42 Now.
J a n e │ 03.07.2017 │ Laguna Beach
Die Sonne war heiß. Brütend heiß.
Nicht einmal das Wasser konnte mich abkühlen und ich wünschte mir das angenehme, kalte englische Wetter zurück.
Am nächsten Tag war ich ziemlich früh zu Eleanor aufgebrochen, mit einen ganzen Korb voller Babydinge, aber auch mit Gesichtsmasken und Schokolade. Für den Fall, dass es hart werden würde Mutter zu sein. Eleanor war noch ziemlich erschöpft, aber sofort hatte sie Louis losgescheucht um Ally zu holen und mir dermaßen viel Neues erzählt, dass mir der Kopf schwirrte.
Louis und sie würden zusammen ziehen. Etwas, was mich nicht verwunderte, schließlich war in dem Haus, was nun ihres war, viel Platz gelassen worden. So, als hätte sie nur auf Louis gewartet. Mich rührte ihr Glück, vor allem als ich sah, wie liebevoll sie miteinander umgingen. Ally war klein, erschreckend winzig, aber ein unheimlich süßes Mädchen.
Louis durfte sie nicht aus dem Brutkasten holen, doch trotzdem drückten sich die frisch gebackenen Eltern an den Scheiben die Nase platt und sprudelten über von Dingen, die sie noch alle tun wollten.
(„Wir müssen das Babyphone noch kaufen!" - „Die Windeln, El, haben wir überhaupt Windeln im Haus? Wie konnten wir so etwas wichtiges vergessen?")
Als ich das Krankenhaus verließ, war ich mir sicher, dass Louis Eleanor nie wieder gehen lassen würde und umgekehrt sie keinen Gedanken mehr daran verschwendete, irgendwelche Pläne gegen ihn zu schmieden. Selbst meine Frage, was nun mit Eloise Wells sei, mit der sich Louis laut der Presse beständig traf und denen man ein Verhältnis andichtete, konnte ihnen nicht dieses glückselige Lächeln aus dem Gesicht wischen.
„Kommt Zeit, kommt Rat", war sein knapper Einwurf. „Oh Gott, Ally hat gegähnt, hast du das gesehen, Jane?"
Die Diskussion über: „Sie hat El's Nase, aber sie wird meine Augen kriegen, ganz sicher."
„Ach ich weiß nicht Lou, braune Augen sind eher wahrscheinlicher."
„Weiche du Unglücksrabe! Sie wird meine Augen kriegen, ganz sicher!", hatten sich im Kreis gedreht. Louis war nicht davon abzubringen und ich hoffte, dass sich Allys Augen nicht verfärbten, denn die meisten Babys hatten zu Beginn blaue Augen.
Die innere Gelassenheit ließ mich schmunzeln und jetzt, wo ich mich am Strand befand, fragte ich mich, ob ich je auch in diesem Glückshimmel sein würde. Ich sah auf das blaue Meer und den weichen Sand unter meinen Füßen.
Es war so schön hier und ich würde mich wirklich auf das Shooting freuen, wenn es nicht von einer Fotografien geleitet werden würde, die mich einst gefeuert hatte.
Rosika Tate war nur ein paar Jahre älter als ich, aber absolut ernsthaft und gewissenhaft. Sie würde wohl nie auf die Idee kommen, mich in ein Bällebad zu werfen oder andere Halsbrecherische Stunts vorschlagen. In einem blassgrünen Sommerkleid trat ich zu den Arbeitern und ließ mir von ihnen erklären, wie der Ablauf sein sollte.
H & M wollte noch eine spät sommerliche Kampagne, nachdem Joanne Gold, die eigentliche Werbeträgerin in der letzten Woche dabei erwischt wurde, wie sie Drogen konsumierte. Danach war H & M als Werbeträger abgesprungen und hatte sämtliche Bilder aus dem Programm genommen. Ich sollte jetzt als ihr Ersatz fungieren.
Unsicher blickte ich zu Rosika Tate, sie stellte ihre Kamera ein und gab mehrere Anweisungen. Nervös strich ich über das leichte Sommerkleid, es war wirklich niedlich, mit Spitze, flatterhaft und angenehm zu tragen, doch so richtig dran erfreuen konnte ich mich nicht.
Was, wenn sie mich noch einmal feuerte? Was, wenn ich nicht so arbeitete, wie sie es wollte? Was, wenn ich ihren Ansprüchen nicht gerecht werden konnte?
„Miss Clancy?", sprach sie und ich eilte zu ihr. Dabei stolperte ich fast im heißen Sand. Er war einfach schrecklich heiß. „J-Ja, Mrs Tate?"
Sie musterte mich kühl und stellte fest: „Sie sind noch nicht in der Maske gewesen?"
„Nein, ich kann sofort hin und-"
„Darauf möchte ich nicht warten. Fangen wir an."
Ich räusperte mich und fragte: „Soll ich auf etwas achten, etwas Bestimmtes machen?"
Rosika Tate schüttelte den Kopf: „Tun Sie einfach so, als hätten Sie Spaß bei dem, was Sie tun." Anders als letztes Mal, so wie es aussah.
Ich schritt auf das Meer zu, Wasser wurde über meine Knöchel gespült und dann versuchte ich Freude daran zu finden. Warmer Wind spielte mit meinen offenen, leicht welligen Haaren. Wann war es so schwierig geworden einfach nur albern zu sein? Selbst mit Pierre fiel mir das mittlerweile unheimlich schwer.
Mehrmals versuchte ich mich um mich selbst zu drehen, sah strahlend auf das offene Meer, aber irgendwie fühlte es sich nicht richtig an. Beinahe wäre ich in eine Muschel getreten und taumelte leicht. Mit den Armen rudernd versuchte ich das Gleichgewicht zu halten.
Ein Blick auf Mrs Tate zeigte mir, dass sie nur mäßig begeistert von mir war. Sie stand wie ich, ebenfalls im Wasser und reichte einer Assistentin ihre Kamera und ordnete die nächste an. „Miss Clancy, entspannen Sie sich. Wir haben Zeit, aber wenn ich den ersten Sonnenbrand habe, dann mache ich Sie dafür verantwortlich und gehe Ihnen mit Beschwerden auf die Nerven."
Ich musste grinsen und zum ersten Mal bemerkte ich, dass sich auch auf ihren Lippen ein Schmunzeln schlich.
„Okay, ich gebe mir mehr Mühe und-" dann trat ich tatsächlich in eine Muschel und segelte fast ins Wasser. Beinahe hätte ich mich ungeschickt langgelegt und konnte mich gerade noch erneut fangen. Geschockt hüpfte ich auf einem Bein durch das Wasser und hoffte, dass ich mich nicht geschnitten hatte. Herrje, ich hatte heute wohl wirklich nicht meinen besten Tag.
Plötzlich durchschnitt ein lautes Lachen die Luft. Hell, frei und unendlich warm. Eine Gänsehaut rieselte über meine Arme und mein Herz stolperte innerlich. Ich wandte mich um.
Nein, nein, sicherlich machte ich mir etwas vor. Denn wieso sollte er hier sein?
Im ersten Augenblick glaubte ich, dass ich mich vertan hatte und die knallende Sonne meinen Blick trübte. Aber nachdem ich mehrmals blinzelte, runzelte ich die Stirn.
Niall.
Was tat er hier?
Etwa fünf Meter von mir entfernt stand er und versuchte seinen Lachflash in den Griff zu kriegen. Sein Kopf war wegen der Hitze knallrot und sein blondes Haar glänzte brutal in der Sonne. Er sah in Shorts und weißen Shirt komplett nach Urlaub aus.
Ohne, dass ich es verhindern konnte, steckte mich seine Lache an. Ich grinste breit und sprach aber gleichzeitig: „Hör auf dich über mich lustig zu machen. Sieh lieber zu, dass du was auf dem Kopf hast, sonst fallen dir noch die Haare aus." Ich spielte auf den Sonnenbrand an, der sich bereits in seinem Gesicht bemerkbar machte.
„Lass das mal meine Sorge sein. Pass du lieber auf, dass du nicht einen Bauchklatscher machst", wies er mich drauf hin. Kurz sahen wir uns an, seine blauen Augen spiegelten das Meer hinter mir.
Er vergrub die Hände in den Hosentaschen und dann fiel mir wieder ein, dass wir mitten in einem Shooting waren. Hastig sah ich Mrs Tate an, doch sie winkte nur ab: „Alles okay, macht einfach weiter."
„Womit?", fragte ich verwirrt und sie seufzte: „Unterhaltet euch."
Na denn, ich blickte zu Niall, doch ich war überfordert. Auf Knopfdruck fiel mir nichts ein, was ich hätte sagen können. Ihm dafür umso mehr. „Wie bekommt dir das Wetter?"
„Wie bekommt mir das Wetter? Dafür bist du her geflogen?", hakte ich nach und Niall grinste: „Nein, ich wollte Surfen lernen und dann habe ich gehört, dass du in der Nähe bist und dachte, ich sage mal Hallo."
Ich konnte es kaum glauben und rollte mit den Augen. „Hallo", sprach ich knapp und er erwiderte: „Hallo ebenfalls. Übrigens, Louis lässt ausrichten, er bietet dir noch einmal 'Plötzlich Prinzessin' an, was auch immer das heißt."
Ich lächelte, es war das einzige, was ich tun konnte, einfach weil ich ihn sah. Als lägen nichts zwischen uns. Als gäbe es wirklich nur ihn. Es war mir egal, ob die Arbeiter und Helfer um uns herum standen, denn ich blendete sie einfach aus.
„Hast du am fünfzehnten Zeit?", wollte er plötzlich wissen und ich ging einen Schritt weiter ins Meer, sodass ich nun bis zu den Waden drin stand. „Warum?"
Niall zuckte mit den Schultern. „Ich will dich zum Sommerfest einladen." Nun sah ich ihn fragend an und er führte aus: „Bei mir zu Hause, aber nicht in London. Meine Familie und ich machen es einmal im Jahr. Es ist Tradition und ich fände es schön, wenn du kommen könntest."
Mein Herz setzte aus. Kurz hielt ich inne und glaubte, ich hatte mich verhört, aber als Niall mich weiter lächelnd ansah, war es mir, als würde ich dieses Lächeln wie von selbst kopieren und dann blieb es einfach an meinen Lippen haften.
Wind wehte mein Haar nach vorne und ich strich mir die Strähnen aus dem Gesicht, aber mein Lächeln ließ sich nicht vertreiben. Ich fand das Meer in Nialls Augen, die Farbe des Sandes in seinen Haaren und das Glück in seinem Lächeln. Als würde er es an mich weiter reichen und das völlig in Ordnung finden.
„Pause, ich bin fertig", hörte ich Mrs Tate Stimme und riss mich ruckhaft von Nialls Anblick los: „Was? Aber ich habe noch gar nichts gemacht!"
Sie grinste und stampfte aus dem Wasser: „Oh doch, du hast genug getan, Clancy. Wechsel das Kleid, in fünfzehn Minuten machen wir weiter." Diese Frau war schwierig einzuschätzen und als ich ihr nachsah, wusste ich nicht, ob ihre Aussage gut oder schlecht war.
Etwas unsicher auf den Beinen stampfte ich nun ebenfalls aus dem Wasser, direkt auf Niall zu. Der Sand war heiß und die Sonne knallte unbarmherzig. Ich sollte dringend in den Schatten und Niall auch, doch stattdessen blieben wir wo wir waren. Mitten in der Hitze.
Ein halber Schritt Abstand war zwischen und und als Niall seine Hand hob, um mir durch die zerzausten Haare zu streichen, ließ ich es geschehen.
„Also, warum bist du hier?", raffte ich mich endlich auf. „Doch nicht wirklich, um einen Surfkurs zu machen."
„Ertappt", gab er freimütig zu, doch bevor er weiter ausführen konnte, sprach ich: „Und erzähl mir nichts vom Sommerfest. Das hättest du auch am Telefon machen können."
„Ja, dass hätte ich. Aber man kann nicht alles per Telefon machen", erklärte er mir und ich hatte das Gefühl, dass irgendetwas anders an ihm war. Nur konnte ich im ersten Moment nicht sagen, was es war.
Er beugte sich vor und als seine Lippen meine berührten, da verschwand sowohl die Hitze, die auf uns herunter knallte, als auch sämtliche Leute der Umgebung. Es war egal, dass wir nicht alleine waren und wir Aufmerksamkeit auf uns zogen.
Aber es war nicht egal, dass es der erste Kuss in der Öffentlichkeit war, der nicht als Fake hätte abgestempelt werden konnte. Nialls Lippen strichen sanft über meine und bevor ich ihn näher zu mir ziehen konnte, löste er sich schon von mir. Seine Stirn lehnte kurz gegen meine, dann brachte er wieder Abstand zwischen uns. Mein Herz pochte bis zum Hals.
Ich verstand ihn nicht. Was wollte er von mir? Was wollte er wirklich hier? Jemand rief meinen Namen und Niall sah kurz an mir vorbei, dann strich er an meinen Arm entlang und beugte sich vor, sodass seine Lippen mein Ohr streifte.
„Irgendwann ist jetzt."
Ein kleiner Satz.
Ein einziger kleiner Satz, der innerhalb von Sekunden alles veränderte. Niall machte einen Schritt von mir weg, seine Hand löste sich von meinem Arm und dann ging er.
Einfach so. Völlig verdattert ließ er mich stehen und das Einzige, was ich wirklich sah, war sein Lächeln.
Ich blickte ihm nach. Sein Gang hatte nichts Trauriges, nichts Endgültiges. In mir raste etwas, ich konnte mich nicht bewegen und erst, als ich Niall am Ende des Strandes zwischen den geparkten Autos verschwinden sah, spürte ich wieder die heiße Sonne und den brennenden Sand unter meinen Füßen.
„Jane, wir machen gleich weiter, du musst dich umziehen."
Eine Assistentin winkte mich zum improvisierten Zelt, dass sei aufgebaut hatten. Hastig sprang ich ungeschickt durch den heißen Sand und bemerkte erst im Schatten, wie sehr meine Haut brannte.
„Du musst wirklich aufpassen, deine Haut ist empfindlich und vielleicht solltest du dich doch besser eincremen lassen", wies mich Mrs Tate drauf hin. „Übrigens, dein blonder Freund hat dir etwas dagelassen."
Ich ging zu meiner Ecke, neben der Stange von Kleidern. Meine Tasche war offen und oben drauf lag ein schweres Buch. Verwirrt ging ich in die Hocke und nahm es zur Hand. War das die Analyse von Ernest Rutherford über Atomphysik?
Vage konnte ich mich daran erinnern, dass ich es einst gekauft hatte, als Niall und ich uns das erste Mal in der Öffentlichkeit gezeigt hatten. Bei der Erinnerung daran, wurde mir komisch. Schon damals war es mir erschreckend leicht gefallen, etwas vorzugeben, was ich nicht war. Aber gleichzeitig hatte es sich auch Stück für Stück immer echter angefühlt.
Ein Zettel schaute oben heraus und ich schlug das Buch auf, dann sah ich auf einen schmalen Fotostreifen. Das waren die Bilder, die Niall und ich in Oslo einst im Fotoautomaten gemacht hatten. Zuerst lächelte ich über die Fratzen, die wir schnitten.
Aber dann fiel mein Blick auf das letzte Bild und zum ersten Mal verstand ich, warum er den Streifen damals in zwei gerissen hatte. Seine Worte ergaben plötzlich Sinn. Wir sollten aufhören Zeit zu verschwenden, denn das hatten wir bereits genug getan.
Irgendwann war tatsächlich jetzt.
J a n e │ 15.07.2017 │ Mullingar
Die Luft in Irland war komplett anders, als ich sie mir vorgestellt hatte. Frisch, irgendwie verdammt grün. Ich konnte es nicht einmal richtig beschreiben. Trotzdem drückte ich meine Nase an der Fensterscheibe des Busses platt. Die Landschaft war so herrlich und ich machte sogar ein paar ungeschickte Fotos.
Dabei glitt mein Blick auf das Display meines Handys und ich kramte mich durch das Internet. Irgendjemand hatte den Kuss von Niall und mir fotografiert und getwittert, ab da hatten sich die Tweets überschlagen. Die eine Seite war begeistert, die andere eher nicht.
Mein Handy war jedoch kurz darauf heiß gelaufen. Nicht nur, dass Harry und Taylor meine Mailbox gesprengt hatten, selbst meine Tante hatte angefragt und ich war mir todsicher, dass sie kein Twitter hatte, geschweige denn wusste, was das war.
Keinem konnte ich antworten, denn ich wollte zuerst mit Niall reden. Und so etwas ganz bestimmt nicht am Telefon klären.
Taylor hatte mich danach so brutal ins Kreuzverhör genommen, dass ich ihr erst die Heirat mit Mr Harold Edward Styles-Swift, ich wusste immer noch nicht wer jetzt welchen Namen trug, unter die Nase reiben musste, bis sie etwas weniger bösartig wurde.
(„Muss ich dich daran erinnern, dass ich verdammt noch mal, nicht eingeladen war?" - Willst du da jetzt das ganze Jahr drauf rumreiten, oder was?" - „Na so fünf Jahre sicherlich!")
Selbst Kendall war außer sich gewesen. In dem großen Krisen-Skype-Gespräch war Taylor in den ganzen zwei Stunden vor lauter Vorwürfen nicht einmal zu Wort gekommen.
(„Ich hätte dir den besten Junggesellenabschied aller Zeiten organisiert!")
An dieser Stelle schwieg ich besser darüber, dass ich von Louis wusste, dass One Direction Vegas nur noch nüchtern betrat und auch wieder verließ. Das sagte mir irgendwie alles.
Zwei Besuche bei Gisele und zwei weitere Jobs verhinderten jedoch, dass ich es früher zu ihm schaffte. Ganz zu schweigen von Pierres Aufstand. („Wirklich Clancy, ist das ein Comeback einer Fake-Beziehung? Tu mir das nicht an!") Jetzt hockte ich in einem Schnellbus, der mich zumindest bis Mullingar brachte.
Von dort musste ich schauen, wie ich weiter kam. Ich schulterte am Ende meinen großen Rucksack und schaltete mein Navigationsgerät im Handy ein. Zum Glück hatte ich zumindest noch Nialls Adresse bekommen und lief los.
Es war ein langer Marsch. Über eine Stunde irrte ich durch Straßen, die ich nicht kannte und an Kleinbürgerliche Häuser vorbei. Dabei ging mir eine Menge durch den Kopf.
Ich dachte an die Zeit, wie ich Niall kennengelernt hatte und erst da begriff ich, was so anders gewesen war, als ich ihn das letzte mal gesehen hatte. Es hatte sich angefühlt, als hätte ich denselben Niall wieder vor mir. Den Jungen, der mir in London gezeigt hatte, wie man einen Tequila trank, wie man tanzte, auch wenn man es nicht konnte und wie man sich für eine Nacht wie jemand anderes fühlte.
Mit jeden weiteren Schritt stellte ich mir immer wieder die Frage, ob ich mich in diesen Mann verliebt hatte oder in jenen, der mir mit Ablehnung begegnet war. Aber als ich schließlich vor einem unauffälligen Backsteinhaus stand, waren die Bedenken weg. Denn der Niall von damals und den, den ich als Fake-Freundin begleitet hatte, waren ein und derselbe Mann.
Das, was sich verändert hatte, war seine Einstellung und sein Befinden. Er war nicht mehr unglücklich und eine dumme Stimme im Hinterkopf ließ mich glauben, dass ich der Grund dafür sein könnte. Aber vielleicht war es arrogant so zu denken.
Ich atmete tief durch, dann stieß ich das kleine Gartentürchen auf und klingelte. Man hörte Stimmen. Schließlich riss jemand die Tür auf und ich sah auf einen kleinen blonden Jungen, den ich als Theo erkannte.
„Hallo", sprach er höflich und musterte mich ohne Neugier von oben bis unten. Ich trug stinknormale Jeans und ein neues Taylor Swift Fan-Shirt, dass ich ihr aus den Rippen geleiert hatte. Sein Blick glitt schließlich zu meinen Haaren und dann auf die Sommersprossen. „Du bist Jane", stellte er fest und verschränkte die kleinen Arme vor der Brust.
Er brachte mich zum schmunzeln und ich nickte: „Richtig und du bist Theo, Nialls bester Mann." Der Blondschopf reckte das Kinn, dann strahlte er: „Hat er dir das gesagt?"
„Oh ja, bei jeder Gelegenheit", erklärte ich und plötzlich schien Theo richtig stolz zu sein. Zumindest so lange, bis er sich fing.
„Wieso bist du hier?", wollte der neugierige Mann wissen. „Um ihn weiter zu knutschen?"
Da war aber einer informiert. Ich verschränkte nun ebenfalls die Arme vor der Brust. „Das weiß ich noch nicht, wieso?"
Theo sah zu mir hoch. „Mein Onkel knutscht keine Frauen mehr, nur die eine. Aber ich will erst wissen, ob du noch andere Männer knutscht."
Die Logik des Kleinen verstand ich nicht ganz. Überhaupt kam ich mir dumm dabei vor, mit einem Dreikäsehoch über so etwas zu diskutieren, aber scheinbar kam ich nicht vorher ins Haus. „Du meinst, wenn ich deinen Onkel kriege?"
„Genau."
Ich lächelte und löste die verschränkten Arme. „Wenn ich deinen Onkel kriege, will ich überhaupt keinen anderen mehr." Theo musterte mich noch einmal, dann grinste er breit und trat zur Seite: „Er sitzt auf der Terrasse und nervt mich. Ich finde Gitarre lerne ätzend. Klavier macht viel mehr Spaß, aber das will er nicht einsehen."
Munter plapperte Theo vor sich hin und führte mich durch den kleinen Flur. Kurz konnte ich in die Küche sehen und eindeckte dort zwei Frauen, eine etwas Ältere und eine Jüngere.
Von der einen wusste ich, dass es Nialls Mutter war, bei der anderen seine Schwägerin. Im Wohnzimmer blieb Theo stehen und zeigte auf die Verandatür. „Er sitzt da draußen."
„Nein, du musst den roten Knopf-"
„Halt einfach die Klappe, Greg, ich werde ja wohl noch eine Fernbedienung-"
Beide Stimmen verstummten und ich sah auf zwei Männer, die vor dem großen Fernseher standen und ein Soccer-Spiel verfolgten und ein virtuelles Menü geöffnet hatten, um etwas einzustellen. Jetzt aber blickten sie mich beide verwirrt an.
„Guten Abend", sprach ich knapp und sie nickten mir zu. Wahrscheinlich wussten sie absolut nicht wer ich war, oder was ich wollte.
Theo gab mir einen Schubs, dann meinte er: „Geh schon. Sonst muss ich wieder Gitarre üben und das ätzt!", beschwerte er sich.
„Theo!", rügte ihn der Jüngere der beiden Männer und Theo rollte mit den Augen: „Ätzt ist kein böses Wort, Dad!" Während er sich nun belehren lassen durfte, trat ich durch die Balkontür. Ich hörte die sanften Klänge einer Gitarre und versuchte der Melodie zu folgen.
Niall saß auf einer Hollywoodschaukel. Vor ihm auf den Tisch lag ein Block Papier und ein Kugelschreiber. Teller, Gläser und Soßen standen drum herum. Die Lichter, der bunten Lichterkette, die in den umliegenden Bäumen hingen, waren an.
Es roch nach frischem Gras und abendlicher Sommerluft. Völlig versunken bemerkte er mich nicht und zupfte an den Saiten herum. Ein leichter Sonnenbrand war auf seiner Nase zu erkennen, das blonde Haar war zerzaust, so als war er sich mehrmals frustriert mit der Hand durchgefahren.
Barfuß ließ er die Hollywoodschaukel immer wieder schaukeln und änderte den Takt, wenn er glaubte ihn auf der Gitarre gefunden zu haben. Hin und wieder hielt er inne und griff zum Stift, um sich etwas zu notieren.
Seine Nase kräuselte sich, die Stirn wurde gerunzelt und schließlich kratzte er sich mit dem Stift am Kopf. Ich hätte ihn ewig dabei beobachten können.
Und ab da stellte ich mir keine Frage mehr nach dem 'warum', denn das einzig Wichtige war, dass ich Niall liebte und ich wusste, er hatte dieselben Gefühle für mich. Alles andere war plötzlich Unwichtig.
„So, so du knutscht also nicht mehr mit Frauen herum, sondern nur noch mit der einen?"
Niall sah auf und dann grinste er breit, so als hätte er nie einen Zweifel daran gehabt, ob ich kommen würde, oder nicht. „Wer hat dir denn das erzählt?" Ich setzte mich neben ihn und stellte den Rucksack auf den Boden ab. „Dein reizende Neffe. Er hat mir die Tür geöffnet."
„Nun, er hat recht", gab er freimütig zu und legte die Gitarre vorsichtig auf den Boden. Es war jene, die ich ihm einst zum Geburtstag hatte anfertigen lassen. Er hatte sie also bekommen und die Gewissheit, dass er auf ihr spielte, ließ mein Herz aufgehen.
Ich musterte ihn und betrachtete den Sonnenbrand auf seiner Nase. Sanft strich ich mit den Fingerkuppeln drüber und er ließ es geschehen, dann seufzte ich: „Schade. Denn das heißt, ich darf dir kein Küsschen mehr geben."
Wir sahen einander an. Stumm und lange.
„Die Sache ist die", begann Niall und nahm meine Hand. „Wenn man die Ausnahme ist, dann ist es egal."
Wir waren hier. Zusammen. Alleine.
Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich war unheimlich glücklich, obwohl er noch nie gesagt hatte, dass er mich liebte. Das musste er auch nicht, denn ich sah es.
Die Art, wie er mich ansah, es sagte alles.
Wir rückten zusammen. Ich hörte, dass Theo sich im inneren des Hauses versuchte gegen seinen Vater durchzusetzen. Es klang nach Alltag und typisch Familie. Dann hörte ich ein lautes, raues Lachen, dass Niall im Klang sehr ähnlich war.
Meine Schulter berührte seine und sanft bewegte sich die Hollywoodschaukel hin und her. Sein Daumen strich über meinen und ich blickte auf unsere verschränkten Hände.
Es war kurios, denn ich hatte schon oft meine Hand in seine gelegt, aber erst jetzt fiel es mir auf. Seltsamerweise überraschte es mich nicht, stattdessen schmunzelte ich. Mein Gegenstück. Ich hatte es schon vor langer Zeit gefunden.
Unsere Hände passten perfekt ineinander.
Ende.
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