Ablenkung
Kapitel 10
Ian
Ian hieß den brennenden Schmerz in seinen Muskeln willkommen, atmete durch ihn hindurch und setzte zu einem weiteren Klimmzug an. Er hatte keine Ahnung, wie viele es bereits waren oder wie lange er sich bereits im Fitnessraum seiner Firma vergraben hatte, aber es reichte nicht. Es hatte gestern nicht gereicht und es reichte auch heute nicht.
Er wollte mehr. Mehr Schmerz, mehr Erschöpfung, mehr von allem. Denn wenn er es nicht schaffte sich hier auszupowern, würde Ian sich ein weiteres Mal dabei erwischen wie er sich auf ihr einen runterholte.
Sie. Emily. Alleine ihr Name war wie eine Geißel. Wie seine Krähe, die ihre Klauen in seinen Verstand gegraben hatte. Er träumte von hellen Schenkeln in Netzstrumpfhosen, kleinen Füßen in verdammten Sneakern, schwarzen Fingernägeln und grellen, grünen Katzenaugen. Ein Fetisch. Es musste ein verdammter Fetisch sein, den keine Frau, die er je auch nur ein zweites Mal angesehen hatte, war jemals wie sie gewesen. Emily Watson.
Ein weiterer Klimmzug ließ Ian ächzen und als seine Oberarmmuskeln begannen zu protestieren, ließ er sich zurück auf die Matte fallen und begann ein paar Sit Ups. Sport half. Es hatte ihm immer geholfen einen kühlen Kopf zu bewahren, selbst wenn die Welt um ihn herum in Flammen zu stehen viel. Aber so wie jetzt war es nie gewesen. Cremige Schenkel, die unter einem Minirock verschwanden, pralle Brüste unter einem losen Shirt.
Verdammt.
Ian musste einen Schlag gegen den Kopf bekommen haben, denn anders konnte er es sich nicht erklären, dass er sich vorstellen diese verdammten Strumpfhosen zu zerreißen, ihre Beine auseinander zu schieben und sein Gesicht in ihrem Schoß zu vergraben. Dabei sollte Donna die einzige Frau sein, von der er träumte.
Auch wenn er gerne von der Presse so hingestellt hatte, er war kein Mann der Frauen wechselte wie die Unterhemden oder sie respektlos behandelte. Er war kein Mönch gewesen, aber sicherlich nicht annähernd so ein Arschloch, wie manche behaupteten. Er hatte immer mit offenen Karten gespielt und gerade jetzt, wo Donna in sein Leben getreten war, konnte er es gar nicht gebrauchen an eine andere Frau zu hängen.
Schon gar nicht jemanden wie Emily Watson. Sie war zu jung, ein halbes Kind und dazu stand sie ihm auch noch auf so eine absolut unverschämte Art und Weise im Weg. Und vielleicht lag genau da das Problem. Er brauchte sie.
Ian hielt bei seinen Sit Ups inne und starrte an die Decke.
Er brauchte sie. Deshalb spukte diese Hexe in seinen Kopf herum, als hätte sie einen verdammten Fluch über ihn gelegt. Fuck, sie sah heiß aus auf diesen Fahrrad. Und dieser Kerl, der an dieser Strähne ihres Haares gezogen hatte...
„Mr. Canningham, Miss Jillis hat das Essen für übermorgen bestätigt und Mr. Pierce wartet in ihrem Büro auf Sie", erklang die ernste und sehr eindringliche Stimme meiner Sekretärin. Claire war die einzige seiner Angestellten, die es sich wagte ihm in Trainingsraum zu stören, vor allem wenn er so drauf war wie gerade.
Ian stöhnte, versuchte nicht weiter an diese Hexe zu denken und schloss die Augen. Donna hatte das Essen bestätigen und Nathan saß in seinem Büro. Als würde ihm diese Gedankenspirale um Emily nicht schon genug zusetzen. Normalerweise war es nur Nathan oder sein Vater, der ihn so direkt den Tag verhagelte.
„Lassen Sie ihn einfach sitzen" meinte Ian kalt und konnte nur hoffen, dass sich sein ehemaliger bester Freund, einfach wieder verpissen würde. Wenn er jemanden in seinen Leben nicht brauchte, dann war es dieses Arschloch, dass momentan alles versuchte, um Ians Vater so tief wie möglich in den Hintern zu kriechen. Das Klackern von Claires hohen Schuhen entfernte sich wieder und Ian begann von neuen damit sich zu quälen. Er brauchte einen freien Kopf! Dringend.
Er trainierte unablässig, bis seine Bauchmuskeln so sehr schmerzten, dass ihm fast schlecht wurde. Nur nicht weiter an Emily denken, nur nicht weiter an Emily denken!
„Du machst es einem nicht leicht, dich nicht zu hassen, Ian Cunningham!" platzte es dann wieder zu ihm durch und als er sich aufrichtete, stand niemand geringeres als Nathan in der Tür. Dieser Wichser! Er stand einfach da und schien tatsächlich zu glauben, dass er irgendein recht hätte sauer auf Ian zu sein.
„Dasselbe könnte ich über dich sagen! Mir egal warum mein Vater dich geschickt hat. Verpiss dich einfach!"
„Ich bin nicht wegen deinen Vater hier." genau das hatte er befürchtet. Nathan hatte neben dem Hobby seinen Vater hörig zu sein nur ein weiteres Interesse. Eines, das Ian fast schon als bedrohlicher empfindet. Lola.
„Ich dachte das hätten wir vor Jahren bereits geklärt." murmelte Ian verstimmt und erinnerte sich nur zu deutlich an den Tag, als aus seinem besten Freund der Kerl wurde, der seiner kleinen Schwester an die Wäsche wollte. Dieses Geständnis hatte Nathan damals ein blaues Auge eingebracht und Ian zwei angeknackste Rippen.
„Schon klar. Ich war nie gut genug in deinen Augen gewesen, oder ihren, oder in denen deines Vaters. Nur ein kleiner Emporkömmling, der nicht das Glück hatte, mit einem goldenen Löffel im Arsch aufzuwachsen zu sein und sich alles selbst erarbeiten musste."
„Selbst erarbeiten..." Ian schnaufte herablassend. Nathan hatte Ian benutzt, um einen Fuß in die Tür zu bekommen, davon war Ian überzeugt. Dass er sich dann auch noch an Lola herangemacht hatte, war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.
„Was ist mit diesem Patent?", fragte Nathan ohne auf Ians spöttischen Kommentar einzugehen.
„Geht dich nen Scheiß an und..."
„Wenn du es nicht schaffst, besorg ich es. Ich werde sicher nicht zulassen, dass Frederik dein Versagen zum Anlass nimmt, um Lola das Leben noch schwerer zu machen", verkündete er hart und bei Ian brannten eine weitere Sicherung durch. Er erhob sich in einer fließenden Bewegung, stürmte auf Nathan zu und packte ihm am Kragen.
Irgendwo in seinem Hinterkopf wusste Ian, dass er seinen ehemaligen besten Freund nur so leicht an die nächste Wand nageln konnte, weil dieser es schlicht zuließ. Aber das war egal. Er hatte ihm am Schlafittchen, das war alles was zählte. Nathan hielt seinem Blick stand und reagierte nicht einmal auf Ians offene Aggressivität.
„Du hältst dich da heraus!" fauchte Ian, aber Nathan blinzelte nicht einmal dabei.
„Vergiss es, Cunningham. Ich weiß nicht, was so schwer daran ist, diesem kleinen Mädchen dieses Patent anzunehmen, aber ich werde nicht zulassen, dass du das ruinierst. Ihr Vater hat eine Werkstatt, auf der ein Kredit liegt. Ein Telefonat und die Bank kündigt ihnen fristlos, dann werden sie dich anflehen das Patent verkaufen zu dürfen, um nicht ihre gesamte Existenz zu verlieren. Wenn ich das innerhalb von einem Tag herausgefunden habe, frage ich mich, warum du das Patent nicht schon längst hast", erwiderte Nathan, absolut skrupellos dabei, eine Familie in den Ruin zu stürzen, um das zu bekommen, was er wollte. Und Ian musste lügen, wenn er nicht bereits denselben Gedanken gehabt hatte. Aber er konnte es nicht tun. Möge die Hölle einfrieren, aber Ian wollte nicht auf diese Art und Weise gewinnen, nicht wenn er noch Zeit hatte, um schlicht Emilys Vertrauen zu gewinnen, und ihr ein faires Angebot zu unterbreiten.
„Weil ich versuche weniger Arschloch zu sein, als du und mein Vater"
darauf hin lachte Nathan auf, wand sich mit einer erstaunlichen Leichtigkeit aus Ians Griff und grinste einfach weiter.
„Du hast schlimmeres getan als das. Also spar die Scheiße. Besorg dieses Patent, sonst tue ich es!" drohte Nathan offen und machte sich daran den Fitnessraum zu verlassen. Ian sah ihm nach. Lange. Wie es aussah, rann ihm die Zeit schneller durch die Finger als gedacht.
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