41 Sometime.

L o u i s │ 01.07.2017 │ London



Ich wurde wahnsinnig. Niemand wollte mir sagen, was los war und seit gefühlten Stunden schritt ich im Flur auf und ab. Immer wieder raufte ich mir die Haare und versuchte mein rasendes Herz zu beruhigen. 

Aber nichts beruhigte sich, meine Nerven flatterten. Im Krankenwagen hatte der Druck von Els Hand merklich nachgelassen, sie war fiebrig gewesen und irgendwann hatte ich kein Wort mehr von dem verstanden, was sie versucht hatte mir zu sagen. Immer wieder dachte ich an die Worte, die sie mir gesagt hatte, jene, die mein Herz hatten aufgehen lassen.

„Ich liebe dich auch."

Danach war alles weg. All die Wut, all der Ärger. Plötzlich war die Dunkelheit, die Anspannung, die mich begleitet hatte, vollkommen weg gewesen, stattdessen gab es nur noch Licht und Wärme. Doch jetzt fühlte es sich an, als würde mir das Schicksal einen ziemlich miesen Streich spielen. 

So als wollte man mir El und Ally nehmen. Gerade jetzt, wo ich sie wieder hatte. Betäubt schritt ich weiter auf und ab und bemerkte somit nicht einmal, wie sich jemand mit schnellen Schritten näherte.

„Lou, was ist passiert, wo ist El, hat man dir schon etwas gesagt?", Harrys Stimme prasselte auf mich ein, er griff nach meinen Arm und ich stieß ihn weg. Unaufhörlich kreisten meine Gedanken darum, was ich tun sollte, wenn man mir El wirklich nahm. Es würde mich umbringen. Auf der Stelle. Ich konnte nicht mehr denken. Was hatte der Notarzt im Krankenwagen noch gesagt?

„Wen sollen wir vorziehen, wenn es hart auf hart kommt?"

Hatte der sie noch alle? Als wenn ich mich zwischen der Frau, die ich liebte und meiner Tochter entscheiden könnte! Ich war zu absolut keiner Antwort fähig gewesen. Harry geriet aus meinen Blickwinkel, ich sah immer nur den grauen Boden vor mir, meine Beine hörten nicht auf sich zu bewegen. 

Mein bester Freund telefonierte, seine Stimme drang zu mir, wie durch einen dichten Nebel. Hin und wieder fiel mein Name, aber immer wenn ich 'Eleanor' hörte, hob ich meinen Kopf und sah ihn an, nur um weiter ruhelos auf und ab zu gehen.

„Mr Tomlinson?"

Prompt blieb ich stehen und sah auf die OP-Schwester, die zu Harry getreten war. Ich blickte sie an und presste die Kiefer aufeinander. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht gefiel mir nicht. Meine Hände verkrampften sich zu Fäusten.

„Wir müssen das Baby holen. Dr Freeman sieht keine andere Möglichkeit. Natürlich ist es zu früh, aber alle nötigen Maßnahmen sind eingeleitet. Wollen Sie anwesend sein?"

Anwesend, wenn etwas passieren konnte, was mir den Boden unter den Füßen wegreißen konnte? Ganz sicher nicht! Ich wollte ihr sagen, dass sie gefälligst rausrücken sollte mit den Details, die sie noch wusste, aber stattdessen fühlte ich mich, als wäre ich in eine Art Schockstarre verfallen.

Wie viel Zeit hatten El und ich damit verbracht zu streiten? Wir hätten die Zeit anders nutzen sollen, sinnvoller! Ich hätte ihr die Welt zu Füßen legen sollen, statt sie unter Druck zu setzten. Ich hätte-

„Mr Tomlinson, alles in Ordnung?"

Was, wenn das jetzt die Strafe für mein egoistisches, falsches Verhalten war? Die Strafe für Eloise, für meine Abneigung gegenüber dem Kind?

„Hören Sie mir zu?"

Ich hatte weder El noch Ally verdient.

Was sollte ich tun?

Was konnte ich tun?

Die Faust, die mein Gesicht traf, war schmerzhaft. Verdammt schmerzhaft.

Ich taumelte rückwärts und stieß gegen die Wand. Entsetzt sah ich Harry an und hörte den spitzen Schrei der OP-Schwester. Ich musste blinzeln und dann war ich wieder voll da. Der Schock kroch aus meinen Gliedern und ich blickte zu der Schwester, die sich erschrocken die Hände vor den Mund geschlagen hatte. 

Harry musterte mich mit unbewegter Miene und seine Ruhe färbte auf mich ab. Langsam wurde ich wieder Herr über mein eigenes Verhalten.

„N-Natürlich will ich anwesend sein", sprach ich. „Was muss ich machen? Wo muss ich hin?" Den Schlag hatte ich gebraucht, denn nun entspannte sich auch Harrys Gesicht zunehmen. Dann schüttelte er die schmerzende Faust und ich klopfte ihm dankbar auf die Schulter. 

Mir war in diesem Augenblick überhaupt nicht bewusst, dass ich jetzt amtlich feiern konnte, dass jeder der Jungs mich einmal geschlagen hatte.

Eilig folgte ich der Schwester, ließ mir in dieses komische Hemd helfen, musste mir die Hände waschen und schließlich trat ich in den OP-Saal. Ich wusste nicht was man von mir erwartete, doch als ich neben El stand, ihr sanft über die Haare strich, obwohl sie nicht wach war, beruhigte sich mein Puls.

Denn so lange ich auf dem Monitor sehen konnte, dass ihr Herz schlug und hörte, wie der Arzt mit den Schwestern sprach, in einer ruhigen und gefassten Stimmlage, wollte ich nicht in Panik verfallen. 

„Wir schaffen das, El", flüsterte ich und blendete das Fachchinesisch um mich herum aus. Ich verstand sowieso kein Wort. Ein Tuch, oder was auch immer das war, verhinderte sowieso, dass ich einen Blick darauf hatte, was der Arzt tat.

„Wenn wir das schaffen", sprach ich zu ihr. „Dann verspreche ich dir, wir werden nie wieder streiten. Ich werde mehr zu Hause sein. Alles machen, was du willst, du darfst mich jetzt nur nicht alleine lassen." 

Ich wollte ihr so viel sagen, ich wollte, dass sie alles hörte, aber ihre fehlende Reaktion machte es schwierig an etwas festzuhalten. Irgendwann schwieg ich und sah sie nur an. So lange, bis mich etwas aus der Starre riss.

Die Schwestern lachten erleichtert auf, der Arzt brummte etwas von: „Na da haben wir dich!"

Und dann sah ich Ally.

Sie war schrecklich klein. Gott, sie war winzig. Rot, verschrumpelt, aber wunderschön. Das Schönste, was ich je gesehen hatte.

Der Arzt reichte sie weiter und ich sah, dass Ally mitgenommen wurde. Die Schwester neben mir sah meinen Blick und erklärte: „Wir müssen sie nur schnell untersuchen, sauber machen und in den Brutkasten bringen, damit sie nicht auskühlt." 

„Aber seien Sie unbesorgt", mischte sich der Arzt ein, „sie wirkt überraschend kräftig und zäh."

Die Worte beruhigten mich. Ich blieb bei El und erst als alles vorbei war, ließ ich ihre Hand los und sah nach, wie sie weggebracht wurde. 

„Ist mit ihr alles in Ordnung?", fragte ich und die Schwester nickte: „Ja, das Ganze mag etwas viel gewesen sein. In einigen Stunden wird sie wieder aufwachen. Wahrscheinlich wird sie ein paar Tage hierbleiben müssen."

„Wie heißt ihre Tochter, Mr Tomlinson?", wollte eine weitere Schwester wissen, die noch einmal zurück in den OP-Raum kam.

Ich blickte sie an, dann winkte sie mich zu sich und wenig später stand ich hinter einer Scheibe, von wo aus ich genau sehen konnte, wie man Ally untersuchte. Sie wirkte so zerbrechlich, dass ich Angst bekam, man könnte ihr weh tun. Immer, wenn sie sich bewegte, zuckte, oder ihr Mund sich öffnete, krampfte mein Herz zusammen.

Wie hatte ich dieses Wesen nicht wollen können? Schließlich kam sie in einen Brutkasten und die Schwester notierte sich Daten. Dann drehte sie sich um und nickte und lächelnd zu. Was wohl bedeuten sollte, dass alles in Ordnung war.

„Sie heißt Ally", sprach ich mit belegter Stimme, „meine Freundin hat den Namen ausgesucht, wegen der zwei L's." Es war absolut unsinnig, dass ich der Schwester das erzählte, aber ich tat es trotzdem.

„Ein hübscher Name", meinte sie, aber wahrscheinlich sagte sie das zu jedem frischen Vater. Mir war es egal, denn ich kannte die Bedeutung hinter Ally. Am Ende half sie mir aus dem komischen Überwurf und mit wackeligen Knien ging ich zurück in den Wartebereich. Nun erkannte ich nicht nur Harry, sondern auch Niall und Jane. Die letzten beiden waren voller Farbe, aber das nahm ich nicht wirklich wahr.

„Was ist los?"

„Ist alles gut gegangen?"

„Lou, jetzt sag doch etwas!"

„Wir sind so schnell gekommen, wie wir konnten."

„Liam und Zayn sind auf dem Weg, sie müssten bald hier sein."

„Deine Mom hat angerufen und sich sofort ins Auto gesetzt."

Irgendwann verstummten sie und ich schluckte, dann verzogen sich meine Lippen zu einem Lächeln. „Ally ist da. El und ihr geht's gut." Zwei kleine Sätze. Sie auszusprechen sorgte dafür, dass eine Mauer in mir zusammen brach. 

Ich fing an zu heulen, etwas, was ich zuletzt in Chicago getan hatte, nachdem ich nicht mehr Herr meiner Sinne gewesen war. Ohne zu zögern wurde ich in eine Gruppenumarmung geschlossen.

Es war vorbei und es war alles gut.

Sie alle wollten Ally sehen, aber ich bestand darauf, dass El dieses Recht zuerst zustand. Meine Freunde nickten verstehend.

„Wir kommen einfach morgen noch einmal vorbei", meinte Harry lächelnd, „übrigens, hör besser nicht deine Mailbox ab, ich habe wohl ein bisschen hysterische Panik bei Liam und Zayn verbreitet, als ich noch nicht gewusst hatte, was los war." 

Harry schien beschämt und ich musste lächeln. Müde, erschöpft aber auch erleichtert verabschiedete ich meine Freunde auf dem Gang und beschloss schließlich, dass ich El ein paar Klamotten von zu Hause holen würde.

Man händigte mir ihren Schlüssel aus und etwa eine Stunde später stand ich in dem halbfertigen Haus. Niall und Jane hatten scheinbar mehr gemacht, als nur den oberen Flur zu streichen. Kopfschüttelnd schritt ich über die komische Spur und schmunzelte. Ich hoffte wirklich, das Niall in der Lage war, das Richtige zu tun. Nachdem ich Jane nach London gelockt hatte, konnte ich wirklich nicht mehr tun.

Es lag an ihm.

Ich betrat Els Schlafzimmer und zog eine Sporttasche hinzu, dann kramte ich nach ihren Lieblingsklamotten. Chaotisch packte ich die Tasche, räumte im Bad alles zusammen, was sie wohl gebrauchen könnte und schulterte die Tasche schließlich. Wenn El aufwachte, wollte ich unbedingt wieder da sein.

Polternd huschte ich die Treppen herunter und blieb kurz vor der letzten Stufe stehen. Etwas war in meinen Blickwinkel geraten. Im ersten Moment glaubte ich, ich hätte nicht richtig hingesehen, weshalb ich nun zögerlich Richtung Wohnzimmer ging.

Dann verharrte ich, denn an den langen Fenstern stand ein schöner dunkler Flügel. Wieso hatte sie den gekauft, sie konnte doch noch nicht einmal spielen? Mit den Fingerspitzen strich ich über die fast schwarze Oberfläche und hatte einen merkwürdigen Kloß im Hals. 

Ich blickte zu dem riesigen Wandregal und runzelte die Stirn. Noch waren die Regale nur spärlich eingeräumt, aber einige Bilder hatte sie bereits aufgestellt.

Wie von selbst nahm ich einen Bilderrahmen in die Hand und strich mit den Fingern über das Bild. Es war schon alt und eines der allerersten, das El und ich zusammen gemacht hatten. Wie glücklich verknallt wir damals gewesen waren und wie schrecklich naiv. Dann ließ ich das Bild sinken, langsam schlich sich etwas in mein Bewusstsein.

Sie war nicht gegangen, weil sie mich nicht mehr liebte, sondern weil ich sie nicht so behandelt hatte, wie sie es verdiente.

Ich drehte mich um, blickte auf den Flügel, dann auf die Fotos. Die Tasche knallte zu Boden und ich rannte die Treppen nach oben, zurück in ihr Schlafzimmer und riss dort die Schränke auf. Erst da fiel es mir bewusst auf. 

Hastig wandte ich mich an die Nachttische und öffnete die Linke. Die Schublade war leer. Kurzerhand rollte ich mich über das breite Bett und zog die Schublade der anderen Konsole auf. Dort befand sich Els Krimskrams.

Erst jetzt begriff ich den Unterschied zwischen meinem Haus und ihren. Überall, wo sich Lücken befanden, im Bad auf der Ablage, im Wohnzimmer in den Regalen, im Schrank, dass war mein Platz. 

Sie wartete auf mich. 

Ich versuchte mich zu erinnern, ob ich ihr ebenfalls so viel Platz eingeräumt hatte und die Antwort war: Nein. In all den Jahren Beziehung hatte sie sich nie über die Schublade beschwert und jetzt wurde mir klar, dass es nicht richtig von mir gewesen war.

So schnell ich konnte, kehrte ich mit der Reisetasche zurück ins Krankenhaus und schlich mich leise in Els Zimmer. Sie teilte es sich mit zwei anderen Patienten. Doch für diese hatte ich keinen Blick. Möglichst lautlos versuchte ich ihren kleinen Schrank einzuräumen, dann zog ich einen Stuhl heran. 

Automatisch fand meine Hand ihre und ich betrachtete El beim Schlafen. Etwas, was ich schon sehr lange nicht mehr getan hatte. Schließlich musste ich mich meinem Handy widmen und sah mit an, wie mein WhatsApp fast explodierte. Von meiner Liste mit den entgangenen Anrufen ganz zu schweigen.

Es dauerte bis zum frühen Abend, erst dann regte El sich. Ich ließ sofort mein Handy sinken und beugte mich zu ihr. Sanft strich ich ihr durch das Haar. Sie wirkte zuerst orientierungslos, aber als sie mich sah, glitt ein Lächeln über ihren Lippen. Ich tat es ihr gleich und umklammerte ihre Hand nun mit beiden meiner Hände.

„Ally-"

„Ihr geht es gut", unterbrach ich sie. „Die Ärzte sagen, sie ist kräftig und oh El, sie ist so winzig und schön." Sie war perfekt, immerhin war sie ein Teil von El und mir.

„Kann ich sie sehen?", fragte sie und ich war mir sicher, dass sie es dürfte, sobald sie sich noch etwas ausgeruht hatte. El seufzte, dann wandte sie sich wieder mir zu und wir sahen uns an. Wir brauchten nicht mehr. Ich brauchte nicht mehr.

„El... kann ich bei dir einziehen?"

Wir waren da, wo wir hingehörten. Beieinander.



N i a l l │ 01.07.2017 │ London



„Oh Gott, wir sehen aus, wie die letzten Schweine", stöhnte Jane neben mir und besah sich ihre Klamotten. Ich grinste und erwähnte besser nicht, dass sie die Farbe sogar in den Haaren hatte. 

Wir saßen in meinem Auto und eigentlich müsste ich einen hysterischen Anfall kriegen, denn wir schmierten Farbe auf die dunklen Sitze. Doch stattdessen war ich unglaublich ruhig. Zufrieden. Glücklich.

„Morgen sollten wir El etwas mitbringen, Blumen, einen Ballon oder so", quatschte sie weiter, denn das war es, was sie kontinuierlich tat. Reden. Als würde sie keine Stille zwischen uns aufkommen lassen wollen. Teils konnte ich sie verstehen.

„Wo fahren wir hin?"

„Zu mir", erklärte ich und bemerkte, dass sich ihre Haltung leicht versteifte, an der Kreuzung mussten wir halten und ich sah sie an: „Was ist los?"

Jane faltete die Hände im Schoß. „Ich weiß nicht, ob das so besonders klug wäre. Denn ich glaube nicht, dass deine Freundin das besonders toll finden würde, wenn ich bei dir wäre."

Die Ampel sprang auf grün und ich widmete mich wieder den Straßenverkehr, dann sprach ich: „Ich habe keine Freundin." Verwirrt drehte Jane mich zu und runzelte die Stirn: „Was? Aber ich dachte, Barbara und du, ihr seid-"

„Nein."

Ich konnte ihre Verwirrung regelrecht greifen, doch erst als wir mein Grundstück erreichten und ich mich aus dem Auto zog, hörte ich sie fragen: „Wie meinst du das?" Sie knallte die Wagentür und folgte mir zur Haustür. „Niall, wieso seid ihr nicht zusammen? Ich dachte, ihr seid exklusiv."

„So wie du und dieser Max Irons?", stellte ich die Gegenfrage und stieß die Haustür auf. Jane blieb stehen und musterte mich, etwas in ihrem Gesicht veränderte sich und ich zwang mich zu einem Lächeln. „Was ist?"

„Max und ich, wir sind nicht, also kein Paar oder so", ihre Stimme war ruhig, doch die Art, wie sie nervös eine Haarsträhne hinter das Ohr strich, sagte mir, dass sie es nicht war.

„Was seid ihr dann?" Ich musste es wissen, denn nachdem ich den Spott gesehen hatte, war ich mir nicht sicher gewesen, ob es daran lag, dass er ein ausgezeichneter Schauspieler war, oder ich mittlerweile Schatten sah, wo keine waren. Aber diese merkwürdige Spannung zwischen beiden mochte ich nicht.

Jane sah mich direkt an und ihre Augen wichen mir nicht aus. „Wir waren ein Ausrutscher." Ich wusste was es bedeutete und die Art, wie sie es mir offen und ehrlich gegenüber zugab, machte mich nicht wütend. Ich spürte lediglich einen Knoten im Magen. „So wie wir?"

Sie lachte plötzlich. „Meinst du wirklich, wir waren ein Ausrutscher?"

„Nein", ich schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht was wir waren." Das war die Wahrheit, ich wusste es wirklich nicht. „Aber, mir gefiel es."

Jane lachte, doch statt darauf etwas zu sagen, schritt sie an mir vorbei und fragte: „Ich kann deine Dusche benutzen?" Natürlich durfte sie. Jane fand sich bei mir sofort zurecht, ich legte ihr frische Klamotten raus und wartete, bis sie fertig war. Dann benutzte ich das Bad. 

Es dauerte, bis ich die Farbe aus meinen Haaren bekam und fragte mich erst gar nicht, wie sie dorthin gekommen waren. Normalerweise genoss ich es zu duschen, aber jetzt hatte ich es ungewohnt eilig. Jane war da und ich wollte nicht, dass sie ging, während ich damit beschäftigt war, wieder menschlich auszusehen.

Deshalb hastete ich barfuß die Treppen ins Wohnzimmer runter und wurde sofort langsamer, als ich hörte, dass Justins neue Songs aus der Anlage plärrten. Leise, aber das würde bedeuten, sie war noch da.

„Ich habe mich an deinem Kühlschrank bedient", sprach sie und ich sah sie in der Küche auf meiner Theke sitzen, eine Coladose in den Händen. Ich nickte. „Klar, kein Ding." Wir sahen uns an und mir wurde bewusst, dass ich es ewig tun könnte. 

Dabei fiel mir auf, dass sie seltsam müde wirkte, nicht mehr so frisch, wie ich sie in Erinnerung hatte und dazu noch erheblich dünner. „Hast du McDonalds in letzter Zeit vernachlässigt?"

Jane lächelte und gestand: „Ein wenig. Nandos hat meine Geschmacksnerven beeinflusst. Zum Negativen."

„Wie kannst du es wagen! Nandos würde niemals Schaden anrichten. Wahrscheinlich warst du bei Subway und versuchst jetzt Nandos deine Klage in die Schuhe zu schieben."

„Und das von den Mann, der die Vorzüge eines perfekten BigMc's nicht zu schätzen weiß", wies sie dramatisch ab. Ich hatte es vermisst über solch nichtige Dinge zu diskutieren.

„Mir gefallen Justins neue Songs und ich habe gehört, du hast sie bereits gekannt, bevor sie überhaupt veröffentlicht wurden? Was hast du getan um diesen Vertrauensbonus von ihm zu bekommen?", wollte sie wissen und ich zuckte mit den Schultern, dann holte ich mir selbst eine Cola aus dem Kühlschrank: „Nun, ich bin ein ziemlich gutes Groupie und muss bei Laune gehalten werden."

In diesem Augenblick brach sie in schallendes Gelächter aus. Cola schoss ihr durch die Nase und hastig angelte Jane nach einem Geschirrhandtuch. Trotzdem musste ich sofort lächeln, ihr Lachen war ansteckend, selbst, als sie schließlich knallrot war und ins Geschirrhandtuch hustete.

„Bevor du erstickst sagst du mir Bescheid, ja? Handzeichen für Peace?"

„Du bist ein Idiot!", ließ sie mich wissen und rutschte von der Theke, dann sah ich, wie sie im Flur ihre Schuhe anzog. Ich wollte sie hier behalten, wollte Dinge klären, aber es war schwer das anzufangen. „Okay, ich mache mich auf den Weg nach Hause, oder in die Stadt. El ein paar Dinge für's Baby zu kaufen."

Ich blickte an ihr herab: „Du solltest dich vorher besser umziehen." Jane betrachtete meine Jogginhose und das Shirt von Olly Murs. „Meinst du, ich könnte sonst einen neuen Trend setzten?"

„Eventuell, oder zum schlecht angezogenen Promi Londons gewählt werden."

„Wie gut, dass ich Amerikanerin bin. Ihr Briten seid einfach zu-"

„Für's Protokoll, ich bin Ire."

„Aber du wirst von Tag zu Tag englischer", meinte sie mit einem Grinsen. Als ich sie unverständlich ansah, erklärte sie: „Du hast nur Tee in deinem Schrank." Das war nicht einmal meiner, sondern ein Vorrat der Jungs, für den Fall, dass sie beschlossen bei mir Kaffeekränzchen abzuhalten. 

Nachdem sie ihre Schuhe anhatte, begriff ich, dass sie von mir davon lief und in diesem Augenblick sah ich keine andere Möglichkeit, als direkt zum Wesentlichen über zugehen.

„Jane, wir müssen reden."

Sie hielt inne und richtete sich auf. „Ich weiß", war das Einzige, was sie dazu sagte.

„Können wir das jetzt machen?", wollte ich wissen und sah, wie sie tief durchatmete. Sie schien zu überlegen, mit sich zu ringen und antwortete schließlich: „Nein. Nicht jetzt."

„Wann dann?"

Das Lächeln auf ihren Lippen wirkte traurig. „Irgendwann."

„Irgendwann ist eine lange Zeit", entwich es mir und ihr Lächeln verschwand. Sie nickte zögerlich. „Ja. Aber du wirst wissen, wann es ist." Mit diesen Worten wandte sie sich von mir ab, ohne noch etwas dazu zu sagen. Als sie die Haustür aufriss, war ich halb im Sprung ihr nachzugehen, bis ich mitten im Schritt erstarrte.

Barbara sah uns an.

Sie schien genauso geschockt, wie Jane und ich. Niemand regte sich, es kam mir wie eine Ewigkeit vor, in der wir uns alle nacheinander immer nur anblickten. Schließlich riss Jane sich als erstes los und sprach: „Bis dann." Ein frostiger Abschied.

So hätte das nicht laufen sollen, vor allem sollte sie nicht gehen. Aber ich konnte ihr nicht folgen, während Barbara im Türrahmen stand. Entsetzt sah sie Jane nach und drehte sich dann zu mir um. 

Ich konnte nicht sagen, was sie dachte, zu verschlossen war ihr Gesicht. Erst als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel, holte sie tief Luft. „Ist das dein Ernst?" Ihre Stimme klang bitter und verletzt.

„Was willst du hier?", ich ging gar nicht erst auf ihre Frage ein und verschränkte die Arme vor der Brust. Seit ich sie verlassen hatte, hatten wir nicht mehr miteinander gesprochen, geschweige denn geschrieben.

„Schläfst du mit ihr?", wollte Barbara wissen und ich begriff, dass sie nicht eher vom Thema abkam, bis ich antworten würde. Gleichzeitig ging es sie aber auch nichts an. Ich musterte ihr schönes Gesicht, das glänzende Haar, die schönen Augen. 

Doch ihre Anwesenheit löste nicht mehr die Gefühle in mir aus, wie noch vor ein paar Monaten. Es fehlte etwas und ich wusste genau was es war. „Nein. Ich schlafe nicht mit ihr."

Sie schien erleichtert und ihre Haltung entspannte sich. Dann lächelte sie, aber es berührte mich nicht. „Können wir die Pause aufheben?"

Die Pause?

Ich starrte sie an, dann übergoss mich ein Regenschauer aus Wut. „Du hältst das für eine Pause? Hast du überhaupt irgendetwas von dem verstanden, was ich dir in Los Angeles gesagt habe?"

„Doch - doch natürlich und ich will es wieder gutmachen", sprach sie und machte einen Schritt auf mich zu. „Wir können das schaffen, es kitten und zusammen sein. Das war doch das, was wir immer wollten."

Ja, das stimmte wohl. Jahre hatte ich nichts anderes gewollt, aber ich hatte auch nie berücksichtigt, dass sich dies je ändern könnte. Doch genau dies war passiert. Unruhig trat ich von einem Bein auf das andere. 

Ich wollte ihr zuhören, aber ich konnte mich kaum auf ihre Worte konzentrieren. Immer wieder sah ich auf die Haustür und hatte den unsagbaren Drang sie zu öffnen, zu verschwinden.

Jane zu folgen.

Wieso tat ich es nicht einfach? Sich in Bewegung zu setzten, ich wusste doch, wie leicht es sein konnte. Ich schob mich an Barbara vorbei, doch sie griff nach meinem Arm: „Nein, du gehst nicht schon wieder! Ich rede mit dir und sehe nicht ein, dass du immer die Flucht ergreifst, wenn es Wichtig wird!"

Ich blieb stehen, dann riss ich den Arm von ihr los und sah sie an. Wo war das, in was ich mich verliebt hatte? Wieso war ich überhaupt so verliebt in sie gewesen, was hatte mich angezogen? 

Ihr freies Wesen, ihr Lachen, ihre Flatterhaftigkeit, ihren Humor, die Sprunghaftigkeit und- Innerlich hielt ich innere, denn mir wurde bewusst, dass viele ihrer Eigenschaften mich immer und immer wieder verletzt hatten.

„Du willst reden?", sprach ich so ruhig, dass es mich selbst überraschte. „Schön. Ich möchte nichts kitten, keine Beziehung, die wir nie hatten und auch sonst nichts. Du und ich, dass war nie, das sollte nie etwas werden und es wird auch nichts. Sieh es ein, Babs. Es gibt kein 'wir' und jeder weiß das."

„Liebst du mich nicht mehr?", fragte sie gerade heraus, mit entschlossener Miene und dann wurde mir bewusst - ich tat es tatsächlich nicht mehr. „Ja."

„Ja, du tust es, oder ja, richtig?", hakte sie nach und ich öffnete die Tür: „Wenn ich wieder komme, dann bist du weg. Ich will nicht mehr reden, dich nicht sehen und bitte dich an nichts mehr festzuhalten, was nicht ist." 

Es offen auszusprechen, tat gut. „Sieh es ein, Babs. Du liebst mich nicht und ich frage mich, ob du das überhaupt je getan hast."

Sie wollte etwas sagen, aber ich schnitt ihr das Wort ab: „Nein, ich will nichts hören. Keine Ausflüchte, Lügen, oder sonst etwas. Ich will das einfach alles nicht mehr."

Dann trat ich nach draußen und spürte erst, dass ich barfuß war, als ich das Tor erreichte. Aber es fühlte sich richtig an, einfach zu laufen. Auf der Straße sah ich mich zu beiden Seiten um. Jane war weg. Natürlich war von ihr keine Spur mehr. Ich blieb stehen und atmete tief durch.

Irgendwann war nicht weit weg. Ich wusste, wann es Zeit war und vor allem wusste ich, dass ich nie wieder warten wollte.

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