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Lelaenia konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als sie Randon und Noryn eng umschlungen sah. Widerwillig löste Randon sich von ihm, als er Lelaenia bemerkte. ,,Wir werden uns bald wiedersehen", hauchte er und drückte einen letzten Kuss auf Noryns Stirn, bevor er sich umdrehte, Lelaenias Hand drückte und dann zurück zu Manion ging, mit dem er den Auftrag leiten würde. Und so flogen Lelaenia und Noryn mit zwei weiteren Nyreanenkriegern, die sie ins Reich der Nyxen führen würden, zum Endlosen Ozean. 

Als Lelaenia über das Fell des Nachttieres unter ihr strich und die wundervollen Flügel betrachtete, die neben ihr immer wieder aufblitzten, konnte sie nicht anders als an ihren Penorus Mavros zu denken. Wehmütig hoffte sie, dass es ihm gut ging und er in Penoria durch das Sterben der Natur nicht ebenfalls todkrank war. Sie fragte sich, was nun mit ihm geschehen würde, da sie jetzt als Königin wahrscheinlich für immer in Noxen bleiben müsste, wenn sie das Ganze hier überlebte. Mavros aber würde niemals hier her kommen können. Denn er gehörte hier nicht her, auch wenn Lelaenia das tat und Mavros immer zu ihr gehören würde. Allerdings hatte Noryn mal erwähnt, dass Mavros in diesem Krieg eine wichtige Rolle spielen würde. Schließlich ist Mavros die Verbindung, die Lelaenia zu Penoria hatte. Also hoffte sie, dass sie ihn doch schon bald wiedersehen würde.

Sie erreichten die Küste und landeten. Ambrose, einer der beiden Krieger, räusperte sich, bevor er die Königin ansprach. ,,Eure Hoheit, Euer Bruder braucht Kiemen. Nur Nyreanen sind in der Lage, einige Stunden unter Wasser zu überleben."  Lelaenia nickte und ließ eine kleine, helle Flamme über ihre Handfläche erscheinen. Ambrose schien Panik zu bekommen und kratzte sich unbehaglich am Hinterkopf. ,,Wenn Ihr mir gestattet, würde ich dies übernehmen." Perplex nickte sie. Allem Anschein nach traute Ambrose ihr nicht zu, ihre Magie sicher an Noryn anwenden zu können. Auch Noryn verstand dies und schien ein Lachen zu unterdrücken. Sie funkelte ihn bösd an und verdrehte dann grinsend die Augen. 

 ,,Und wie wird das jetzt ablaufen? Können wir einfach das Nyxenreich betreten?", fragte Noryn und strich sich über seine neu gewonnen Kiemen an seinem Hals. Lelaenia schüttelte den Kopf. ,,Unser Besuch wurde angekündigt. Die Vorsitzende der Nyxen wird uns empfangen."

,,Die Nyxen haben eine Vorsitzende? Ich dachte immer, dass sie zu den Nyreanen gehören würden und somit der nyreanischen Königin untergeordnet sind. Ich hätte nicht gedacht, dass sie eine eigene Anführerin haben.", sagte Noryn verwirrt.
Sie liefen auf das Wasser zu und als es ihnen bis zu den Schultern reichte, blieben sie stehen. ,,Das sind sie auch. Bei eindeutigen Befehlen müssen sie reagieren. Die Nyxen sind jedoch anscheinend nicht zu bändigen. Sie haben ihre eigenen Gesetze und sind somit fast vollkommen unabhängig.", sagte Lelaenia das auf, was Manion ihr die letzten Tage erklärt hatte. ,,Die Nyxen können launisch sein. Ich hoffe sehr, dass sie bereit sind uns zu helfen.", murmelte sie unsicher.

Und so tauchten sie unter. In den ersten Sekunden sah Lelaenia nichts bis auf einen nachtblauen Strudel, der sich dann aber legte. Und was sie daraufhin sah verschlug ihr den Atem. Sie hatte eine komplett andere Welt betreten. Vor ihr befand sich eine Stadt aus Muscheln und Korallen, aus wundervoll verzierten Häusern und Palästen. Und überall konnte sie Nyxen erkennen mit ihren bunten Flossen und Haaren. Sie sind wahrhaftig bekannt für ihre verführende Schönheit.

Die beiden Nyreanenkrieger gingen vor ihnen, eine Hand griffbereit auf ihre Schwerter gelegt. Diese Schwerter wurden auch schnell gezückt, als plötzlich drei Nyxen vor ihnen auftauchten. Und nicht nur irgendwelche Nyxen, sondern die, die ihr und Manion schon auf ihrer Reise nach Noxēn begegnet waren. Die korallblaue Katara, die smaragdgrüne Niara und selbstverständlich Mayla, die mit ihren violetten Haaren und ihrer bezaubernden Art alle in den Bann zog, die Lelaenia aber jetzt bloß mit großen Augen anstarrte.

Auch Katara und Niara erkannten Lelaenia wieder, senkten erstaunt den Kopf und stupsten Mayla an, damit sie dasselbe tat. Mayla senkte sofort den Kopf, lächelte sie aber dennoch schüchtern an. Lelaenia drückte ihre Hand und erwiderte das Lächeln. ,,Es freut mich so sehr, dass Ihr hier her kommt, eure Hoheit! Heißt das, dass ich Euch dieses Mal Kekse anbieten kann?", fragte sie unsicher, aber dennoch aufgeregt. Niara stupste Mayla mahnend an. ,,Die Königin ist sehr wahrscheinlich sehr beschäftigt. Wir sind bloß hier, um sie hier willkommen zu heißen und sie zu Avin zu führen."

Mitleidig biss Lelaenia sich auf die Lippe und nahm erneut Maylas Hand, um ihre Finger zu verschränken. ,,Ich bin mir sicher, wir finden noch kurz Zeit für deine Kekse." Lelaenia konnte es nicht genau beschreiben, aber aus irgendeinem Grund empfand sie eine besondere Zuneigung Mayla gegenüber und konnte nicht ertragen, dass sie traurig war.

Mayla grinste breit, senkte erneut den Kopf und drückte einen Kuss auf Lelaenias Handrücken, woraufhin Lelaenia etwas errötete.

Und so führten die drei Nyxen sie zum Palast der Vorsitzenden Avin. Währenddessen schmiegten sich Katara und Niara an die beiden Nyreanenkrieger, die neutral blieben und versuchten, sich nicht beeindrucken zu lassen. Noryn wusste nicht, ob er beleidigt oder erleichtert sein sollte, da keine Nyxe an ihm Interesse hatte. Mayla, die auf dem ganzen Weg Lelaenias Hand hielt, merkte dies und kicherte irgendwann. ,,Schade, wir hätten eine männliche Nyxe mitnehmen sollen.", murmelte sie, woraufhin Lelaenia nur lächelte.

Mayla räusperte sich dann vorsichtig und sah Lelaenia mitleidig an. ,,Es tut mir sehr leid wegen der Königin.", flüsterte sie und drückte Lelaenias Hand etwas fester. Schluckend sah Lelaenia weg und nickte. Ihre Mutter wüsste jetzt, wie sie handeln müsste. Ihre Mutter war die geborene Kriegerin. Und ihre Mutter hätte diesen Krieg auch gewinnen können. Krampfhalt hielt sie die Tränen zurück. Sie wünschte, sie hätte etwas mehr Zeit gehabt, um diese legendäre Königin und Kriegerin kennenzulernen.

Mayla hielt still, wodurch Lelaenia ebenfalls stehen bleiben mussten. Die anderen schwammen vor ihnen weiter und bemerkten nichts. Vorsichtig legte Mayla ihre Hand auf Lelaenias Brust und schloss die Augen. Lelaenias Haut prickelte und erhitzte sich. Sie schloss ebenfalls ihre Augen und spürte, wie der ganze Kummer, der ihr das Atmen in den letzten Tagen erschwert hatte, zu verschwinden schien. Sie fühlte sich plötzlich so frei, so leicht und sie konnte endlich wieder atmen.

Erstaunt öffnete sie die Augen und blickte Mayla in die Augen. Mayla schien plötzlich sehr blass zu sein, doch sie lächelte dennoch. ,,Solange du unter Wasser bist, wird meine Magie deine Trauer etwas vertreiben.", flüsterte sie. In Lelaenias Augen bildeten sich Tränen. Sie war so gerührt, dass sie nicht anders konnte, als Mayla fest zu umarmen. ,,Danke.", flüsterte sie. Sie konnte nicht glauben, wie sehr ihr Mayla ans Herz gewachsen war.

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,,Ach, ich erinnere mich noch daran, wie es war, als Manion das letzte Mal vor einem Jahrhundert hier war. Es war so lustig, oder, Niara?", grinste Katara. Niara lachte. ,,Ja. Manion ist schon etwas Besonderes. Schade nur, dass er jetzt nicht mehr kommen kann. Schließlich teil er jetzt ja das Bett mit der Königin." Niara zwinkerte Lelaenia zu und sah sie spöttisch an.

Geschockt riss Lelaenia ihre Augen. Sie spürte, wie sie errötete. Noryn starrte sie verblüfft an. ,,Gerüchte, Eure Hoheit, verbreiten sich schnell. Die Wellen führen sie auch zu uns.", flüsterte Katara verschwörerisch. Lelaenia wollte gerade wiedersprechen, da das Gerücht eine Lüge war und sie allgemein ziemlich verwirrt von der Beziehung war, die sie mit Manion führte, doch sie schloss wieder den Mund, als sie den Palast aus Muscheln und Korallen sah.
,,Willkommen, Königin Lelaenia. Avin erwartet Euch bereits."

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Lelaenia sah die Vorsitzende der Nyxen erwartungsvoll an, nachdem sie von ihren Plänen im Krieg erzählt und erklärt hatte, warum und wo sie genau Hilfe von den Nyxen benötigten. Avin hatte eine Augenbraue hochgezogen und starrte sie mit gehobenem Kopf an. Sie schwieg lange und musterte Lelaenia genau.

,,Eure Hoheit, die Nyreanen sind uns bereits einen Gefallen schuldig. Schließlich haben wir bei dem Krieg vor Jahrhunderten, in dem die großen Königinnen Lelaenia und Nyrea ums Leben kamen, Nyreas Nachfolgerin Noctia beschützt. Wir haben dafür gesorgt, dass die königliche Blutlinie nicht verloren geht. Und nun fordern die Nyreanen erneut unsere Hilfe bei einem Krieg, ohne jemals etwas zurückzugeben." Avin war eine Anführerin eines Volkes, das erkannte man sofort.

Lelaenia schloss die Augen und atmete aus. Dann nickte sie. ,,Was fordert ihr im Austausch für eure Hilfe?", fragte sie dann und sah Avin entschlossen an. Sie würde alles tun, um diesen Krieg zu gewinnen.

Avin grinste. Sie wusste, dass sie gewonnen hatte. ,,Der Endlose Ozean ist nicht endlos. Und es erstrecken sich noch weit mehr Meere auf Tría. Falls wir euch zum Sieg bei diesem Krieg verhelfen, verlange ich die Herrschaft über alle Meere Trías. Die unabhängige Herrschaft."

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