Das Geschenk
Die nächsten Tage waren so verschneit wie die letzten und die Temperaturen fielen weiter unter den Gefrierpunkt. Zusammengedrängte Grüppchen von Schülern, verpackt in dicke Schals, Pullover, Mäntel und Mützen, mussten sich mühsam ihre Wege durch hohe Schneewehen bahnen. Und in diesem Moment bin ich eine von ihnen. Die letzte Schulstunde des Tages, Pflege magischer Geschöpfe, steht an. Nach einer beschwerlichen Wanderung erreichen Hannah, Susan, Ernie, Justin und ich endlich Hagrids verschneite, kleine Hütte. Leider scheinen unserem riesenhaften Lehrer die Temperaturen aber keineswegs etwas auszumachen, weshalb der Unterricht wie immer draußen stattfinden würde. Ich seufze und wünsche mich sehnlichst, er würde uns in seine gemütlich warme Hütte einladen und uns eine große Tasse heißen Tee anbieten. Bibbernd kuschele ich mich näher an meine Mitschüler und ziehe mir den Schal bis unter meine Nase. Hagrid beginnt uns über sein neustes Projekt, die sogenannten Knallrümpfigen Kröter, zu unterrichten. Wir, die versammelten Ravenclaws und Hufflepuffs, bekommen bei jedem weiteren Wort größere, schreckensgeweitete Augen. Zuerst habe Hagrid die Wesen nur im Unterricht mit den Gryffindors und Slytherins behandelt, aber mittlerweile seien sie sehr gewachsen und würden mehr Pflege und Auslauf benötigen. Ein Schauer des Ekels läuft mir den Rücken herunter, als ich die kleinen Monster zu Gesicht bekomme. Sie wuseln in Hagrids Gemüsegarten herum, setzen sich gegenseitig in Flammen und beißen einander an ihren Panzern herum. Ich könnte mich übergeben.
"Wundervoll, wundervoll!" freut sich Hagrid und klatscht, so aufgeregt wie ein kleines Kind, seine enorm großen Hände zusammen. "Maja, mach ma n'Anfang und nimm dir ne Leine! Aber zieh dir vorher noch n'paar Drachenhauthandschuhe an, die Gryffindors und Slytherins ham' sich letztes Mal n'paar üble Verbrennungen zugezogen!"
Wenig begeistert ziehe ich die Drachenhauthandschuhe noch über meine Wollhandschuhe und greife zögernd nach einer Leine. "Aber wo soll ich die Leine denn festmachen, Hagrid?"
"Naja die Anderen ham' se einfach um die Stachel oder Saugnäpfe von den Krötern gebunden, versuch's mal." Hagrid hält glücklicherweise einen Kröten für mich fest, und ich schlinge möglichst schnell die Leine um den Saugnapf, allerdings weiß ich nicht genau ob das die Vorder- oder Rückseite des Wesens ist.
Die anderen Schüler tun mir es nach, was schon einige Minuten und viel Hilfe von Hagrid in Anspruch nimmt. Als der kleine Kampf gegen die Kröter gewonnen ist, stehen wir prustend vor Anstrengung, aber ziemlich selbstzufrieden, in einer Reihe da. Ich stehe mit meinem besonders fetten Kröter ganz vorne am Gatter, das Hagrid nun für uns öffnet. Ich bin sprachlos vor Entsetzen als mein Kröter nun in rasantem Tempo losrennt - ich wusste nichtmal dass Kröter rennen können...! - doch weiter kann ich nicht denken, denn ich werde von der Leine nach vorne gerissen, sodass ich augenblicklich - einen kleinen Schrei der Panik ausstoßend - den Boden unter den Füßen verliere und auf dem Bauch lande. Das Wesen reißt mich hinter sich her, zerrt mich durch den Schnee und ich verliere meine Handschuhe and der linken Hand, als auch meine Mütze. Ich kann nicht sehen ob es meinen Mitschülern besser oder vielleicht noch schlechter als mir ergeht. Ich konzentriere mich nur darauf, die Leine nicht loszulassen und nicht im Schnee begraben zu werden. Mit aller Kraft stemme ich meine Fußspitzen in den Boden um das Tier auszubremsen, doch nichts hilft. Ich versuche auch, mich verzweifelt mit der freien Hand and Anthony Goldsteins Hosenbein festzuhalten, als ich an ihm vorbei geschleudert werde, doch ich bringe den armen Ravenclaw leider zu Fall. Ich schreie ihm eine Entschuldigung hinterher, während ich weiter auf meinem Bauch dem Kröter hinterher schlittere. In meiner Not ziehe ich den Zauberstab aus der Manteltasche und richte ihn auf den Kröter. "Stupor!" schreie ich, doch der Schockzauber prallt an der harten Schale des Kröters ab. Ich versuche es weiter, doch bleibe erfolglos - Bis ein Zauber zufällig die weiche Unterseite des Geschöpfes trifft. Ich habe das Gefühl ich würde nun ein winziges bisschen langsamer durch den Schnee gezogen werden. "Stupor Stupor Stupor!!" - Zwölf weitere Schockzauber feuere ich ab, bis der Kröter zum Stillstand kommt und seine Beinchen nur noch kläglich und langsam vor sich hin zappeln. Stöhnend rappele ich mich auf und klopfe den Schnee aus meiner Kleidung. Als ich den Blick hebe, sind die Hufflepuffs vor der Hütte von Hagrid versammelt. Dieser eilt nun auf mich zu, gradewegs durch eine verknäulte Masse von Ravenclaws, die verzweifelt versuchen ihre kämpfenden Kröter zu trennen, ohne von einer Stichflamme erwischt zu werden.
"Na ich glaub der hatte jetz' genug Auslauf für heute!" brummt Hagrid zufrieden und hebt den Kröter in eine große Holzkiste. "Vielleicht machn se ja bald nen Winterschlaf, wer weiß. Gute Arbeit Maja. Die Hufflepuffs wurden von Professor Sprout zusammengerufen, ihr könnt heut früher gehn."
Heilfroh stolpere ich zu meinen Hauskameraden und sammele auf dem Weg meine verstreuten Kleidungsstücke ein. Als ich mich in der Kreis der Hufflepuffs geselle, erkenne ich ein bekanntes Gesicht unter ihnen, das hier sicher nicht hergehört. Cedric Diggory. Er schaut mir freundlicher als sonst entgegen, und um seine Mundwinkel spielt ein leichtes Lächeln.
Von oben bis unten mit Schnee bedeckt und mit knallroten Wangen vor Kälte fühle ich mich doch ziemlich gedemütigt. "Na, hat es Spaß gemacht mir dabei zuzusehen von diesem Vieh fast umgebracht zu werden?!" zische ich ihn ärgerlich an. Vielleicht eine Spur zu harsch, aber egal. "Hättest ruhig mal helfen können!" werfe ich noch hinterher. Cedric's Augen weiten sich einen Moment und er öffnet den Mund um etwas zu erwidern, doch ich wende mich schnell ab. Wütend stapfe ich mit Hannah an der Spitze der Gruppe zum Schloss hoch.
"Warum wurde uns überhaupt erlaubt zu gehen?" frage ich meine Freundin mürrisch.
"Professor Sprout hat eine Tanzstunde organisiert damit wir für den Ball üben können!" plappert Hannah aufgeregt. Sie erzählt munter weiter, doch ich höre nicht richtig zu.
Schließlich mischt sich Justin in das Gespräch ein, der zuvor einige Schritte hinter uns gelaufen ist. "Ähm Maja? Ich glaube du blutest." Er deutet auf den Schnee, der von kleinen, roten Blutstropfen gesprenkelt ist. Ich suche meinen Körper nach einer Wunde ab, da ich nichts spüre. Schließlich bemerke ich, dass mein gelber Wollhandschuh vor nassem Blut tropft. Ich ziehe ich aus und begutachte den tiefen Schnitt in der Handfläche. "Das muss passiert sein, als ich den Handschuh verloren habe. Vielleicht habe ich mich an einem Stachel von dem Kröter geschnitten."
Meine Mitschüler betrachten ein wenig angeekelt und mitleidsvoll meine Hand, als auch Cedric uns eingeholt hat und sich wieder zu der Gruppe gesellt. "Geht schonmal vor zum Astronomieturm, ich kümmere mich darum." fordert er meine Klassenkameraden freundlich auf. Gemächlich zockeln sie davon und lassen mich mit Cedric zurück. Hannah und Susan deuten hinter seinem Rücken mit den Daumen nach oben und grinsen. Ich verdrehe zur Antwort die Augen.
"Zeig mal her." bittet mich Cedric und ich strecke ihm meine Hand entgegen. Er zieht seine Handschuhe aus und legt meine kalte Hand auf seine warme Handinnenfläche. Unsere Blicke treffen sich für den Bruchteil einer Sekunde, doch genauso schnell schauen wir beide wieder weg.
"Der Schnitt ist ziemlich tief, aber nichts das ich nicht hinbekommen könnte. Traust du mir?" fragt mich Cedric lächelnd und zieht seinen Zauberstab aus der Hosentasche. Erneut blicken wir einander an, doch ich antworte nicht. Uns beiden ist klar, was ich in diesem Moment denke. Seinen Zauberkünsten traue ich vielleicht, aber ihm sicher nicht.
Tiefe Traurigkeit tritt auf Cedric's schönes Gesicht und er wendet sich wieder ab. "Tut mir Leid." murmelt er. "Das war... vergiss es einfach. Darf ich?"
Ich räuspere mich verlegen und antworte mit belegter Stimme. "Natürlich... Danke." Beim Klang seines Namens spüre ich seine Hand, die meine noch immer umschlossen hält, zittern.
"Tergeo... Vulnera Sanentur..." murmelt Cedric und streicht sanft mit seinem Zauberstab über meine Schnittwunde. Sofort verschwindet das Blut und die Haut schließt sich auf magische Weise.
Entzückt betrachte ich meine Handfläche. "Das ist beeindruckend, danke! Es tut kein bisschen weh und ist wirklich vollständig verheilt!" Cedric erwidert das Lächeln das ich ihm schenke, doch seine Augen sind noch immer traurig.
"Es war nicht einfach den Heilzauber zu lernen." gibt Cedric zu. "Hat mich eine ganze Woche gekostet, bis ich ihn perfektioniert habe. Ich dachte vielleicht wird er sich in einer der Aufgaben als nützlich erweisen."
Nickend stimme ich zu und folge Cedric ins Schloss. Stumm kämpfe ich gegen den Drang an, ihn zu fragen, ob er mir den Heilzauber beibringen könnte. Es wäre eine so verlockende Chance um wieder ein bisschen mehr Zeit mit Cedric zu verbringen... Ganz unschuldig, nur um des Lernens willen. Doch ich reiße mich zusammen und bleibe still. Der steile und verworrene Weg hoch zum zu den Klassenräumen im Astronomieturm vergeht langsam und keiner von uns sagt ein Wort. Ich versuche zwar mir ein passendes Gesprächsthema einfallen zu lassen, doch alles erscheint mir entweder zu trivial oder zu persönlich. Also ertrage ich notgedrungen das unangenehme Schweigen. Hin und wieder schielen Cedric oder ich zueinander hinüber, und wenn sich unsere Blicke treffen, schauen wir entweder schnell in eine andere Richtung oder tauschen ein gequältes Lächeln aus. Als wir endlich den Astronomieturm erreichen quetschen wir uns beinahe gleichzeitig durch die Tür und wollen uns schnell in verschiedene Ecken verdrücken, doch es haben sich bereits Zweierpärchen für den Tanz gebildet.
"Ach wundervoll da sind Sie ja, Ms. Fink und Mr. Diggory." trällert Professor Sprout munter. "Dann sind wir jetzt komplett. Sucht euch eine freie Stelle, dann fange ich an die Schritte zu erklären."
Innerlich sterbe ich tausend Tode. Ich bin keine gute Tänzerin. Schlimmer noch, meine Tanzkünste sind nonexistent. Absolut grauenhaft. Ich werde nervös und trete ich meinem Partner auf die Füße, dann stolpere ich bestenfalls noch .... Und die Schritte vergesse ich sowieso immer. Und jetzt muss ich mit Cedric tanzen? Dem eleganten und geschickten Cedric. Das ist ein Desaster. Absolut entehrend. Verzweifelt versuche ich mir die Schritte zu merken, die Professor Sprout vorführt.
"Geht es dir gut?" murmelt Cedric besorgt, als er den Ausdruck auf meinem Gesicht sieht.
"Jaah... alles ist super." krächze ich zurück. "Ich... bin nur keine wirklich gute Tänzerin."
Cedric grinst mich belustigt an und unterdrückt ein Lachen. "Mach dir keine Sorgen, ich führe."
Alle Hufflepuffs nehmen ihre Positionen ein, und ich will Cedric's Aussage eigentlich grade etwas entgegensetzen, doch dann beginnt schon die Musik zu spielen. Aber es stellt sich heraus, dass Cedric tatsächlich recht hat. Er ist, wie ich erwartet hatte, ein sehr guter Tänzer und scheint es irgendwie zu schaffen mich so zu schieben und zu drehen, dass sich die richtigen Schritte fast wie von allein ergeben. Verblüfft starre ich ihn an, und er schenkt mir sein atemberaubendstes Lächeln, sodass ich prompt die Drehung vermassele und über meinen eigenen Fuß stolpere. Cedric fängt mich auf und ich klammere mich an seiner Schulter fest. Ungewollt befinden wir uns in einer Art Umarmung, mein Gesicht ist an seine Brust gelehnt. Ich spüre sein Herz an meinem Ohr schnell pochen. Unsere Blicke treffen sich, und die Hitze schießt mir wie eine Welle ins Gesicht, so überwältigend ist die Intensität dieses Augenblicks. Verlegen richte ich mich auf und trete ich einen Schritt zurück. Cedric schluckt und wirkt ebenfalls aus der Bahn geworfen.
Sofort kommt Professor Sprout herbei gewuselt. "Ach, nicht entmutigen lassen, ihr Lieben! Einfach weitertanzen! Jeder stolpert mal, bis jetzt habt ihr es wirklich gut gemacht!"
Würde sie wissen, weshalb wir wirklich so verlegen sind... Cedric und ich tanzen einfach weiter, doch seine Präsenz ist mir jetzt so bewusst, dass ich mich kaum noch konzentrieren kann. Cedric's Hand auf meiner Hüfte, die Berührung unserer Hände, sein Geruch, die Wärme seines Körpers... Wir üben noch eine halbe Stunde, dann begleitet Professor Sprout uns zum Gemeinschaftsraum. Ich will grade Susan und Hannah zu den Schlafsälen folgen, als Cedric mir den Weg versperrt.
"Maja, warte mal einen Moment. Ich wollte... dir noch etwas geben."
2Geben?" frage ich verblüfft. Ich kann mir beim besten Willen keinen Reim darauf machen.
"Ja... Morgen ist schon Weihnachten... und ich dachte... Ich wollte es dir eigentlich zu Beginn des Schuljahres geben..."
Mir bleibt der Mund vor Staunen offen stehen. Mehrere Sekunden verstreichen und keiner sagt ein Wort. In einem jämmerlichen Versuch etwas zu erwidern beginne ich schließlich, eine unverständliche Antwort zu stottern. Cedric lächelt verlegen und zieht mich in eine versteckte Ecke unter der Treppe des Gemeinschaftsraumes. Blumenranken hängen vom Geländer bis auf den Boden herab und schützen uns vor den neugierigen Blicken unserer Mitschüler. Cedric durchsucht seine Umhängetasche und zieht schließlich eine kleine Box hervor, die er mir reicht. Mit zitternden Fingern löse ich die Verpackung und hebe den Deckel der Schachtel. Aus dem Inneren funkelt und strahlt mir etwas entgegen. Es ist ein silbernes Armband in welches ein ovaler Stein gefasst ist. Der Stein erinnert mich ein wenig an einen bläulich-weißen Opal, doch geht von ihm ein heller, kühler Schein aus und alle existierenden Farben scheinen sich in ihm zu spiegeln. Er ist schöner als alles andere, das meine Augen je erblickt haben. Ich berühre den Stein mit der Fingerspitze, der mir außergewöhnlich warm vorkommt. Schwerfällig löse ich schließlich meinen Blick von dem Stein und schaue Cedric an, der mich zurückhaltend anlächelt.
"Cedric... das ist der schönste Stein den ich je gesehen habe!" flüstere ich.
"Ich war vor der Quidditchweltmeisterschaft mit meinem Vater wandern, in Cornwall. Dort kann man viele seltene magische Steine finden... Dieser hier war der schönste den ich gefunden habe. Ich habe ihn dann in der Winkelgasse in ein Armband einfassen lassen. Schön, dass du dich freust."
Er hatte das alles für mich getan? Ich stammele unzählige Male, wie dankbar ich bin. Und ein kleiner Funken Hoffnung erfüllt mich... Er hatte ihn mir geschenkt, nicht Cho...
Cedric strahlt mich an. "Soll ich es dir anlegen?"
Ich strecke ihm meinen Arm entgegen und er schließt vorsichtig den Verschluss um mein Handgelenk. Doch anschließend lässt er meine Hand nicht los, sondern behält sie weiter in seiner. Wir stehen so da, ohne ein Wort zu sagen, und sehen einander an. Cedric streckt seine andere Hand aus und streicht mir vorsichtig eine Strähne meines Haares aus dem Gesicht. Wir machen beide einen kleinen Schritt aufeinander zu und nur noch wenige Zentimeter trennen uns voneinander. Seine Hände streichen zart über meinen Rücken und ruhen dann auf meiner Hüfte. Doch im nächsten Moment tritt ein gequälter Ausdruck auf Cedric's Gesicht - Seine Hände ballen sich zu Fäusten, er lässt mich los und lehnt sich von mir weg.
"Ich kann das nicht..." stammelt er und schiebt mich noch ein Stück weiter von sich weg.
"Ist es wegen..." beginne ich, doch Cedric hat bereits zwei lange Schritte gemacht und ist schon fast bei der anliegenden Treppe angelangt, die zu dem Schlafsaal der Vertrauensschüler führt. Auf dem Treppenansatz dreht er sich nochmal um, murmelt 'Frohe Weihnachten' und verschwindet dann mit wehendem Umhang.
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