Meine Schwester und mein Feind

Kapitel 63

Ian

Er tippte nervös auf Lenkrad herum und wartete geduldig darauf, dass Emily das Gespräch mit ihren Eltern beendete und mit dem Kleid zurückkam. Währenddessen spielte seine Schwester auf der Rückbank ständig mit ihrem Telefon herum und wirkte eher gelangweilt als irgendetwas anderes. Es wurmte ihn, dass Lola nicht mit ihm sprach, als hätten sie sich nichts mehr zu sagen und er konnte sich nur denken, woran das liegen könnte.

"Du bist mit ihm zusammen?" fragte Ian für Lola scheinbar aus heiterem Himmel, weil er befand, dass dieser Moment war so gut wie jeder andere auch und er musste sich dringend ablenken.

Lola sah von ihrem Display auf und runzelte die Stirn. Schien darüber nachzudenken, was sie ihrem Bruder sagen sollte. Seit wann vertraute Lola ihm nicht mehr uneingeschränkt?

"Könnte man so sagen. Wie groß ist dein Problem damit?", fragte sie und Ian zuckte mit den Schultern. Doch seine Gelassenheit war eine Lüge.

"Er arbeitet immer noch für unseren Vater, Lola." das sollte ihr eine Warnung sein, aber er wusste das diese absolut sinnlos wäre, wenn sich seine Schwester in den Kopf gesetzt hatte, Nathan ihr Herz zu überlassen. So war sie einfach.

"Allerdings. Aber hast du Nathan jemals gefragt, warum er dort überhaupt angefangen hat?" fragte Lola und Ian blickte durch den Rückspiegel zu ihr zurück.

"Nein, ist mir auch egal. Mein Vater war das größte Ekel, das wir seit unserer Kindheit kannten und er hat dieses Jobangebot dennoch angenommen. Für so etwas Beschissenes wie Geld", meinte er und Lola gab einen abwertenden Ton von sich.

"Er hat erst mit dir über seine Gefühle für mich gesprochen. Ich wusste davon nichts und deine Reaktion war es, dich mit ihm zu prügeln und ihm zu sagen, dass er es 'beschissen nochmal nicht wert ist' ", warf sie ihm vor und Ian verspürte den Stich in seinem Magen als er an diesen Abend dachte.

Er war vollkommen ausgerastet, als Nathan ihm fast nebenbei erklärte, dass er Lola um ein Date bitten wollte. Das Problem war nur, dass sie damals erst fünfzehn gewesen ist. Sicherlich alt genug für ein beschissenes Date, aber nicht mit einem von Ians besten Freunden.

Doch das rechtfertigte nichts von dem, was Ian Nathan damals an den Kopf geworfen hatte und wenn er rückblickend darüber nachdachte, war er in diesem Moment selbst ein beschissener Freund gewesen.

Ian hatte es vor allem getan, weil er wusste, dass es Nathan treffen würde.

Sein damaliger bester Freund hatte sich immer etwas minderwertig neben Ian und gefühlt, weil dieser in Gegensatz zu Ian eher in einfachen Verhältnissen groß geworden war und Ian hatte das schamlos gegen ihn eingesetzt und es von der ersten Sekunde an bereut. Bei dem Gedanken, dass dies Nathan immer noch wurmte, wurde ihm schlecht.

"Als du den Posten bei unserem Vater abgelehnt hast und dieser dann Nathan diesen Posten in Aussicht stellte, wahrscheinlich nur um dich damit zu provozieren, hat er angenommen, um 'es wert zu sein', Ian."

"Hat er dir das erzählt?", fragte Ian zurück, ohne den Klos in seinem Magen besänftigen zu können. Lola nickte verbissen und alleine den traurigen Blick, den sie daraufhin aufsetzte, genügte, um Ians schlechtes Gewissen zu verstärken.

Er hatte unleugbar scheiße gebaut, einfach nur, weil er sich verraten gefühlt hatte und dafür seinen besten Freund verloren. Einen Platz, den niemand anderes jemals hatte wieder einnehmen können.

"Es tut mir leid. Ich war ein beschissener Freund", gestand Ian und Lola sah ihn durch den Rückspiegel hindurch an. Schien verwundert darüber, dass ihr Bruder diesen Fehler nicht nur sich selbst, sondern auch ihr gegenüber eingestand.

"Ich wäre gerne mit ihm ausgegangen. Damals schon", gestand Lola und der Klos in Ians Kehle wurde größer.

"Dann war ich wohl auch ein beschissener Bruder", gab er zu und Lola sah immer noch bedrückt aus, aber schüttelte dann langsam den Kopf.

"Nur da und wer weiß...vielleicht war es auch gut so. Ich weiß nicht, ob ich das damals zu schätzen gewusst hätte", meinte sie und kurz wollte Ian fragen, was genau sie meinte, doch da erhielt er schon eine Nachricht von Emily und blendete die Beziehung seiner Schwester fürs Erste aus.

"Sie kommt zurück", erklärte Ian Lola, die darauf hin nickte und wieder auf ihr Telefon starrte.

"Sag ihm, dass er es wert ist." Lola sah auf.

"Was?"

"Sag Nathan, dass er es wert ist und dass ich mich freuen würde, wenn er der Kerl an deiner Seite ist, Gott weiß du hattest schlimmere Typen, also...wenn er es geschafft hat in der Nähe meines Vaters anständig zu bleiben, dann ist er auch anständig"

darauf hin lachte Lola kurz auf, doch über den Sarkasmus in ihrer Stimme wollte er sich nun wirklich keine Gedanken machen.

Lola war erwachsen und würde zu ihm kommen, wenn sie Hilfe brauchte. Es war nicht mehr sein Job, seine Schwester darüber hinaus zu beschützen. Das war Nathans!

Lola sah so aus, als wollte sie ihm noch irgendetwas sagen, doch da zuckten beide zusammen, weil eine Person die Tür der Beifahrerseite aufzog und eine Kleiderhülle in das Wageninnere schob. Ian griff nach dem scheinbar bauschenden Stoff darin und half Emily die Kleiderhülle auf der Rückbank zu erstaunen, während diese selbst neben ihm Platz nahm.

Lola konnte es währenddessen nicht lassen, einen Blick in die Kleiderhülle zu werfen.

"Oh Wow, Emily. Ich hab ein kleines Schwarzes erwartet, aber das sieht eher nach Aschenputtel aus. Sicher, dass du nicht im Herzen eine Disney Prinzessin bist?", fragte Lola und Emily streifte sich die Kapuze aus dem Gesicht und warf Ians Schwester einen bösen Blick zu.

"Ich mochte Scar und Ursula immer am liebsten. Sie sind missverstandene Charaktere!", meinte Emily und sowohl Ian als auch Lola drückten sich mit einem Schmerzenslaut eine Hand gegen die Brust.

"Aber Mufasa!", entfuhr es den Cunningham Geschwistern gleichzeitig und Emily lachte.

"War ja klar, dass ihr das Argument herausholt", meinte sie und Ian griff über den Sitz und packte ihn Kinn, um sie mit gespielt ernster Miene anzusehen.

"Als hättest du als Kind nicht geheult als er starb! Sag mir, dass du nicht so kalt sein kannst!", meinte er und Emily lächelte.

"Ja, ich gebe zu, dass ich geweint habe, als Simba Mufasa fand, aber ich bin prinzipiell gegen jede Art von Monarchien, also..."

"Oh Gott, Ian du hast dir eine Anti-Royalistin mit heimlichen Prinzessinnen Fabel ins Haus geholt. Eine, die bald ihren Aschenputtel Moment hat. Ich bin schockiert. Aber eines sage ich dir, Schwester, wenn du das Diadem, das ich dir für diesen Abend leihe, zerbrichst und dort einen 'Girls Club'- Moment abziehst, geb ich dir keinen Vorsprung!", meinte Lola und Ian wusste nicht, was seine Schwester mit Girls-Club-Moment meinte, aber das war auch nicht wichtig, denn Emilys Augen wurden so groß wie Untertassen und fingen an zu glitzern.

"Ein Diadem? Ehrlich?", freute sie sich und schien komplett aus dem Häuschen zu sein. Toll. Doch wie es aussah war Emily komplexer als er dachte, denn sie schien tatsächlich zumindest einmal in ihrem Leben eine Prinzessin sein zu wollen und wenn auch nur für einen Abend. Und zwar selbst dann, wenn sie an diesem Abend dem bösen König gegenübertreten musste, um ihren Prinzen zu retten.

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