36 Lynette.

J a n e │18.04.2017 │Colorado Springs



Mein Kopf explodierte, meine Glieder schmerzten und ich hatte einen ekelhaften Geschmack im Mund. Regungslos blieb ich einfach liegen und hoffte, dass ich wieder in erlösender Dunkelheit fallen würde. Ich drehte mich auf die andere Seite. 

Zumindest befand ich mich in irgendeinem Bett. Halbherzig zog ich die Decke bis zu den Ohren und wollte wieder, dass alles verschwand. Doch je mehr ich versuchte mich selbst auszuklinken, umso deutlicher hörte ich eine weibliche Stimme. Jemand hatte das Radio, die Anlage oder irgendetwas angemacht. Ich knurrte und wollte die Musik ignorieren. 

Es dauerte, bis ich 'Tell me if you wanna go home' erkannte und eine Stimme, die es sanft sang. Kendall sollte verschwinden, ich wollte sie nicht sehen. Immerhin hatte sie mich am Abend wieder auf der Party stehen gelassen. Oder ich sie aus den Augen verloren. Wen interessierte es? 

Niemanden.

Moment, Kendall konnte nicht wirklich singen. Nun stöhnte ich, hatte sie wirklich Taylor angerufen? Mir war nicht danach mit der Blondine zu sprechen, denn ich wusste jetzt schon, was sie zu sagen hatte. Nämlich das... nein, ich wusste nicht was Taylor mir sagen würde. Oder warum sie überhaupt nach Colorado kommen sollte. Immerhin hatte sie ein paar Tourdaten. 

Das Lied ging weiter. Es erinnerte mich an zu Hause. An den Ort, wo es immer warm war, wo man immer willkommen war und wo es immer einen Platz gab, an den man zurückkehren konnte. In diesem Moment wurde mir klar, dass es nicht Taylors Stimme war, die das Lied mitsang, sondern eine Stimme, die ich viel zu lange nicht gehört hatte. Wenn, dann nur am Telefon.

Ich drehte mich um und zwang mich die Augen zu öffnen. Leichtes Sonnenlicht blendete mich, ich hatte die Gardinen nicht zugezogen. Völlig gerädert rieb ich mir über die Augen. Mist, ich hatte vergessen mich abzuschminken und wie es aussah trug ich noch das dunkelblaue Partykleid vom Vorabend. Ich wollte gar nicht wissen, wie meine Haare aussahen. Viel wichtiger war es, dass ich meinen Kopf mit der Hand stützte, denn jeder Schritt tat weh. 

Die Stimme summte weiter das Lied mit und dann stieg mir ein würziger Geruch in die Nase. Als ich mit wackeligen Beinen in der Terrassentür stand, blendete die Sonne mich brutal und ich stolperte zurück. Dabei riss ich halb die Lampe auf einer Kommode um. Beim zweiten Versuch die Terrasse zu betreten, wandte ich mich schließlich nach rechts und sah eine junge Frau in einem der Korbsessel sitzen. 

Ihr schwarzes schnittlauchglattes Haar reichte ihr bis zu den Schultern und helle Augen sahen mich über den Rand der Kaffeetasse an. Die Nägel waren passend zum rotweiß gestreiften Kleid lackiert und die langen weißen Beine elegant übereinander geschlagen. 

Auf ihren linken Unterarm konnte ich ein neues Tattoo erkennen. Langsam wanderten meine Augen zu dem kleinen Tisch, wo sich ein benutzter Aschenbecher befand. Ich sah zurück und dann blinzelte ich.

„Lynette?"

Meine beste Freundin aus Moncks Corner konnte hier nicht sitzen. Sie würde nicht bis Colorado fahren, nur um einfach da zu sein. 

Ich.... ich hatte sie seit fast einem Jahr nicht mehr getroffen. Der Joint, den ich gestern geraucht hatte, brachte mir wirklich außergewöhnliche Halluzinationen mit sich. 

„Guten morgen, Janie", sprach die Einbildung. „Du siehst scheiße aus." Okay, doch keine Einbildung. Das Lächeln auf den roten Lippen meiner besten Freundin wurde feiner. „Setzt dich doch zu mir. Ich war so frei und habe Kaffee bestellt."

Ganz langsam ließ ich mich auf den Korbsessel ihr gegenüber nieder. Noch immer dröhnte mir der Kopf. Lynette sagte kein Wort, sondern musterte mich, ich umschloss mit beiden Händen die Kaffeetasse. Schließlich nahm sie den Blick von mir und sagte: „Hübsch ist es hier."

Ich war definitiv überfordert und blinzelte erneut. Wenn ich so weiter machte, würde man bald noch glauben, ich würde Kontaktlinsen tragen. „W-Wie, wieso bist du hier?"

Sie genoss die lauwarmen Sonnenstrahlen, die ihr aufs Gesicht fiel, doch statt auf meine Frage einzugehen, stellte sie eine Gegenfrage. „Liebeskummer ist beschissen, nicht?" 

Ich – wie kam sie da jetzt drauf? Meine Verwirrung wollte nicht nachlassen, doch bevor ich mich richtig gefangen hatte, antwortete ich knapp: „Ja."

„Gefeuert werden ist da genauso widerlich."

Mein Magen verkrampfte sich und ich starrte Lynette an. Doch sie verspottete mich nicht, in ihrem Gesicht war keine Enttäuschung zu lesen, viel eher wirkte es wie eine freundliche Maske. 

Gefeuert zu werden war das, was mir den Rest gegeben hatte. Eigentlich war ich nach Colorado geflogen, um ein Shooting zu absolvieren. Für die Vogue abgelichtet zu werden war eine Ehre und ich hatte es fett in den Sand gesetzt. 

Rosika Tate, eine junge, sehr engagierte Fotografien, auf die Pierre große Stücke setzte, hatte mich nach drei Stunden buchstäblich vor die Tür gesetzt. Ganz nach dem Motto: „Du kannst wieder kommen, wenn du dich im Griff hast und jetzt halte mich nicht weiter auf."

Dabei wusste ich immer noch nicht, was ich so falsch gemacht hatte. Immerhin war ich ihren Anweisungen gefolgt. Noch bevor ich das Hotel erreicht hatte, hatte ich schließlich Gisele angerufen und ihr erklärt, dass ich keine Ahnung hatte, warum Miss Tate mich vom Set ausgeschlossen hatte. 

Aber statt Zuspruch zu erhalten, hatte Gisele nur gemeint, dass ich eine Pause machen sollte. Bis auf weiteres waren alle Jobs gecannelt. 

Ich fühlte mich wie ein Versager. 

Schweigend sah ich Lynette an. Meine beste Freundin hatte es besser gemacht als ich. Sie war in Moncks Corner geblieben. Hatte geheiratet und war Mutter einer liebenswürdigen Tochter. Sie arbeitete in einer KFZ-Werkstatt und tat was sie liebte. Außerdem war sie gut darin mit Motoren umzugehen. 

Ich hätte einfach versuchen sollten, aufs College zu gehen und nicht der Versuchung nachgegeben, die Welt sehen zu wollen. Man sah ja, wohin das führte. Ich war meinen Job los und hatte mich mit Füßen treten lassen. 

„Lynette, wieso bist du hier?", wollte ich nun wissen. Sie musterte mich erneut, noch immer lächelte sie. „Das weißt du doch." Ruhig trank sie von ihrem Kaffee und dann erklärte sie mir: „Erinnerst du dich an die achten Klasse, als ich wegen Tobey Grimes geheult habe, weil er meinen Liebesbrief vor der ganzen Klasse als Aufsatz für kitschige Poesie vorgelesen hat?"

Ich nickte, natürlich wusste ich das noch, weil ich am selben Abend die Luft aus Tobeys Fahrradreifen gelassen und es pink gesprayt hatte. 

„Damals habe ich dir versprochen, dass ich mich eines Tages revanchieren würde", meinte Lynette und stellte den Kaffee ab. „Ich habe dir übrigens etwas von zu Hause mitgebracht." Sie stand auf und ich folgte ihr wieder in das Hotelzimmer. Woher sie wusste wo ich war, fragte ich besser gar nicht. Mich beschlich sowieso schon das Gefühl, dass Kendall und Taylor Schuld dran waren. 

Lynette reichte mir meine Chucks und verlangte, dass ich sie anzog, dann zog sie zwei Schutzbrillen aus ihrer Handtasche. Sie erinnerten mich an jene, die man in der Werkstatt trug.

„Aufsetzten." 

Ich schnürte die Schuhe und sie ging zu der kleinen Anlage im Nebenraum. Kurz darauf dröhnte Breaking Benjamin aus den Boxen, ich spürte den Bass unter meinen Handflächen. Lynette kam zurück, in den Händen hielt sie einen Baseballschläger aus Aluminium und schwang ihn hin und her. Sie schob sich die Schutzbrille auf die Nase und ich tat es ihr gleich. 

„Also Janie, tobe dich aus", sie warf mir den Schläger zu und ich fing ihn auf, dann starrte ich sie an. 

Was meinte sie? 

Lynette drehte sich um sich selbst und erklärte brüllend gegen die Musik: „Miss Swift hat das Zimmer bezahlt. Hau es klein und schau, ob es dir danach besser geht."

Hatte sie noch alle Latten am Zaun? 

Ich blickte mich um. Was dachte sich Taylor? Ich war kein verdammter Rockstar, der austicken musste. Mit beiden Händen umfasste ich den Schläger und sah Lynette ins Gesicht. 

„Du weißt, ich war in Sport immer schlecht." 

„Eine absolute Niete!"

Ich holte aus und ließ die hässliche Lampe von der Kommode segeln. Zuerst erschrak ich mich über mich selbst, aber dann brüllte meine beste Freundin: „Na, tut das gut?"

Irritiert musterte ich den Schläger, dann musste ich zugeben: „Und wie!" 

Sekunden darauf musste der Lebensgroße Spiegel dran glauben, die Vase mit den künstlichen Blumen, die Fensterscheibe und die hässlichen Bilder an der Wand. Es kostete mich viel Kraft. 

Eine Scherbe schnitt mich am Oberarm, mein Schädel explodierte, aber zum ersten Mal seit langen fühlte ich mich nicht mehr taub, sondern bis in die Fingerspitzen lebendig. All die Wut, die Traurigkeit und alles was sich anstauen konnte, löste sich. 

Stück für Stück. Scherbe für Scherbe. 

Scheiß auf den Job. Scheiß auf das College. Scheiß auf Niall. Scheiß auf meine eigene Dummheit und scheiß auf alles, was kommen möge.

Lynette feuerte mich an, zeigte auf Dinge, die es verdienten zu Bruch zu gehen, hüpfte auf meinen Bett auf und ab und spielte überschwänglich Luftgitarre. Erst als ich nach einer gefühlten Stunde atemlos und erschöpft mit den Knien voran auf den Teppich fiel und den Baseballschläger zur Seite legte, tapste sie in den Nebenraum und stellte die Musik aus. 

Ich hörte meinen heftigen Atem und spürte die Tränen, die nun, wo ich die Brille von der Nase nahm, über meine Wangen rannten. 

Meine Lungen brannten, meine Arme schmerzten und mein Kopf pochte unaufhaltsam. Aber alles war besser als dieses eisige Gefühl, dass ich über Wochen in der Brust gehabt hatte. Dann sah ich das Blut an meinen Unterarm herunter laufen, im ersten Moment reagierte ich nicht. Aber dann spürte ich den Schmerz und es tat gut ihn zu fühlen.

Meine beste Freundin strich mir eine Haarsträhne nach hinten und hockte sich neben mich. Noch immer war sie unsagbar ruhig, aber das war Lynette. Normalerweise fluchte sie wie ein Bauarbeiter, nahm kein Blatt vor den Mund, aber dann, wenn ich es brauchte, dann wurde sie zu einer Oase der Ausgeglichenheit. 

Sie sagte nichts, sondern wartete ab, bis ich wieder zu Atem kam, dann sprach sie: „Wenn du geduscht hast, wollen wir dann zum Frühstück gehen?" 

Ich hob den Kopf und nickte. Heiser brachte ich ein „Ja", hervor und erhob mich mit wackeligen Knien. Duschen, das klang, als könnte man sich den ganzen Kummer von der Seele spülen. 

„Gut, los, ich warte im Nebenzimmer auf dich", meinte Lynette aufmunternd. „Bei einem guten Cappuccino erzählst du mir dann erst einmal, was ich die letzten paar Monate in deinem wilden Leben verpasst habe."  

Da gab es nichts zu erzählen, außer das ich mir wünschte, ich hätte niemals in Giseles bescheuerten Vorschlag eingestimmt. Fake-Freund, Fake-Beziehung, Fake-Leben. Sie hatte vergessen zu erwähnen, dass die Gefühle kein Fake waren.

Kurz hielt Lynette inne, dann drehte sie sich um und erklärte: „Weißt du, manchmal wird Schmerz zu einem so großem Teil in deinem Leben, dass du erwartest, dass er immer da sein würde, weil du dich an keine Zeit im Leben mehr erinnern kannst, als es nicht so wahr." 

Ich sah sie an und sie führte weiter aus: „Aber eines Tages fühlst du etwas anderes, etwas das sich falsch anfühlt, aber nur, weil es so ungewohnt ist und in diesem Moment wird dir klar, dass du glücklich bist."

„Hast du das aus One Tree Hill?", ich wusste, dass Lynette die Serie geliebt hatte. Sie zuckte mit den Schultern. 

„Ist doch egal. Das Wichtigste ist doch  -  es ist wahr."



N i a l l │19.04.2017 │Los Angeles



Ich war ein Gottverdammter Narr. 

Immer, wenn Louis mich einen Vollidioten geschimpft hatte, hatte er recht gehabt. Ich war einer, daran gab es nichts zu rütteln. Aber heute würde ich dem ein Ende machen. 

Endgültig. 

Regungslos saß ich im dunklen Esszimmer auf dem Tisch und wartete. Wie lange, dass wusste ich nicht. Vor meinen Füßen lag meine Sporttasche und enthielt all meine Sachen. Es war halb zwei Morgens und ich fragte mich, ob ich noch lange warten müsste. 

Dann jedoch glitt die Tür zu dem riesigen Loft auf und ich hörte, wie Barbara das Licht im Flur anmachte und sich ihre Schuhe auszog. Sie summte leise ein Lied vor sich hin und normalerweise hätte ich gelächelt. Jetzt allerdings blieb meine Miene unbeweglich.

Das Licht im Esszimmer ging an und Barbara erschrak sich. Sie griff sich an die Brust, lachte und sprach: „Mensch, Niall, wieso sitzt du hier im Dunkeln?"

Weil mir nicht nach Licht zumute war. Ich musterte sie und stellte einmal mehr fest, dass Barbara die schönste Frau war, der ich je begegnet war. Weiches, glänzendes Haar, strahlende Augen, sanfte Kurven, ein ansteckendes Lächeln.

Sie war perfekt. 

Aber ich wollte 'perfekt' nicht mehr. Ich hatte es nie gewollt. 

Natürlich wusste ich, dass sie ihre Fehler hatte, aber so, wie sie nun vor mir stand, wirkte sie wie eine Frau, bei der jeder Mann dankbar sein sollte, dass sie einen zweiten Blick für ihn übrig hatte. Und mich liebte sie.

Das sagte sie zumindest.

Barbara sah auf meine Sporttasche. Sie schien verwirrt. „Was ist los, Niall, musst du weg?" Mit regloser Miene glitt ich vom Esstisch und zog einen Koffer hinter einer eleganten Anrichte hervor. Laut knallte ich ihn ihr vor die Füße und sah sie an. 

„Wann hattest du vor mich in deinem eigenen Loft sitzen zu lassen?", fragte ich sie ruhig und sie blickte stottern vom Koffer, dann zu mir und schließlich auf meine Reisetasche. „I-Ich hatte nicht vor-"

„LÜG MICH VERDAMMT NOCH MAL NICHT AN!" 

Ich war kein Mann der laut wurde, ich war nie einer von der Sorte Kerl gewesen, der viel auf Gewalt gab. Aber im Moment war mir nicht danach an alten Prinzipien festzuhalten, an die ich geglaubt hatte, als ich noch dumm genug gewesen war, mich verarschen zu lassen. Wütend sah ich sie an. 

Barbara reckte das Kinn. „Ich wollte nicht gehen", log sie mir dreist ins Gesicht und in diesem Augenblick legte sich bei mir ein Schalter um. Langsam ließ ich die Hände sinken und musterte sie. Wie hatte ich so lange blind sein können? Zum ersten Mal war mir, als würde ich Barbara nun richtig sehen, so wie sie wirklich war. 

Schön. Hell. Egoistisch. Freiheitsliebend. 

Lügend.

In meinem Kopf hörte ich Caras Stimme, wie sie mir am Nachmittag in der Lobby über den Weg gelaufen war und mir erklärte, dass sie es schade fand, das ich die Woche nicht mit nach New York kommen würde. 

Zuerst hatte ich nicht verstanden was sie meinte, aber nach und nach hatte ich der unwissenden, flippigen Blondine auf den Zahn fühlen können. Schließlich hatte ich nur in Barbaras Schrank nachsehen müssen und da war er. 

Der Koffer. Jener Koffer, der ihr ein ständiger Begleiter war und ein Zeichen dafür, dass sie ging. 

Aber dieses Mal würde sie das nicht tun. Dieses Mal würde es anders laufen. 

Es war nicht alleine der Koffer, der mir die Augen geöffnet hatte. Nein, es waren gefühlte 1000 Kleinigkeiten. Ich wandte mich ab und schulterte meine Tasche. Barbara beobachtete mich dabei und als ich mich an ihr vorbei schob, griff sie nach meinen Arm.

„Nein!", rief sie. Ihre Stimme war schrill. „Nein, bitte! Es tut mir leid! Aber bitte, Niall, du darfst nicht gehen!" Ihre Finger gruben sich in die Falten meiner Jacke und ich blieb stehen. Langsam drehte ich mich zu ihr: „Lass mich los, bitte, Babs."

Aber das tat sie nicht. Stattdessen hielt sie mich umso fester. „Nur wenn du mir versprichst hier zu bleiben. Nur wenn du-"

„Nur wenn ich was tue?", fuhr ich sie an und meine Stimme war überzogen von Wut. „Ich habe alles getan, was du wolltest! Alles!" Ich wollte, dass sie meinen Arm losließ, doch das tat sie nicht. „Ich habe mich von dir wie Dreck behandeln lassen, ich habe dir alle Zeit der Welt gegeben, auf dich gewartet und mich immer wieder verletzten lassen." 

Hilflosigkeit spiegelte sich in ihrem Gesicht wieder und mir wurde bewusst, dass sie sich zum ersten Mal fühlte, wie ich. „Ich habe dir alles gegeben was ich hatte." Mein Herz, meine Liebe. „Aber nie war es dir genug."

„Das ist nicht wahr", flüsterte sie. Ihre Lippen zitterten. „Du bist alles, was ich wollte. Ich liebe dich, Niall, das weißt du."

„Weiß ich das wirklich?", stellte ich mit ruhiger Stimme die Gegenfrage. Ich dachte an Jane und es war nicht einmal komisch, dass ich genau in diesem Moment ihre Stimme hörte. Wochen hatte ich damit verbracht dagegen anzukämpfen, dass es aufhörte. Bis mir bewusst wurde: Das würde es nicht. Das würde es nie. 

„Wenn du mich wirklich liebst, dann lass mich gehen", sprach ich wie von selbst. Es war ganz leicht, denn immer wieder vernahm ich die klare und ehrliche Stimme eines Mädchens, dass mir offen ihr Herz gezeigt hatte.

»Ich will, dass du glücklich bist. Und wenn das heißt, dass ich dich gehen lassen muss, damit du glücklich bist, dann werde ich das tun.« 

Erst jetzt verstand ich, was sie damit wirklich meinte und wie großzügig sie war.

„Nein!", keuchte Barbara und langsam wurde mein Gesichtsausdruck weich: „Bitte, Babs. Wenn du mich liebst, dann lässt du mich gehen."

Sie riss an meiner Tasche und dann, als ich mich abwenden wollte, wurde sie hysterisch und ihre Stimme furchtbar laut: „Niemals! Du kannst nicht – ich werde nicht zulassen, dass du mich zurück lässt!"

Das war mir Antwort genug.

Mit einem Ruck löste ich mich von ihr und trat über die Türschwelle. Barbara zerrte an meiner Jacke, aber ich schritt unbeirrt weiter. Statt den Aufzug, nahm ich die Treppen und kaum das ich die erste Stufe genommen hatte, hörte ich Barbara schreien: „Dann verschwinde! Komm nie wieder! Ruf mich nie wieder an!"

Ich wusste, dass sie es nicht ernst meinte, dass sie verletzt war und sie sich nicht anders zu helfen wusste. Doch ich wusste auch, das ich mich genau daran halten würde. Kein Anruf, keine Rückkehr. Mit jeder Stufe wurden meine Schritte leichter, mein Herz taute auf. Ganz langsam. 

Während ich zum Flughafen fuhr, dort schließlich auf den Flug wartete und nach draußen sah, fühlte ich mich Stück für Stück wieder wie ich selbst. 

So als hätte ich das eine lange Zeit nicht getan. Ich ließ mich auf einen der Plastiksitze nieder und begann mit meinem Handy durch meine ganzen Fotos zu klicken. Es waren so unsagbar viele. 

Immer, wenn ich die Jungs sah, musste ich lächeln. Louis, wie er das Gesicht zur Fratze verzog, Liam, wie er treuherzig in die Kamera lächelte, Zayn, wie er eigentlich genervt war und dann doch nicht. Und schließlich Harry, der irgendwie immer halb das Timing verpasste. Ich sah auf ein Bild, wo Louis versuchte Harry Cornflakes im Schlaf in die Nase zu schieben, etwas, was grandios gescheitert war. 

Sieben Jahre waren wir mittlerweile befreundet. Mit all den Höhen und Tiefen, doch nie war einer von uns im Stich gelassen worden. Mir wurde gerade klar, wie viel Glück ich hatte, solche Freunde gefunden zu haben. Sie würden immer da sein, ganz egal wie alt wir wurden, ob sich unsere Wege trennten oder nicht. Es war unwichtig in welcher Miesere wir steckten. 

Meine Gedanken glitten zu Louis, der so kunstvoll von einer Leiter gestürzt war, nur um mich vor einem Fehler zu bewahren. Genutzt hatte es nichts, den Fehler hatte ich sowieso gemacht. Aber mir wurde bewusst, dass Louis so viel eher begriffen hatte, was gut für mich war und was nicht.

Ich blickte auf ein Bild von Harry und mir und erinnerte mich an die Abende, an denen er plötzlich auf ein Bierchen vor meiner Tür gestanden hatte. Aus dem Bierchen machte er fast immer eine Party-Nacht. Aber sein Timing war in dieser Hinsicht perfekt gewesen. 

Denn immer wenn ich mich in Selbstmitleid hatte suhlen wollen, dann verhinderte er es mit einem breiten Lächeln und den Charme von Grübchen und grünen Augen. Ich fiel auf die Masche genauso herein, wie Millionen von Frauen.

Zayn hatte es jedoch am schwersten. Wie oft hatte ich ihm bereits ins Auto gekotzt? Zu oft. Denn anders als Harry, konnte ich nicht immer sagen, wann ich genug hatte. Doch Zayn ertrug das so irre heldenhaft, dass ich noch nie ein Wort der Klage deshalb gehört hatte. Morgens lagen lediglich immer Kopfschmerztabletten auf meinem Küchentisch. 

Mein Daumen zog das nächste Bild heran und ich erkannte Liam, Harry und mich. Seit X-Factor war Liam eigentlich so etwas, wie mein bester Freund und als ich auf sein Gesicht blickte, fasste ich einen Entschluss. Ich würde mich bei ihm entschuldigen müssen. Für all meine Dummheit.  

Nach dem Eincheck packte ich das Ticket in meine Reisetasche und dabei fiel mir meine Geldbörse auf. Ohne richtig nachzudenken, öffnete ich sie, schob die paar amerikanischen Dollar beiseite und zog einen schmalen Fotostreifen hervor. 

Plötzlich befand ich mich wieder in Oslo in einem viel zu kleinen Fotoautomaten. Völlig verdreht sahen Jane und ich in die Kamera. Außer auf dem letzten Bild. Denn das war auch der Grund, warum ich den Streifen damals in zwei gerissen hatte. 

Auf dem letzten Foto konnte man betrachten, dass ich sie ansah, während sie langsam die Hände sinken gelassen hatte, um sich für eine neue Grimasse zu entscheiden. Das Bild war zu früh gemacht worden. 

Damals hatte mir mein Blick nicht behagt, ich hatte Angst gehabt, dass man etwas sehen könnte, was nicht da war. Dabei zeigte das Bild lediglich, wie es wirklich war. Das Lächeln auf meinen Lippen, ich konnte es jetzt deuten, wenn auch viel zu spät. 

Ich ließ den Fotostreifen wieder in meine Geldbörse verschwinden. Der Flug zurück nach London war lang, aber das merkte ich nicht. Ich sah starr nach draußen und beschäftigte mich überwiegend damit, Bilder aus meinem Handy zu löschen, oder zu sortieren. Bei den Fotos von Barbara und mir sollte ich mich beklemmend fühlen, aber noch tat ich das nicht. 

Nachdem der Flieger in London gelandet war, spürte ich keine Müdigkeit, obwohl ich mittlerweile über dreißig Stunden auf den Beinen war, ohne geschlafen zu haben. Trotzdem war ich hellwach. Ich ließ mich nach Hause bringen, stellte die Reisetasche im Flur ab und lief durch mein dunkles Haus. 

Es war früh morgens. Ich schlich durch das Haus, so als wäre es nicht meins und ich ein Eindringling. Kurzerhand schlüpfte ich aus meinen Klamotten und zog mir eine Jogginhose über. Dann sah ich aus dem Fenster. Draußen war es dunkel und nebelig. Prompt dachte ich an Harrys Worte: „Der Nebel ist unser bester Freund." 

Damals hatte ich ihn für bescheuert erklärt und gesagt, er solle Louis fragen, ob er Lust habe einen Spaziergang zu machen. Wer stand schon freiwillig um halb sieben auf? Hätte ich gewusst, dass Louis ihn bereits ein Kissen ins Gesicht geschlagen hatte, als er fragte, hätte ich meins direkt hinterher geschmissen. 

Ich zog mir einen sportlichen Pullover an und kurz darauf verließ ich in Turnschuhen wieder das Haus. Warum ich laufen wollte, war mir ein Rätsel, denn auch sonst war Sport schließlich nicht so meins. Außer ich konnte einen Ball kicken, schlagen und mich mit anderen unterhalten. Ich zog mir die Kapuze über den Kopf und ließ mein Grundstück hinter mir.

Dann lief ich los, in einem Tempo, von dem ich wusste, dass ich es lange durchhalten würde. Leichter Regen nieselte auf mich herab, der Nebel verschluckte mich an jeder Straßenecke und ich begegnete kaum einer Menschenseele. 

Rechts, links, Straße rauf, Straße runter. 

Mein Kopf stellte sich aus. Ballast fiel von mir ab. Jeder Meter gab mir das Gefühl, dass sich etwas änderte und zuerst wusste ich nicht was es war. Meine Lunge schmerzte, aber das störte mich nicht. Schweiß rannte mir über das Gesicht, aber es könnte auch der Regen sein. Als ich durch einen Park lief begegnete mir zum ersten Mal ein weiterer Jogger. 

Langsam kam Leben auf die Straßen und als ich an einer Ampel ausharren musste wurde mir klar, dass sich laufen wie häuten anfühlte. Als würde ich die Last abwerfen, die ich lange mit mir herum getragen hatte, ohne das ich es wusste. 

Das war wieder ich. Etwas, was ich lange nicht gewesen war. 

Irgendwann wurde ich langsamer und blieb schließlich stehen. Heftig keuchend schnappte ich nach Luft und stemmte die Hände in die Hüfte. Ich sah mich um und stellte fest, dass ich es ziemlich übertrieben hatte. Bis nach Liam war es nicht mehr weit. Erschöpft wischte ich mir mit den Ärmel über das erhitzte Gesicht. 

Es war mir egal, ob ich tomatenrot war. Ich dehnte mich und betrat schließlich einen Bäcker, dort kaufte ich Brötchen und Teigtaschen, nur um schließlich gemächlich die lange Straße entlang zu gehen. Vor Liams Grundstück drückte ich auf die Klingel. Ich hatte kein Handy dabei und somit auch keine Uhr. Aber das ein Bäcker geöffnete hatte, war schließlich ein gutes Zeichen.

Das Tor glitt auf und als ich die Haustür erreichte, sah Liam mich völlig verwirrt an. Sein Haar war durcheinander, er trug noch Schlafzeugs und kratzte sich irritiert am Bauch. „N-Niall?" stotterte er völlig überrumpelt und ich schob mich an ihm vorbei: „Guten Morgen."

Im Inneren war es noch halbdunkel und dann sah ich, dass Liam wohl erneut eine Nacht auf der Couch verbracht hatte. Tja, das kam davon, wenn man zwar ein Gästehaus hatte, aber es nicht regelmäßig nutzte. Ich ging in die Küche und legte die Brötchen ab.

„Du bist ja ganz nass – ich – Niall, bist du zu Fuß hier her gekommen?" Liam musterte meine Aufmachung und ich erklärte: „Ich musste ein bisschen laufen. Der Flug saß mir in den Gliedern."

„Der Flug", begann Liam überfordert und ganz plötzlich stockte er. Ich sah, wie mein bester Freund den Mund schloss und mich ansah. 

Ich öffnete ungeniert den Kühlschrank, das hatte ich früher bei Liam regelmäßig getan, bevor Sophia da war. Ab da war ich lieber zu Harry in die Küche geschlichen. 

„Sollen wir frühstücken? Ich kann Eier machen, wenn du willst. Wie mag Sophia sie lieber, Rührei, gekocht, Spiegelei? Hey, ihr habt sogar den O-Saft von Valentine. Darf man den Frischkäse öffnen, oder braucht ihr den später zum kochen? Was zum Teufel ist das? Nutella im Kühlschrank, das geht ja mal gar-"

„Niall."

Seine Stimme war ruhig, ganz so, wie ich es von ihm kannte. 

„Was ist passiert?"

Langsam ließ ich das Glas Nutella in meiner Hand sinken und blickte Liam an. Da war keine Sorge, keine Hysterie in seiner Stimme. Nur Ruhe. Genau das, was ich brauchte. Ich stellte das Glas ab und rieb mir die Hände an den Oberschenkeln ab. 

Warum ich das tat, wusste ich selbst nicht. „Ich wollte mit dir Frühstücken", sprach ich erneut und hatte keine Ahnung, was ich dann sagen sollte. Es war alles so viel, so schwierig: „Und ich wollte mich entschuldigen."

Überrascht sah Liam mich an und hob die Augenbrauen. „Wofür?"

„Dafür, dass ich ein schlechter Freund war, die ganze letzte Zeit", das war ich wirklich gewesen. Ich hatte mich nicht um die Probleme meiner Freunde gekümmert, immer gesagt, ich würde mich raushalten. Aber das war nicht richtig. 

Die Sorgen meiner Freunde sollten mir zu denken geben, ich sollte sie unterstützen und ihnen helfen. „Ich hätte mit Sophia reden sollen, ich hätte Louis etwas wegen El erklären sollen, ich hätte Zayn und Perrie-"

Ich verstummte als Liam nickte und räusperte mich: „Ich hätte für euch da sein sollen. Für euch alle. Aber ich war beschäftigt mit mir selbst und habe... das Wichtige irgendwie aus den Augen verloren. Das tut mir leid."

Liam lehnte sich gegen die Kücheninsel und musterte mich. „Du hast dich selbst verloren."

Da waren sie. Die Worte, die alles sagten was es zu sagen gab. 

„Ja", gab ich zu, denn es stimmte. „Man Liam, ich erkenne mich selbst kaum wieder", brach es schließlich aus mir raus. „Zwei verdammte Jahre habe ich dafür gegeben, auf eine Frau zu hoffen, wo hoffen vergebens war. Ihr wusstet das alle, aber ich habe einen verdammten Scheiß auf eure Worte gegeben!" 

Meine Stimme war fest und bitter: „Wann habe ich angefangen eure Ratschläge zu ignorieren? Wieso habe ich mich immer wieder von ihr wegstoßen lassen, wieso habe ich immer wieder Entschuldigungen für sie gefunden? Warum habe ich-" Ich musste husten und unterbrach mich, doch Liam führte aus: „Wann hast du leichtfertig dein Herz jemanden gegeben, der es nicht verdiente?"

Das Kratzen in meinem Hals ließ nach und ich schüttelte den Kopf. „Nein, warum habe ich es mir immer wieder aus der Brust reißen lassen, ohne zu spüren, dass sie mich damit Stück für Stück umbrachte?" Das sie aus mir einen anderen Menschen machte, einen Menschen, der mit zwei Frauen schlief. 

Etwas, was ich getan hatte, auch wenn ich gesagt hatte, dass es nicht meine Art war. Einen Mensch, der sich nur noch für sich selbst interessierte. Ich war das geworden, was ich nie hatte sein wollen. Ein Mann, der mit den Herz einer Frau gespielt hatte. 

So sehr ich auch versuchte mir etwas vor zu machen, aber konnte ich wirklich mit einem reinen Gewissen behaupten, dass ich rein gar nichts von Janes Gefühlen für mich gewusst hatte? Das ich es nicht einmal geahnt hatte? 

Die Art, wie sie mit ihren Fingerspitzen über meinen Arm gestreichelt hatte, wenn sie neben mir schlief, ihr Lächeln, dass immer eine Spur breiter geworden war, wenn sich unsere Blicke getroffen hatten und gefühlte tausend andere Kleinigkeiten waren mir immer wieder aufgefallen. 

Wie sie sich mir mit grenzenlosen Vertrauen hingegeben hatte, zuerst in Oslo und dann in Moncks Corner, wie sie immer wieder für mich dicht gehalten hatte, wie sie mich beobachtet hatte, wenn sie geglaubt hatte, ich würde es nicht bemerken. Und immer wieder hatte ich mir gesagt, dass es kein Gewicht hatte. 

Aber das hatte es. 

Janes Herz war nicht irgendeine belanglose Sache. Es war etwas, was sie mir geschenkt hatte und dessen Wert ich nicht schätzte. Ich hätte sie anrufen sollen und zwar direkt nach ihrer Sprachnachricht, aber stattdessen hatte ich gar nichts getan. So als wäre jedes einzelne Wort unwichtig. 

Mein größter Fehler war es gewesen, zu zulassen, dass Barbara mich so veränderte. 

"Ich habe all das getan, was ich nie tun wollte", entwich es mir und erneut musste ich huste. Scheiße, ich hoffte, dass ich mir jetzt nicht noch irgendetwas eingefangen hatte. „Es tut mir leid", wiederholte ich. „Wirklich, ich weiß nicht, wieso ich so war, wieso ich euch so behandelt habe, weshalb ich es  nicht gesehen habe, aber-" 

Ich hielt inne und erklärte völlig zusammenhanglos: „Ich muss zu Louis, ich muss ihm sagen, dass er das mit El hinbekommt, dass er nur- Harry, er muss es Louis sagen, sonst frisst es ihn auf und er wird-" Wieder unterbrach ich mich selbst und bemerkte, dass mein Blick undefinierbar durch den Raum gegangen war. Ich verlor völlig den Faden, doch dafür hatte Liam ihn gefunden. 

„Das hat keine Eile, ich rufe sie an, wenn es etwas später ist und Zayn uns nicht mit Hochzeitsservietten erstickt", erklärte Liam und ich griff mir in die Haare: „Zayn, Vegas, er soll wissen-"

„Niall."

Als Liam meinen Namen sagte ruckte mein Kopf hoch. Im ersten Moment war ich verwirrt, etwas war auf meine Wange und als ich vorsichtig mit den Fingerkuppeln drüber tastete, bemerkte ich, dass ich weinte. Ich hatte so lange nicht mehr geweint und sämtliche Wut, jeden Schmerz und alles, was mich in irgendeiner Weise berühren konnte, unterdrückt. 

Jetzt fühlte es sich an, als würde alles aus mir herausbrechen. Völlig unkontrolliert geschah es. Ich konnte den Ausbruch nicht bewältigen. Immer wieder rollte eine Träne nach der nächsten über meine Wange, ich wollte mich zwingen ruhig zu atmen, aber es nutzte nichts. Meine linke Hand griff verkrampft in meinen Pullover, während ich mit den rechten Ärmel über mein Gesicht fuhr. 

„T-Tut mir leid."

Liam antwortete nicht sofort. Schließlich neigte er den Kopf. „Weißt du noch, was ich dir in Chicago gesagt habe?"

Natürlich wusste ich das noch. Meine Lippen zitterten. „D-Du hast gesagt, d-du bist da, wenn ich falle und fängst mich auf." Ich sah ihn an und er stieß sich von der Kücheninsel ab, dann breitete mein bester Freund seine Arme aus. „Komm her."

Es brauchte vier Schritte, die mir so leicht fielen, dass es mich selbst überraschte, dann schloss Liam mich in eine warme und längst überflüssige Umarmung. Ich schlang die Arme um ihn, krallte mich an seinem Shirt am Rücken fest. Der Ausbruch überwältigte mich nun völlig und während ich innerlich losließ, hielt Liam sein Versprechen.

Er fing mich auf. Mitten im Sturz. 



L o u i s │20.04.2017 │London



Sie machte mich wahnsinnig. Wahnsinnig und unheimlich wütend.

Während ich auf der einen Seite unheimlich erleichtert war, dass es El besser ging, sie wieder einigermaßen essen konnte, besser schlief und mit unserem kleinen Mädchen so weit alles in Ordnung war, hasste ich sie auf der anderen Seite für ihre unglaublichen Sturheit. 

Ich versuchte mich verzweifelt daran zu gewöhnen, wie El alles durcheinander aß. Pommes mit Erdnussbutter, Steak mit Remoulade und Salzstangen eingerollt in Käse. Es war widerlich.

Sichtlich ungehalten sah sie mich an, ohne dabei ein Wort zu sagen. Sie hatte soeben die Tür zu ihrem neuen Heim aufgeschlossen und es war ihr anzusehen, dass es ihr widerstrebte mich hinein zu lassen. Dass Harry ihr das Haus gekauft hatte, hatte ich leicht aus meinen besten Freund heraus erpressen können.

Ein Anruf, ein Fluch und er war eingeknickt, wie ein trockener Grashalm im Wind. Mochte sein, dass Harry mir seit dem Abend bei Liam aus dem Weg ging, aber er war immer noch mein bester Freund, ganz egal, was er uns gestanden hatte. Ich konnte mich auf ihn verlassen und die Tatsache, dass er sich um etwas gekümmert hatte, was mir länger schon Sorgen bereitete, sagte im Grunde genommen alles. 

Das Haus lag unheimlich schön, es war perfekt für El. Genauso, wie sie es sich immer gewünscht hatte und wären die Umstände anders, dann hätte ich es ihr selbst gekauft. 

„So, jetzt hast du es gesehen", sprach sie kühl als ich in der oberen Etage stand und vom Flur aus die noch fast leeren Zimmer sah. Einige Möbel waren schon aufgebaut, aber viele Kisten noch nicht ausgepackt. „Das reicht. Du kannst gehen."

Ich hob den Blick und sah sie an. „Das meinst du nicht ernst." Sie regte sich nicht, keinen einzigen Millimeter. Dafür machte ich zwei Schritt auf sie zu. Eleanor war nicht viel kleiner als ich. Langsam beugte ich mich zu ihr herunter und dann sah ich es. 

Einen unglaublich kurzen Augenblick glaubte ich, ich hörte ihr Herz im selben Takt schlagen, wie meines. Der Augenblick reichte aus, dass ich handelte ohne darüber nachzudenken.

Ich drückte El gegen die Wand und presste meine Lippen auf ihre. Gott, was hatte ich dieses Gefühl vermisst, was hatte ich es vermisst ihre Lippen auf meinen zu spüren und zu wissen, wie sie sich anfühlten. Wie sie mit meinen Lippen harmonierten. 

Kurz glaubte ich, dass El mich von sich stieß, stattdessen schlang sie ihre Arme um meine Hüfte und zog mich dichter an sich. Sie machte mich unheimlich wütend, aber auch heiß. Ich wollte sie, auf der Stelle und sofort. 

Es war mir egal, dass sie mir gerade die Hölle auf Erden bescherte, dass ich wegen ihr schlecht schlief und ständig schlechte Laune hatte. Sie stöhnte in den Kuss herein und ihre Hände glitten wie zufällig unter mein Shirt.

Als sie mir in die Unterlippe biss brannte bei mir eine Sicherung durch. Ich öffnete den Knopf ihrer Jeans und ließ meine rechte Hand in ihr Höschen gleiten. 

Meine Lippen trennten sich von ihren und während ich leicht meine Finger bewegte, sprach ich: „Ich werde dich ficken, El und wenn ich sage ficken, dann meine ich das auch so." Ich führte den ersten Finger in sie ein und sie grub ihre Nägel in meine Oberarme. 

Ein Keuchen entwich ihr und sie zitterte. Ich wusste, dass sie es mochte. Meine Lippen glitten zu ihrem Ohr. „Mach mir keine Schwierigkeiten, sonst geht das ganze definitiv schlecht für dich aus."

Sie bewegte sich meinen zweiten Finger entgegen und da begriff ich, dass sie überhaupt nicht vor hatte mir in irgendeiner Weise Probleme zu bereiten. 

„Tu dir keinen Zwang an", keuchte sie atemlos und Sekunden später drängte ich sie in das  unfertige Schlafzimmer, in dem nicht mehr stand, als das Bett und ein unfertiger Schrank. Ich zog mir das Shirt über den Kopf und ließ El nicht aus den Augen. Unerschrocken sah sie mir ins Gesicht und als sie die Bluse aufknöpfte, bemerkte ich die Veränderung an ihrem Körper.

Ihre Brüste waren üppiger, sie wirkte weiblicher. Die Hüfte war nicht mehr ganz so schmal, wie ich sie in Erinnerung hatte, sondern voller und die Wölbung ließ nicht leugnen, dass es ein gemeinsames Wesen von ihr und mir gab. 

Lange hielt ich mich mit diesem Gedanken jedoch nicht auf. Ich drückte sie aufs Bett und kurz küsste ich sie erneut, nur um sie dann zu drehen. Normalerweise wollte ich sie beim Sex immer ansehen, ihr Gesicht vor mir haben, wenn wir eins wurden, aber jetzt war mir nicht danach. Zu verletzt, wütend und hin und her gerissen war ich von ihr. 

Unsanft zog ich die Hose von ihren Beinen und öffnete den BH. Meine Hände glitten von ihrer Hüfte zu ihren Brüsten und umschlossen sie. Dann löste ich meine linke Hand und ließ sie zwischen ihre Schenkel wandern.

So wütend ich auch auf sie war, wehtun wollte ich ihr trotzdem nicht. Sanft begann ich sie vorzubereiten, schließlich landete der Slip hinter mir auf dem Boden und ich biss ihr leicht in die Schulter. 

Dann öffnete ich meine Hose und betrachtete ihre Rückansicht. El versuchte diese Gelegenheit zu nutzen, um ihren Atem wieder zu beruhigen. Sie keuchte, so als hätte ich sie bereits mit wenigen Gesten erregt. Ich hätte überrascht von der Tatsache sein sollen, dass sie so auf mich reagierte, sich nicht wehrte und sich einfach von mir berühren ließ.

Die Zeit zum Atem zu kommen ließ ich ihr nicht. Ich beugte mich über sie, dass Gesicht an ihrer Schulter und zog ihren Körper zu mir, so, wie ich ihn brauchte und drückte leicht ihre Schenkel auseinander. Dann drang ich ohne Vorwarnung tief in sie ein. Ihr Körper verspannte kurz, dann begann ich mich zu bewegen und passte ihre Hüfte meinen Rhythmus an, indem ich meine Hände an ihre Seiten legte. 

Es war das erste Mal, dass ich kein Kondom benutzte, wofür auch, sie war bereits schwanger. Trotzdem musste ich kurz inne halten, da sie sich vertraut und gleichzeitig komplett fremd anfühlte. Meine Stöße blieben hart und tief, ich hörte El stöhnen und bemerkte an der Art, wie sie sich unter mir bewegte, dass sie versuchte meine Dominanz abzuschwächen.

„Nein, heute nicht", ächzte ich.

„B-Bitte, mach etwas s-sanfter", hörte ich sie nach Luft ringen und ich hielt sofort inne. Ich wollte mich aus ihr zurück ziehen, doch hastig griff sie nach meinen Arm und verlangte: „Nein! Nicht aufhören!" Ihre Fingernägel gruben sich in mein Fleisch. „Ich schwöre dir Louis, wenn du jetzt aufhörst, dann-"

Langsam beugte ich mich wieder vor. Mein Oberkörper berührte ihren Rücken und als El den Kopf drehte, strichen meine Lippen an ihrer Wange entlang. Sie war so schön, so unglaublich weich und warm, ich vermisste sie, je weiter sie mich wegstieß. Aber in diesem Moment wollte ich daran nicht denken.

„M-Mach einfach nicht so hart", murmelte sie wartend darauf, dass ich mich wieder bewegte. Dieses Mal ließ ich mir Zeit und El erschauderte beim Wechsel des Tempos. Sie überließ mir vollkommen die Führung und Sekunden später war der Raum erfüllt von unseren gemeinsamen Stöhnen. 

Meine Hand glitt zwischen ihre Schenkel, wo ich sie im Rhythmus meiner Stöße liebkoste. Das gab ihr den Rest. Ihre Arme knickten ein, ihre Hüfte zitterte und als ich mich in ihr ergoss, löste sich die gesamte Anspannung aus ihrem Körper. Ich spürte an ihren Rückenmuskeln, dass ihr Körper unter mir erschlaffte. 

Vorsichtig zog ich mich aus ihr heraus und ließ mich neben ihr fallen. Mein Atem ging unregelmäßig und als ich den Kopf neigte, sah ich, wie sie mich auf den Bauch liegend anblickte. Plötzlich streckte sie die Hand aus und strich über meine Brust. Ich folgte ihren Fingern mit den Augen und bemerkte, dass sie über mein 'it is what it is' Tattoo tastete. 

Was sie dachte, vermochte ich nicht einzuschätzen. Anspannung löste sich von mir. Ohne Zeitgefühl blieb ich neben ihr liegen und tat nichts anders, als sie anzusehen. El war das einzige Mädchen, das ich je so sehr gewollt hatte, dass ich mich nie hätte vorstellen können, mich je für eine andere zu interessieren. 

Sie war witzig, stur, selbstbewusst und immer bereit gewesen nach meiner Hand zu greifen, wenn es darum gegangen war, einem Abenteuer entgegen zu springen. Wir hätten Hand in Hand an einer Klippe stehen können und trotzdem hätte ich nicht den Abgrund gesehen, sondern immer nur sie. Braune wellige Haare, braune warme Augen und ein Lächeln, für das ich meines aufgegeben hätte, wenn es je verlangt worden wäre. 

El war wie eine bessere Hälfte von mir. Eine Hälfte, die nicht mehr zu mir gehörte.

Ich riss mich von ihr los und schwang die Beine aus dem Bett. Sie hatte gewollt, dass ich ging und nun würde ich genau das auch tun. Wie einer Spur folgte ich unseren Klamotten, die wir uns so hastig vom Körper gerissen hatten und zog mich wieder an. 

Ich verließ das Schlafzimmer und bückte mich im Flur nach meinem Shirt, als ich es mir über den Kopf zog, bemerkte ich, dass El neben mir stand, mit nichts anderem als der Decke um den Körper. Ihre Hand griff nach meiner. Sie räusperte sich und sprach schließlich heiser: „Kannst du bleiben? F-Für eine Stunde, oder so?" 

Ich sah sie schweigend an, dann nickte ich.

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