Eine Watson sein...
Emily
„Em?" Emily drehte sich im Bett herum und wollte die Stimme des kleinen Jungen zu ignorieren, die sie zu wecken versuchte. Sie wollte nicht aufstehen und vor allem wollte sie nicht das Bild des hübschen Jungen aus ihrem Wirtschaftsrechtekurs vor ihren Augen verlieren, der gerade im Traum dabei gewesen war, ihr seine Liebe zu gestehen. Aber wie immer platzten ihre Träume.
„Em! Mum sagt es gibt Lasagne!", sagte der Mann ihrer Träume, anstatt die begehrten anderen drei Worte und sofort schlug Emily die Augen auf und setzte sich schnell aufrecht hin und stieß ihr typisches:
„Ich nehme extra Käse!", aus, wie sie es immer tat, wenn es um die Lasagne ihrer Mutter ging.
Doch anstatt des, vollen Vorfreude erwartenden, Geruchs, nach gekochten Tomaten und Käse empfing sie nur das spitzbübische Lachen ihres kleinen Bruders, der gar nicht hier sein sollte.
„Du bist so verfressen!", urteilte der sechsjährige kichernd und Emily brauchte noch ein paar Sekunden länger, um zu begreifen, dass Tommy sie gerade hereingelegt hatte, verzog dann das Gesicht und wollte nach ihm greifen, aber da quiekte er schon auf und lief in Richtung Tür.
„Du hast hier nichts zu suchen, du kleine Kröte!", schrie sie ihm nach, während sie versuchte ihre Decke von sich zu treten und Gleichzeit aus dem Bett rollte, um diesen kleinen Mistkerl zu folgen, der sich einen Spaß daraus machte, seine Schwester zu quälen.
Nachdem Emilys Mutter beschlossen hatte zugunsten der Gesundheit fettige und cholesterinreiche Gerichte von der Speisekarte zu verbannen, war die Verheißung nach ein Stück Langnese zu etwas geworden, was sie dazu brachte, in Tränen auszubrechen.
Manchmal bereute es Emily richtig, dass sie sich dazu entschieden hatte zu Hause wohnen zu bleiben, obwohl sie gut und gerne im Wohnheim der Universität untergekommen wäre. Und wenn sie ehrlich war, waren die Kochkünste ihrer Mutter dafür ein größeres Argument gewesen, als das ganze Geld, dass sie dadurch sparte,
während sie also mit der Bettdecke kämpfte und dann wütend aus dem Zimmer spazierte, hörte sie an Tommys Schreie bereits, dass er dabei war, die Treppe herunter zu rennen und folgte ihn gähnend.
Wieso die kleine Kröte schon so früh, so viel Energie haben konnte, war ihr ein Rätsel. Die hätte sie gestern Abend gut gebrauchen können, als sie vor ihrer Hausarbeit eingeschlafen war - natürlich, ohne dass sagenhaft viel dabei herausgekommen war. Kein Wunder, wenn sie nur von diesen Jungen träumte, der mit ihr diesen Kurs belegte. Sie musste wirklich anfangen Prioritäten zu setzen.
Als sie die Küche betrat, stand ihr Vater am Herd und machte seinen weltberühmten Pancakes, während ihre Mutter sie anlächelte und sich nach ihrer Arbeit erkundigte, die sie gerne fertig machen wollte.
„Ich bin irgendwann eingeschlafen", gestand Emily etwas frustriert und ihre Mutter tätschelte ihr mitfühlend die Schultern, während ihr Vater das Frühstück servierte und ihren Bruder auftrug seinen Bären zurück in seine Zimmer zu bringen, den er die ganze Zeit im Arm hielt. Es gab eine kleine Diskussion, aber letztendlich stampfte Tommy die Treppe wieder herauf und Emilys Vater setzte sich ihr gegenüber.
„Du nimmst dir zu viel vor, Schatz. Niemand verlangt vor dir das Studium in Rekordzeit abzuschließen. Du bist jung, hab etwas Spaß"
„Genau, dein Vater hat Recht! Du könntest auch mal wieder einen Jungen mit nach Hause bringen!" stimmte ihre Mutter zu, worauf ihr Vater sich sofort versteifte und seine Frau erschrocken anblickte.
„WAS? Cat! Erzähl doch sowas nicht! Sie ist viel zu jung um ..."
„Sie ist neunzehn, Hugh! Und den letzten Jungen, den sie mitgebracht hatte, war der, der sie zum Abschlussball der Highschool begleitet hat. Sie muss anfangen nach vorne zu sehen nachdem..."Ihre Mutter verstummte, so wie auch ihr Vater plötzlich ruhig wurde und Emily ein flaues Gefühl im Magen bekam, der ihr das Essen vermieste. Sie wollte nicht an den Abend vor einem Jahr denken, wo eine dumme und sehr leichtsinnige Entscheidung ihrerseits, ihren älteren Bruder Maxwell das Leben gekostet hatte. Sie wollte sich nicht daran erinnern, aber tat es eigentlich jeden Tag, weil sie sich selbst nicht verzeihen konnte.
„Es ist nicht deine Schuld Liebling", meinte ihre Mutter sofort und legte ihre Hand auf Emilys aber sie zog diese weg und beschloss nun doch schon zur ersten Vorlesung zu gehen. Obwohl sie diese nach dem Desaster von gestern Abend mit der Hausarbeit hatte ausfallen lassen wollen.
„Ich glaube, ich hab kein Hunger und bin eh spät dran zur Vorlesung. Muss mich noch fertig machen", meinte sie schnell und verließ die Küche wieder. Auf der Treppe kam ihr Tommy entgegen, der seiner älteren Schwester verwirrt hinterher sah und immer noch seinen Teddy im Arm hielt. Der Anblick versetzte ihr einen weiteren Stich.
Max, hatte ihn für Tommy gekauft, als dieser seinen vierten Geburtstag gefeiert hatte. Weil Maxwell einfach der beste große Bruder gewesen war, denn man sich hätte wüschen können. Er hat immer alles für seine Geschwister getan, inklusive seiner nervige, kleine Schwester von einem ruinierten Abschlussball abzuholen, weil ihr Date sie hatte sitzen lassen. Dass er tot war, war ihre Schuld, egal was ihre Eltern sagten und selbst über ein Jahr später hatte sie keine Ahnung, wie sie damit leben sollte.
Sie ging durch den Flur und blieb kurz vor Maxwells alten Kinderzimmer stehen, dass er schon lange vor seinen Tod nicht mehr bewohnt hatte. Im Gegensatz zu ihr war er für das Studium ausgezogen und hatte so hart dafür gearbeitet, eine Zukunft zu haben. Doch erst nach seinem Tod hatte sie erfahren, wie hart, denn als Emily mit ihrer Familie das Zimmer in seinen Wohnraum ausgeräumt hatte, hatte Em diese Pläne gefunden für einen nachhaltigen und modernen Motorenfilter. Ein winziges Bauteil, dass die Welt ein Stück besser machen sollte. Es war fast patentreif gewesen und hatte nur wenig Zuarbeit von Emily selbst gebraucht, um perfekt zu werden.
Vielleicht würde die Last seines Todes etwas weniger auf ihren Schultern wiegen, wenn sie dafür sorgte, dass sein Traum wahr wurde. Vielleicht würde sie sich etwas weniger hassen, wenn sie seiner Erfindung zum Erfolg verhalf und vielleicht würde sie dann tatsächlich nach vorne sehen können, wie ihre Mutter es wollte. Die es ja selbst nicht über sich brachten sein Zimmer auszuräumen. Vielleicht würden sie das nie. Für Eltern war es furchtbar ein Kind zu verlieren, dennoch waren Caterina und Hugh Watson daran nicht zerbrochen und waren bemüht, dass zumindest ihre Kinder nach vorne sehen konnten. Dafür war Em ihnen dankbar und dennoch war da dieses Loch im Herzen der Familie Watson, und dieses leere Zimmer, dass sich nie wieder füllen würde. Aber es könnte erträglicher werden.
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