eh nicht schaffen."

Die vergangene halbe Stunde war ich damit beschäftigt Kerzen im oberen Stockwerk aufzustellen. Kurz hatte ich mit Zayn gesprochen, auch sein Keller lief wegen dem hochkommenden Grundwasser langsam voll. Er ließ das aber ebenfalls ruhen, da er einfach nicht die Kraft hatte, das alles alleine hinzubekommen und ehrlich gesagt brauchte ich meine Kraft noch für Harry und mich.

Ich zündete die letzte Kerze an und sah ins schwach erleuchtete Badezimmer. Obwohl mein Harry ein großer bulliger Mann war, wirkte er in seinem lilanen Bademantel gerade so verloren, dass es mir einfach nur das Herz brach.

"Komm her, Haz", forderte ich ihn auf und hielt ihm meine Hand hin. Er nickte leicht, atmete tief durch und erhob sich von Rand der Badewanne. An seinen Bewegungen konnte ich schon sehen, dass er sein linkes Bein so wenig wie möglich belasten wollte und dabei hinkte er schon seit dem Unfall...

Humpelnd kam er zu mir rüber und ergriff meine Hand. "Lass uns ins Bett." - "Und die Kerzen?"

"Das sind Teelichter, Love. Ich habe sie extra in hohe Gläser gestellt, da passiert nichts." Harry empfand das nicht so und brummte, doch das war mir gerade egal. "Du bist schuld, wenn-"

"Ja", erwiderte ich direkt. "Ich weiß, dann bin ich es schuld." Harry reagierte nur mit einem weiteren Brummen und ließ sich endlich von mir ins Schlafzimmer, wo ich auch schon mehrere Kerzen aufgestellt hatte, ziehen.

"Es sah das letzte Mal so aus als-"

"Als ich dir den Antrag gemacht habe?" Mein Ehemann nickte leicht und ließ sich von mir zum Bett führen. "Komm husch schon mal unter die Decke. Ich komme sofort dazu." - "Was willst du denn noch machen? Bleib... Bleib bitte hier bei mir", fing Harry plötzlich an zu wimmern und wollte wieder nach meiner Hand greifen.

Besorgt sah ich ihn an und hielt ihm meine Hand hin, nach der er sich so ausstreckte. Auf dem Nachhauseweg hatte ich mir zwar Gedanken gemacht, dass es schlimm sein müsste, aber nicht, dass er so sehr Halt suchte und sich wie ein Ertrinkender in Not festklammern musste.

"Ich wollte zum Schrank und noch ein paar Decken holen. Morgen soll es kalt werden und die Heizung springt diesmal nicht um 5 Uhr an und wärmt das Haus."

Harry sah mich entschuldigend an und ließ seine Schultern hängen. "Tut m-"

"Nein", unterbrach ich ihn direkt und holte unsere Decken aus dem oberen Fach des Kleiderschrankes. "Dir braucht es nicht leid tun Hazza. Ich verstehe das doch. Und nun komm, ab ins Bett mit dir." Sobald Harry lag, sich auf die Seite gedreht und ein Kissen zwischen die Knie geschoben hatte, deckte ich ihn mit seiner blauen Decke zu und schnappte mir die pinke, welche ich sobald ich lag, ebenfalls über meine Beine zog.

Harry hielt schon unsere gemeinsame, große Decke in der Hand und breitete sie ein wenig umständlich über uns beiden aus.

"Weißt du noch, wo wir mit zwei Decken geschlafen haben?", fragte er plötzlich und knibbelte am Saum der Decke. "Irgendwie sind wir nachts immer unter einer gelandet und... und die zweite Decke lag neben dem Bett." Bei dem Gedanken daran musste ich schmunzeln. Irgendwie funktionierte das bei uns einfach nicht. Morgen würde vermutlich auch die blaue oder die pinke Decke halb auf dem Boden hängen.

"Wir brauchten das einfach nicht, wir hatten uns. Haben wir immer noch", erwiderte ich nach dem ich aus meinen Gedanken aufgetaucht war und lächelte leicht als ich etwas mehr zu Harry herüberrutschte.

Vorsichtig legte ich meine Hand an seine glattrasierte Wange und strich mit meinem Daumen unter seinem Auge entlang. "Schlaf jetzt, okay?" Harrys Augenringe waren nach meinem Geschmack wieder viel zu tief und zu dunkel. Sie gruben sich nahezu schon unter seinen Augen entlang. Hoffentlich hatte das Unwetter hier bald ein Ende, denn ich wusste, dass er sich unter den Umständen noch weniger als sonst erholen konnte.

"Hältst du mich?"

"Immer."

Mein Mann nickte zufrieden, drückte mir einen Kuss auf die Lippen und machte sich etwas klein, damit sein Kopf unter meinen passte. Ich spürte seinen heißen Atem gegen meine Haut prallen und obwohl ich dieses Gefühl nie leiden konnte, bei Harry war es in Ordnung, denn ich wusste wie sehr er diesen Halt, diese Nähe, in der Nacht brauchte.

Wie immer konnte ich erst einschlafen als seine Atmung sich verlangsamt und sich sein Griff um meine Hüfte ein wenig entspannt hatte. So gerade schaffte ich es ihm noch einen Kuss auf die kurzen Locken zu drücken, bis ich selbst in einen tiefen Schlaf fiel.

"N-Nein, nicht- Liam. Liam geh da... nicht lang. Instabil. Li? LIAM!!"

Auf einen Schlag war ich wach und setzte mich ruckartig auf. Es brannten noch vereinzelt ein paar Kerzen im Flur, doch das schwache Licht reichte aus, um Harrys Arme ausfindig zu machen. Direkt hielt ich ihn an seinen Unterarmen davon ab, weiter herumzuschlagen und übte mehr Druck auf den Körper meines Mannes aus als er wenigstens nicht mehr strampelte.

"Ich bin hier", wiederholte ich wie ein Mantra. Diese drei Worte konnte ich schon beinahe im Schlaf laut und deutlich aussprechen. Obwohl diese Worte einzeln nie wirklich etwas brachten, schafften sie gemeinsam eine Menge.

"Ich bin hier", sprach ich erneut und wurde leiser als ich mich auf Harrys Hüfte setzte und seine Arme langsam losließ. Damals hatte ich einmal den Fehler gemacht und ihn zu früh losgelassen. Die Spuren, welche ich davongetragen hatte, ließen mein Gesicht für einige Tage blau grün schimmern und Harry? Er konnte mich für die Zeit nicht ansehen.

So wie bei den meisten Albträumen, welche Harry seit einigen Monaten über seinen verstorbenen Arbeitskollegen hatte, wachte er nicht auf, sondern schlief weiter. Zwar unruhig, aber er schlief. Was mir persönlich einfach am wichtigsten war. Würde man ihn jetzt aufwecken...

Harry würde nicht mehr in den Schlaf finden und die Chance, dass er den Traum vergaß wäre verspielt.

Auch wenn Harry mittlerweile wieder ruhig an meiner Brust schlief, konnte ich einfach kein Auge mehr zumachen. Meine Gedanken kreisten in meinem Kopf und obwohl ich wusste, dass das hier alles ein Ende hatte, konnte ich mich nicht entspannen.

Ich wusste das es nur Wasser war, aber für Harry? Ein Unglück nach dem nächsten? Er brauchte doch so dringend einfach mal Ruhe.

Es war schon merkwürdig genug in Kerzenlicht zu Bett zu gehen, aber in ein paar Stunden immer noch ohne Strom aufzustehen... Wie sollte ich Harry seinen geliebten Kaffee machen? Auf meinen Tee konnte ich verzichten. Aber er auf das schwarze Gebräu in seiner roten Feuerwehrtasse?

Tatsächlich konnte ich bis Sonnenaufgang noch ein bisschen schlafen als Harry sich immer mehr in meinen Armen bewegte öffnete ich meine Augen langsam und lächelte bei dem Grün, welches mich liebevoll musterte. "G-Guten..." Harry räusperte sich, wobei sich eine angenehme Gänsehaut auf meinem Körper legte.

"Guten... Morgen", startete er dann einen zweiten Versuch und drückte mir seine leicht rauen Lippen auf die Wange. Schmunzelnd erwiderte ich die Geste und legte meine Hand anschließend auf seine Schulter und strich mit meinen Fingern über seine warme Haut.

"Wie geht es dir?", fragte ich vorsichtig -in der Hoffnung, dass er sich möglicherweise nicht dran erinnerte.

"Ich vermisse ihn", war alles was mein Mann dazu sagte.

Ich erwiderte es mit einem leichten Nicken, küsste seine Wange erneut und richtete mich auf, wobei mir die Decke bis zum Bauchnabel hinunterrutschte.

"Louis...?", fing er an, doch Harry verstummte und seufzte stattdessen. Langsam setzte er sich hin und lehnte sich mit dem Oberkörper gegen das Kopfteil des Bettes. "Was liegt dir auf dem Herzen?", fragte ich meinen Mann und drehte mich mehr zu ihm hin. Sanft strich ich über seine Wange runter über seinen Hals und legte meine Hand anschließend auf seine Schulter.

"I-Ich..." Seine Augen begannen hin und her zu zucken und allein durch mein Bauchgefühl wusste ich schon, was er sagen würde. "Bleib liegen, das ist okay."

Doch er schüttelte wie immer mit seinem Kopf und verneinte es leise. "Es ist okay Harry, bleib liegen, wenn du dich nicht danach fühlst. Die Jungs und ich schauen uns das jetzt alles an und begutachten die Schäden am Haus."

"Aber-"

Langsam beugte ich mich zu ihm hin und stupste mit meiner Nase gegen seine. "Ruh dich aus, Muckel. Du hast eine anstrengende Nacht hinter dir."

Harry gab langsam nach und kicherte ein wenig als ich seine Nase erneut antippte. "Wenn etwas ist, ruf laut, in Ordnung?"

Als ich die Haustür öffnete sah ich Zayn, welcher gerade den kleinen Weg vom seinem Haus zu unserem lief. "Guten Morgen", begrüßte mich der Witwer und zog mich kurz in eine feste Umarmung. "Bei mir ist die Nacht über nicht allzu viel Wasser in den Keller gelaufen. Wie sieht's bei euch aus?"

"Ich hab's gestern Abend ebenfalls nur noch laufen lassen. Wir haben ja zum Glück die guten Fenster einbauen lassen. Es ist nur das hintere Richtung Garten geplatzt. Aber wir hatten auch noch nicht viel im Keller stehen. Das meiste unserer Habseligkeiten ist noch in Kartons unterm Dach.

Zayn atmete erleichtert aus. "Niall trauert schon seit Stunden um seine ganzen Berichte von seinen Weltreisen..."

"Shit", murmelte ich, ging einen Schritt nach vorne und sah zu dem gelben Haus, welches dem Iren gehörte. "Hast du was von den anderen gehört? Ashton?" - "Gar nichts, das Telefonnetz ist immer noch down und so schnell wird sich das auch nicht ändern. Ich musste heute morgen mit Pepper raus und ich verstehe nicht, wie du es noch nach Hause geschafft hast. Ehrlich nicht. Die Straßen sind unterspült, überall stehen die Autos mit Schlamm überzogen. Ich hab nen Kühlschrank auf der Allee liegen sehen... Es ist verrückt."

"Ich kam noch so gerade durch", murmelte ich und war in diesem Moment so unglaublich dankbar, dass ich es heil zu meinem Mann geschafft hatte.

Wie sollten wir nur anfangen...

Mit einer Tasse dampfendem Kaffee, Niall konnte einen Gaskocher organisieren, stieg ich langsam die Treppen hinauf und öffnete die Schlafzimmertür, welche leicht angelehnt war. Mit einem Lächeln auf den Lippen sah ich zu Harry, welcher sich in die pinke Decke eingekuschelt hatte und vor sich hindöste. Als ich jedoch ums Bett herumging blinzelte er mehrmals und sah mich dann mit großen Augen an.

"W-Wie siehst du denn aus?", fragte er direkt besorgt und setzte sich hin.

"Nialls Keller ist unglaublich staubig, der Lichtschacht ist voller Spinnweben und da stand ich jetzt ein paar Stunden drin... Wir haben dort erstmal alles rausgeholt, bei uns gibt es schließlich nichts. Nur das Wasser was um die 30 Zentimeter im großen Kellerraum steht."

"Nur...? Das sind bestimmt schon über zehntausende Liter Wasser. Das muss auch raus...", murmelte Harry und zog sich eins der Kissen an die Brust. "Ich weiß, aber bei den ganzen Quadratmetern an Keller brauche ich da nicht mit einem Eimer anfangen das Wasser rauszuschleppen. Zayn ist unterwegs und sucht Netz. Sein Cousin besitzt einen Generator und Ashton hätte eine Pumpe. Wir bekommen den Keller schon leer."

"Kann ich auch irgendwas tun?", fragte Harry und bemerkte erst jetzt die Tasse, welche ich in meinen Händen hielt. "Oh", murmelte mein Mann und sah mich blinzelnd an.

"Nimm schon", lachte ich und drückte ihm die rote Tasse in die Hände. "Dankeschön", nuschelte er und trank den Kaffee ganz in Ruhe. Währenddessen leistete ich ihm Gesellschaft.

"Wurde uns das Wasser abgestellt?", fragte er nach einer Weile und sah mich interessiert an. "Nein, es ist jedoch nur kaltes Wasser da. Wenn du was Warmes brauchst, sag ich Niall Bescheid. Der heizt uns dann was am Kocher auf."

Harry kommentierte dies nur mit einem Nicken, stellte die Tasse auf den Nachttisch und stand langsam auf. Ich erhob mich ebenfalls und ging auf ihn zu, damit er nicht bis zu mir hinken musste. "Kannst du..." Ich verstand ihn ohne weitere Worte und legte meine Arme um seine Taille. "Ich liebe dich", wisperte Harry leise und küsste mich kurz. "Ich dich auch", erwiderte ich in derselben Lautstärke, legte meine Hand an seine Wange und küsste meinen Mann diesmal etwas länger.

"Lou", nuschelte er zwischen den Küssen und wollte sich von mir lösen, doch ich behielt ihn weiterhin bei mir. "Schön hiergeblieben", wisperte ich und stoppte wenige Millimeter vor seinen Lippen. "Aber es gibt viel zu tun." Während er sprach berührten sich unsere Lippen ganz kurz.

"Du bist mir wichtiger."

Bis zum Nachmittag des nächsten Tages hatten wir einiges geschafft. Dank Zayns Cousin und die Hilfe seiner Freude konnten wir sämtliche Keller in der Nachbarschaft auspumpen und trockenlegen. Sogar Harry hatte sich nach einer Weile aus dem Haus getraut und stand etwas schüchtern am Rand und hielt seine Feuerwehrtasse fest an sich gedrückt.

"Hey Love", flüsterte ich als ich bei ihm angekommen war und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. "Hey L-Lou", erwiderte er leise, brummte als ich meine Hand auf seinen Bauch legte und ihm noch einen Kuss auf den Mund gab. "Hast du in deiner Kanne noch Kaffee oder soll ich zu Niall?"

"Hab' noch", nuschelte er zufrieden und schwenkte das Gebräu in seiner Tasse. "Wir sind jetzt auch fertig. Niall konnte einen Container bestellen, der kommt morgen. Da helfe ich dann auch noch mal und dann ist das Gröbste geschafft. Mehr können wir eh nicht machen."

"So schnell?"

Ich zuckte mit meinen Schultern und nickte. "Wir brauchen noch einen Trockner, der uns die Feuchtigkeit aus dem Haus zieht, aber ja, dann ist fast alles fertig."

"Oh..."

Sanft lächelte ich meinen Mann an und pikte in seinen muskulösen Oberarm. "Tut mir leid, das ich keine große Hilfe bin..."

"Hazza", wisperte ich, sah kurz zu unseren Freunden und widmete mich dann meinem Mann. "Es ist doch vollkommen in Ordnung. Du darfst gar nicht so viel schleppen, da sich deine Bänder und Knochen noch erholen müssen."

Harry gefiel das natürlich nicht, aber ich musste ihm einfach den Wind aus den Segeln nehmen. "Harry", fing ich erneut an und nahm seine freie Hand in meine. Doch so wie mein Mann nunmal war unterbrach er mich: "Wäre das alles nicht passiert... Wäre Liam nicht nochmal ins Haus und ich nicht hinterher...Dann... Dann-"

Er war vollkommen in seiner Blase gefangen und stammelte so lange vor sich hin, dass sich sogar Tränen in seinen grünen Augen bildeten. An seinem Gesicht konnte ich erkennen, wie der den Arbeitsunfall wieder durchlebte.

"Komm, wir gehen rein", wisperte ich und wollte ihn mitziehen, doch der Blick meines Mannes lag auf Zayn, welcher ebenfalls zu uns sah. "Muckel... Komm, wir gehen rein", wiederholte ich. Allerdings stemmte sich Harry dagegen und verneinte es leise. Ich ließ ihn machen und bot ihm einfach meine Schulter an die er sich schlussendlich auch lehne.

"Ich liebe dich", ließ ich ihn wissen und lächelte ein wenig als er es einen Moment später leise erwiderte.

"Keep your head up, love. Zusammen schaffen wir alles."

___________
[4068 Wörter  03/08/2021]

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top