Die Gala - Teil 1
Kapitel 64
Emily
Sie war sich sicher, sich noch nie so fehl am Platz und dennoch so mutig gefühlt zu haben. Nach den ganzen Monaten als Stipendiatin einer super elitären Universität, war sie es gewohnt, nicht wirklich dazuzugehören. Aber im Gegensatz zu damals sah sie heute aus wie eine Prinzessin und nicht wie ein Mädchen aus einer normalen Familie.
Egal wie sehr sich Emily auch dagegen wehrte, weil es klischeehaft und sexistisch war: Sie fühlte sich stark, weil sie hübsch und gut angezogen war und dieses schmale Diadem in ihrem Haar ließ tatsächlich ihr Herz etwas höher schlagen.
Als sie aus dem Taxi stieg und sich beeilte in das Gebäude zu kommen, in der die Gala stattfinden würde, konnte sie sich gar nicht an den vielen Lichter um sich herum sattsehen und schwankte etwas schwerfällig die Stufen herauf, während sie den Saum ihres silberblauen Kleides nach oben hielt.
Es war das Kleid ihrer Mutter, dass diese zuletzt zu einem Ball getragen hatte, als Emilys Vater als Unternehmer vor Jahren einmal zu irgendetwas speziellen eingeladen worden war und seitdem im Schrank gehangen hatte.
Schon als Kind hatte sich Emily gewünscht, es einmal tragen zu können, dass es aber unter solchen Umständen passierte, war dennoch etwas Besonderes. Sie war auf einer Gala, auf der sie nicht gehörte, und hatte vor, einen Mann über den Tisch zu ziehen, der für seine Skrupellosigkeit bekannt war.
"Ihre Eintrittskarte, Miss", sprach sie am Fuß der Treppe einer der breit gebauten Sicherheitsmänner an und war schwer bemüht, seinen Blick nicht immer wieder auf ihren Ausschnitt zu richten.
Das Kleid war für ihre Mutter sicherlich perfekt gewesen, aber Emily war etwas kleiner und hatte einen größeren Vorbau als ihre Mum und so hatte Emily einen nun fast schon zu obszönen Ausschnitt, der hoffentlich im Notfall für etwas Ablenkung sorgen würde. Emily war sich definitiv nicht zu schade dafür, diese Waffe einzusetzen, wenn es notwendig wäre. Der Himmel wusste: Sie würde jede Unterstützung gegen Frederik Canningham gebrauchen können.
Wenn sich jemand da drinnen darüber beschwerte, würde Emily ihn höflich darum bitten, sich zu verpissen. Das hatte sie sich geschworen! Sie war schließlich nicht zum Vergnügen hier, sondern hatte eine Mission zu erfüllen.
Emily beeilte sich dabei, die Karte aus ihrer Clutch zu wühlen. Sie hatte zwar den Eingang ohne das schwindelerregende Blitzgewitter der Fotografen gewählt, wollte aber dennoch nicht erkannt werden.
Falls sie in diesem Aufzug überhaupt jemand erkennen könnte. Sie erkannte sich ja selbst kaum im Spiegel wieder. Sie vermisste ihre übergroßen T-Shirts ein wenig, aber es wäre gelogen zu behaupten, dass sie sich unwohl in diesem Kleid fühlte, denn das tat sie nicht. Ihr Selbstwertgefühl hing nicht an ein paar Kleidungsstücke...sondern an ihrem Make-up. Zu ihrem Glück war ihr dramatisch geschwungener Eyeliner auch heute mit von der Partie und machten aus ihrem niedlichen Gesicht eine Erwachsene, die einem mit ihrem Blick erdolchen konnte.
Der Mann vor ihr überprüfte die Nummer auf der Karte mit einer kleinen Schwarzlampe, verglich dann die Zahlen mit der Gästeliste auf seinem Tablett und nickte dann, während er ihr die Tür aufhielt.
Emily hatte nicht befürchtet, Probleme am Eingang zu haben. Sie schlich sich ja nicht wirklich auf diese Gala, sie hatte sich wie jeder andere auch einfach ein Ticket besorgt. Dennoch fiel ihr ein kleiner Stein vom Herzen, als sie in das Foyer betrat und fühlte sich regelrecht erschlagen von der Atmosphäre.
Es war unglaublich! Als wäre sie der modernen Welt entstiegen und fände sich nun in einer alten Zeit wieder, wo Könige Bälle gaben und Adlige in wallenden Kleidern, in noch prächtigen Hallen ihre Runden drehten.
Fasziniert betrachtete Emily die Säulen und den Stuck des Gebäudes und erwartete fast einen Kronleuchter in der Mitte des Saals zu finden, doch dort befand sich wohl eines der wenigen Zugeständnisse an das Einundzwanzigste Jahrhundert.
Einer zu vier riesigen Anzeigetafeln, die im Kreis von der Decke hingen, sodass man aus jeder Richtung ihre Anzeigen wahrnehmen konnten, flimmerte in der Mitte des Raumes und zeigte aktuelle Gebote an, für irgendwelche Kunstgegenstände.
Wie es aussah, liefen moderne Spendengalas nicht wie Versteigerungen aus dem Fernseher statt.
"Hier, Miss", meinte eine Frau zur Begrüßung und reichte Emily neben einem Glas Champagner ein kleines Minitablett.
"Willkommen, hiermit können sie ihr gebot abgeben. Die Zahl entspricht dem Gegenstand, das auch groß auf dem Bildschirm, in der Mitte des Raumes, angezeigt wird. Für mehr Informationen tippen sie hier auf das 'i' und hier unten tragen sie ihr gebot ein, wenn sie Fragen haben, helfen wir Ihnen sehr gerne weiter", meinte die freundliche Frau und Emily versuchte nicht allzu schockiert zu sein, als auf ihrem Tablet eine wirklich unfassbar hässliche Vase aufpoppte und sie das erste Anfangsgebot sah.
Wow, diese Leute hatten wirklich zu viel Geld. Das Einzige, was sie tröstete, war, dass sie einem guten Zweck diente. Doch jedes dieser Stücke könnte sie sofort ruinieren.
"Und wie verhindere, dass ich nicht aus Versehen biete?" fragte sie und die Frau tippte an die Seite des Gerätes und der Bildschirm ging aus.
"Bitte sehr", meinte sie und Emily nickte dankend, bevor die Frau sich dem nächsten neu dazugekommenen Gast zuwandte.
Sie schritt in die Mitte des Raumes und sah sich um, während sie mutig an ihrem Champagner nippte und mit den Augen den Mann suchte, für den sie hier war. Sie bemerkte einige bekannte Gesichter aus Film und Fernsehen und auch einen Kommilitonen, der ihren Blick begegnete und dann die Augen verengte, bevor er seiner Begleitung etwas zu flüsterte.
Oh mist, die Mitte zu wählen war wohl doch keine gute Idee.
Doch zu ihrem Glück ging eine Gruppe von Männern an ihr vorbei und Emily hatte die Möglichkeit, ihre Clutch in Höhe ihres Gesichtes zu halten und dem Blick zu entkommen. Sie flüchtete sich an den Rand der Veranstaltung, wo sie ihren nun leeren Drink auf ein Tablett abstellte, das eine Servicekraft ihr hilfreich hinhielt.
Es war nicht gut erkannt zu werden. Es bestand die Chance, dass so Ians Vater gesteckt bekommen könnte, wer sie war und das vielleicht noch bevor sie mit ihm sprechen könnte.
Deswegen hielt Emily sich in den nächsten Minuten am Rand des Saales auf und war dabei eine der dominanten Säulen zu passieren, als ein Arm sich um ihre Taille schlang und sie mit sich in die Finsternis zog.
Emily stimmte, erhob sich erschrocken, doch ihr Kopf knallte gegen die Wand und sie verschluckte den Laut schnell wieder. Unter dem Lärm des Streichquartetts hätte man das eh nicht gehört.
"Was?" fragte sie und blicke plötzlich in die Augen von niemand geringerem als Dave-Harald-Fitzgrad. Jr.
Was zum Teufel machte dieses Arschloch hier?
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