Die Einladung zum Ball

Die Wochen nach dem Turnier sprach Cedric kein Wort mit mir. Und ehrlich gesagt unternahm ich auch keinen Versuch, ihn davon abzuhalten. Was auch immer sein Problem war, es lag nicht an mir, es aus der Welt zu schaffen. Wenn er bei mir übernachtet, mich nach der ersten Aufgabe durch die Zeltwände anbrüllt und mir dann grundlos die kalte Schulter zeigt, brauche ich ihn nicht mehr in meinem Leben. Es mag Cho gegenüber unfair gewesen sein, dass er bei mir geschlafen hat, aber es ist sicher nicht allein meine Schuld, dass es passiert ist. Er hat mich gefragt, ob er bei mir schlafen darf. Jetzt braucht er sein schlechtes Gewissen nicht an mir auszulassen! Trotzdem sticht mein Herz jedes Mal, wenn ich ihn sehe. Im Gemeinschaftsraum, in der Großen Halle, in den Korridoren, auf dem Schulgelände. Er scheint überall zu sein. Ich versuche ihn um jeden Preis nicht anzusehen... Aber man kennt das Gefühl ja. Konzentriert man sich zu sehr darauf, eine bestimmt Person nicht zu beachten, tut man es erst recht. Wie zwei Magneten, die sich unaufhörlich anziehen, treffen sich unsere Augen immer wieder. Aber ich kann nicht verstehen warum. Er hat entschieden, mir endgültig den Rücken zuzukehren und mich aus seinem Leben zu verbannen... Also warum achtet er überhaupt noch auf mich? Jedes Mal, wenn wir uns beide ansehen, wirft er mir einen vernichtenden Blick zu und wendet sich dann schnell ab. So als hätte ich ihm unrecht getan! Ich bemühe mich in solchen Situationen, genauso böse zurück zu starren. Die ganze Situation kommt mir absurd vor. 

Tief in diese düsteren Gedanken versunken streife ich durch die Korridore, auf dem Weg zur Bibliothek. Hermine sitzt, wie erwartet, auf einer der hinteren Fensterbänke und ist in ein dickes Buch vertieft. Ein wenig ungewöhnlich kommt mir die Szene jedoch vor. Ihr Blick ist glasig, sie scheint die Seiten des alten Wälzers nur anzustarren, nicht zu lesen. Ihren Lippen sind zu einem schrägen Lächeln verzogen, die Wangen rosig, und ihr buschiges Haar wirkt nahezu elektrisiert. Ich setze mich neben sie, aber sie bemerkt mich erst einige Sekunden später.

"Hi Maja. Wunderschöner Tag heute, oder nicht?" nuschelt sie verträumt. Etwas irritiert sehe ich aus dem Fenster. Der Himmel ist grau, wolkenverhangen und ein kleiner Schneesturm tobt vor den Fensterscheiben.

"Ähm... Ja sicher. Ist etwas besonderes passiert, das den Tag so schön macht?" frage ich gespannt. Irgendetwas verschweigt sie.

"Was? Wie kommst du denn darauf?" fragt Hermine ertappt.

Zur Antwort grinse ich sie nur an.

"Oh, na gut... Also... Ich wurde grade... Zum Weihnachtsball eingeladen." gibt sie verschämt, und zur gleichen Zeit stolz, zu.

"Bei Merlin's Barte!! Wer hat dich gefragt? Ron?" sprudelt es aus mir heraus.

"Ach Papperlapapp, warum sollte mich Ronald zum Schulball einladen??" schnaubt Hermine empört, doch ihre Wangen verfärben sich erneut rosa.

"Er ist ein bisschen älter als wir. Und er ist ein Durmstrang..." druckst Hermine herum. Ich schnalze spaßeshalber anerkennend mit der Zunge, wofür ich sofort einen strafenden Blick von ihr ernte.

"Wie heißt er?" bohre ich weiter. Nicht, dass ich die Durmstrang Schüler bei ihren Namen kennen würde. Aber ich könnte dann in Zukunft Augen und Ohren offen halten.

"Sein Name ist... Ähm. Viktor."

"Lustig, genau derselbe Vorname wie der von Krum! Der scheint wohl häufiger im Osten zu sein?" lache ich. Nach einigen Momenten des Schweigens fange ich ihren Blick auf. Dann tröpfelt es mir wie Stinksaft von den Augen.

"DU GEHST MIT VIKTOR KRUM ZUM WEIHNACHTSBALL?" 

"Psssscht! Sei doch leise!" ermahnt Hermine streng, doch sie grinst dabei. "Er hat gesagt er sei jeden Tag nur wegen mir in die Bibliothek gekommen und habe auf den richtigen Augenblick gewartet, um mich ansprechen zu können!"

"Das ist super, Hermine! Ich freue mich so für dich, du hast es verdient! Ich meine... WOW! Das bulgarische Bonbon Viktor Krum!" Zitiere ich Rita Kimmkorn gackernd. Die Bibliothekarin Madam Pince kommt um die Ecke gesaust und wirft mir einen strafenden Blick zu.

"Wurdest du auch schon gefragt?" fragt Hermine im Flüsterton und lenkt das Thema so schnell um. 

"Oh, ich weiß nicht genau, ob ich wirklich gehen soll. Der Anblick von Cedric und Cho wird nur schwer auszuhalten sein. Aber gestern wurde ich gefragt... Von Cormac McLaggen." Hermine wirft mir einen schockierten Blick zu. "Ich weiß, ich weiß! Keine Chance, dass ich mit ihm gehen werde! Der Typ ist total eingebildet!" Ich rolle die Augen.

"Naja, Cormac sollte vielleicht nicht unbedingt dein Begleiter sein... Außer du möchtest gerne seine Zunge in deinem Hals stecken haben... Aber ich finde, dass du gehen solltest. Lass dir den Abend nicht von Cedric und Cho vermiesen! Der Weihnachtsball ist einmalig, du würdest es bereuen, nicht gegangen zu sein! Außerdem bist du auf keinen Begleiter angewiesen. Du bist eine selbstbewusste, unabhängige Hexe!"

"Jaah, du magst recht haben... Aber ich würde mich trotzdem erbärmlich fühlen, alleine zu kommen. Nicht vor Cho und Cedric... Ich weiß nicht, ob ich überhaupt noch gefragt werde. Fast alle haben schon ein Date. Sogar Pansy Parkinson!"

"Harry hat noch kein Date! Er hat vorhin Cho gefragt... Aber sie geht natürlich mit... Naja." Hermine wechselt schnell das Thema. "Ihr seid Freunde, ihr hättet sicher viel Spaß zusammen!"

Mit einem leichten Schauder denke ich über die trübe Stimmung nach, die zwischen mir und Harry herrschen könnte. Wir beide würden Cedric und Cho beobachten und vor Eifersucht beinahe umkommen. Auf der anderen Seite lag Hermine nicht falsch. Wir könnten uns gegenseitig aufmuntert und den jeweils Anderen davon abhalten, die beiden zu sabotieren... Bei dem Gedanken 'aus Versehen' mein Butterbier über Cho's Kleid auszuleeren, muss ich grinsen.

"Weißt du was Hermine, das ist eine tolle Idee! Ich werde gleich morgen mit Harry sprechen!" Ist doch egal ob Cho und Cedric dann denken, dass die beiden Verschmähten sich miteinander verbünden. Harry ist ein guter Freund. Aufgemuntert und lachend laufe ich mit Hermine zum Abendessen. 

Schräg vor dem Eingang zur Halle entdecke ich Cedric, umgeben von Freunden. Zum Glück aber keine Cho. Ich will mich schnell verdrücken, doch er hat mich schon gesehen. So ausdruckslos wie er mich betrachtet, scheint er mich aber eigentlich nicht mal zu erkennen. Obwohl ich natürlich weiß, dass er es tut. Nach dem Bruchteil einer Sekunde wendet er sich wieder von mir ab. Traurig betrachte ich kurz seinen Rücken, dann setze ich meinen Weg zügig fort. Doch bevor wir die Große Halle erreichen, rempele in eine hochgewachsene Gestalt. Ich taumele einen Schritt zurück, und vor Schreck lasse ich meine Tasche fallen. Alle Bücher, Pergamente und Federkiele liegen auf dem Boden vor mir verstreut. Eilig kramen ich und Hermine meine Sachen zusammen. In der Hoffnung, nicht von der esswütigen Masse auf ihrem Weg in die Halle zertrampelt zu werden. Der Junge in den ich gestolpert bin steht noch immer vor uns. Um genau zu sein krieche ich vor seinen Füßen herum. Ich blicke zu ihm nach oben, um mich zu entschuldigen. Es ist ein Beauxbatons Schüler, ungefähr so alt wie die Champions, der mich von oben herab angrinst. Er sieht unglaublich gut aus. Sehr groß, schlank und muskulös, und mit klargeschnittenen Gesichtszügen, kohlrabenschwarzem Haar und eisblauen Augen. Die Überraschung bringt mich so aus der Fassung, dass mir die Entschuldigung im Hals stecken bleibt. Ich murmele etwas unverständliches, sammele die restlichen Inhalte meiner Tasche zusammen und laufe, schnellen Schrittes weiter zur Großen Halle. Cedric, der am Tor steht, beachtet mich weiterhin nicht, obwohl er mein Fauxpas bestimmt bemerkt hat. 'Vielen Dank für deine Hilfe...' denke ich genervt. Plötzlich tippt mich jemand an.

"Entschuldigung Mademoiselle, du 'ast eine Buch vergessen." Der Junge aus Beauxbatons reicht mir, mit einem atemberaubenden Lächeln, mein Zaubertränke Buch.

"Da-anke..." stammele ich.

"Mein 'ame ist übrrigens Gaston." stellt er sich lässig vor.

"Maja..." gebe ich verlegen zurück.

"Bon, Maja. Freust du disch schon auf die Ball übermorgen? Ich denke du schuldest mir eine Getränk, nachdem du mich so angerempelt 'ast."

"Ähm... Ja also die Getränke stehen den Schülern eigentlich frei zur Verfügung..." antworte ich etwas lahm. "Ich könnte dir höchstens einen Schokofrosch anbieten, ich habe einen in meiner Tasche..." Was will er von mir? Ich bin verwirrt.

Gaston lacht und schüttelt amüsiert den Kopf. "Merkst du nischt, dass ich dich nach eine Date bitten möschte?"

Ich sage für einige Sekunden nichts. Warum, bei Merlin's Barte, sollte mich so ein Schönling zum Weihnachtsball einladen?!

"Oder 'ast du schon eine Verabredung?"

"Oh, nein! Ich war nur... überrascht! Ich meine.... Ich würde gerne mit dir zum Ball gehen!" Ich kann meine Gesichtszüge nicht im Zaum halten und grinse wie ein Honigkuchenpferd.

Gaston lächelt zufrieden. "Dann ist das abgemacht. Isch werde disch genau 'ier erwarten."

Ich lächele zaghaft zurück bevor Gaston durch das Eingangsportal in die verschneite Nacht verschwindet und mir noch ein letztes Mal zuwinkt.

Was ist grade passiert? Innerhalb von einer einzigen Minute habe ich ein richtiges Date für den Weihnachtsball gefunden. Und nicht irgendeine Verabredung mit einem guten Kumpel, der eigentlich gerne mit einer Anderen gehen würde. Stattdessen gehe ich mit einem atemberaubenden Fremden, der mich wirklich aufgefordert hat! Hermine, die die ganze Zeit neben mir stand, ist ebenfalls sprachlos. Doch dann wirft sie sich mir um den Hals.

"Wir werden den schönsten Ball aller Zeiten miteinander erleben! Und bei Merlin's Bart, unsere Dates sehen auch noch gut aus!" Sie lacht glücklich und zieht mich in die Große Halle. Ich stehe noch ein bisschen unter Schock und stolpere hinterher.

"Übrigens, Cedric konnte die Augen nicht von dir lassen. Ganz klarer Fall von Eifersucht." Sie schmunzelt mir zu und mein Herz macht, zum ersten Mal seit Wochen, einen glücklichen kleinen Sprung. Ob es an Cedric's Eifersucht oder der Verabredung mit Gaston liegt, kann ich nicht sagen. 

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