In aller Munde

Kapitel 50

Emily

Vielleicht war das Foto von Lola und der Kuss mit Ian mitten auf dem Universitätsgelände doch keine gute Idee gewesen, denn während Emily sich am Nachmittag immer noch sehr wohl damit gefühlt hatte, begegneten ihr jetzt auf dem Nachhauseweg die Nachteile.

Oder besser gesagt: Ihr wurden die Auswirkungen erst wirklich ab dem Moment deutlich bewusst, als sie mit ihrem Fahrrad in die Straße einbog und die Übertragungswagen einiger bekannter Klatscht-Sender bemerkte, die direkt davor parkten.

Dabei war es doch nur ein Kuss und ein Bild auf Instagram gewesen!

Natürlich war Emily nicht so naiv gewesen zu glauben, es bliebe ohne Konsequenzen, aber nach nur ein paar Stunden Reporter vor der Haustür ihrer Eltern? Oh Gott!

Erschrocken stieg Emily von ihrem Rad ab, versteckte sich hinter der Mauer eines ihrer Nachbarn und überlegte fieberhaft, was sie tun sollte.

Einfach weiter gehen und hoffen, dass diese Leute nicht ihretwegen da waren? Ihre Kapuze aufziehen und sie alle ignorieren?

Zurück zur Uni?

Was sollte sie tun?

Und wie gingen ihre Eltern gerade mit dieser Situation um?

Bei dem Gedanken daran, dass ihre Eltern von all dem ziemlich überrumpelt worden, griff Emily zu ihrem Handy und rief auf dem Telefon ihrer Mutter an, die auch sofort abnahm, als das Freizeichen ertönte.

"Emily! Komm ja nicht nach Hause, hier stehen überall Reporter vor unserer Tür! Dein Vater musste heute die Werkstatt schließen!", meinte diese schnell und sorgt, rutschte Emily das Herz weiter in die Hose und sie ließ ihren Kopf etwas schmerzhaft gegen die Mauer gleiten.

"Ich weiß. Ich versteckte mich bei Mrs Simpson hinter der Mauer. Ich habe die Reporter gerade gesehen. Ich hatte Glück, dass sie mich nicht bemerkt haben. Es tut mir so leid!", bekannte Emily und beschloss ihrer Mutter lieber nicht zu sagen, dass ihre Tochter so dumm gewesen war zu glauben, diese Reporter würden sich nicht sofort auf sie stürzen.

"Oh Liebling. Mach dir über uns keine Sorgen, es ist nervig, aber wir machen gerade einen Spieleabend zu Hause, allerdings laufen diese Aasgeier auch in der Nachbarschaft herum und fragen nach dir. Der alte Mr William hat ein Interview gegeben. Es war sehr nett, aber dennoch hab ich angerufen und ihn angemeckert! Er wird sich bei dir entschuldigen müssen, bevor er je wieder ein Bier in diesem Haus bekommt! Die meisten in unserer Straße haben den Anstand, diesen Leuten die Tür vor der Nase zuzuknallen! Warum klingelst du nicht bei Mrs Simpson? Die macht dir Kekse und wenn sich alles beruhigt hat, kommst du rüber. Die können schließlich nicht ewig hier stehen", meinte ihre Mutter, aber Emily bezweifelte, dass diese Leute so schnell aufgeben würden. Ein Mädchen aus einer Arbeiterfamilie hatte sich schließlich gerade den begehrtesten Mann der Stadt geschnappt. Dennoch zog sie den Vorschlag ihrer Mutter gerade in Erwägung, als die knurrige Stimme ihres Vaters im Hintergrund zu hören war.

"Sei nicht naiv, Cat. Sie werden hier campen, wenn es sein muss. Dieser Cannungham ist der beliebtesten Jungeselle der Stadt und unsere Tochter hat sich ihn geangelt. Das ist die Story des Jahres!" meinte er und klang dabei sogar etwas stolz, was auch Emilys Mutter nicht überhörte. Emily war indessen ziemlich froh, dass ihr Vater exakt den gleichen Gedanken hatte wie sie selbst.

"Bist du auch noch stolz darauf?", fragte Emilys Mutter vollkommen aufgeregt und ihr Vater lachte.

"Unsere Tochter hat den Besten verdient! Natürlich bin ich stolz, ich will diesem Cunningham geraten haben, dass er das auch so sieht! Sonst setze ich ihn das nächste Mal vor die Tür!", beschied ihr Vater und Emily lächelte, als ein zweiter Anruf sich auf ihrem Telefon ankündigte.

"Mum bleibst du in der Leitung? Ian ruft gerade an", meinte sie und wartete bis ihre Mutter einen eher widerwilliges 'In Ordnung' von sich gegeben hatte und nahm dann Ians Anruf entgegen.

"Emily? Bist du zu Hause? In meinem Büro klingelt die ganze Zeit das Telefon, seit wir gesehen worden sind und ich lese gerade auf einschlägigen Seiten, dass sie Nachbarn bei dir Zuhause Interviews. Wahrscheinlich belagern sie auch dein Elternhaus." Emily stöhnte.

"Ich weiß, ich verstecke mich gerade hinter der Mauer eines meiner Nachbarn. Ich kann nicht nach Hause, ohne überrannt zu werden. Ich weiß nicht, woher sie meinen Namen und meine Adresse haben", erwiderte sie, aber diese Frage schien für Ian schnell geklärt.

"Wahrscheinlich hat jemand an der Uni geplaudert. Sag mir genau, wo du bist. Ich komme dich abholen", meinte Ian und Emily nickte bevor ihr einfiel, dass er sie nicht sehen konnte.

"Ja, bitte. Wenn ich nicht Zuhause bin, lassen diese Reporter meine Eltern vielleicht in Ruhe. Mein Dad, konnte so seine Werkstatt nicht offen halten."

Es war besser, sie würde ihr Zuhause ein paar Tage meiden, bis sich der Wirbel gelegt hatte, auch wenn sie keine Ahnung hatte, wie sie auf diese Art und Weise überhaupt eine Beziehung langsam beginnen sollte. Es schien ihr sofort alles zu Kopf zu steigen.

"Halte durch, Em. Ich bin unterwegs. Schick mir deinen Standort, ich werde jemanden damit beauftragen ein paar Sachen von deinen Eltern zu holen."

"In Ordnung. Danke und bis gleich."

„Bis gleich", erwiderte Ian sanft und wieder viel Emily auf, dass sie immer noch nicht geklärt hatten, wie sie sich begrüßten oder verabschieden sollten. Heute Mittag war es nur ein kurzer Besuch gewesen, weil Ian eigentlich Lola von der Uni hatte abholen wollen. Sie hatten nur gemeinsam einen Kaffee trinken können, bevor Emily zur nächsten Vorlesung hatte gehen müssen. Aber jetzt?

Jetzt würden sie den gesamten Nachmittag miteinander verbringen und ... die Nacht. Sofort kribbelte es in ihrem Magen und ihr wurde bewusst, dass sie ewig keinen Sex mehr gehabt hatte. Das letzte Mal lange vor Max tot gewesen, mit einem Kerl, mit dem sie lediglich ein paar Monate zusammen gewesen war. Er war ihr Erster und bis jetzt auch Letzter gewesen.

Und jetzt Ian? Er war älter als sie und hatte definitiv mehr Erfahrung. Gott, sie würde sich blamieren. War es zu spät für einen Sex-Crash Kurs? Konnte man das online machen?

"Emily?", ertönte die Stimme ihrer Mutter aus ihrem Telefon, weil Ian aufgelegt hatte.

"Ja. Mum, Ian kommt mich abholen, wir hoffen, dass die Reporter verschwinden, wenn sie merken, dass ich nicht zu Hause bin. Kannst du mir ein paar meiner Sachen einpacken?", fragte Emily und ihre Mutter verfiel in ein langes Schweigen.

"Ich weiß, dass du zu alt bist, als dass ich dir das verbieten könnte, aber bist du sicher?" fragte sie und über diese Frage wollte Emily lieber nicht allzu lange nachdenken, denn dann würde sie wahrscheinlich panisch auf und ab springen.

"Ja, Mum. Bitte. Es ist hoffentlich nicht für lange"

"Aha. Und deine Uni morgen, du wirst da doch hingehen, oder?" fragte Cat Watson streng und Emily stöhnte.

"Ja, Mum. Bitte..."

"Was ist?", fragte ihr Vater im Hintergrund.

"Nun, unsere Tochter will wohl bei ihrem neuen Freund schlafen, nach ein paar Stunden Beziehung. Sogar für ein paar Tage bei ihm bleiben", petzte Emilys Mutter brühwarm und so sehr Emily ihre Eltern auch liebte: Das war absolut unnötig gewesen. Denn natürlich war ihr Vater damit alles andere als einverstanden.

"Was? Nein, auf keinen Fall!", meinte er ganz plötzlich und war auf einmal alles andere als stolz. Natürlich, welcher Vater fand die Aussicht schon prickelnd? Doch Emily atmete tief durch und beschloss, dass das nicht ihr Problem war.

"Danke für deine Unterstützung, Mum!", brummte Emily sarkastisch und musste sich zwingen höflich zu bleiben.

"Ich packe ein paar Sachen für dich, auch wenn ich damit absolut nicht einverstanden bin! Du schickst uns die Adresse von ihm, wenn du da bist und wenn etwas sein sollte, holt dein Vater dich ab! Egal wie toll er ist, du kennst ihn kaum und wird sind immer noch deine Eltern, die auf dich aufpassen wollen, in Ordnung?", fragte ihre Mutter und damit verrauchte Emilys Wut wieder. Ja, sie verstand das und sah ein, dass Ian sich das Vertrauen ihrer Eltern erst verdienen musste.

"In Ordnung. Es ist wirklich so erstmal das Beste, sie sollten euch und unsere Nachbarn nicht belästigen."

"Ich weiß, Liebling, aber es läuft nicht immer alles so, wie es sein sollte. Pass bitte auf dich auf, klar? Und ruf sofort an, wenn etwas sein sollte! Und auch wenn nichts sein sollte!", meinte Cat Watson, dann wieder ausgesprochen warmherzig.

"Klar. Beruhig du erstmal Dad und vergiss nicht ihm zu sagen, dass ich erwachsen bin und er das akzeptieren muss!", entgegnete Emily streng und ihre Mutter lachte.

"Oh Schatz, dein Alter wird ihn nicht davon abhalten, deinen Ian jetzt dennoch etwas weniger zu mögen", meinte ihre Mutter nur und Emily gab einen sehr unwilligen Laut von sich. Eltern konnten so nervig sein!

Aber es würde nichts bringen, deswegen einen Schreit anzufangen. Sowohl ihre Mutter, als auch ihr Vater würden sich schon wieder beruhigen.

"Schön. Ich melde mich dann."

Damit beendete Emily das Gespräch und versuchte das Problem mit ihren Eltern hinten anzustellen.

Ob Ian ähnliche Gespräche zu führen hatte, weil er mit ihr zusammen war? Sie wusste es nicht, aber sie hoffte, dass er, genauso wie sie, sich davon nicht beirren lassen würde. Es konnte doch nicht nach nur einem Tag alles wieder scheitern.

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