25 The heart of the ice queen.
T a y l o r │ 04.11.2012 │New York
Sanft strichen weichen Lippen über meine. Mein Herz tanzte Tango und ich lächelte in den zärtlichen Kuss hinein. Mitten auf der Brooklyn Bridge verlor ich das letzte bisschen Verstand, was ich noch unter Kontrolle gehalten hatte.
Autos rauschten an uns vorbei, der Lärm sollte alles andere als romantisch sein, doch ich fühlte mich an Ort und Stelle, als würde ich in den Himmel aufsteigen. Ich hatte die Augen geschlossen und genoss die Wärme, die mich empfing, die starken Arme, die mich festhielten und mir ein Gefühl von Sicherheit vermittelten.
Ich löste sanft meine Lippen und lehnte meine Stirn gegen die seine. Regungslos standen wir dicht beieinander. Meine Arme schlangen sich um seine Hüfte, er roch so vertraut, dass ich das Gefühl hatte, ihn ewig zu kennen. Dabei war genau das Gegenteil der Fall.
„Frierst du?", vernahm ich seine flüsternde Stimme. Ich öffnete die Augen und verneinte. Trotzdem sahen mich seine grünen Augen besorgt an. Ich mochte es lieber, wenn er lächelte und sein Grübchen zu sehen war. Also pickte ich mit den Zeigefinger in seine Wange und dann beobachtete ich, wie sich seine Mundwinkel hoben und das Grübchen erschien.
„Hast du dich für die Kamera vorgewärmt, Styles?", sprach ich und Harry schmunzelte: „Ein bisschen. Aber wie es aussieht brauchen wir keine Übung."
Seit einem Monat täuschten wir eine Beziehung vor.
Zu Beginn hatte ich die gesamte Idee lachhaft gefunden, doch jetzt, kaum vier Wochen später musste ich feststellen, dass Harry Styles mehr war, als ein lockiger Boybandfurzi. Zuerst hatte ich mich standhaft gegen sein smartes Lächeln versucht zu wehren, ebenso seinen Charme mit eisigen Frost zu überziehen, bis ich merkte, das sein höfliches Verhalten tatsächlich seine Art war.
Er hielt mir die Tür auf, wartete, wenn ich ihm auf hohen Schuhen nicht sofort folgen konnte und konnte mir mit einem einzigen Blick vorgaukeln, dass ich umwerfend aussah. Selbst, wenn ich schmuddelige Jeans trug und ungeschminkt war.
Ich kannte den Ruf von Harry Styles. Für gewöhnlich ließ er nichts anbrennen. Aber ich konnte die vielen jungen Frauen, die auf ihn hereinfielen verstehen, immerhin war ich selbst dabei eine von ihnen zu werden.
„Ah, ich seh' schon, dass gibt gleich Probleme", sprach Harry und ich hob beide Augenbrauen: „Wie bitte?"
„Wenn du über etwas Dummes nachdenkst, dann erscheint dort so eine ominöse Falte", erklärte er mir und strich über meine Stirn.
„So ein Blödsinn", fühlte ich mich ertappt. Ich wollte mich von ihm lösen, doch sein Lächeln nahm mir den Wind aus den Segeln. Es ärgerte mich, dass ich mich davon so manipulieren ließ. Schließlich ließ ich mich von Selenas schlechteren Hälfte auch nicht bestechen. Gerechterweise musste ich jedoch zugeben, dass Justin und Harry nicht allzu viel gemeinsam hatten. Aus meiner Sicht zumindest.
Harry löste sich von mir, nahm meine Hand wie selbstverständlich in seine und betrachtete den nächtlichen Ausblick von der Brooklyn Bridge. Den kalten Wind ignorierte er, stattdessen wirkte er sehr zufrieden. Ich seufzte und sprach: „Okay, wie oft hast du das schon gemacht?" Harry drehte den Kopf und musterte mich verwirrt.
„Ich bin nicht von gestern", warf ich ein. „Du kannst mir ruhig erzählen, wie oft du das durchziehst. Abends plötzlich vor Zimmertüren stehst, was von einem tollen Ausblick faselst und dann vor Ort zur Tat überschreitest?"
Plötzlich lachte Harry und bekam sich fast nicht mehr ein. Was war daran bitte so witzig?
„Was soll ich dazu sagen? Erwischt", gestand er und ich wusste nicht, ob ich das ernst nehmen sollte, oder nicht. Ohne etwas dazu zu sagen, lehnte ich mich schweigend gegen das Gerüst und betrachtete New York.
Eine Weile standen wir einfach nur nebeneinander. Mir froren die Beine ab und ich spürte den eisigen Wind im Gesicht. Doch die Hand, die meine fest umschlugen hielt, wärmte mich so stark, dass mir die Kälte egal war.
„Wenn wir es unerkannt zurück schaffen", sprach Harry plötzlich. „Dann schuldest du mir was." - „Ich soll dich jetzt auch noch dafür belohnen, dass es deine Idee war auszubüchsen?" Er neigte den Kopf und wieder lächelte er: „Ach komm, du hast dich immerhin auch nicht großartig gewehrt." Auch wieder wahr.
Ich zog mir die Strickmütze meiner Mutter tiefer ins Gesicht und auch er richtete seinen Beanie. Dann schritten wir den Weg über die Brücke zurück.
Unterwegs versuchte mir Harry dümmliche 'Klopf-Klopf-Witze' schmackhaft zu machen. Mit Katzen-Witze würde er eher bei mir punkten, etwas, was ich ihm auch sagte. Wir gingen in New York verloren, wie Millionen Menschen auch.
Ich mochte die Stadt sehr, denn sie spielt mit sein und Schein. Sie machte es möglich, dass man einfach verschwinden konnte, wenn man sich geschickt genug anstellte.
Harry schien diese Raffinesse noch zu fehlen und es hätte mir von vorne herein klar sein müssen, dass wir es nie unerkannt zurück ins Hotel schaffen würden. Es grenzte schon halb an ein Wunder, dass wir bis zur Brücke gekommen waren.
Knapp hundert Meter vor dem Plaza-Hotel flogen wir auf und die ersten Paparazzo hefteten sich an unsere Fersen. Gerade noch rechtzeitig konnten wir ins Hotel verschwinden, bevor ein ganzer Pulk sich uns in den Weg stellte.
„Sieht so aus, als hättest du verloren, ich schulde dir nichts", sprach ich, als wir zusammen den Fahrstuhl bestiegen, um auf unsere Zimmer zu kommen. Harry ging nicht drauf ein, stattdessen ließ er sein Handy nun sinken und sah mich mit strahlenden Augen an: „Von was träumt eine Katze nachts?"
„Wie bitte?" Diesem Jungen konnte ich einfach nicht folgen. Seine Gedanken machten zu verwirrende Sprünge. Harry folgte mir in den Flur und wiederholte sich: „Komm schon, Taylor. Von was träumt eine Katze nachts?" Vor meiner Zimmertür drehte ich mich um und gab auf. Ich zuckte mit den Schultern und sprach kühl: „Von was träumen sie?"
„Von einem Muskelkater!"
Er sagte das so überzeugend und mit so einem breiten Grinsen, dass ich spürte, wie meine Mundwinkel zuckten. Sein Witz war dumm, aber die Begeisterung, die Harry versprühte, weil er ihn toll fand, wiederum amüsant.
An meiner Zimmertür wartete er, bis ich sie geöffnet hatte, dann wandte er sich zum gehen: „Gute Nacht."
Harry verabschiedete sich mit einem Lächeln und als er mir den Rücken zugedreht hatte, da erwiderte ich es.
„Hey, warte mal", sprach ich, bevor ich richtig nachdachte. In zwei großen Schritten war ich bei ihm und drückte dem überraschten Harry einen sanften Kuss auf die Lippen.
Er war kurz, nicht drängend, sondern eher die Kostprobe von etwas, was mehr sein könnte. Verdattert sah er mich an und ich spürte seinen Blick im Nacken, als ich zurück zu meiner Zimmertür ging.
„Was war das, ein Trostpreis?"
„Vielleicht", gab ich an der Tür zu und meine Lippen verformten sich zu einem Lächeln. „Das nächste Mal, wenn du versuchst mich mit irgendetwas zu locken, dann lass dir etwas Neues einfallen."
„Versprochen."
T a y l o r │02.12.2012 │New York
Wir waren viel unterwegs. Harry mit One Direction und ich mit meiner Tour-Mannschaft. Unser dauerhafte Treffpunkt wurde New York und ich war mehr als froh darüber. Europa war nicht unbedingt mein Pflaster und die Jungs aus Harrys Band nicht meine größten Fans.
Liam war höflich zu mir, als einziger. Niall richtete nie das Wort an mich, Zayn schien sich nie im selben Raum aufzuhalten und Louis... Louis war speziell. Seine Sprüche fand ich nicht besonders witzig, zumal sie ständig auf meine Kosten gemacht wurden.
(„Zu viel Milch getrunken, Swiffie, oder warum so blass?" - „In letzter Zeit irgendwelche kleinen Kinder verspeist?")
Doch niemand schien sich daran zu stören.
„Du darfst Lou nicht so ernst nehmen", sprach Harry, als wir zu dritt mit der kleinen Lux im Central Park saßen und die Unterwasser-Show besucht hatten. Während Lux ihren Spaß an Robben hatte, saßen Harry und ich beieinander und versuchten begeistert auszusehen.
„Gibt es eine Mutprobe, die ich bestehen muss, damit er aufhört so blöde Dinge zu sagen?", fragte ich und Harry grinste: „Nein, dass ist seine Art. Jede unserer Freundinnen darf sich erst einmal ein bisschen mobben lassen."
Ich war nicht seine Freundin, sondern seine Fake-Freundin, ein bisschen Respekt hatte ich ja wohl verdient, immerhin tat ich Harry ja nichts. Wenn sich jede Freundin erst mobben lassen durfte, dann fragte ich mich, wieso Tomlinson noch lebte. Hatte noch keine die Geduld verloren?
Gedankenverloren rückte ich die Zöpfchen der kleinen Lux zurecht als Harry sprach: „Warum trinkt eine Maus keinen Schnaps?"
Ich stöhnte: „Schon wieder ein dummer Katzen-Witz?"
„Nein, nein", er schüttelte den Kopf. „Dieser ist gut. Also, warum trinkt eine Maus keinen Schnaps?"
Abwartend sah ich ihn an, er nutzte eine dramatische Kunstpause, dann grinste er breit: „Sie hat Angst vor dem Kater." Er lachte sich halb schlapp über seinen eigenen Witz, ich dagegen konnte mich nicht einmal dazu durchringen eine Augenbraue zu heben.
„Hally?", fragte Lux verwirrt und ich hob sie hoch, um sie auf meinen Schoss zu setzten.
„Dein Onkel Hally hat einen schlechten Humor", erklärte ich ihr trocken und sie klatschte begeistert darüber in ihre kleinen Händchen.
Die Show war vorbei und Harry wollte mir Lux abnehmen, doch die umklammerte meinen Pullover und schüttelte energisch den Kopf. „Nein!" Er seufzte und musterte mich: „Wenn es dein Plan ist Stück für Stück eine Armee gegen Louis aufzubauen, dann machst du einen guten Job."
Ich grinste und stand auf, eine Gesichtsregung, die Harry sofort zur Kenntnis nahm.
„Wirklich?", sprach er. „Wenn es teuflisch wird, dann hast du ein Lächeln übrig, aber für einen guten Witz nicht?"
„Solltest du auch einmal probieren, dass befreit von Aggressionen und angestauter Wut."
Zusammen machten wir uns auf den Rückweg und erhielten dabei Rückendeckung von einem Pulk an Bodyguards. Nach einiger Zeit wurde Lux schwer, aber ich weigerte mich, sie an Harry abzugeben, denn ich kam nicht oft in Kontakt mit kleinen Kindern. Sie waren mir neben Tieren die liebste Gesellschaft, weil sie aufrichtig und ehrlich waren.
„So... und Louis ist dein bester Freund?", fragte ich und Harry nickte: „Seit X-Faktor." Wieso nicht Liam? Wieso nicht Zayn? Wieso diese Landplage?
„Unreife Gemüter sind dein Ding, wie es aussieht", sprach ich und wir schlenderten den Gehweg entlang. Harry neigte den Kopf und grinste lediglich. Dass er es nicht abstritt, gab mir zu denken.
Zurück im Hotel warteten die Jungs bereits auf Harry, da sie zu einem Interview musste. Louise gab ich Lux zurück, dann drehte ich mich um und blickte durch die Lobby.
„Hey Hazza, hast du verhindert, dass Lux über offenen Feuer gebraten wurde?", rief Louis und schloss Harry in die Arme, wie einen langen verschollenen Kameraden, der aus dem Krieg zurückkehrte. Ich rollte mit den Augen und wollte mich abwenden, damit ich nicht in Schusslinie geriet. Aber dann hielt ich inne.
Harrys Gesichtsausdruck. Ich hatte ihn so noch nie gesehen. Das Lächeln, es wirkte anders und entzog sich meiner Deutung. Trotzdem wirkte er so glücklich, dass sich mein Magen zusammen krampfte. Niall legte einen Arm um seine Schulter und sie fingen an über etwas zu diskutieren. Mein Blick blieb jedoch an Harry haften.
Wem galt das Lächeln?
„Taylor, John wartet oben auf dich, er will die nächsten zwei Konzerte durchsprechen." Ich hob meinen Kopf und sah, wie Ally auf mich wartete. Knapp nickte ich, damit sie wusste, dass ich sofort kommen würde. Ich nahm meine Handtasche von der Theke der Rezeption und dann sah ich es.
Ich sah, wem das Lächeln galt und das er es noch nicht einmal bemerkte.
T a y l o r │31.12.2012 │New York
„Harry, ich bringe dich definitiv um, wenn es wieder deine übliche Masche ist", sprach ich und versuchte nicht mit den Zähnen zu klappern. Es war irre kalt und wir standen mitten auf den Times Square unter tausend anderen Menschen. Die Fake-Beziehung lief gut. Selena hatte sich schon beschwert, dass sich die Presse um 'Haylor' riss und die Hype langsam aufhören dürfte.
Sie hatte in der Tat ein nicht zu erwartendes Ausmaß angenommen. Wer hätte gedacht, das Harry Fans hatte, die eine Fake-Freundin nicht verkrafteten. Der Hate, den ich nun auf Twitter erfuhr, traf mich nicht so sehr, wie er es tun sollte.
Mit Stolz betrachtete ich dagegen die Verteidigung meiner eigenen Fans. Die sogenannten Swifties zeigten regelrechtes Herzblut und dafür liebte ich sie.
„Also, was machen wir hier?", fragte ich ihn, denn wir waren eigentlich auf einer Party bei Justin geladen. Um elf Uhr hatte Harry mich jedoch aus dem gemieteten Hotel gezogen und nun standen wir inmitten von Leuten, die wir nicht kannten und die geduldig den Minutenzeiger anstarrten und darauf warteten, dass das neue Jahr anbrach.
„Du hast gesagt, ich soll mir etwas Neues einfallen lassen. Hier sind wir", verkündete Harry und ohne das ich eine Chance hatte, mich zu wehren, zog er mich in seine Arme. „Übrigens, ich habe einen neuen Katzen-Witz."
„Oh bitte, du wirst nie einen guten finden. Gib doch einfach auf", bat ich, doch Harry war unbarmherzig.
„Ein Besucher schlendert über eine Katzenausstellung. An einem Stand bleibt er interessiert stehen und fragt den Besitzer: Was sind denn das für Katzen? - Siamesen, lautete die stolze Antwort und der Besucher sprach: Donnerwetter, sauber getrennt!"
„Gott, wo hast du die nur immer her?", ich hatte meine Arme um seine Hüfte geschlungen und sah in sein strahlendes Gesicht. Harrys Lächeln sorgte dafür, dass mein Magen vor Schmetterlingen platzte. Aber es war nicht das eine Lächeln.
Nicht das Besondere.
„Warum hast du dich eigentlich bereit erklärt der Presse ein Affen-Theater zu präsentieren?", fragte ich, etwas, was mir schon lange auf der Zunge lag. Ich glaubte nicht daran, dass One Direction auf Skandale angewiesen war. In Amerika hatten sie genauso durchgeknallte Fans, wie in Europa und im asiatischen Raum.
„Das fragst du? Ich wollte wissen, ob du wirklich so eine Zicke bist, wie Justin immer gesagt hat", sprach Harry gerade heraus und ich zwickte ihn, sodass er lachend zusammen zuckte. „Ich finde aber eher, dass du frostig und vorsichtig bist."
Frostig und vorsichtig?
„Wie nett", rutschte es mir sarkastisch raus, aber Harry schien das nicht als Beleidigung anzusehen: „Ich finde das okay, besser irgendwie als leicht zu haben."
Da war es um mich geschehen. Ich brach in schallendes Gelächter aus. Verquerter konnte seine Logik nicht sein. Den Ruf als Womanizer haben, aber gegen 'leicht zu haben' sein wollen.
„Über meine Katzen-Witze lachst du nicht, aber über etwas, was frei von jeden Sinn ist?", empörte er sich, doch bevor ich es ihm erklären konnte knallte es über uns.
Das Feuerwerk hatte angefangen, die Menge jubelte auf und von überall hallten Neujahrswünsche. Ich sah in den Himmel, der Anblick war wunderschön. Ich fand es schade, dass es nur an Silvester solch ein großes Feuerwerk gab.
Stumm und genüsslich betrachtete ich die Kunst am Himmel und ignorierte es, dass mein Nacken nach einiger Zeit anfing zu schmerzen. Mir wurde nicht kalt, wie auch, Harrys Umarmung spendete Wärme. Mein klingelndes Handy ließ ich in meiner Manteltasche. Ich würde später die ganzen Nachrichten lesen.
„Wir haben Mitternacht verpasst!", heulte Harry plötzlich auf und rieb sich mit der Hand über das Gesicht. „Dabei war das doch der Grund, weshalb ich hier hin wollte!"
Ich sah ihn irritiert an. „Was war mit Mitternacht?"
„Ich wollte dich küssen", gab Harry unverblümt zu und zum ersten Mal seit langen spürte ich, dass meine Wangen brannten.
„Ah ja...", sprach ich gedehnt. „Tja, Pech gehabt würde ich sagen."
„Du bist wirklich eiskalt", murmelte er, doch bevor das Lächeln aus seinem Gesicht verschwand, beugte ich mich vor und küsste ihn. Wenn er für einen simplen Kuss extra eine großartige Party verließ und sich in Kälte stellte, dann sollte er ihn kriegen.
Dieses Mal blieb der Kuss nicht zurückhalten und neugierig, sondern direkt und leidenschaftlich. Ich schloss die Augen und genoss den Moment. An diese Wärme, Zärtlichkeit und das beschützende Gefühl könnte ich mich gewöhnen, auch wenn ich wusste, dass ich dies nicht sollte.
„Leute, ich will euren romantischen Moment nicht zerstören, aber nicht mehr lange und wir haben hier ernsthafte Probleme." Harry löste den Kuss und wir sahen auf den Personenschützer, der sich nun etwas gehetzt umsah und dann bemerkten wir es auch. Mehrere Leute hatten ihr Handyfoto gezückt.
Harry grinste: „Sorry Preston. Zurück zu Justin, oder ins Hotel."
„Hotel, ich will mir das Drama von Justin und Selena erst morgen anhören. Und das sie Drama haben werden, steht außer Frage." So war es nach einer großen Party immer.
Preston half uns dabei, ohne Aufstand bis zum Hotel zurück zu kommen. Wir verabschiedeten ihn dort und im Fahrstuhl sprach ich: „Die Silvester-Kuss-Nummer hast du zum ersten Mal ausprobiert?"
Harry zog sich seinen Beanie vom Kopf und antwortete: „Ja. Aber... es ist auch schwer das zu einer regulären Aktion zu machen. Du weißt schon... Silvester ist nur einmal im Jahr."
Dieser Junge war unglaublich... dreist.
Der Fahrstuhl öffnete sich und ich drehte mich zu ihm: „Dann ist das der Moment, wo ich dich für einen Kaffee auf mein Zimmer bitte?"
„Tee würde mir besser passen", gab er verschmitzt zu und ich rollte mit den Augen. „Dann sieh dich als eingeladen an." Ich trat zu meiner Zimmertür und öffnete sie mit der Magnetkarte.
Das Zimmer war großzügig und ich machte sofort die kleineren, gemütlichen Lampen an, dann pellte ich mich aus meinem Mantel. Harry schien sich direkt wohl zu fühlen, denn er warf seine Jacke über die Sofalehne.
„Wie willst du deinen Tee?", fragte ich und drehte mich um. In diesem Moment spürte ich Harrys Lippen erneut auf meinen. Er nahm mir unweigerlich die Luft und ich keuchte, als er mich leichtfertig hochhob und ich meine Beine um seine Hüfte schlang.
Das hatte ich eigentlich nicht mit meiner Einladung gemeint, doch sein direktes Handeln ließ das Blut in meinen Adern rauschen. Mein Puls schellte in die Höhe und mein Herz meldete sich zum Sambatanzen an. Meine Hände fanden den Weg in Harrys hinreißenden Locken. Gott, es fühlten sich so gut an, sie zwischen den Fingern zu spüren.
Kurz unterbrach Harry den Kuss, als er mich auf das großzügige Bett legte, dann beugte er sich erneut über mich. Seine Lippen strichen sanft über meinen, dann suchten sie sich ihren Weg von meiner Wange, bis zu meinen Hals.
Ein Keuchen entwich mir, als ich spürte, wie er leicht zu saugen anfing und schließlich mit seiner Zunge über die geschundene Stelle strich. Ich wollte mich entspannen. Mein Kopf hatte nichts gegen ein wenig Spaß zu Beginn des neuen Jahres, aber eine leise Stimme schrie mich permanent an. Finger strichen an meinen Bein entlang und schoben den Rock hoch.
In diesem Moment riss mich die Geste aus meinen egoistischen Dasein. Ruckartig setzte ich mich hin und hielt Harrys Hand fest. Verwirrt ließ Harry von mir ab: „Habe ich was falsch gemacht?" Ich sah ihn ausdruckslos an, dann sprach ich: „Weißt du, du bist wirklich süß und alles, aber ich bin ungern eine Ablenkung."
„Wie bitte?"
Ich schwang die Beine aus dem Bett und ging zur Minibar. Dort nahm ich mir eine Flasche Wasser heraus und sah Harry an. Zuerst presste ich die Lippen aufeinander, dann sprach ich direkt: „Ich schlafe nicht mit Kerlen, die Gefühle für jemand anderen haben."
Harry sah mich an. Er sprach kein Wort und je länger wir uns schweigend ansahen, umso härter wurde sein Gesichtsausdruck. Dann kletterte er vom Bett und schnappte sich seine Jacke.
„Gute Nacht", sprach er knapp und ich sah auf seinen Rücken. Ich konnte es mir nicht verkneifen und fragte: „Wie lange hast du vor dich abzulenken?" Harry blieb stehen und drehte sich zu mir um.
Er tat mir leid, denn mit einem Mal konnte ich die Müdigkeit in seinem Gesicht erkennen. Ich trat auf ihn zu und nahm ihm die Jacke aus der Hand. „Von mir erfährt keiner etwas, aber... vielleicht möchtest du drüber reden?" In meinem Bauch lief die Vernunft Amok und ballerte die Schmetterlinge ab. Schmetterlinge, die gerade erst dabei gewesen waren zu schlüpfen.
Ich strich ihm durch die Locken und hasste mich dafür, dass ich ihn nicht einfach hatte gehen gelassen, denn im Endeffekt tat ich mir damit selbst weh. Wenn ich die Wahl hatte zwischen dem Nichts und dem Schmerz, dann wählte ich in der Regel das Nichts.
Harry wurde meine Ausnahme.
Die letzte Ausnahme, die ich vor hatte zu machen.
„Hast du je mit deinen Freunden darüber gesprochen?", wollte ich wissen und merkte selbst, dass meine Stimme belegt klang.
„Worüber? Das ich in meinen besten Freund verliebt bin?"
Ich hatte mich nicht geirrt, das Lächeln hatte eine bestimmte Bedeutung und galt einer Person.
Eine Person, die ich anfing zu hassen.
T a y l o r │21.01.2013 │Pittsburgh
Kacke.
Mein Kopf dröhnte, als wäre ein Panzer drüber gefahren. Der Geschmack von Wodka lag noch auf meiner Zunge. Blind tastete ich mit den Fingern über meine Stirn. Frank Gelder schmiss einfach zu wilde Parties. Dabei hatte ich ihn nur fragen wollen, ob er der Produzent meines nächsten Albums sein wollte. Aber der Weg zu Frank Gelder führte immer über eine Orgie der Extraklasse.
Ich drehte mich auf den Bauch und drückte mein Gesicht in ein Kissen. Ich würde einfach liegen bleiben und sterben.
Kissen... wann war ich überhaupt ins Bett gegangen?
Seit wann hatte ich überhaupt eins?
Schwerfällig drehte ich den Kopf nach Rechts und zwang mich ein Auge zu öffnen. Zuerst sah ich überhaupt nichts. Alles war verschwommen. Hatte ich Crack genommen, oder was? Ich blinzelte mehrmals, dann schärfte sich meine Sicht. Doch das, was ich sah, war nichts, was mir gefiel. War das mein roter BH der da so traurig über den Lampenschirm hing?
Ich schluckte. Mein schwarzes Kleid lag wie ein Häufchen Elend am Boden, mein Höschen leider auch.
Bitte, bitte kein One-Night-Stand. Ich hasse es, wenn das passierte. Manche meiner Freundinnen hatten daraus einen Sport gemacht, aber ich verabscheute es, die Kontrolle zu verlieren. Besonders weil ich nicht darauf stand, wenn irgendein Idiot damit prallte, mich herumbekommen zu haben.
Leise stöhnte ich und drehte mich auf die andere Seite. Mit der linken Hand hielt ich mir den Kopf und ein unangenehmer Schmerz schoss mir durch den Schädel. Ich sah auf den leblosen Körper neben mir und versuchte zu erkennen, wer der glückliche Idiot war. Zuerst glitt mein Blick über seine Gestalt, ohne es richtig zu verarbeiten. Dann gefror mir das Blut in den Adern.
Oh. mein. Gott.
Louis bewegte sich, er wurde wach. Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Ich schwang die Beine aus dem Bett. Es war mir völlig egal, dass ich nackt war. Hastig sammelte ich meine Klamotten auf und taumelte.
Mein Kreislauf war buchstäblich im Arsch. Ich stürzte und riss die Lampe mit mir. Mit der Nase voran landete ich auf dem Teppich und reckte königlich meinen blanken Arsch in die Höhe.
„Scheiße", hörte ich Louis fluchen und ich quälte mich in mein Höschen. Mein Hirn setzte sich gerade wieder zusammen. In dieser verfluchten Situation war ein Fakt gut - nur Louis und Zayn waren auf dieser Party gewesen und wie der Raum aussah, hatten wir Frank Gelders Gelände nicht verlassen.
Aber wenn uns jemand gesehen oder gehört hatte?
Panik floss durch meine Adern. Gerade als ich nach meinen BH grapschte, sah ich Louis stürzen.
„Alles okay?", fragte ich mit rauer Stimme und hörte ihn dann erneut fluchen: „Ob alles okay ist? Ob alles okay ist?" Er klang deutlich hysterischer als ich, was vielleicht auch daran lag, dass er eine feste Freundin hatte.
„Was hast du getan!", fuhr er mich an und ich griff mir erneut an den Kopf. Konnte er bitte aufhören zu schreien? Mir wurde übel und ich zischte: „Was ich getan habe? Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, ob ich mich selbst ausgezogen habe!"
Geschweige denn, wie ich in dieses Zimmer gekommen war. Hoffnung keimte in mir auf und ich sprach: „Wer sagt denn das wir-" Louis' Blick ließ mich verstummen, er zog sich die Boxershort an und sah angeekelt zum Boden. „So ein beschissenes Glück haben wir nun auch nicht. Obwohl, doch, immerhin haben wir ein verfluchtes Kondom benutzt."
Doppelte Scheiße.
„Du bist ein Miststück", fluchte er und ich verzog die Augen zu schlitzen: „Hör auf mir die Schuld zu geben, du verantwortungsloser Hansel!"
Ich zog mir umständlich das Kleid über den Kopf, dann warf ich Louis sein Shirt zu, dass darunter vergraben worden war. Ich dachte an Harry und mein Magen drehte sich um.
Nein, nein, nein!
Mein Blick streifte den lebensgroßen Spiegel und ich starrte auf meinen Hals. „ Scheiße, Kerl, du hast mich gebissen!"
„Du hast mich zum Krallen schärfen benutzt! Was bin ich, ein verdammter Katzenbaum?" Ich sah auf Louis Schultern und vergrub das Gesicht in den Händen.
Mein Hirn war ein großes schwarzes Loch, ich konnte mich an rein gar nichts mehr erinnern. Ich hatte mir das Kleid noch nicht einmal richtig geschlossen, da schritt ich zur Tür und sprach: „Leck mich am Arsch, du Fremdficker!"
Meine eigenen Schuhe flogen an mir vorbei, aber ich hielt nicht inne, ich zeigte ihm nur den guten alten Mittelfinger und schlug energisch die Tür hinter mir zu. Barfuß versuchte ich beherrscht den Flur hinter mir zu lassen, aber ich schwankte immer wieder. Wieso hatte ich mir so die Kante gegeben?
Die Marmortreppen waren furchtbar glatt und beinahe wäre ich die Stufen herunter gestürzt. Stattdessen schlug ich mir das Knie an und hielt mich krampfhaft am Gelände fest.
Wieso kam ich überhaupt in so eine furchtbare Situation? Harrys Name sorgte für einen bitteren Beigeschmack auf meiner Zunge. Louis' Name machte mich dagegen unheimlich wütend und beide waren miteinander verknüpft. Louis war Harrys bester Freund, Harry war in ihn verliebt und ich...
Ich führte eine Fake-Beziehung mit ihm und hielt einen Schmerz aus, den ich nicht definieren konnte, geschweige denn sagen konnte, woher er kam. Als ich mich aufrichtete, fühlte ich mich schmutzig, falsch und abgewertet. Eine dumme Träne rollte mir über die Wange und ich wischte sie mit den Handdrücken weg. Tränen zeugten von Schwäche.
Und ich hasste Schwäche.
T a y l o r │19.02.2013 │Los Angeles
Es kostete mich jedes bisschen Kraft, was ich besaß, den folgenden Monat als Fake-Freundin durchzuziehen. Harry bemerkte, dass etwas nicht stimmte, ich wies jedoch unwirsch ab, als er mich drauf ansprach. Ich gab mein Bestes, aber es reichte nicht. Mitte des Monats beschloss das Management, dass die gemeinsame Arbeit beendet sei.
Auf der einen Seite war ich unheimlich erleichtert darüber, aber auf der anderen Seite hieß das, ich würde Harry nicht mehr sehen. Dafür aber Louis' verletzende Sprüche nicht mehr hören.
Mit verschränkten Armen sah ich aus den riesigen Fenster. Los Angeles war ähnlich wie New York, trotzdem mochte ich die Stadt nicht halb so gerne. Am Abend würde ich ein Konzert geben, normalerweise freute ich mich darauf, aber heute wünschte ich mir, der Tag wäre schon vorbei.
„Hey."
Die sanfte Stimme sorgte für eine Gänsehaut auf meinem Körper und ich zwang mich, mich nicht umzudrehen. Harry lehnte sich gegen die bodenhohe Fensterscheibe und betrachtete mich.
„Hey", erwiderte ich trocken und frostig.
Harry und ich schwiegen. Wir befanden uns in einem Warteraum. Hinter mir hörte ich, dass Niall den Fernseher lauter stellte und den Eurokanal suchte, damit sie ein 'Soccer-Spiel' verfolgen konnten. Ich wusste, dass die Jungs bei Sony waren, um ein paar neue Songs auszusuchen und einzuproben.
Damit war ich bereits fertig, lediglich auf das Okay meiner Plattenfirma wartete ich noch. Es erleichterte die Arbeit, da ich fast alle meine Songs selbst schreiben durfte.
„Du hast mit deinem Management schon gesprochen?", fragte Harry und ich nickte knapp. Er dagegen seufzte. Fakt war einfach, dass man uns die Beziehung dank mir nicht mehr richtig abkaufte. Das Ganze sollte in einem Desaster enden.
Schon ironisch, dass das Management nicht wusste, wie nahe sie an der Wahrheit dran waren. Ich löste meine Arme aus der abwehrenden Haltung.
„Ich werde das heulende Mädchen sein, dass nicht über dich hinweg kommt", sprach ich schließlich und zuckte mit den Schultern:. „Was hast du anderes erwartet?"
„Dieses Mal wollte ich der heulende Part sein."
Ich wandte den Kopf nach links und musterte Harry. Er lächelte und dann spürte ich seine Hand, die nach meiner tastete. Zärtlich strichen seine Finger über meine Innenhandfläche. Die Geste sorgte dafür, dass mein Herz sich verkrampfte und der Schmerz wieder gegenwärtig wurde.
„Woran erkennt man einen Beamtenkater?"
„Ist das dein Ernst?" Seine schönen grünen Augen funkelten mich spitzbübisch an. Ich zuckte erneut mit den Schultern: „Na gut, ich mache mit, also woran erkannt man ihn?" Harry atmete tief ein und aus, er baute die übliche, nicht vorhandene Spannung auf, dann verkündete er: „Er schleicht sich zur Arbeit, legt die Pfoten auf den Tisch und wartet auf die Mäuse."
Langsam wandte ich den Kopf und sprach mit ausdrucksloser Miene: „Der war so schlecht, da würde selbst der dümmste Mensch nicht drüber lachen."
„Niall fand den witzig!" Ja klar, Niall fand sicher auch Furz-Witze lustig.
Harry und ich schwiegen wieder. Ich wusste nicht, was ich ihm sagen sollte, immerhin würden sich unsere Wege trennen und laut der Presse nicht zum Guten. Skandale, Klatsch und Drama gehörten beinahe so sehr zum Show-Geschäft, wie die Musik.
„Wieso hast du mich eigentlich nie verraten?"
Obwohl er sich vage ausdrückte, wusste ich sofort, wovon Harry sprach. Seine Finger strichen weiter über meine Handfläche und diese Geste hatte etwas sehr beruhigendes an sich. Er hielt damit inne und sprach: „Hätte sich gut in der Presse gemacht." Da hatte er wohl recht.
„Zählt es, wenn ich sage, dass ich weiß, wie es ist, wenn man in jemanden verliebt ist und er es nie erfahren darf?", fragte ich und Harry sah mich an. In seinem Gesicht regte sich nichts, dann wurden seine Züge traurig. „Ja, es zählt." Er drehte den Kopf und ich wusste automatisch, dass er zu Louis sah.
Meine Hand umfasste nun vollkommen seine. „Harry, ich... du kannst mich immer anrufen wenn du willst. Nur um zu reden... oder so." Wieso machte ich ein so selbstzerstörerisches Angebot? Wieso gab ich mir nicht gleich selbst die Kugel?
Harry beugte sich zu mir, ich spürte seine Lippen auf meiner Stirn, kurz schloss ich die Augen und genoss den Moment. Warum hörte er nicht, was ich ihm eigentlich sagen wollte?
„Du bist ein gutes Mädchen, Taylor." Nein, ich war ein Miststück, dass mit den besten Freund meines... Sonst-Etwas schlief.
„Irgendwann triffst du jemanden, der dir gute Katzen-Witze erzählt und sein komplettes Programm für dich zum ersten und einzigen Mal macht."
In diesem Moment wurde mir bewusst, ich wollte jemanden, der mir schlechte Katzen-Witze erzählte. Jemand, der mich mitten in der Nacht fragte, ob ich mit raus wollte, weil er mir etwas zeigen wollte.
Jemand, der kein Timing besaß. Jemand, dessen Charme, Höflichkeit und Freundlichkeit echt waren. Jemand, der lieber schwieg, als die Wahrheit zu sagen, weil er wusste, dass die Wahrheit alles ändern könnte. Ich wollte einen Jungen wie Harry.
„Was meinst du, Showtime zum Abschied? Ein kleines Geheimnis zwischen uns?", erneut wurde ich Zeuge von Harrys seltsamen Gedankensprüngen, aber dieses Mal konnte ich ihm folgen. Ich reckte das Kinn: „Du weißt schon, dass ich eine kleine Perfektionistin bin?"
„Alles andere würde mich auch enttäuschen. Wir hören voneinander, Tay." Harry stieß sich von der Scheibe ab und ich zählte stumm bis fünf. Innerlich war mir zum heulen zu mute. Langsam ballten sich meine Hände zu Fäusten. Ich hob den Kopf und sah in der Fensterscheibe mein Spiegelbild, meine Miene wurde arrogant, dann fuhr ich herum.
„Du mieser, schwanzgesteuerte Bastard!", rief ich laut genug, dass alle im Aufenthaltsraum es hören konnten. Hinter Harry drehten sich sämtliche Leute um. „Erst sagst du, du liebst mich und dann vögelst du mit einer alten Schlampe!"
Harry hielt inne und als er sich umdrehte, sah ich seine Mundwinkel verräterisch zucken. „Aber du hast doch gesagt, es wäre okay, wenn wir eine offene Beziehung führen!"
„Du Vollidiot! Das war ein Test! Meinetwegen kannst du dir sämtliche Geschlechtskrankheiten dieser Welt holen!"
Ich rauschte an Harry vorbei wie eine Königin. Aber innerlich war ich ein Häufchen Elend in Form von Staub. Staub, der in alle Himmelsrichtungen zerstreute und nie wieder an den Ursprungsort seiner Existenz zurückkehren wollte.
T a y l o r │28.05.2016 │Miami
Die MTV Video Music Awards, ich mochte sie sehr. Die Verleihung zog sie meistens fürchterlich, aber die Party danach war eine gute Gelegenheit alte Freunde zu treffen. Trotzdem wünschte ich mir, ich hätte eine Freundin mitgenommen, denn nun stand ich alleine an der Bar und nippte an meinem Cocktail. Selena war tanzen, Demi bei ihrem neuen Freund und Kendall gar nicht erst aufgetaucht.
Ich strich mein langes Kleid glatt, eine Geste die eigentlich unnötig war. Doch sie beruhigte mich. Die Musik dröhnte weiter über die Köpfe der Gäste hinweg und ich öffnete meine kleine Handtasche, um mein Handy herauszunehmen. Jane hatte mir eine Nachricht geschrieben, in der sie mir viel Spaß wünschte und mich wissen ließ, dass sie in einer Woche wieder in den Staaten war.
Ich vermisste sie immer sehr, wenn sie wieder fuhr. Jane war zwar einige Jahre jünger als ich, aber sie wirkte schrecklich erwachsen für ihr Alter. Es war eine willkommene Abwechslung zu Kendalls Unreife. Irgendwann würde sie sich noch in Teufels Küche bringen. Ich stellte das leere Glas ab und bestellte einen neuen Mojito.
Dann tippte ich eine Antwort an Jane. Natürlich hatte ich zwei Preise abgesahnt, aber mittlerweile ließ meine Freude darüber nach. Früher hatten mich die Gewinne definiert und bestätigt, aber jetzt wusste ich, dass es wichtigere Dinge gab. Mir machte es mehr Spaß zu sehen, wie sehr sich meine Fans über persönliche Post freuten, als irgendwelche Trophäen entgegen zu nehmen.
Morgen würde ich weiter im Internet bestellen und für Weihnachten schon ein paar Fan-Geschenke horten. Außerdem sollte ich weiter ein paar Blogs besuchen und Empfänger aussuchen. Ich wollte gerade das Handy wieder verstauen, als der Barkeeper mir den Mojito servierte.
„Danke", sprach ich und dann bemerkte ich, dass er eine Servierte daneben gelegt hatte. Ich musterte sie und erkannte die saubere Schrift. War das sein ernst? War er tatsächlich doch noch hier, obwohl ich Selena Stein und Bein schwören ließ, dass One Direction direkt nach der Preisverleihung andere Termine hatte?
›Glückwunsch.‹
Ich sah an der Bar entlang und dann quer gegenüber entdeckte ich ihn. Harry hob sein Glas Scotch und prostete mir zu. Kurzerhand tat ich es ihm gleich. Wir sahen uns lediglich an, niemand störte den Blickkontakt. Dann lächelte ich und ließ den Drink stehen. Ich stieß mich von der Theke ab und begann die Kontakte in meinem Handy durchzugehen. Für heute hatte ich genug von einer Party, auf der die Stimmung mau war. Noch bevor ich die Aftershow-Party verlassen hatte, klingelte jedoch mein Handy.
„Hey Womanizer, keine Eier in der Hose mir persönlich zu gratulieren, oder war die Nacht in Popp-City zu lang?", sprach ich und ließ den Wagen zum Hotel vorfahren. Der Fahrer hielt mir die Tür auf und ich hörte Harrys sanftes Lachen.
»Meine Eier hast du schon per Post zugeschickt bekommen, nachdem du mir diesen reizenden Rache-Song gewidmet hast.«
Es war ein Versehen gewesen und Harry wusste das. Trotzdem ritt er, wann immer er konnte, drauf herum. Als wäre er besonders stolz darauf, dass ein Song wegen ihm existierte. Der Wagen setzte sich in Bewegung und ich sah aus dem Fenster: „Wie geht es deiner Freundin, Nadine Leopold?" Natürlich verfolgte ich Harrys Werdegang mit der Presse, es las sich bald wie ein 'Who is Who' der Promi-Welt.
»Darf ich dir sagen, dass dir das Kleid wirklich gut steht?«
Ich seufzte und rollte mit den Augen. Das er das Thema wechselte konnte nur eins heißen. „Wirklich? Bist du zumindest dieses Mal derjenige, der heulen darf?" Die Beziehung war zwar nicht gefakt gewesen, sondern echt, aber trotzdem hatte sie meiner Meinung nach, etwas zu aalglattes an sich gehabt.
»Nein, natürlich nicht. Ich konnte Drama schieben, wie ich wollte.«
Ich hörte ehrliches Bedauern in seiner Stimme, aber nicht über das Ende der Beziehung, sondern darüber, dass er weiter fleißig als Frauenverschlinger durch die Welt zog. Mittlerweile hatte sich zwar einiges geändert, aber manche Dinge blieben beständig. Zum Beispiel ein weniger schmeichelhafter Ruf.
Ich lehnte mich entspannt zurück und betrachtete die nächtliche Stadt, dann fragte ich: „Und Harry, wie geht es dir?" Er antwortete nicht sofort, sondern ließ sich Zeit. Daran erkannte ich, dass er mir nicht ausweichen, sondern die Wahrheit sagen würde.
Wir hatten mittlerweile so häufig zu unmöglichen Zeiten heimlich telefoniert und geschrieben, dass es mir vorkam, als würde ich ihn besser kennen, als so manchen Menschen im direkten Umfeld.
»Du bist die Erste die mich das seit Langem fragt.«
Eine traurige Tatsache.
Geduldig lauschte ich seiner warmen Stimme und erneut begriff ich, dass Liebe bedeutete, dass man warten musste, bis sie sich entschied einen glücklich zu machen. Manchmal hieß das auch, eine Menge Kandidatinnen zu überleben, bevor man selbst an der Reihe war.
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