12 Day to day.
J a n e │ 21.08.2016 │ Oslo
Mein Neid auf Niall war unendlich groß. Während ich mich um sieben Uhr morgens aus dem riesigen Bett quälte, drehte er sich noch einmal grunzend im Schlaf um. Es war so ungerecht. Ich wollte genauso sehr ausschlafen wie er.
Halb blind tapste ich ins Bad, genoss die Dusche, cremte mich ein und brachte die übliche Prozedur hinter mich. Frisch und geschniegelt wollte ich mich anziehen. Musste jedoch feststellen, dass ich meine Klamotten im Schlafzimmer im Koffer vergessen hatte. Im Dunkeln tapste ich mit einem Handtuch um den Körper zurück ins Zimmer und stieß mir den Zeh an Nialls Koffer.
„Verflucht!"
Langsam tastete ich mich weiter, bis ich meinen Koffer hatte. Doch in der Dunkelheit konnte ich kaum erkennen, welche Jeans ich in der Hand hatte, geschweige denn welche Farbe das Shirt oder die Socken hatten. Ich kramte herum, dann ging plötzlich das Licht auf dem Nachtisch an.
„Herr Gott, Jane, was tust du da?", brummte Niall und setzte sich aufrecht hin. Verschlafen rieb er sich über die Augen.
„Ich suche nur eben Klamotten, schließlich muss ich gleich los." Hastig sammelte ich passende Sachen zusammen und nahm sie auf den Arm. Als ich aufstand, bemerkte ich, dass Niall mich noch immer betrachtete und plötzlich grinste. Ich konnte nicht anders als zu lachen: „Leg dich wieder hin, ich ziehe mich im Bad um, du Perverser!"
Wie auf Kommando warf Niall sich wieder in die Kissen, machte das Licht aus und zog sich die Decke über beide Ohren. Na toll, sah so aus, als würde ich sogar alleine Frühstücken. Ich zog mich an, schnappte mir einen Apfel und verließ das Hotel. Das Management ließ mich abholen und etwa eine Stunde später war ich schon am Hafen.
Die Werbekampagne für H&M hatte sich zum ersten Mal in meinen Terminkalender geschlichen und ich war mir mittlerweile sicher, dass es nur passiert war, weil die Medien sich wie die letzten Dreckskerle auf jeden Fetzen Skandal stürzten.
Zumindest konnte man mich mittlerweile googeln, wie Gisele mir bei einem Telefonat am Abend mitgeteilt hatte. So lange ich laut Wiki nicht tot war, konnte mir das egal sein.
Am Hafen war das Set bereits aufgebaut und es dauerte nicht lange und ich musste in Herbstklamotten so tun, als würde ich mich köstlich bei 27 Grad amüsieren. Eine Windmaschine wurde angemacht und machte den Kram leichter.
Ich turnte etwas auf einem Boot herum, hielt mich an die Anweisungen der Fotografien Fiona Greenwood und vermisste die Diskussionen, die ich regelmäßig mit Pierre hatte. Genauso seine furchtbaren Einfälle, bei denen man sich meisten verrenkte, oder in höchster Gefahr brachte.
Alles in einem war es fast schon langweilig und nach über drei Stunden war ich fertig.
„Du kannst dich im Boot umziehen", wies mich eine Helferin an, dessen Namen ich vergessen hatte. „Dein Freund hat dir übrigens frische Klamotten gebracht."
„Mein Freund?"
Die Helferin blieb kurz stehen, ehe sie weiter Kabel aufrollte: „Ja, dein Freund, zumindest meinte er, dass er das ist."
Niall?
Quatsch, das konnte nicht wirklich sein. Ich hüpfte in die Kabine des Bootes und bemerkte die Tasche auf dem Stuhl. Als ich sie öffnete sah ich auf ein rot kariertes Hemd, eine kurze Jeansshorts und schwarze Boots.
Bevor ich die an zog blieb ich bei meinen dunklen Ballerinas. Ich sah auf einen Notiz und setzte mir zu guter Letzt den Strohhut in Panama-Form auf. Vorher hatte ich mein langes Haar zu einem Knoten im Nacken gedreht. Schnell packte ich die kleine Handtasche ein, damit ich meine Große in die Reisetasche zurück packen konnte.
Die Helferin versprach mir die Tasche ins Hotel zu schicken und ich fragte sie, wo sie meinen 'Freund' gesehen haben wollte.
In der Nähe des Hafenrestaurants sah ich mich suchend nach Niall um. Es war nicht viel los, außer einen Kellner, der immer wieder zwei alte Ehepaare bediente und einen Skater, der am Gelände lümmelte, konnte ich niemanden entdecken.
Ich griff zu meinem Handy. Hoffentlich war das Ganze kein böser Scherz. Das Freizeichen ertönte, doch ich hörte ganz in meiner Nähe ein Handy klingeln. Erstaunt drehte ich mich um und sah den Skater an.
Das konnte doch nicht möglich sein. Seine Arme waren übersät mit Tätowierungen, die Klamotten waren eindeutig zwei Nummern zu groß, vor allem diese Hose. Im Leben würde Niall nicht-
Ich stockte und legte auf. Mit jeden Schritt den ich näher auf ihn zu machte, wurde mein Hals trockener.
„Das ist nicht dein Ernst!", sprach ich laut und als er sich umdrehte und ich sein breites Grinsen sah, wurde es mir bewusst, dass Gesicht unter der Kappe war wirklich Nialls. Die übergroße Hornbrille machte es schwer, dass einem die blauen Augen sofort bekannt vorkamen.
„Die sind doch nicht etwa echt?", fragte ich und betrachtete seine Arme. „Du siehst aus wie, wie-"
„Jedenfalls nicht wie Niall Horan", fasste er gut gelaunt zusammen. Der Rucksack auf seinem Rücken und das Skateboard, dass dran befestigt war, wirkte sehr authentisch.
Ich runzelte die Stirn. „Darf man wissen, was du vor hast?" Niall genoss die Sonne und schob sich die Kappe in den Nacken. Er wirkte so gelassen und unbeschwert, dass ich lächeln musste.
„Wir haben heute frei, Anna. Lasst uns das ausnutzen."
„Guter Plan, Kristoff."
Niall sah mich verwirrt an. „Wieso Kristoff?"
Ich neigte den Kopf: „Passt doch, Anna und Kristoff, wirkt sehr normal." Innerlich warf ich mich gegen eine Schrankwand damit ich nicht in lautes Gekicher ausbrach. Hatte wirklich nur Louis Frozen gesehen?
„Wohin wollen wir zuerst?", wollte ich wissen, zu meiner Überraschung zuckte er mit den Schultern: „Keine Ahnung, ich dachte, wir gehen einfach mal los und gucken wo wir landen. Das habe ich schon ewig nicht mehr gemacht."
Wir setzten das direkt in die Tat um. Ganz ungezwungen schlenderten wir vom Hafen durch die erste Seitenstraße. Wir brauchten keine Händchen halten, keine Fotografen im Blick behalten oder darauf achten, ob uns jemand erkannte.
Zwar blickte Niall sich die erste halbe Stunde immer wieder über die Schulter, doch als er merkte, dass niemand ihm sein Handy für ein Selfie ins Gesicht hielt, entspannte er sich zunehmend.
„Wollen wir Mittagessen, Kristoff?", fragte ich, nachdem wir in der Innenstadt von Oslo durch ein paar Läden gebummelt waren. Es war ein herrliches Gefühl, zusammen mit Niall auf dem Rand eines Brunnens zu sitzen, mit einem Döner in der Hand und zwei Flaschen Cola dazwischen.
„Oh Gott, dass ist besser als alles andere", stöhnte er genüsslich und vergrub die Zähne erneut in das lauwarme Fleisch. Gut gelaunt beobachtete ich die Menschen um uns herum. Niemand schien auf uns zu achten. Zuletzt hatte ich mich zu Hause so gefühlt.
„Mein Onkel Hank lässt ausrichten, dass ich dich gar nicht erst mitbringen soll, wenn du Soccer magst", sprach ich und Niall verzog das Gesicht. Er schien direkt zu schalten, worauf ich anspielte. Nämlich das meine Familie ernsthaft glaubte, dass wir zusammen waren.
„Anna, nenne es um Himmels Willen nicht Soccer. In Europa sagt man Fußball", verlangte er.
„Bei uns wird Football oder Basketball geschaut. Selbst Baseball ist beliebter, doch nichts geht über Bier und den Super Bowl", verteidigte ich meine sportlichen Werte.
„Ihr Amerikaner habt sie nicht mehr alle", war Nialls Schlusskommentar darauf und wischte sich den Finger an der billigen Servierte sauber. Dann schwieg er neben mir. So blieben wir über eine Stunde still nebeneinander sitzen.
Wir beobachteten Jugendliche dabei, wie sie sich Eis kauften, Kinder, die sich im Kinderwagen langweilten. Hausfrauen bei ihrem Kaffeeklatsch - alles wirkte so herrlich normal.
„Übrigens", begann Niall als er geräuschvoll seine Cola leerte, „wir sind nicht komplett alleine. Irgendwo hier gammelt Preston herum und hat uns im Auge, so für alle Fälle."
„Hätte mich auch gewundert, wenn du deinen Kopf durchgesetzt hättest", gab ich zu und Niall lächelte: „Ach, eigentlich war er sehr entgegenkommend. Ich habe einen Peilsender am Arsch und auf dem Handy einen Panikknopf."
Niall hielt mir sein Handy hin und ich stöhnte. Langsam übertrieben sie, er war doch kein Diplomatenkind mit dem man irgendwelche Verbrecher frei erpressen konnte.
„Wo ist Preston jetzt?", fragte ich und Niall zuckte mit den Schultern: „Keine Ahnung, er ist besser als James Bond. Ich habe auch erst gestern herausbekommen, dass er bei unseren Fake-Dates ebenfalls irgendwo dabei war."
Warum überraschte mich das nicht?
Ich rutschte vom Rand und streckte mich. „Können wir durch die Souvenirgeschäfte? Ich würde meiner Familie und meinen Freunden gerne ein paar Dinge schicken."
Niall nickte und kurz darauf bummelten wir durch die kleinen vollgestopften Läden. Ich deckte mich mit ganz vielen Postkarten ein, kaufte kitschige rote norwegischen Pullover für Tante Rosalee und erstand dank Niall eine gute Flasche Linie Aquavit für Onkel Hank. Wir ließen uns Zeit dabei, alles richtig einzupacken und direkt bei der Post abzuliefern.
„Wieso schickst du deiner Familie nichts?", wollte ich wissen und Niall erklärte: „Mein Vater hat schon Schwierigkeiten meine Weihnachtsgeschenke anzunehmen. Er will einfach nicht, das ich ihn mit Geschenken zudecke und meine Mutter hat bald keinen Platz mehr. Und sollte ich es wagen, meinem Neffen Theo zu verhätscheln, dann tritt Greg mir dermaßen in den Arsch, das ich drei Tage nicht mehr sitzen kann."
Wir verließen die Post und ich sah Niall dabei zu, wie er sich mit Eis vollstopfte. Irgendwie schien er den ganzen Tag nur essen zu können. Dem Eis folgte Blaubeerpfannkuchen und schließlich Fritten.
Zusammen besichtigten wir das Holmenkollen Skimuseum und die Sprungschanze, der Ausblick war so schön, dass wir einfach einen Moment an Ort und Stelle verharrten. Im Vigeland Skulpturenpark ließe wir uns dazu hinreißen, ein paar lustige Erinnerungsfotos zu schießen. Als Niall den Trotzkopf nachmachte, musste ich mich zusammen reißen, nicht Wasser laufen zu lassen, vor lachen.
„Dein neues Profilbild für Twitter?", witzelte ich. Niall grinste: „Das ist definitiv mal eine Idee, aber besser erst in ein paar Tagen. Offiziell bin ich ja noch krank und kuriere mich das Wochenende für das Konzert aus. Es wäre die Hölle los, wenn rauskommen würde, dass ich fröhlich durch Oslo springe."
Wir schlenderten am frühen Abend durch ein Einkaufszentrum, meine Füße waren langsam müde und Niall hatte Recht gehabt. Preston war der reinste James Bond, wahrscheinlich sogar noch eine bessere Ausgabe, denn man merkte überhaupt nicht das uns irgendjemand folgte. Niall zog an einem Süßigkeitenautomaten einen Snickers und ich sah mich um. Dabei fiel mir etwas ins Auge, was ich schon ewig nicht mehr benutzt hatte.
Interessiert las ich mir die Anweisung durch und kramte nach norwegischen Kronen in meinem Portemonnaie.
„Was machst du da?", fragte Niall schließlich verwirrt und ich zog ihn mit in den Automaten. „Old School", war mein Kommentar. „Außerdem sind die Bilder am Ende immer viel witziger, als wenn man so perfekt vor dem eigenen Handy posiert."
„Und das von einem Model", murmelte Niall sarkastisch, dann ertönte der erste Blitz, der uns eiskalt überraschte.
„Ah scheiße!", murrte Niall. „Komm, wir müssen uns von unserer Schokoladenseite zeigen!" Daraufhin verzogen wir unsere Gesichter zu den furchtbarsten Fratzen. Wie kleinen Kinder, denen der Startschuss für Unfug erteilt worden war.
Mir tat nach diesen zehn Minuten fast das Gesicht weh. Dreist kniff mir Niall sogar noch einmal in die Wange als wir uns aus dem Fotoautomaten zogen. „Was hast du da drin gemacht, Gesichtsgymnastik?"
Er zog den Streifen mit den Bildern aus den Schlitz und lachte schallend auf. Nun wollte ich sie auch einmal sehen, doch Niall weigerte sich, stattdessen teilte er die Bilder in der Hälfte. „Drei für dich, drei für mich."
„Wieso darf ich die anderen nicht sehen?", empörte ich mich und blickte auf meine drei. Sie waren lustig und ich steckte sie vorsichtig in mein Portemonnaie. „Na schön, ich wette sowieso meine sind viel cooler als deine."
Niall lachte gut gelaunt und wir verließen zusammen das Einkaufszentrum. „Da fällt mir ein, wir haben immer noch nicht festgestellt, wer von uns der überzeugendere Schauspieler ist. Aktuell liege ich wohl vorne."
Wir mischten uns unter die Leute und ich sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an: „Das glaubst du doch wohl selbst nicht. Den kranken Hänsel zu spielen, das zählt nicht."
„Wir lassen die Jungs abstimmen, wenn sie wieder da sind. Übrigens, hier müssen wir rein", Niall hielt mir die Tür zu einem Kino offen.
„Habe ich was verpasst? Hier laufen doch nur Filme auf norwegisch." Er ließ sich jedoch nicht beirren und bat mich eine große Popcorn und Cola zu kaufen, während er die Karten holte. Ich tat ihm den Gefallen und packte die gekaufte Wasserflasche für mich in die Tasche, damit ich alles tragen konnte.
Niall kam mit den Karten zurück und ich schlenderte einfach hinter ihm her. Der Saal, den wir betraten, er war leer und ohne auf die gebuchten Plätze zu achten, pflanzte sich Niall einfach auf einen Sitz in der Mitte.
„Was gucken wir eigentlich?", fragte ich und er fiel über sein Popcorn her: „Irgendwas mit Anwälten."
Das war ja mal sehr detailliert. Ich kuschelte mich in den Sitz und öffnete die Wasserflasche. Da sich der Saal nicht füllte, schlussfolgerte ich: „So toll kann der Film nicht sein, wenn wir die Einzigen bleiben."
„Keine Ahnung", gab Niall zu und ich sah ihn verwirrt an: „Aber Niall, du hast den Film doch ausgesucht!"
Er zuckte nur mit den Schultern. „Ach bleib' doch mal gelassen und entspann dich." Was anderes blieb mir auch nicht übrig und als es endlich dunkel wurde im Saal, dröhnte Musik aus den Boxen und ein Bild erschien.
Mir fiel fast die Wasserflasche aus der Hand, als ich den ersten Dialog auf amerikanischen Englisch vernahm und begriff, was wir da gerade sahen.
„The good wife?", hauchte ich und starrte Niall an. Der hatte den Blick immer noch auf die Leinwand gerichtet und sprach: „Ja, die ersten drei Folgen der neuen Staffel. Jetzt sei still, ich habe keinen Plan, worum es überhaupt geht."
In diesem Augenblick platzte das Glück aus meinem Herz. Der gesamte Tag war unheimlich schön gewesen, aber das ich jetzt tatsächlich Alicia Florrick bei ihrem Kampf im Gericht dabei war, gaukelte mir vor, dass ich zu Hause vor dem Fernseher saß.
Natürlich fehlte meine Tante Rosalee, mit der ich einmal in der Woche über die Männer der Serie herzog und wir uns am Ende immer freuten, wie zwei Nulpen, weil Alicia mal wieder die Idee für die Rettung eines Klienten gekommen war. Aber das Stück Gefühl 'zu Hause' ließ sich nicht vertreiben.
„Okay, der Typ da, ist das ihr Mann?", fragte Niall zwischen Popcorn und Cola und ich nickte: „Ja, ihr noch Ehemann, er hat sie allerdings betrogen."
„Und der Typ, der ihr Chef ist, Edward McGowan, mit dem hat sie eine Affäre?"
In wenigen Sätzen klärte ich Niall auf, dann schwieg er und ich tauchte in Alicias Welt ein. Ganze drei Folgen gab es keine andere Probleme, als jene, mit denen sich Alicia herumschlug. Ich nahm noch nicht einmal wahr, wie Niall plötzlich aufhörte geräuschvoll mit seinem Popcorn zu rascheln.
Erst, als fast drei Stunden später die dritte Folge endete und langsam das Licht wieder hochfuhr, sah ich, dass Niall eingeschlafen war. Wenn nichts in die Luft flog, war es für ihn wohl nicht ganz so interessant.
Sanft rüttelte ich ihn und ihm rutschte fast die Popcorntüte aus der Hand. „Du kannst aufwachen, der emanzipierte Alptraum hat ein Ende", höhnte ich und er rieb sich den Schlaf aus den Augen. „Hat sie diesen korrupten Senator dran bekommen?"
„Was hast du denn noch mitbekommen?"
Wir schritten durch die Reihen und Niall runzelte nachdenklich die Stirn: „Da war doch dieser Krisenmanager, der wegen Steuerhinterziehung verhaftet worden war."
Empört sah ich ihn an. „Du hast ja keine zwanzig Minuten durchgehalten!"
„Sagen wir, Alicia hat mich etwas umgehauen."
Den Sarkasmus konnte ich nicht überhören und auf dem Weg zurück ins Hotel konnte sich Niall einer hitzigen Diskussion über starke Frauen nicht entziehen. Es war schön zu Fuß zu laufen, die Stadt bei Nacht zu sehen und zu den jungen Leuten zu gehören, die aufbrachen, um Diskotheken unsicher zu machen. Es war immerhin Freitagabend.
Im Hotel war viel los und in der Lobby bemerkten wir auch endlich Preston. Er nahm Niall den Pfeilsender ab und ich musterte den Bodyguard. Im Leben wäre er mir nicht aufgefallen. Er sah aus wie ein klischeehafter 0815 Tourist. „Kinder", sprach er zu uns. „Ich bin stolz auf euch, ihr wart heute wirklich brav."
Ich musste schmunzeln und fragte: „Heißt das, es gibt mehr Taschengeld?"
Preston rollte mit den Augen. „Strapaziere nicht dein Glück. Kann ich davon ausgehen, dass ihr das Hotel heute nicht mehr verlasst?"
Klang so, als wollte da jemand Feierabend machen und Niall versprach, dass wir genug frische Luft eingeatmet hatten. In der Suite warfen wir uns in bequeme Klamotten. Natürlich bestellte Niall noch einmal etwas zu Essen und schmatzte auf der Couch zufrieden vor sich hin. Ich machte es mir auf der anderen Seite der L-Förmigen Couch kuschelig und schmökerte in einem Kitschroman, den ich noch übrig hatte.
Ich genoss es, einfach einmal nichts zu tun und vor mich hin zu gammeln. Mit einem Kissen im Nacken gab ich mich den schnulzigen Worten des Grafen hin, der versuchte das Herz seiner Küchenmaid zu erobern. Zugeben, wirklich seichte Literatur, aber es war mein Ausgleich zu den fetten Schinken, die ich sonst las.
Plötzlich vernahm ich die sanften Klänge von Gitarre und sah von meinem Buch auf. Niall blickte konzentriert auf die Noten vor sich und ich hörte sofort auf zu lesen. Er schien zu üben und schließlich glättete sich die Falte auf seiner Stirn, so als habe er den Kniff für das Lied nun herausbekommen. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war so entspannt und losgelöst, dass es etwas in mir berührte.
Wie mochte Niall erst aussehen, wenn er auf der Bühne stand? Ich spürte einen Kloß im Hals, denn der Moment fühlte sich merkwürdig intim an. Ohne ihn stören zu wollen, stand ich auf und setzte mich neben ihm, dann sah ich auf die Notenblätter und ich lächelte.
Er spielte 'All of me' von John Legend. Taylor hatte mir oft von ihm vorgeschwärmt und auch ich mochte seine Musik gerne. Ich zog die Beine zum Körper und umschlang sie mit meinen Armen. Stumm lauschte ich Niall und wünschte, er würde zum Lied singen, aber das tat er nicht.
Niall spielte den letzten Akkord und ließ die Gitarre langsam sinken.
Er sah mich an.
Kein einziges Wort fiel zwischen uns. Seine blauen Augen schienen mich zu verschlingen, vollkommen aufzusaugen. Seine Hand strich an meinem Gesicht entlang, doch ich konnte nichts anderes, als ihn einfach nur zu betrachten.
Der dichte Wimpernkranz um seine Augen, der Schwung seiner Lippen, ich achtete auf nichts anderes mehr und vergaß darüber hinaus beinahe zu atmen, als er sich zu mir herüber beugte.
Dann spürte ich seinen Atem auf meinem Gesicht und schloss die Augen.
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