Auseinandersetzung
Kapitel 33
Ian
Ian wusste, dass es ein Eklat geben würde, als Frederik Canningham unaufgefordert sein Büro betrat, genauso wie Ian wusste, dass er nach diesem unangenehmen Besuch wohl einige Leute würde feuern müssen. Es konnte schließlich nicht sein, dass sein Personal jemanden wie seinen Vater einfach in seiner Firma herumspazieren ließ. Ob jetzt nun Verwandtschaft oder nicht. Dafür würden Köpfe rollen!
Dies wusste auch seiner Sekretärin, die gerade dabei gewesen war, mit ihm sein Termin für die gesamte nächste Woche durchzugehen und soeben ebenso verblüfft vor seinem Bürotisch stand. Sie betrachtete Ians Vater und ehemaligen Chef mit weit aufgerissenen Augen, bis sie verstand, dieser seine ehemalige langjährige Mitarbeiterin gar nicht erkannte. Natürlich nicht. Er beachtete sie kaum, so wie er nie jemanden seiner Angestellten betrachtete, deswegen würde er letztendlich auch scheitern.
"Wo ist mein Patent, du Bengel?", fuhr Frederik seinen Sohn an und Ian schnappte sich einen der Stressbälle, die er zu dutzenden in seiner Schublade aufbewahrte, um die Ruhe und Kälte beizubehalten, für die er bekannt war. Doch manchmal fiel ihm das schwerer als er das zugeben wollte. Jetzt zum Beispiel, obwohl es die Situation nicht besser machte, dass er nun etwas in der Hand hatte, was er nach diesem Mann werfen konnte. Zu so einem Ausbruch wollte er sich absolut nicht verleiten lassen.
Betont gelassen lehnte sich Ian in seinen Sitz zurück und nickte seiner Sekretärin zu, die verstehend den Raum verließ und jetzt wahrscheinlich bereits auf dem Weg wahr herauszufinden, wer von seinen Angestellten am Eingang das hier verbockt hatte. Auf diese Frau war schlicht immer verlass. Vielleicht auch um den Sicherheitsdienst zu rufen.
"Mach einen Termin, wenn du irgendetwas mit mir zu bereden hast. Ich habe zutun!" entgegnete Ian ihm respektlos und er konnte seinem Vater regelrecht ansehen, wie er kurz davor war zu explodieren. Ob er die guten Neuigkeiten schon wusste?
Scheinbar nicht, denn dann wäre Frederik nicht wegen dieses Patentes hier, sondern wegen etwas anderen. Aber Ian hatte nicht vor, seine eigenen Pläne zu terminieren, indem er sie seinem Vater brühwarm auf die Butterschnitte schmierte. Obwohl die Verlockung groß war. Wie gerne würde er das Gesicht seines Vaters sehen, wenn dieser erfuhr, dass Ian versuchte ihm seine Firma zu stehlen?
"Wie es aussieht muss ich doch ein ernstes Wörtchen mit deiner Schwester reden, sie wird sicher nicht begeistert davon sein, was ich mir für sie überlegt habe", drohte er und Ian reagierte so wie er immer reagierte, wenn etwas sein Vater ihn mit seiner Mutter oder Schwester erpresste.
Er biss die Zähne zusammen, weil es noch zu früh war, sich so offen gegen ihn zu stellen. Seinen Vater gegen sich aufzubringen, musste noch etwas warten. Es waren noch nicht alle Fallen gelegt und noch nichts alle Rettungsanker für Lola und seine Mutter verankert. Es wäre definitiv klüger, sich wie ein gehorsamer Sohn zu verhalten, doch momentan fiel ihm das unfassbar schwer.
Normalerweise würde er auch jetzt einfach tun, was Vater von ihm verlangte, um seinen alten Herren das Gefühl zu geben, die Kontrolle zu haben. Normalerweise wäre das auch kein Problem, sein Ego derart zurückzustecken. Obwohl ihm gerne Arroganz vorgeworfen wurde, konnte er darauf verzichten, wenn es die Umstände erforderten. Und diese waren in diesem Moment eindeutig gegeben. Was interessierte sich Ian schon dafür, was er anderen antun musste, um seinen Vater zufriedenzustellen. Es waren Kollateralschäden, auf dem Weg dahin, diesen Mann vor sich, ein für alle Mal auszuschalten.
Doch die Situation hatte sich geändert. Ian hatte sich geändert.
Und so sehr sein rationaler Verstand ihn auch dafür niedermachte, so weich geworden zu sein. Er würde Emily dieses Patent nicht stehlen! Ganz im Gegenteil. Er würde alles in seiner Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass jemand es ihr mit unfairen Mittel stahl!
Wie zum Beispiel Nathan, der, wie ganz kurz Ian selbst, den Plan ins Auge gefasst hatte, die Hypothek aufzukaufen, die auf dem Haus der Watsons lag und sie damit in finanzielle Bedrängnis zu bringen, damit sie gezwungen waren, das Patent zu verkaufen. Sofern sie nicht ihr Heim und ihre Lebensgrundlage nicht verlieren wollten.
Nun streng genommen hatte Ian das auch getan. Er hatte heute Morgen im Büro jemanden damit beauftragt der Bank von Emilys Vater ein Angebot zu machen, die sie nicht ablehnen konnten, damit sie ihnen die Hypothek überließen, aber nicht um sie zu erpressen, sondern um Nathan und seinen Vater zuvorzukommen.
Die Bedrohung seiner eigenen Familie war allerdings immer noch ein Problem, dass Ian nicht lösen konnte. Es würde noch eine Weile dauern, um seine Mutter und seine Schwester aus diesem Abhängigkeitsverhältnis herauszuholen, auch wenn der erste Schritt in die richtige Richtung bereits letzte Woche bei Börsenschluss gemacht worden war.
Es war unwahrscheinlich, dass sein Vater noch gegensteuern konnte, aber Ian riskierte bereits genug damit, dass er die Watsons schütze, um auf den Überraschungseffekt verzichten zu können.
"Ich kann Lola da herausholen, ihr ein Appartement mieten und ihr Studium wie auch alles andere zahlen. Hör auf, sie da mit hineinzuziehen, es würde dir eh nichts bringen" Das war so nicht ganz richtig, weil das meiste seines Kapitals in seiner Firma steckte und in den Plänen, die er gegen seinen Vater schmiedete, aber er hatte eines seiner Reserven aufgelöst und war damit wesentlich flüssiger als noch vor einer Woche. Das war Notwendigkeit gewesen, um diese Hypothek der Watson aufzukaufen.
"Deine Mutter aber nicht und Lola verlässt sie nicht, das wissen wir beide", gab sein Vater zurück und grinste dabei so diabolisch, als würde er nicht gerade die emotionale Lage seiner eigenen Tochter schamlos ausnutzen. Es war widerlich, aber die Wahrheit und genau den Punkt, über den sich Ian bis heute den Kopf zerbrach.
Seine Mutter war krank, Lola fühlte sich verantwortlich. Er konnte sich nicht darauf verlassen, dass sie vernünftig war und ging, selbst wenn sich die Möglichkeit dazu hatte. Sie würde erst gehen, wenn sich ihre Mutter würde scheiden lassen können, ohne befürchten zu müssen auf der Straße zu landen. Ihr Vater hatte Isabell Canningham, seine Ehefrau, einen Ehevertrag unterschrieben lassen, bei dem sie komplett leer ausgehen würde, selbst wenn es ihr Kapital war, mit dem Frederik seine Firma derzeit führte. Doch Ian würde alles zurückholen. Jeden verdammten Cent.
Bis dahin, war es wahrscheinlicher, dass Lola störrisch einfach alles aushielt, was ihr Vater ihr aufzwang. Und dazu gehörte, sie weiterhin Männer vorstellen, die sie wie ein Stück Fleisch behandelten, und sie mit dem möglichst gewinn reichsten zu verheiraten.
Aber auch da hatte Ian heute Morgen auf der Fahrt hierher eine Idee gehabt. Eine die, wenn er ehrlich war, schon eine ganze Weile in seinem Kopf herumspukte und die er nie in Erwägung gezogen hatte, weil er geglaubt hatte, es sei nicht nötig.
Wenn seine Vermutung stimmte und Nathan immer noch Gefühle für Lola hatte, dann würde dieser womöglich nicht zulassen, dass sein Boss ein böses Spiel mit Lola spielte. Doch ihm zu vertrauen, war riskant. Extrem geradezu. Es könnte alles zerstören, doch Ian musste etwas machen. Alles oder nichts. Denn wenn er Emily beschützen wollte, dann musste sein gesamtes Spiel riskanter werden. Er hatte keine wirkliche Wahl.
"Wir werden sehen."
"Wirklich, Ian? Du schaffst es nicht mal dieses Patent zu bekommen? Bist du überhaupt zu irgendetwas zu gebrauchen? Ich dachte, das wäre einer der leichteren Aufgaben, die ich dir gestellt habe."
"Warum ist dir dieses Patent denn überhaupt so wichtig? Du hättest es doch eh nur in einer Schublade verschwinden lassen. Nur um deine Absätze langfristig zu sichern? Seit wann denkst du weiter als bis zu der Gewinnmaximierung des nächsten Quartals?", stellte Ian die Gegenfrage, in der so viel Verachtung steckte, wie er nur konnte. Und sein Vater reagierte, wie er immer reagierte, wenn Ian andeutete, dass er ihn für einen schlechten Geschäftsmann hielt.
Frederik stützte sich auf den Schreibtisch seines Sohnes ab und grinste Ian mit einer Mischung aus Überheblichkeit und Boshaftigkeit an, sodass man meinen könnte Frederik hätte seinen schlimmsten Feind vor sich und nicht seinen eigenen Sohn.
"Für diese Frechheit wird deine Schwester zahlen, also beschaff mit dieses Patent, bis zur Veranstaltung am Ende dieser Woche, oder ich verheirate sie an James Regen!" spuckte Frederik Ian regelrecht entgegen und obwohl Ian innerlich kochte, weil er ahnte, dass Lola dieses Spiel wahrscheinlich sogar mitspielen würde, um ihre Mutter vor den Zorn ihres Vaters zu bewahren, blieb er ruhig.
Ja, er kam nicht drumherum Nathan einzuschalten und darauf zu hoffen, dass die Gefühle, die sein ehemaliger bester Freund anscheinend noch immer für seine Schwester hatte, genügen würden, um sich gegen Frederik Canningham zu stellen. Scheiße.
Ian hasste diesen Wichser, aber sein letzter Auftritt bei Ian, hatte gezeigt, dass er sich womöglich sogar darauf einlassen würde.
Wenn er es schaffte Lola aus der Schusslinie zu bekommen, würde ihm das wieder Zeit verschaffen, weitere Aktien der Firma seines Vater aufzukaufen, um seine Herrschaft ein für alle Mal zu beenden. Er würde ohne Geld und ohne Macht zurückbleiben. Dann könnte seine Mutter sich endlich scheiden lassen und sie alle endlich in Ruhe weiterleben. Zumindest war das der grobe Plan.
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