Geschwistertreue

Kapitel 36

Ian

Was. Fällt. Ihr. Ein?

Dieses Mädchen war einfach unfassbar!

Ian biss fest die Zähne aufeinander und versuchte wegen des Ausmaßes seiner Wut nicht auch noch aus Versehen sein Handy Bildschirm zu beschädigen, während er sein Telefon immer fester umschloss. Eine Umsicht, die seinem Kugelschreiber nicht vergönnt war. Das Plastikgehäuse und die geborstene Miene lagen in Einzelteilen auf der Tastatur seines Laptops herum. Sie waren stumme Zeugen davon, wie sehr es Emily schaffte, ihn seine eiserne, antrainierte Geduld verlieren zu lassen. All die Dinge, die sie ihm über das Telefon seiner Schwester an den Kopf geknallt hatte, würde sie bitter bereuen! Das schwor er sich, auch wenn ihm sein innerstes sagte, dass es vor allem die Tatsache war, dass sie nicht ganz falsch mit ihrer Einschätzung lag, ihm am meisten provozierte.

Ja, er hatte seine Freundin quasi mit Emily betrogen und daran traf sie irgendwie auch keine Schuld, auch wenn Ian sehr deutlich vor Augen hatte, wie sie ihn angesehen hatte. Ihre großen traurigen Augen, diese bebende Unterlippe und dann noch ihre gesamte Körpersprache, die 'küss mich!' geschrien hatte. Wie hätte er da widerstehen sollen?

Klar, Emily war ungebunden und konnte mit jeden Typen herumknutschen, den sie wollte. Er allerdings nicht. Dennoch weigerte er sich alleine dafür die Verantwortung zu tragen. Obwohl er zugeben musste: Dass er in einer Beziehung feststeckte, die ihn nicht erfüllte und sich mehr wie eine Verpflichtung anfühlte, war nicht Emilys Schuld. Es war seine. Seine alleine. Scheiße! Dieser Typ von Mann hatte er nie sein wollen.

"Du hast sie geküsst?" fragte plötzlich eine sehr gut gelaunte Stimme.

Die bei weitem nicht so schadenfroh klingen sollte, wie sie es tat. Lola, Lola, die nun höchstwahrscheinlich mit einem diebischen Grinsen ihr Telefon an ihr Ohr hielt. Doch Ian hatte keine Zeit dafür seiner Schwester etwas zu erklären was er selbst noch nicht ganz verstand.

"Wo ist sie, Lola?", fragte er stattdessen gezielt.

"Sie geht gerade den Campus entlang zu ihrem Fahrrad. Du stehst auf sie, oder? Hätte ich mir denken können, sie ist genau dein Typ", erklärte seine Schwester so gelassen, dass es ihn fast wieder aufregte.

Doch bevor er ihr einen genaueren Standort entlocken konnte, den er in sein Geschäftshandy einhämmern konnte, damit der Privatdetektiv an Emily dran blieb, horchte er auf.

Emily war sein Typ?

Er hatte ja immer gewusst das er Lola bei weitem nicht so nahe stand, wie man das als guter Bruder tun sollte, aber das sie so daneben liegen könnte überraschte ihn.

"Sie ist nicht mal im Entferntesten mein Typ!", widersprach er und daraufhin lachte Lola.

"Oh doch. Sie ist nur nicht der Typ Frau, mit dem ausgehen würdest. Aber definitiv der, auf den du in Wahrheit stehst. Zumindest wenn du dich nicht stets darum bemüht sein würdest, eine Frau zu finden, von der du glaubst, dass du sie daten müsstest, weil die Welt das erwartet." meinte Lola und Ian verengte die Augen zu wütenden Schlitzen, während er sich darum bemühte, sich sein privates Handy mit der Schulter am Ohr zu halten und in seinem Geschäftshandy Anweisungen zu tippen.

"Ich dachte, du magst Donna", meinte Ian.

"Klar, sie ist nett und höflich und gut erzogen und so weiter. Aber sei mir nicht böse. Für sie sind die Verabredungen schlicht weg ein guter Deal, genauso wie für dich. Sie würde dir keine Träne hinter heulen, Bruderherz. Emily verlässt jetzt den Campus. Fritzgrad ist übrigens heute nicht in der Uni gewesen, soweit ich das beurteilen kann. Ich habe sie gewarnt, wie du es vermutlich geplant hattest", spracht seine Schwester weiter und bewies damit einmal mehr, dass sie eine größere Auffassungsgabe hatte, als man ihr auf den ersten Blick zutraute.

Doch keine der Informationen war tatsächlich eine Neuheit für ihn. Zum einen hatte Ian tatsächlich damit gerechnet, dass Lola Emily zur Seite nehmen und sie vor Dave warnen würde, zum anderen hatte der Privatdetektiv ihm bereits mitgetweil dass Dave heute Morgen bei einem Arzt gewesen war und eine Krankschreibung an die Uni gegangen ist.

Wie es aussah, hatte sein Schlag doch den erhofften Schaden angerichtet, den er sollte.

"Halt sie bitte auf, ich komme hin", meine Ian und steckte sein Geschäftstelefon zurück und seine Jackentasche und marschierte gerade aus seinem Büro.

"Sie aufhalten? Was soll ich machen, mich vor ihr zwanzig Dollar Rad werfen?", fragte sie und Ian stöhnte.

"Bitte. Ich muss mit ihr reden"

"Keine gute Idee. Sie war ziemlich angepisst. Du hast ihre Hypothek bezahlt? Ohne ihre Erlaubnis? Das ist ziemlich übergriffig, meinst du nicht?" fragte Lola und Ian verlor langsam die Geduld mit seiner Schwester.

"Tu es Lola und wenn du es getan hast, gehst du weit genug weg, dass du nicht lauschen kannst! Ich weiß genau, dass dich Mutter dazu definitiv nicht erzogen hat", knurrte er, aber Lola schien das wenig als Beleidigung aufzufassen. Er vernahm sogar ein Lächeln in ihrer Stimme.

"Nein, hat sie nicht. Das habe ich mir selbst beigebracht. Manchmal kommt man mit Höflichkeit nämlich nicht weiter und das wissen wir beide!"

Da hatte sie nicht unrecht.

Ian und Lolas Mutter hatte versucht ihren Kindern zu vermitteln, dass es immer besser war, gut, ehrlich und fair zu handeln, weil die Welt es einem danken würde. Aber das stimmte nicht. Das mochte zwar die Idealvorstellung sein, in der alle leben wollten, aber wer in dieser Welt gut war, wurde in der Regel nur ausgenutzt und irgendwann dafür auch noch dafür verspottet.

Die Kunst war es zu überleben und seinen Weg zu gehen, ohne ganz zu verderben. Ian konnte seiner Schwester also nicht vorwerfen, dass sie so unhöflich war und Gespräche belauschte, einfach nur damit sie gewarnt war, was um sie herum geschah.

Das allerdings ließ die Frage offen, was sie noch alles wusste.

"Belauschst du auch Frederiks Gespräche?" fragte Ian und wusste aus eigener Erfahrung, wie leichtfertig sein Vater mit Geschäftsgesprächen in der Öffentlichkeit umging, vor allem wenn er alle andere um sich herum gerade für Vollidioten hielt, die eh nicht verstanden, was er sagte. Als junger Mann hatte Ian das ab und an die Hände gespielt, bis sein Vater verstanden hatte, dass man ihn nicht unterschätzen durfte.

Doch Lola..

Sie war in seinen Augen nur eine Frau, die er herumkommandierte und sie hatte in den letzten Monaten einige Abende mit ihm aushalten müssen. Abende wo er Geschäftspartner getroffen hatte, mit denen er sich nicht nur darüber unterhielt, wie gerne er seine Tochter an ihnen verschachern würde.

"Klar. Du erzählst mir ja nichts. Obwohl das meiste davon nur allgemein Gespräche sind. Er ahnt nichts von dem, was auch immer du vorhast. Von was für ein Patent hat sie gesprochen? Unser Vater interessiert sich nicht für Patente, er denkt nur zum nächsten Quartal und vielleicht noch an die nächste Bonuszahlung", meinte Lola, während Ian an seiner Sekretärin vorbeiging und ihr mit einer Handbewegung deutete, dass er heute wohl nicht wieder kommen würde.

"Ich will dich da nicht mit hineinziehen, versuche nur dich nicht verkaufen zu lassen und halte verdammt nochmal Emily auf!" entfuhr es Ian, aber da erklang auch schon das glockenhelle Lachen von seiner kleinen, stets unterschätzen Schwester.

"Hab ich längst. Ich halte gerade ihren Lenker mit einer Hand fest und sie sieht mich, als würde sie mich gleich mit meiner Pradatasche erwürgen wollen", lachte Lola und wirkte dabei definitiv zu gut gelaunt.

"Vorherr reiße ich dir jeden deiner künstlichen Fingernägel einzeln ab! Lass mich fahren!" maulte Emily im Hintergrund, doch wieder kicherte Lola nur.

"Immer langsam. Romeo ist gerade auf dem Weg. Ich glaube, ihr habt da was zu klären! Zieh nicht so ein Gesicht. Komm, ich spendier dir einen Kaffee", bot Lola ganz sicher nicht so uneigennützig an, wie es klang, aber Ian hörte, wie Emily ein Seufzen ausstieß, von dem er ahnte, dass sie sich geschlagen gab. Gut so.

Dann hatte Ian genug Zeit, zu ihnen zu gelangen.

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