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J a n e │22.06.2016 │London
Ganze vier Stunden war ich erst hier und vom vielen lachen taten mir bereits die Seiten weh. Ich hatte gewusst, dass die Jungs von One Direction untereinander sehr gut befreundet waren, aber sie live in Aktion zu erleben, dass war eine ganz andere Nummer.
Sie gingen so herzlich und vertraut miteinander um, dass ich langsam verstand, warum in der High School so gut wie jeder das Verlangen danach gehabt hatte, in einer festen Clique zu sein.
Ich selbst hatte so etwas noch nie gehabt - eine Clique. Eher war ich der Typ für vereinzelte Freundschaften gewesen. Vielleicht konnte man Taylor, Kendall und mich als Gruppe bezeichnen, aber unter Clique fielen wir nicht. Dazu war Kendall zu oft mit Cara und diversen anderer Sternchen unterwegs.
Beinahe wurde ich mit einem Essstäbchen angegriffen als ich mir die letzte Frühlingsrolle nahm. Vor uns auf dem Tisch stapelten sich gefühlte hundert Pappteller mit chinesischen Essen. Alle fünf fielen über das Essen her, als wäre der Krieg ausgebrochen. Sie stritten sich um den letzten Glückskeks und kratzten jedes Bisschen Soße aus den Behältern.
„Mensch Louis, ich wollte die Ente." - „Selbst schuld, wenn du so lahm kaust, Liam."
Ich grinste selig vor mir hin. Es war einfach nur schön mit einer großen Gruppe zu Abend zu essen und erinnerte mich an das lebhafte Treiben im Diner. Ich vermisste Moncks Corner sehr, besonders weil ich schon drei Monate nicht mehr zu Hause gewesen war.
„Wir sind etwas chaotisch, sorry dafür", sprach eine ruhige Stimme neben mir und ich sah Zayn an. Bislang hatte er von den Jungs am wenigsten gesagt und riss mich aus meiner Beobachtung. Denn am Tisch ging es drunter und drüber. Ich lächelte: „Ist schon okay. So lerne ich euch zumindest kennen, bevor wir uns alle in einen Bus quetschen müssen."
„Ach, so schlimm ist das gar nicht, es ist eher gemütlich. Gut, die Betten im Hotel sind bequemer, aber es ist mega anstrengend die ganzen Sachen für eine Nacht reinzuschleppen und dann wieder raus."
Die folgenden Minuten ließ ich mir von Zayn erklären, wie genau so eine Tour ablief, worauf er sich freute und welche Tricks ich beachten musste. Ich sollte jede Gelegenheit außerhalb des Busses zum duschen nutzen, im Bus selbst auf Bohnen verzichten, da auch ein kleines Klo lange brauchte, um Geruchsfrei zu sein und ich sollte gar nicht erst versuchen mich mit Harry aufs feilschen einzulassen, wenn es darum ging, welches Bett ich bekam.
Während ich zufrieden auf meiner Frühlingsrolle herumkaute, bemerkte ich fast nicht, wie es plötzlich verdächtig still am Tisch wurde. Zum einen lag es daran, dass sämtliche Schachteln leer geplündert waren, zum anderen wirkte es, als hätten sie sich abgesprochen, wann sie den Mund zu halten hatten.
„Was ist?", fragte Niall erstaunt in die Runde und runzelte verwirrt die Stirn.
„Nun", begann Harry und seine grünen Augen lagen auf mir. Ich musste gestehen, ich verstand was sowohl Taylor, als auch Kendall an ihm fanden. Er hatte ein süßes Lächeln, ein niedliches Grübchen und verdammt sexy Locken. Eine Kombination mit einer hohen Erfolgsquote beim weiblichen Geschlecht. „Jetzt, wo wir alle gestärkt sind, wird es Zeit, dass wir zum wichtigsten Punkt des Abends kommen."
Plötzlich wurde das Licht runter gedreht, Louis stellte eine Flasche Wodka in die Mitte und verteilte kleine Gläser. Ich sah Niall an und bemerkte, dass er nur die Augen verdrehte, scheinbar wusste er, was nun kommen würde.
„Bevor wir dich für die nächsten Monate in unserer bescheidenen Sippe aufnehmen, müssen wir mit dir ein Aufnahmeritual machen", erklärte Harry und Liam seufzte: „Das besteht im wesentlichen darin, dass du unsere Fragen beantworten musst und auf jede Antwort, die uns ausgesprochen gut gefällt, wird gemeinsam getrunken."
Na das Spiel dürfte schnell vorbei sein, immerhin waren wir sechs Leute und nur eine Flasche.
„Zum Glück hat Niall einen großen Vorrat an Alkohol, sag Kumpel, wolltest du eine Party schmeißen?", trötete Louis dazwischen und nahm mir sofort den Wind aus den Segeln. Niall murmelte was von: „Luke und Calum gebunkert, Freundinnen, Eindruck und so."
Ich verstand gar nichts und als die Gläser gefüllt wurden und Zayn flüsterte: „Viel Glück", war das vielleicht auch ganz gut so.
Schweigen schallte mir entgegen und ich blickte unsicher von einem zum anderen. Dann machte Harry den Mund auf, doch Liam brachte ihn mit einer Handbewegung zum schweigen: „Nein, komm, lasst uns langsam anfangen. Wir wollen ja schließlich nicht, dass sie Hals über Kopf hier raus rennt. Also Jane, wo kommst du her?"
„Moncks Corner", sprach ich prompt und da wohl kaum einer wissen würde, wo das lag, schob ich hinterher: „South Carolina."
„Wie alt bist du?", machte Zayn weiter und ich antwortete: „Zwanzig."
Harry fand die Fragen langweilig und gähnte demonstrativ als Liam weiter eine höfliche Liste abklapperte.
Was isst du gerne, welche Musik hörst du, wie lange modelst du schon, was ist dein Lieblingsfilm, welchen Promi wolltest du immer schon einmal treffen, was hast du auf Reise immer dabei, was ist dein Lieblingszitat, wer ist deiner Meinung nach der beste Autor?
„Jetzt ist aber genug", erklärte Louis sichtlich angeödet, nachdem ich erklärt hatte, dass meine Lieblingsfarbe blau war. Bislang hatten wir noch nicht einmal getrunken. „Ja, ich weiß, dass es scheiße war, sie nicht richtig googeln zu können, aber ernsthaft, es sagt nicht viel über sie aus, nur weil wir jetzt wissen, dass ihr Lieblingsfilm König der Löwen ist. Millionen Menschen schauen den gerne."
Niall hatte während der Fragerei die ganzen Pappteller weggeräumt und neues Bier aus seinem Kühlschrank genommen. Dann warf er Zayn Chips und Nüsse zu. Wir hatten gerade erst gegessen, wollten sie das wirklich weiter in sich reinstopfen?
„Dann frag sie doch etwas, was deiner Meinung nach mehr über sie aussagt", warf Niall ein und ließ sich am Kopf des Tisches nieder.
„Das Wichtigste zuerst", sprach Harry und wurde zum zweiten Mal während des Spiels unterbrochen. Dieses Mal von Zayn: „Wer war der erste Junge in dem du verknallt warst?"
Harry und Louis stöhnten, ich dagegen musste breit lächeln. „Oliver Green", meine Augen strahlten, als ich an ihn zurückdachte. „Hatte eine dieser super sexy Clark Kent Brillen und oh Gott, er war im Debattiere-Club und in der Schülerzeitung. In jeder Englischstunde habe ich hinter ihm gesessen und seine wuscheligen Haare angeschmachtet. Außerdem hat er seine Cape immer verkehrt herum getragen."
Louis segelte mit dem Gesicht voran auf den Tisch. Zayn dagegen grinste: „Wie alt warst du da?"
„Ich glaube fünfzehn oder sechzehn. Ach, er war einfach unheimlich süß, hat viel gelacht und ist in Sport immer über seine eigenen Füße gestolpert."
Oliver Green hatte mir so manches Mal eine schlaflose Nacht beschert. Er war ein ganzes Stück kleiner gewesen als ich und hatte erst im letzten Schuljahr ordentlich an Größe zugelegt. Natürlich hatte ich nichts dem Zufall überlassen, wenn wir uns morgens auf dem Weg zur Schule begegneten. Ich hatte immer exakt gewartet, bevor ich um die Ecke bog, um ihn einen guten Morgen zu wünschen. Weiter war meine Raffinesse jedoch nie gegangen.
Plötzlich trank Zayn und alle starrten ihn an. „Was, mir gefällt die Antwort, also los, kommt schon."
Gruppenzwang.
Das Wort bekam für mich eine vollkommen neue Bedeutung und ich verstand, wieso Niall damals im Koko gewesen war. Wahrscheinlich hatte er absolut keine andere Wahl gehabt. Ich hob das Glas und spürte die brennende Flüssigkeit in meiner Kehle.
Wieso zum Teufel fühlte es sich so an, als würde ich wieder neben Niall an der Bar stehen? Ich warf ihm einen kurzen Blick zu, doch er schien ihn nicht zu bemerken.
„Okay", begann Harry zum dritten Mal, „kommen wir zu etwas, was uns alle wirklich interessiert. Janie, wie lang ist deine Liste?"
Was für eine Liste?
Meine DVD-Sammlung?
Ich sah Harry an, wie den Weihnachtsmann. Wovon sprach er? „Äh meine to-do-Liste für dieses Jahr, oder was meinst du?"
Plötzlich prusteten die Jungs in ihr Bier und begannen schallend zu lachen.
Weshalb lachten sie mich aus?
Louis gackerte dermaßen herzlich, dass er vom Stuhl rutschte und sich auf den Boden legte, um nicht zu ersticken. „S-Sie hat - to-do-Liste - Alter!"
Liam wischte sich die Lachtränen aus den Augenwinkeln und hob sein Glas: „Darauf trinke ich jetzt einen!"
„Cheers", schallte es vom Tisch und obwohl ich nicht wusste, was das nun sollte, beugte ich mich dem Gruppenzwang. Louis tätschelte Harry die Schulter: „Es ist wohl einfach nicht dein Abend, was Hazza? Wirst heute nur unterbrochen und missverstanden."
So wie Louis das sagte, tat Harry mir fast schon leid, doch als Niall der Runde nach unsere Gläser neu füllte, raffte sich Harry auf und mein Mitleid verschwand. „Gerade heraus, auf wie viele Sex-Partner kommst du?"
Obwohl knapp die Hälfte am Tisch schwer seufzte, spürte ich doch sämtliche Blicke auf mir. Ich sah auf die Nüsse und tat, als wäre ich schwer beschäftigt mir ein paar aus der Dose zu nehmen.
„Janie", erinnerte Harry mich schließlich, dass ich mich nicht ewig ausschweigen konnte und ich gab auf.
„Das weiß du doch", sprach ich sarkastisch, „ich habe dir bereits erzählt, dass ich mich durch die Charts geschlafen habe."
Es war ein wunder Punkt und die Stille am Tisch machte es nur deutlicher. Eine gewisse Anspannung lag in der Luft, alle schienen sie wahrzunehmen, nur Harry selbst nicht: „Das ist doch Unsinn, komm schon, gibt's ne' Zahl?"
Ich sah ihn an, als wollte ich ihn töten, dann blickte ich an die Decke. „Warte, lass mich nachdenken, ich muss erst einmal zählen."
„Kann ich verstehen, ich persönlich habe ab 2013 aufgehört", informierte er mich über ein Detail, dass ich gar nicht wissen wollte. Ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass ich es schockierend fand, wenn man nicht mehr wusste, mit wie vielen Menschen man geschlafen hatte.
„Hm... okay, also ich komme auf zwei", gab ich schließlich zu und zuckte mit den Schultern. Dann nahm ich einen tiefen Schluck von meinem Bier.
„Zwei", wiederholte Louis sichtlich überrascht und ich nickte: „Ja genau, zwei. Wie Sonny und Cher." Ich hoffte, wir könnten das Thema lassen, doch ich schien in der Falle zu sitzen, denn Harry fragte: „Also wenn wir von zwei Kerlen reden, dann sprechen wir aber nicht von zweimal Sex?"
„Ähm doch", gab ich zu und trank mein Bier.
Es war mir auf der einen Seite ziemlich peinlich, aber auf der anderen Seite war ich auch stolz darauf. Denn ich hielt eigentlich nichts davon mit Sex leichtfertig umzugehen. Gut, die Sache mit Niall war durchaus leichtfertig passiert.
Aber man musste bedenken, ich war erst siebzehn gewesen, inklusive das erste Mal von zu Hause weg und hatte dazu die Wirkung von Tequila kennengelernt. Ich ging ganz stark davon aus, dass ich mich nicht dazu hätte hinreißen lassen, mit Niall zu schlafen, wenn ich an diesem Abend nur Cola getrunken hätte.
„Waren sie zumindest gut?", fragte Zayn zwinkernd und ich lief feuerrot an. Ich würde die nächsten 24 Stunden den Blick nicht mehr auf Niall richten können. Mein Hals fühlte sich an, als hätte ich einen Frosch drin sitzen: „Das geht euch ja wohl mal gar nichts an!"
Louis strahlte plötzlich übers ganze Gesicht und beugte sich breit grinsend vor, es war, als würde er die ganze Story kennen und mir rutschte das Herz in die Hose. Hatte Niall seinen Freunden alles erzählt? Wussten sie was passiert war?
„Wir kennen die zwei Typen, oder?"
Ich schluckte.
Nein überhaupt nicht, der eine sitzt hier nur mit am Tisch, während der andere für Real Madrid spielte und ihr auf Twitter alle ein Gruppenbild von ihm hochgeladen habt. Clay Aldrin war seit einem halben Jahr der neue Mittelstürmer.
Ich hatte ihn bei einer Werbung für adidas kennengelernt. Damals war er noch weit davon entfernt gewesen, ein zweiter Shootingstar zu werden. Er war heiß drauf gewesen, sich auf dem Platz zu beweisen. Geld hatte ihn nicht interessiert. Jetzt war er auf dem besten Weg ein zweiter Cristiano Ronaldo zu werden.
„Tja, ich denke schon", gab ich schließlich zu und sämtliche Augen am Tisch wurden größer. Plötzlich verschluckte Liam sich an seinem Bier und Louis klopfte ihm heftig auf die Schulter: „Kumpel, was ist denn los?"
„Krümmel", raunte uns dieser entgegen und lief dunkelrot an.
„Gut, darf ich jetzt auch einmal was fragen?", ertönte Nialls stimme und alle sahen ihn an. Er war bereits den halben Abend verdächtig ruhig geblieben. Mein Herz hämmerte nun bis zum Hals. „Wäre es okay, wenn ich mich ins Bett verziehe?"
Eine unglaublich große Erleichterung durchflutete mich. Bett, oh ja, etwas Ruhe und vielleicht Privatsphäre, sodass ich ein paar Freundinnen schreiben konnte. Vorzugsweise Lynette und Taylor. Ich hatte mein Handy schließlich mehrere Stunden nicht mehr angerührt.
Die Jungs erhoben sich und Harry sprach: „Dann werden wir uns mal deine Gästezimmer unter den Nagel reißen, Nialler."
Plötzlich blieb Niall stehen und rieb sich mit der Hand über das Gesicht. „Fuck, dass hatte ich vergessen." Er sah mich an und sprach dann an mich gewandt: „Schnarchst du?"
Ich schüttelte verwirrt den Kopf, denn er wusste ganz genau das ich nicht schnarchte. Als ich meine Tasche die Treppe hoch wuchtete, wurde mir bewusst, warum mich die anderen vier Jungs angrinsten.
Niall und ich würden uns ein Bett teilen. Doch falls sie geglaubt hatten, ich würde eine Szene machen, so musste ich sie enttäuschen. Gleichzeitig lag mir die Frage auf der Zunge, wer meine Tasche gepackt, allen voran durch meine Unterwäsche geschnüffelt hatte, denn es war alles vorhanden. Von der Zahnbürste bis zu den Socken.
„Oh mein Gott!", ich ließ die Tasche fallen, als ich Nialls Schlafzimmer sah. Mir war bewusst, dass Louis und Harry in der Tür hinter mir gestanden hatten und alles mit arges Augen beobachteten. Kreischend warf ich mich auf das King Size Bett.
Innerlich jaulte das kleine Mädchen in mir auf. Himmel, war das herrlich. Ich drehte mich auf den Rücken und atmete lachend einmal tief durch. „Und hier schläfst du ganz alleine? Bist du irre?", es war so groß, dass ich an seiner Stelle Angst hätte, mich morgens selbst nicht mehr wieder zu finden.
Niall grinste und öffnete die Tür zum Bad, welches ich natürlich schon kannte. Trotzdem war es gut zu wissen, dass man es von zwei Seiten erreichen konnte und ich besser die Tür zum Flur abschloss, bevor ich baden ging. Falls ich überhaupt Zeit dafür fand.
Die Jungs begaben sich je in ihr Gästezimmer und Niall ließ sich seufzend neben mir fallen. „Tut mir leid, ich hätte nicht gedacht, dass sie uns hier einsperren."
Ich richtete mich auf. „Wieso können wir nicht einfach Modest anrufen und sagen, dass wir Hilfe brauchen?"
Niall lachte bitter und sprach: „Wir könnten schon, aber ich denke, sie würden uns trotzdem nicht helfen. Denn A) dadurch das wir hier festsitzen und die Presse weiß, dass du hier bist, heizen wir die Stimmung ein und B) wir haben keine Termine, wieso uns also hier rausholen?"
Ich begriff mal wieder, dass Niall Profi war, was das Show Business anging. Er erklärte mir, dass sie selbst mit der Sicherheitsfirma handeln müssten, aber da es Sommer war und London kein Promifreies Pflaster, war es schwierig richtig qualifizierte Personenschützer zu buchen.
Ganz langsam wurde mir bewusst, was für ein Leben Niall wirklich führte. Er musste seine Schritte durchplanen. Einfach auf die Straße spazieren war für ihn schwierig, besonders in Begleitung.
Als ich die Belagerung draußen gesehen hatte, hatte ich gehofft, dass die Wagen irgendwann einmal fahren würden, aber dem war nicht so. Wegen der On-Off-Beziehung zu Palvin rissen sich die Paparazzi um ihn. Es wirkte fast wie die Hype um Brad Pitt und Jennifer Aniston, als beide sich getrennt hatten. Da hatten auch alle wie die Aasgeier beide Partien gestalkt um kein Brennifer zu verpassen.
„Wann warst du das letzte Mal unerkannt draußen?", fragte ich und starrte an die Decke. Niall dachte nach, schließlich verriet er: „Im Januar, als ich mit Theo, meinen Neffen in Mullingar Schlitten gefahren bin. Ich habe den Flug auf den Namen meines Kumpels gebucht und bin zur unmöglichen Zeit geflogen. Es war auch ein bisschen Glück, dass mich niemand erkannte."
Er schmunzelte und in diesem Moment setzte ich mir in den Kopf, dass es mir während der Tour zumindest ein einziges Mal gelingen würde, ihn aus dem Sichtfeld der Paparazzi zu schmuggeln.
Ich schlief überraschend gut neben Niall.
Er hatte sich zwar demonstrativ auf die andere Seite gerollt und mir somit den Rücken zugewandt, aber er schnarchte nicht, bewegte sich scheinbar die halbe Nacht nicht und das Einzige, was ich vernahm, war sein manchmal etwas rauer Atem. Obwohl ich erschöpft war, schreckte ich um Punkt halb acht aus dem Schlaf.
Normalerweise ging ich um diese Uhrzeit regelmäßig laufen, aber aktuell hatte sich das mit der frischen Luft erledigt. Während ich leise in die Küche verschwand, fragte ich mich, ob Niall einen Fitnessraum hatte. Dann wurde mir jedoch klar, dass die Jungs vielleicht an das Nötigste gedacht hatten, was meine Klamotten anging. Aber an Sportschuhe dachte man in dieser Hinsicht eher weniger.
Ich öffnete den Kühlschrank und kam mir seltsam dabei vor. Normalerweise ging ich nicht einfach an irgendwelche Schränke, doch Niall schlief tief und fest. Ich nahm mir weißen Jogurt und begann Obst aus der Schale zu schnippeln. Beides füllte ich in eine kleine Schüssel und verrührte es miteinander.
Dann runzelte ich die Stirn, denn ich hatte etwas aus dem Wohnzimmer gehört. Ich betrat es und konnte Liam sehen, wie er auf der Couch hockte und durch das morgendliche Fernsehprogramm zappte. Neben ihm lag Louis und schnarchte zufrieden vor sich hin.
„Hey, was macht ihr da?", begrüßte ich ihn und setzte mich in den Sessel neben ihm. Liam sah mich mit einem warmen Lächeln an und nickte auf seinen Freund: „Der da ist gestern hier eingeschlafen, nachdem er mit seiner Freundin Mal wieder in den Schlaf quasselte. Ich habe ihn heute morgen mit dem Handy in der Hand gefunden."
„Passiert das oft?", fragte ich und Liam rollte mit den Augen: „Regelmäßig und glaub mir, auf Tour ist das irre nervig, wenn du ihm alle zwei Abende dabei zuhören musst, wie er mit El darüber streitet, wer zuerst auflegt, wer wen am meisten liebt und bla."
Nun musste ich leise kichern. Statt nervig würde ich es irgendwie romantisch nennen. Ich wusste dank Google, dass Louis und Eleanor Calder schon lange zusammen waren.
Schweigend löffelte ich mein Frühstück und sah dabei auf die morgendlichen Nachrichten, die Liam angestellt hatte.
„Und, wie kommst du bislang so klar?", fragte Liam und ich sah ihn verwirrt an, bis ich begriff, was er meinte: „Es ist okay, ich meine, sind ja auch erst 24 Stunden vergangen. Aber ich denke es wird schon. Niall und ich haben einen Deal und wenn er sich dran hält, dann wird es erträglich."
Interessiert musterte Liam mich, ich konnte ihm ansehen, dass er wissen wollte, worum es sich handelte. Gleichzeitig war er jedoch auch zu sehr Gentleman, um nachzufragen.
„Hauptsache er benimmt sich dir gegenüber", sprach er schließlich und ich hatte plötzlich den Drang etwas loszuwerden. Ich setzte mich aufrecht hin und wandte mich Liam zu: „Du, hör mal, also nur um das klar zu stellen, ich werde keine Ablenkung sein, wenn ihr euch das erhofft. Ich werde nicht versuchen Niall irgendwie anzubaggern und ganz sicher keinen Ersatz für Barbara sein wollen."
Ihren Namen auszusprechen war komisch, aber seid ich wusste, dass Niall sie wirklich liebte, hatte ich tiefes Verständnis für seine Abneigung: „Falls ihr da irgendwelche Absichten habt, dann vergesst das besser gleich."
Liam neigte leicht den Kopf und hinter ihm drehte sich Louis murrend. Daddy Direction lächelte mich sanft an. „Ist gut." Er schien es hinzunehmen. „Dann gehe ich mal davon aus, dass genau dies euer Deal ist. Das ihr die Sache gemeinsam durchzieht?"
Ich nickte zögerlich. „So in etwa."
Für Liam war die Sache gegessen und er widmete sich wieder dem Fernseher.
Wir blieben nicht nur drei Tage eingesperrt, sondern fünf. In diesen Tagen lernte ich eine ganze Menge über One Direction. Sie benahmen sich wie Kinder, wenn sie keiner aufhielt. Trotzdem hatte ich das Gefühl, sie hielten sich in meiner Gegenwart immer noch stark zurück.
Zumindest so lange, bis ich am dritten Abend beim Pokern plötzlich laut rülpsten musste. Danach brachen sie in lautes Gelächter aus und Harry schickte ein gespieltes Stoßgebet zum Himmel: „Gott sei dank, jetzt dürfen wir in deiner Anwesenheit wieder wir selbst sein."
Was nichts anderes bedeutete, dass etwa fünfzehn Minuten später jemand einen fahren ließ und alle Niall ansahen. „Das war ich nicht!", verteidigte sich dieser empört und hörte sofort auf, seine Karten anzustarren. Ein hässlicher Gestank stieg in die Luft und Liam wedelte angeekelt mit der Hand: „Stimmt, deine stinken nicht."
Ich lernte, dass ich Taylors Name nicht in den Mund nehmen sollte, wenn Harry oder Louis in der Nähe waren, außerdem war es weiser Zayn nicht bei einem Gespräch mit Perrie zu stören. Die Jungs machten übertrieben verliebte Faxen, wenn sie ihn reden hörten und Zayn war danach immer dermaßen verstimmt, dass ich das Gefühl hatte, um ihn herum existierte eine schwarze Gewitterwolke.
Das Wichtigste war jedoch, dass ich mich in ihrer Nähe sehr wohl fühlte. Zumindest dann, wenn sie mir nicht die unmöglichsten Fragen stellten. Manche Andeutungen verdienten ein Kissen ins Gesicht und am vierten Tag sorgte ich auch halbwegs dafür, dass Harry an einem Sofakissen fast erstickt wäre. Der Junge war zwei Nummern zu pervers für mich.
Am fünften Tag war Craig, ein Schrank von einem Mann, vorzeitig aus dem Urlaub zurück. Er wurde empfangen, wie ein trojanischer Held. Meister Proper war sichtlich verärgert. Ich wäre es an seiner Stelle auch, wenn mich jemand im Urlaub stören würde.
Craig war dermaßen Herr der Lage und schaffte es mit seiner Mannschaft die hungrige Meute im Zaun zu halten, dass ich ihn direkt bewundernd anhimmelte. Niall ließ mich wissen, dass er sich melden würde, während die anderen Jungs mich zum Abschied überschwänglich umarmten und mir noch Tipps gaben, was ich für die Tour auf jeden Fall einpacken sollte.
Obwohl ich die Zeit mit den Jungs amüsant fand, war ich doch sehr froh, als ich endlich wieder in meinen eignen vier Wänden war.
„Miss Clancy, nur für den Notfall", sprach Craig, als er mich bis zur Tür brachte und mir seine Visitenkarte überreichte. Ich konnte sicher sein, dass ich in Zukunft ganz bestimmt ein paar Notfälle an Land zog. Ich bedankte mich und nahm ihm meine Tasche ab. Meine Ohren klingelten immer noch, nachdem ich das Gekreische einiger hardcore Fans ertragen hatte.
Die Tür schloss ich hinter mir und ließ mich erschöpft auf den Boden sinken. Was für Tage. Ich musste tief durchatmen und schritt schließlich durch meine kleine Wohnung. Mein Anrufbeantworter blinkte.
Ich ließ die Nachrichten laufen und lächelte, als ich die Stimme meiner Tante Rosalee hörte. Ihr war schon klar, dass sie mich auch auf dem Handy erreichen konnte, doch wenn es etwas wichtiges gab und sie wusste, dass ich in London war, dann rief sie immer zuerst auf dem Festnetz an.
»Janie Mäuschen, ich bin's, deine Tante. Ich weiß, ich soll auf deinem Handy anrufen, aber mein Kind, ich will dich unterwegs nicht stören. Vor allem nicht, wenn du mit deinem neuen Liebsten unterwegs bist.«
Ich stöhnte, dass hatte ich ja ganz vergessen. Meine Familie wusste nichts von der Fake-Beziehung. Ich hörte meinen Onkel im Hintergrund grunzen: »Frag sie, wie se' an den Milchbubi kommt.«
Wenn Onkel Hank nur ahnen könnte, wie wenig Milchbubi Niall wirklich war. Ich fragte mich sowieso gerade, woher sie up to date waren. Normalerweise glaubten sie den Kram aus Klatschzeitschriften nicht und sowieso nur das, was ich ihnen erzählte.
»Weißt du, Madison, die aus dem Diner, mit der du mal gearbeitet hast, sie hat mir beim Brunch diese furchtbar oberflächliche Zeitung ins Gesicht gehalten.«
Wieso dachte meine Tante nur immer, dass ich die Leute von zu Hause vergessen würde? Vielleicht einfach, weil ich zu wenig da war. Innerlich seufzte ich und lauschte weiter der Stimme: »Da waren jedenfalls ziemlich viele Bilder von dir und diesem-«
Sie machte eine Pause und ich würde drauf wetten, dass sie gerade in der besagten Zeitschrift blätterte, um Nialls Namen zu finden: »- irischen Typen, der in dieser Band singt.«
Diese sorgfältige Recherchen machten mich wachsam. Meine Familie war anscheinend schon gänzlich im Bilde, wer Niall war und was er machte.
»Sag Janie, dass sie ihn garnich' anschleppen braucht, wenn er Soccer mag!« Onkel Hank hatte scheinbar schon eine gefestigte Meinung.
»Was ich sagen will, Mäuschen, ihr seht richtig verliebt aus. Wäre es möglich, dass du ihn uns bei deinem nächsten Besuch vorstellst? Trish behauptet, dass es ein PR-Gag ist, aber wir wissen, dass du so etwas niemals tun würdest, so etwas hast du nicht nötig. Jedenfalls, ruf uns zurück Janie Mäuschen.«
Oh Gott.
Hoffentlich konnte ich das noch etwas hinauszögern. Ich fragte mich, was Niall seiner Familie erzählte. Sicherlich hatte er sie direkt aufgeklärt. Ich seufzte schwer, denn es tat mir weh meine Tante enttäuschen zu müssen. Sie würde mich sicher verletzt ansehen, dass gerade ich mich auf so einen PR-Ding eingelassen hatte.
WhatsApp meldete sich und ich sah auf Taylors Nachricht. Sie wies mich darauf hin, dass ich die nächsten Tage besser nicht meinen Twitter-Account checken sollte. Liam hatte heute morgen etwas ähnliches gesagt.
Ich beschloss nicht drauf zu hören und fuhr mein Laptop hoch. Etwa fünfzehn Minuten später musste ich schwer schlucken und wünschte mir, ich hätte es nicht getan.
Ich wusste, dass die Fans von One Direction speziell waren. Sie waren treu, engagiert und liebten sowohl die Jungs, als auch ihre Musik mit ganzen Herzen. Nicht umsonst existierte die Band seit sechs Jahren und katapultierte sich regelmäßig an die Spitze der Charts. Zwischen den Jungs und ihren Fans stand ein Abkommen.
Sie waren ehrlich zu ihnen und die Fans standen hinter ihnen. Ein Eindringling zwischen Band und Fans wurde nicht mit übermäßiger Begeisterung empfangen. Nun bekam ich am eigenen Leib zu spüren, was Taylor schon Jahre vorher über sich ergehen lassen musste.
Ich erfuhr, was es hieß nicht gut genug für einen Directioner zu sein.
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