15 The beloved woman.
B a r b a r a │ 11.08.2013 │ Los Angeles
Ich hasste die Teen Choice Awards. Nicht um die Awards willen, sondern um den ganzen Stress, der damit immer verbunden war. Vor einer Stunde hatte mir Selena auf meiner Mailbox vorgeheult, dass sie ihr rotes Kleid unter keinen Umständen anziehen könne, allen voran weil Justin in letzter Minute der Veranstaltung zugesagt hatte und seine Schickse rot trug. Ich selbst hatte es aufgegeben bei diesen On-Off-Kram durchzusteigen.
Es war doch sowieso viel entspannter ein Single zu sein. Frei, ungebunden und niemanden Rechenschaft schuldig. Ich wusste schon, warum ich mir keinen Kerl antat.
Leider hatte ich Freundinnen, die das genau anders herum sahen. Verwirrt und gefrustet hetzte ich durch die Gänge und klapperte die Garderoben der Teen Awards ab. Es war schon ein halbes Wunder, dass ich überhaupt reingelassen worden war.
Das Ersatzkleid von Armani über den Schultern im Kleidersack suchte ich nach der Nummer 152. Nach Selena musste ich noch zu Lucy. Sie moderierte die heutige Veranstaltung und hatte viel zu spät festgestellt, dass sie in den bereit gelegten Schuhen nicht laufen konnte.
Meiner Meinung nach hätten Selena und Lucy einfach nur die Klamotten tauschen sollen, sie sahen eh schon fast gleich aus. Auf meinen sarkastischen Hinweis hin, war Lucy erst richtig wütend geworden.
„Babs", begrüßte mich Selena und sprang direkt von der Couch, die in ihrer Garderobe stand. Sie sah verheult aus und sah mir nicht einmal in die Augen. Ich reichte ihr das Kleid und sah auf die vielen Taschentücher am Boden.
„Meinst du nicht, du bist etwas überdramatisch Sel?", fragte ich und verzog angeekelt das Gesicht. „Ich meine, er ist doch nur ein Ex-Freund und davon wirst du doch sicher irgendwann noch mehr haben. Man läuft sich halt zwangsläufig über den Weg, wenn im selben Business aktiv ist."
Selena schnupfte geräuschvoll. „Werden meine zukünftigen Ex auch alle der Presse verraten, wie der Sex mit mir so ist?"
Ich hob beide Augenbrauen. „Justin hat was?"
Jetzt verstand ich so langsam, wieso sie aussah, als wollte sie zum Halloween und nicht auf den roten Teppich. Die Stylistin saß ratlos auf einem Schminkhocker und sah mich hilflos an. Demnach lief ihr langsam die Zeit davon.
„Und als wenn das noch nicht alles war, jetzt hat er sein neues Bimbo mitgebracht." Selena wurde hysterisch und ich griff nach ihren Schultern.
„Okay, Sel, ganz ruhig", sprach ich bemüht kontrolliert, obwohl ich mir gedanklich gerade ausmalte, wie man einen Justin Bieber entmannte. Messer wetzen, das Beil schärfen, einen Tiger kaufen.
„Du machst dich jetzt fertig, lass dich richtig hübsch machen, ja?", ich zwang sie zum nicken, „und wenn du heute einen von diesen Teen Awards gewinnst, dann gehst du strahlend da hoch und zeigst denen, dass du dich nicht versteckst und das Justin von Glück reden kann, dass du ihn überhaupt rangelassen hast."
„Aber-"
„Nichts aber. Komm setzt dich hier hin. Tara wird dich jetzt fertig machen und heute Abend feiern wir ein bisschen, in Ordnung? Dann kannst du Justin persönlich in die Eier treten."
Meine Freundin ließ sich auf den Stuhl vor dem Schminktisch drücken. Ich überließ der Stylistin das Feld, die mich nun erleichtert ansah.
„Jetzt bringe ich Lucy eben noch schnell ihre Schuhe und dann bin ich wieder da", versprach ich. „Und Sel", sie sah mich an, mit ihren traurigen Hundeaugen, „du hast keinen Grund zum heulen, schon gar nicht wegen Justin, ich meine, sieh dich an."
Wir blickten in den Spiegel und zugegeben, im Moment sah sie furchtbar aus. Doch als Freundin musste man eben schon einmal lügen, um die Wogen zu glätten. „Du bist schön, du bist talentiert und verdammt sexy, wenn du es willst. Also weg damit!", ich nahm ihr die Taschentücher aus den Händen.
Tara ging ans Werk und ich huschte aus der Garderobe. In meinem Bauch brodelte es. Eigentlich war ich mit Selena und Justin gleichermaßen befreundet, aber im Moment hatte ich das dringende Bedürfnis meine Freundin zu verteidigen und Justin zu zeigen, wo der Hammer hing.
Wenn Lucy ihre Schuhe hatte, würde ich noch einmal bei Selena vorbei schauen. Sicher war sicher. Ich musste durch eine Art Speisesaal und am Buffet machte ich den Delinquenten aus. Justin war im Gespräch mit einem blonden jungen Mann vertieft, doch das war mir egal. Schnurstracks marschierte ich auf Justin zu.
„Hey Jus", begrüßte ich ihn mit einen falschen Lächeln und stellte mich einfach zwischen diesem Blonden und ihm.
Justin erwiderte mein Lächeln und wollte sich vorbeugen, um mir einen Begrüßungskuss auf die Wange zu geben. „Na Babs, auch-"
Ich unterbrach ihn, um ihn direkt von mir zu schieben. Bevor er etwas sagen konnte, schlug ich zu.
„Bist du wahnsinnig?", entfuhr es Justin prompt.
Sofort jagte ein stechender Schmerz durch meine Hand. „Bist du von allen guten Geistern verlassen?", zischte ich ihn an. Er betastete sich vorsichtig die Wange und sah mich verwirrt an: „Wovon laberst du?"
„Du hast der Presse erzählt, was bei euch so im Bett gelaufen ist?"
Er grinste schmal und sprach: „Reg dich ab, das war-"
Ich zielte auf die andere Wange und dieses Mal wurde er wütend.
„Du hast recht", zischte ich, „das war das hirnloseste, was du je gebracht hast!"
„Was geht dich das überhaupt an, Babs!", murrte Justin und musterte mich nun abfällig. „Sel hat gewusst, worauf sie sich mit mir eingelassen hat. Außerdem, hey, ist ja nicht so als hätte ich dabei gelogen. Immerhin war sie so unschuldig wie ein weißes Laken."
Einst hatte ich Justin wirklich gemocht, er war witzig, ein toller Musiker und damals war er für Selena sehr passend gewesen. Jetzt hatte ich eher das Gefühl, er habe den Schuss nicht gehört. Die Details, die Justin ausgeplaudert hatte, gingen niemanden etwas an.
Ich biss mir wütend auf die Unterlippe, dann sah ich den Teller mit den Nudeln und der Bolognese in der Hand des blonden Kerls. Ohne richtig nachdenken riss ich ihm den Teller aus der Hand und drückte das Essen in Justins Gesicht. Sofort rauschten zwei Securitykräfte an.
„Weißt du was? Du hast eindeutig vergessen, was sich gehört. Verrecke doch an deinen Schlampen, die du hier hin angeschleppt hast!" Ich drehte mich zu dem Blonden um, er starrte Justin mit offenen Mund an.
Ich konnte es ihm nicht verdenken. „Tut mir leid wegen dem Essen, ich schulde dir was." Dann ließ ich sie beide stehen und rauschte ab. Innerlich ging es mir besser und ich konnte nur noch hoffen, dass Selena sich fangen würde.
Sie fing sich.
Lucy moderierte eine fantastische Show, in den passenden Schuhen und Selena strahlte als sie ihren Preis für den Song 'Come and Get It' und den Award in der Kategorie Choice Summer Music Star for Female entgegen nahm. Danach war Selena wild darauf, die Aftershow Party zu stürmen. Ich tat ihr den Gefallen und befand mich vier Stunden später in einem neuen Club wieder, wo sich Stars und Sternchen die Klinke in die Hand gaben.
„Wir sollten vielleicht nicht ganz so schnell trinken", warf ich bei der dritten Runde Cocktails ein, doch Selena winkte ab: „Scheiß drauf, heute wird groß!" Mein Blick glitt zu Demi, doch auch diese schien nicht daran interessiert zu sein, es langsam angehen zu lassen.
Scheinbar wollte jeder, der einen Teen Choice Award gewonnen hatte, die Puppen tanzen lassen. Der Club geizte nicht mit seinem Luxus. Der Frontmann von Maroon 5 hüpfte auf der Tanzfläche high an mir vorbei. Mit dem würde ich besser nicht das Tanzbein schwingen.
Gut gelaunt tauschte ich meinen Cocktail gegen Soda ein und wies den Barkeeper an, das Glas aussehen zu lassen, als wäre es mit Alkohol gefüllt. Er tat mir schmunzelnd den Gefallen. Ich lehnte mich schließlich gegen die gläserne Brüstung und sah auf die bebende Tanzfläche herab.
Selena bewegte sich passend zur Musik und bemerkte überhaupt nicht, was ihr Hüftschwung mit den Männern im Umkreis machte. Ich schmunzelte, Hauptsache sie lenkte sich heute von Justin ab.
„Du schuldest mir ein Essen", sprach eine Stimme mit einem starken Akzent neben mir und ich wandte mich nach links. Dort lehnte jener blonder Kerl vom Mittag. Er hielt ein Bier in den Händen und musterte mich mit einem Grinsen.
„Ach, tue ich das?"
„Ja", er nickte bekräftigend. „Wobei ich zugeben muss, meine Nudeln haben sich gut in Justins Gesicht gemacht. Die Soße hat ihm ein bisschen Farbe gegeben, findest du nicht?"
Automatisch musste ich sein Grinsen erwidern, es war ansteckend. Mein Blick glitt an ihm entlang und das erste, was mir durch den Kopf schoss, war: Hübsch.
Das war nicht das, was ich im Normalfall von einem jungen Mann dachte, aber Blondie hatte einfach etwas sehr Attraktives und gleichzeitig Unschuldiges an sich. Ich strich mir das Haar über die Schulter, eine Geste, von der ich wusste, dass die meisten Männer sie anziehend fanden.
„Ihm mussten mal ein paar Manieren beigebracht werden. Nicht falsch verstehen, ich bin auf verquerter Weise mit Jus befreundet, aber das ging mal gar nicht", sprach ich und dann fiel mir ein, warum mir Blondie so bekannt vorkam.
„Oh Gott", stöhnte ich und verzog das Gesicht, „wieso haben eigentlich alle Leute hier einen Teen Award gewonnen?"
Er lachte laut auf und legte leicht den Kopf in den Nacken, es war eine sexy Lache. „Ich kann dir einen abgeben, wenn du willst." Ich nahm einen Schluck von meinem Soda und wollte wissen: „Hast' doppelt gewonnen?"
Blondie grinste: „Vierfach." Nun hob ich beide Augenbrauen und starrte ihn an: „Was bist du denn für ein gieriges Tier?" Er schien sich köstlich zu amüsieren und ich stellte fest, dass ich seinen Humor mochte. Außerdem war sein Akzent heiß.
„Warte", sprach ich, als hätte ich eine plötzliche Eingebung. Ich griff mir an die Stirn. „Bist du nicht aus der Boyband, die nicht tanzen können?"
Seine gute Laune verschwand nicht, er schien eher belustigt und gab bereitwillig zu: „Ja, aber ich würde nicht sagen, dass wir es nicht können. Wir wollen nur die Latte nicht zu hochlegen, damit die Fans uns nicht für totale Götter halten." - „Und unglaublich bescheiden bist du auch noch", stellte ich sarkastisch fest.
Er erwiderte drauf nichts, sondern sah mich einfach nur mit einem breiten Lächeln an. „Soll ich dir meine heißen Tanzkünste demonstrieren?"
Die Art, wie er fragte, ließ mich ahnen, dass er nicht nur bluffte. Ich war selbst eine ziemlich gute Tänzerin, er würde sich ganz schön anstrengen müssen, um mich zu beeindrucken.
„Gut, Herausforderung angenommen...?"
„Ich würde ja auf Gott bestehen, aber Niall reicht, Babs", stellte er sich vor und zwinkerte.
Dreister Kerl.
Ich stellte mein Glas ab und wir begaben uns zu der Treppe, um auf die Tanzfläche zu gelangen. Kurz biss ich mir auf die Unterlippe. Ich hasste Stufen, vor allem mit neuen Stilettos. Einen Moment zögerte ich, um mein Gewicht zu verlagern, damit ich Niall folgen konnte, doch gerade als ich mit der Hand das Geländer umschloss, hielt er mir die seine hin.
Ich sah in sein Gesicht, er lächelte, seine Hand nahm ich als Hilfe an. Ohne Hast führte er mich die Treppen herunter. In diesem Augenblick kam mir ein Sprichwort meiner Grandma in den Sinn.
„Ein Gentleman geht auf die Wünsche der Damen ein, bevor die sich derer bewusst sind."
Und Fakt war, Niall Horan war durch und durch ein Gentleman.
B a r b a r a │26.08.2016 │Paris
Ich raste regelrecht ins Hotel. Die Sonnenbrille rutschte mir in der Lobby fast von der Nase und das lange Haar kratzte mich unter der Mütze, die ich trug. Im Spiegel sah ich überhaupt nicht mehr wie ich selbst aus. Meine Kolleginnen hatten mir nach den Lauf für Lagerfeld komische Blicke zugeworfen, als ich mich verkleidet hatte.
Nichts mit Party, heute hatte ich Besseres vor. Vor drei Tagen hatte ich Niall geschrieben, dass ich im Mandarin Oriental Hotel eine Royal-Mandarin-Suite gebucht hatte. Wenn wir schon nicht nach draußen konnten, dann wollte ich zumindest, dass es uns an nichts fehlte.
Der Page schleppte meinen Koffer rein, ich gab ihm Trinkgeld und sah mich erst einmal ausgiebig um. Dabei zog ich mir die Mütze vom Kopf und pellte mich aus der Jeansjacke. Achtlos warf ich die Sachen auf die weiße Couch. Ich wusste nicht, wie viel Zeit ich noch hatte bis Niall kam, doch meine Vorfreude kannte keine Grenzen.
So war es eigentlich immer.
Die Fernbedienung, welche auf dem Tisch lag, lockte mich nahezu sie auszuprobieren und ich drückte wahllos die Knöpfe. Zuerst stellte ich das Licht anders ein, es wurde etwas dunkler, angenehm dämmrig, während kleinere Lampen in der ganzen Suite verteilt angingen. Sie wirkten beinahe wie Wegweiser. Schließlich ertönte die Musik von Coldplay und meine Laune hob sich noch weiter an.
Ausgelassen begann ich zu tanzen. Rutschte auf Socken durch den Flur und imitierte ausgelassen John Travolta. Ich fragte mich, ob ich Niall ein Bad einlassen sollte, immerhin kam er direkt von einem Konzert und würde sich sicherlich zuerst entspannen wollen. Das Bad war riesig und genau das gefiel mir.
Weite und große Räume gaben mir das Gefühl von Freiheit, ich mochte keine Enge, voll gestellte Kammern, oder Zimmer, in denen man nicht viel Platz hatte. Warum wusste ich selbst nicht.
Ich ließ warmes Wasser in die gigantische Wanne am Boden sprudeln und war großzügig mit dem Schaumbad. Wenn schon, denn schon. Dann fuhr ich auch dort das Licht angenehm runter. Am liebsten würde ich schon selbst ins Wasser springen. Ich zog mir vorab die Socken aus und horchte auf, als ich etwas hörte, was nicht zur Musik gehörte. Sofort hörte ich auf, mitzusummen und sauste aus dem Bad.
Niall verabschiedete gerade seinen Pagen und schloss die Tür hinter diesem. Er trug noch die Klamotten vom Konzert, sein Haar stand ab und war an den Spitzen feucht. Sicher hatte er mal wieder eine Wasserdusche auf der Bühne abbekommen. Obwohl ich es noch nie offen ausgesprochen hatte, mochte ich es, wenn er so aussah. Rote Wangen, etwas wilder und in meinen Augen heiß.
„Hey Hübscher, du kommst spät", begrüßte ich ihn und blieb im Türrahmen stehen. Niall strich sich durch das Haar, er grinste breit. „Nun, die Jungs wollten mich heute versteigern, aber ich habe gesagt, du zahlst."
Frech wie immer.
Leicht neigte ich den Kopf. „Und, wie viel kostest du mich?" - „Harry hat bei Sechzigtausend aufgehört zu bieten." Ich nickte und betrachtete ihn provokant. „Also Siebzigtausend bist du durchaus wert, ich werde den Scheck später ausstellen."
Dann sprang ich ihm in die Arme und schlang die Beine um seine Hüfte. Niall drückte mich fest an sich. In einem war ich mit den Jungs einer Meinung. Er gab einfach die besten Umarmungen. Man fühlte sich stets sicher und geborgen.
„Ah, Babs, ich stinke doch sicher, lass mich zuerst duschen", murmelte er an meinem Hals und setzte mich schließlich vorsichtig wieder auf dem Boden ab. Er behandelte mich immer so als wäre ich etwas Kostbares.
Ich störte mich nicht an seinem Geruch, sondern nahm sein Gesicht in beide Hände und küsste ihn zärtlich. Ganz leicht und auch nur kurz. Dann löste ich mich von ihm und konnte seinen verwirrten Ausdruck erkennen.
„Wie gut, dass ich mir das schon dachte", ich begann mir langsam die Bluse aufzuknöpfen und sah ihn dabei keck an. „Vielleicht, wenn du artig bist, leiste ich dir Gesellschaft."
Das Funkeln in Nialls blauen Augen, ich liebte es.
Meine Bluse fiel zu Boden und dann konnte ich beobachten, dass Niall nicht eine Sekunde zögerte, sich das Shirt über den Kopf zu ziehen.
„Du bist zu langsam, Palvin", provozierte er mich, dann legte ich an Tempo zu.
Minuten später saßen wir zusammen in der großen Wanne. Mein Kopf lehnte gegen Nialls Brust, die Musik hatten wir ausgemacht und dösten einfach nur vor uns hin. Er spielte mit meinen Fingern und ich ging auf die sanfte Liebkosung ein.
„Schade, dass ich dich heute nicht live sehen konnte", murmelte ich und spürte, dass sich jeder Muskel in meinem Körper entspannte. Niall drückte seine Lippen auf meine Haare und brummte: „Ich habe deinen Lauf auch verpasst. War Kallie wieder eine Diva?"
Ich lächelte: „Wenn Karl Lagerfeld wüsste, wie du ihn ins Lächerliche ziehst, dann würde er-"
„Empört in die Luft gehen, schon klar. Der kleine Zar hat ein bisschen den Bezug zur Realität verloren", sprach Niall gedankenverloren. Ich sah zu ihm hoch. Ich hatte ja damit gerechnet, dass er eventuell müde war, aber er wirkte eher angespannt.
Mittlerweile kannten wir uns so lange, dass ich merkte, wenn ihn etwas beschäftigte. Sanft strich ich an seinem Arm entlang. „Niall, was ist los?"
„Hm?"
„Ich dachte die Tour und alles läuft gut?" Plötzlich kam mir ein Verdacht. Ich wusste von der Fake-Freundin. In unseren Kreisen war dies nichts Ungewöhnliches. Niall hatte mir nie gesagt, warum sein Management darauf pochte, dass er sich dieser Maskerade hingab. Aber das er nicht gerade erfreut darüber war, hatte ich direkt zu Beginn schon am Ton seiner Stimme erkannt.
Jane Clancy. Ich kannte sie nicht. Vorab war sie mir nur ein, zweimal bei der einen oder anderen Modeschau begegnet. Ihr rotes Haar war ein Blickfang, aber ansonsten hatte ich sie als recht hässlich empfunden. Viel zu viele Sommersprossen, ein großer Mund, das war nicht das Ideal, welches zur Zeit herrschte.
Auf den Bildern, wo sie zusammen mit Niall zu sehen war, wirkte sie fehl am Platz. Zum ersten Skandal hatte sie es schließlich auch schon geschafft, mit Hilfe von diesen dämlichen Harry Styles. Schrecklicher war nur Lous Tomlinson, aber das würde ich Niall niemals sagen. Seine Bandkollegen waren nicht seine Freunde, sondern seine Brüder und gegen Brüder ging kein Wort.
„Ich habe mit Jane geschlafen."
Nialls Worte hallten in meinem Kopf wieder. Immer und immer wieder. Langsam löste ich mich von ihm und setzte mich so hin, dass ich ihm gegenüber saß. Kurz hatte ich aufgehört zu atmen. Es war erschreckend, wie ruhig ich blieb, obwohl mein Herz bis zum Hals schlug.
Wir waren nicht fest zusammen. Niall war ein freier Mensch, genauso wie ich. Er konnte tun, was er wollte. Das war irgendwie unser Deal. Irgendwann musste das passieren. Ich wusste, dass Niall auf viele Frauen attraktiv wirkte, dass er sich eigentlich vor Angeboten kaum retten konnte und Groupies nur darauf warteten, ihn in eine dunkle Ecke zu ziehen.
Der Gedanke daran, dass er mit anderen Frauen schlief, war mir oft durch den Kopf gegangen, wenn ich auf Twitter gesehen hatte, dass er mit den Jungs unterwegs gewesen war.
Doch nie hätte ich damit gerechnet, dass er mir das so unverblümt ins Gesicht sagen würde.
Ich sah ihm in die Augen. „Niall, warum?"
Er antwortete nicht sofort, stattdessen griff er zum Shampoo: „Ich weiß es nicht, okay?" Niall machte eine Pause, dann gestand er: „Es ist einfach passiert und du solltest das wissen."
Ich wusste nicht was ich daraufhin sagen sollte, deshalb stieg ich aus der Wanne, drehte mein Haar aus und wickelte mich in ein großes, weißes Handtuch. Dann drehte ich mich um und sah, wie auch Niall sich abtrocknete. Ich wollte ihm keine Szene machen, dafür hatte ich kein Recht, immerhin war er nicht... das, was er sein sollte.
Niall trocknete sich das Haar ab und sah sich im Spiegel an. In einem Schritt war ich bei ihm und schlang die Arme um ihn. Sanft küsste ich seinen Hals, dann sprach ich das aus, was mich wirklich beschäftigte: „Liebst du sie?"
Ich wusste, dass er nicht log. Es war eine seiner wunderbaren Eigenschaften. Niall nahm meine rechte Hand in seine und drückte sie gegen seine Lippen, dann antwortete er: „Nein."
Ich schluckte und atmete tief durch, denn das war doch alles, was ich wissen musste.
Trotzdem war es, als hätte mir Jane etwas weggenommen und ich wollte es unbedingt wieder habe. Ich wollte, dass er mein war, nur meins. Das er nur mich ansah und auch an keine andere dachte. Vielleicht war das egoistisch, aber ich konnte nichts für mein Denken. Meine Hände glitten über seinen Bauch, ich zog das Handtuch zur Seite. Sanft knabberte ich an seinem Ohr.
Plötzlich drehte Niall sich um, schwungvoll drängte er mich aus dem Bad und schloss meine Lippen mit seinen. Er küsste drängend und leidenschaftlich. Sofort verschwanden alle negativen Gedanken aus meinem Kopf.
„Fuck", fluchte er. „Ich weiß ja hier nicht einmal, wo was ist!" Wir standen mitten im Flur und ich musste gegen seine Lippen lachen. „Die Frage ist doch, wo willst du hin? Wir haben großzügig Auswahl."
Niall hielt inne mich zu küssen. Stattdessen sah er mich an. „Du bist nicht wütend?" - „Nein", hauchte ich und zog ihn wieder zu mir heran. Ich wollte Niall, nur für mich. Er ließ sich von mir verführen, dass tat er eigentlich immer und es war für mich wie eine Bestätigung dafür, dass er mich nicht los ließ. Genau das brauchte ich.
Ich brauchte ihn.
Seine Wärme.
Sein Lächeln.
Seine Umarmungen.
Sein Herz.
Natürlich hatte ich auch mit anderen Männern geschlafen als mit Niall. Er wusste das, zumindest glaubte ich dies. Doch er war der Einzige, bei dem ich das Gefühl hatte, die Schallmauer zu durchbrechen. Er umfing mich mit so viel Zuneigung, dass ich mich geborgen fühlte.
In der Nacht musterte ich im Schein des Mondlichtes seine gelösten Gesichtszüge. Niall schlief in der Regel auf den Bauch, hin und wieder entfuhr ihm ein leises Schnarchen. Ich stütze das Kinn auf der Handfläche und strich ihm sanft durch das zerzauste Haar.
Niall wusste es nicht, aber ich beobachtete ihn immer im Schlaf, wenn wir aufeinander trafen. Für mich waren diese Momente zeitlos.
Aber leider auch die Schwersten.
Ich liebte Niall, doch seine Zuneigung erdrückte mich. Sie ging mir unter die Haut. Als die Sonne langsam zwischen den Vorhängen hervor kam und den frühen Morgen ankündigte, kam meine Angst zurück. Ich konnte nicht atmen. Hatte den Drang zu gehen, ich brauchte Luft, ich brauchte Freiheit. Das Gefühl überrollte mich wie eine gewaltige Lawine.
Leise, fast lautlos stand ich auf.
L i a m │27.08.2016 │Paris
Es hatte mir keine Ruhe gelassen. Direkt nach dem Konzert war Niall verschwunden. So elegant und unauffällig, dass es nur mir auffiel. Leider erst viel zu spät. Mit Sophia hatte ich den Abend zu zweit genießen wollen, doch als sie am morgen gemeint hatte, wir sollten die Jungs mit zum Frühstück nehmen, in ein Café, dass sie bei ihrem letzten Besuch mit Eleanor entdeckt hatte, war ich frühzeitig zum Bus zurückgekehrt.
Das ich mit Louis und Zayn nicht rechnen brauchte, dass hatte ich gewusst, doch als Nialls Kabine leer war und Jane mir mit Schweigen antwortete, hatte es in meinem Kopf 'kling' gemacht. In doppelter Lautstärke.
„Er ist bei Barbara!", entfuhr es mir trocken und setzte meine beste Teddy-Miene auf. Leider war Jane immun dagegen. Im rosa Pyjama sah sie mich nur stumm an und hatte die Arme genauso vor der Brust verschränkt wie ich. Harry steckte den Kopf aus seiner Kabine und ich stolperte über Louis Schuhe im Gang. Es wurde Zeit, dass Harry den Bus wieder aufräumte und seine Phasen bekam.
„Jane", sprach ich und mir war danach, ihr den billigen Filterkaffee, den sie nun trank, aus der Hand zu reißen. „Sag mir, wo Niall ist", verlangte ich ruhig, doch ich biss auf Granit. Sie regte sich nicht, stattdessen goss sie mir auch eine Tasse ein.
Hinter uns kletterte Harry nun aus seiner Kabine. „Hey Payno, was willst du so früh hier? Es ist halb neun Morgens. Hast du kein Treffen mit Sophia?" Ich blickte den Lockenkopf an, der mittlerweile nackt im kleinen Tourbus-Kühlschrank kramte.
„Ich wollte Tick, Trick und Track zum Frühstück abholen, aber Tick ist entlaufen", antwortete ich und atmete tief durch. „War Niall die Nacht nicht hier?"
„Niall war nicht hier?", stellte Harry die Gegenfrage und ich schlug mir die Hand ins Gesicht, dann drehte ich mich um: „Was haben Jane und du eigentlich gestern getrieben?"
Harry biss in eine Bockwurst und runzelte die Stirn. „Wir haben diesen Sissi-Kitsch geschaut, du weißt schon, mit Romy Schneider. Und immer wenn 'oh Franz' oder 'oh Sissi' fiel, haben wir einen Kurzen getrunken."
Das dürften viele Kurze gewesen sein.
Ich appellierte ein letztes Mal, denn bei Jane erhoffte ich mir noch irgendwelche Infos. „Jetzt hör mal zu, Jane, wenn Niall sich mit Barbara trifft, dann musst du mir das sagen, oder wenn er irgendwelche Dummheiten macht."
Wobei, wenn er Barbara traf, dann war das Dummheit genug für einen Abend. „Mir ist egal, welche Deals ihr eventuell abgeschlossen habt", äußerte ich mich. Leider nur umsonst. Jane schwieg.
Nun wurde ich wütend. Verflucht wütend. „Sag mir verdammt noch mal wo Niall ist!", herrschte ich sie ungewohnt heftig an und und schlug mit der Faust auf den Tisch. Jane wich einen halben Meter zurück.
Selbst Harry sah mich erstaunt an: „Woho, Payno, ist dein Blutzucker zu hoch? Bleib ruhig." Er setzte sich neben Jane auf die Bank und sie drückte ihm ein Kissen in die Weichteile.
Mein Blutzucker war gleich das kleinste Problem, wenn man mich erst einmal geplatzt von den Wänden kratzten konnte.
Harry kratzte sich am Kinn. „Ich habe ihn gesehen, wie er direkt nach dem Konzert mit Preston mitgegangen ist. Vielleicht solltest du ihn mal fragen." Sofort sprang ich auf und sprach an Jane gewandt: „Danke für nichts." Ich hatte gehofft, dass Jane auf Niall achten würde, dass sie eine der Guten war, aber scheinbar hatte ich mich getäuscht.
Im Lauf zum Auto rief ich Preston an. Zu meinem Glück war ich der einzige Directioner, der nicht ständig mit einem Bodyguard am Arsch durch die Gegend zog. Mein Geheimnis war simpel und würde ich niemals einen der Jungs verraten.
Ein bisschen Puffer für sich selbst brauchte man einfach. Unsichtbar in der Menge abzutauchen war eben ein wenig Talentsache.
Preston war nicht schwer zu knacken und wenig später lenkte ich meinen schwarzen Wagen durch Paris. Vor dem Mandarin Oriental Hotel parkte ich, reichte einem Pagen den Wagenschlüssel und begab mich zur Lobby.
Berühmt sein hatte viele Nachteile, aber einer der wenigen Vorteile bestand eindeutig darin, dass ich direkt erfuhr, welche Suite Barbara gebucht hatte. Man gab mir sogar den anderen Magnetschlüssel. Im Aufzug schrieb ich Sophia, dass ich mich verspäten würde und das Frühstück eventuell ausfiel.
Meine Güte war der Laden edel. Ich fragte mich, was eine Nacht hier kosten würde und ärgerte mich darüber, dass mir das Hotel nicht aufgefallen war. Bevor ich die gebuchte Suite betrat, hielt ich inne und atmete einmal tief durch. Ich hatte keine Ahnung, was mich gleich erwarten würde, aber auf eins würde ich mein gesamtes Konto verwetten: Ich würde über Scherben gehen.
Leise öffnete ich die Tür und betrat die Suite. Sie zeugte von Geschmack, doch ich hatte keinen Blick dafür. Vorsichtig schritt ich durch den Flur, dann betrat ich einen riesigen offenen Raum. Erleichtert atmete ich aus, als ich Niall entdeckte.
Mein bester Freund saß in Jeans auf der weißen Couch, den Rücken mir zugewandt. In seiner Hand hielt er eine Tasse Kaffee, er sah auf das Panorama von Paris.
Ich räusperte mich, doch Niall drehte sich nicht um. Die Art, wie er da saß, alleine und ganz so, als müsste es so sein, brach mir das Herz. Für Niall schien das mittlerweile Gewohnheit zu sein, aber das hatte er nicht verdient.
„Guten morgen Liam", sprach er nüchtern. Langsam stand er auf, ein Lächeln lag auf seinen Lippen. Doch nach all den Jahren Freundschaft konnte ich beurteilen, dass es falsch war.
Gezwungen und kalt. Die Wärme fehlte.
Ich ballte die Hände zu Fäusten. Barbara veränderte ihn, jedes Treffen schien ihm Wärme zu nehmen und dafür begann ich sie zu hassen.
„Ich ziehe mich eben an, dann können wir los, okay?" Der Blondschopf ging an mir vorbei, doch bevor er ins Bad verschwand, fragte er: „Wer hat mich verraten?"
„Preston", antwortete ich und ging zur Couch. Erst besah ich mir die Aussicht, dann bemerkte ich den Zettel. Ich sah auf die weibliche, geschwungene Schrift.
Wenig später erschien Niall angezogen und sah mich abwartend an. Ich trat auf ihn zu und da spürte ich sie. Die Scherben, über die ich ging, sie symbolisierten das Herz meines besten Freundes und er war sich dessen noch nicht einmal bewusst. Wer wusste schon, ob er es überhaupt noch spürte.
Der Notiz von Barbara erschien wieder vor meinen Augen.
»Es tut mir leid.«
Ja, mir auch, du Miststück.
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