~ 36 ~
,,Was auch immer du vorhast, ich werde nicht wieder vom Heiligen See trinken!", stellte Lelaenia schaudernd klar, als sie zum Heiligen See gingen. Schmunzelnd sah Manion zu ihr. ,,Ach, so schlimm war es doch sicher nicht." Entgeistert klappte sie ihren Mund auf. ,,Nicht schlimm? Es war grauenvoll! Wenn du mir nicht glaubst, kann ich dir gerne übermorgen beim Fest etwas von diesem blubbernden ... Ding ... ins Glas schütten." Lachend stupste er sie an. ,,Keine Sorge, du wirst nicht wieder davon trinken müssen. Dieses Mal wird es auch gar nicht nötig sein.", beruhigte er sie. ,,Gut, wir sind da." Er deutete ihr sich auf das Gras zu setzen. ,,Jetzt müsste es ganz einfach sein, deine Magie zu zeigen, da du es schon einmal getan hast. Streng dich einfach an."
Er setzte sich ihr gegenüber und sah sie aufmerksam an. Lelaenia atmete laut aus und schloss die Augen, während sie die Hand ausstreckte. Mit gerunzelter Stirn stellte sie sich vor, wie eine Flamme in ihrem Inneren aufging und zu ihrer Hand floss. Nichts geschah. Seufzend versuchte sie es erneut. Dieses Mal dachte sie an Nyrea und Lelaenia, dachte daran, wie sehr sie leiden mussten. Beinahe hatte sie vergessen, warum sie hier war, denn ihr stiegen fast wieder die Tränen in die Augen. Dann spürte sie es jedoch - ein angenehmes Kribbeln auf ihrer Handfläche. Aufgeregt öffnete sie die Augen und tatsächlich - eine weiße, grell leuchtende Flamme schwebte über ihre Hand. Sie war zwar sehr klein, aber immerhin war sie da.
Fasziniert starrte Manion auf ihre Hand. ,,Es ist ... wunderschön.", flüsterte er erstaunt. Neugierig hielt sie einen Finger ins Feuer - und verbrannte sich. ,,Verdammt", fluchte sie und schüttelte ihre Hand. Daraufhin stellte sie enttäuscht fest, dass die Flamme erloschen war. ,,Das ist merkwürdig. Normalerweise kann man sich mit seiner eigenen Magie nicht verletzen, wenn man es nicht will. Das ist kein gutes Zeichen.", überlegte er murmelnd. ,,Ich werde das nachschlagen. Ich frage mich eher, wie es sein kann, dass eine Nyreanin Feuer erzeugen kann.", sagte er ahnungslos.
Lange sah Lelaenia Manion an. Sie konnte sich denken, warum sie Feuer erzeugen konnte. Und ihre Vermutung wurde nur bestätigt, als sie an Königin Nyxia dachte, die auf das Buch gedeutet hatte und gesagt hatte, dass sie es nach dem Lesen verstehen würde.
,, 'Ich bemerkte, dass in dieser Nacht zwei ganz besondere Sterne viel näher waren als üblich - die Zwillingssterne. Das Licht des einen Sternes fiel auf mich und das des anderen auf meine schöne Lelaenia."", zitierte sie und senkte ihren Blick dabei. Völlig verwirrt starrte Manion sie an.
,,Nyrea und Lelaenia haben sich geliebt. Als sie eines Tages auf dem Endlosen Ozean waren, waren die Zwillingssterne ... also ich ... viel näher an Tría als sonst. Da jeder Stern eine Königin beleuchtet hat, denke ich, dass die Zwillingssterne deshalb beide Völker repräsentieren - die Nyreanen und die Dasmanten. Sie stehen für die Einigung dieser beiden Völker. Und da ich zu dieser Zeit ein Teil der Zwillingssterne war, repräsentiere auch ich die Einigung der Nyreanen und der Dasmanten." Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus.
Mit großen Augen sah Manion sie an. ,,Eine Nyreanin, die nicht nur den Namen der ersten Königin Dasmas trägt, sondern deren Magiequelle eine Mischung aus beiden Völkern ist. Weißes Feuer - das Sternenleuchten der Nyreanen und die Flammen der Dasmanten." Er hatte es erfasst - Lelaenia nickte zustimmend. ,,Lass mich raten : Du weißt das alles durch Die Geschichte von Nyrea und Lelaenia.", wissend sah er sie an.
,,Woher-", fragte sie verwirrt, doch Manion unterbrach sie. ,,Das ist das einzige Buch der Bibliothek, das ich nicht lesen durfte, weil es nur direkten Erben zugelassen ist. Aber wie ich dir vor Tagen erklärt hatte - niemand kennt die komplette Geschichte. Ich hatte mir schon so etwas in der Richtung gedacht.", erklärte er während er sich an den Baumstamm hinter ihm lehnte. Geschockt starrte Lelaenia ihn daraufhin an. Er hatte nicht wirklich jedes Buch dieser gigantischen Bibliothek gelesen, oder?
,,Es herrschte Krieg. Die meisten Nyreanen und Dasmanten aus dieser Zeit sind umgekommen. Der Krieg ... Der letzte Satz des Buches lautet "Bewahrt den Frieden."", murmelte sie kummervoll. Seufzend schloss Manion die Augen. ,,Keine Chance. Der Krieg ist nicht mehr zu verhindern.", flüsterte er trostlos. Lelaenia spürte, wie ihre Augen wieder glasig worden. ,,Nyrea und Lelaenia sind für diesen Frieden gestorben.", hauchte sie. Schluckend sah Manion weg. ,,Ich weiß. Und ich bin überzeugt davon, dass Symbole eine sehr große Macht haben. Vergiss das nie."
-----
Die nächsten Tage übten Lelaenia und Manion unglaublich viel. Und tatsächlich funktionierte es und Lelaenia konnte ihre Magie zumindest schon kontrollieren - bis auf einmal. Da ist ihr ganzer Körper wieder in Flammen aufgegangen und sie sprang verzweifelt in den Heiligen See. Das war nicht gut ausgegangen.
Sie konnte sich aber erholen und sich auf das große Fest der Nyreanen freuen, zu dem sie nun mit Manion ging. Noch bevor sie den Marktplatz ganz erreichten, hörte sie, wie ein Nyrean ganz laut rief: ,,Sie sind angekommen! Unsere penorischen Verbündeten sind sicher angekommen!"
Breit grinsend sah Lelaenia zu Manion, packte ihn am Arm und lief schneller. Als sie den Marktplatz erreichten, erkannte sie sofort die Zraonen, denn anders als die Nyreanen trugen sie ihre braungrüne Kleidung. Die Kleidung der Nyreanen hingegen war schwarzblau.
Die Zraonen sahen zwar mitgenommen und etwas hilflos aus, aber es schien ihnen alle gut zu gehen. Keiner hatte irgendwelche Verletzung davongetragen, wie Lelaenia erleichtert feststellte. Dennoch suchte sie unauffällig nach einem bekannten Gesicht, doch wie erwartet war Noryn noch nicht dabei. Er würde mit Randon kommen, da war sie sich sicher.
Plötzlich sah sie eine sehr junge Zraonin aus der Menge rennen - zu ihr. Und es war nicht irgendein Mädchen, sondern das Mädchen, mit dem sie auf dem Fest der Zraonen getanzt hatte - kurz bevor der Dasmant mit seinem Drachen gekommen war, um alles zu zerstören. Sie hatte sie nicht vergessen, denn sie hatte ihr geholfen, hat mit Hilfe ihrer noch so jungen Magie geholfen, die richtigen Schritte zu setzen. Mit ihren grünen Haaren, die sie fleißig zu Zöpfen geflochten hatte, erinnerte sie Lelaenia an Noryn.
Lächelnd ging Lelaenia auf die Knie, um sie in die Arme zu schließen. ,,Du erinnerst dich ja an mich! Wir haben gemeinsam getanzt und ich habe dir geholfen, weil du echt schlecht warst.", erzählte sie außer Atem und aufgeregt. Sofort fing Manion an zu lachen. Jedoch versuchte er, es schnell mit einem Husten zu überspielen. Böse funkelte Lelaenia ihn an, sah dann aber wieder lachend zu dem Mädchen. ,,Ja, du warst eine sehr große Hilfe.", grinste sie und stupste ihre Nase an. Kichernd nickte sie. ,,Ich heiße übrigens Elpida. Mutter hat gesagt, dass du mich beschützen wirst, wenn sie nicht mehr dazu in der Lage ist." Auf die Lippe beißend sah sie sie an. ,,Wo ist denn deine Mutter?", fragte sie vorsichtig. ,,Sie ist noch in Penoria, da bin ich mir sicher! Die anderen Zraonen haben mir aber die ganze Zeit auf dem Weg hierher gesagt, dass sie nicht mehr da ist. Dass sie niemals mehr nachkommen wird.", erzählte sie und verschränkte wütend ihre Arme.
Bestürzt sah Lelaenia zu Manion, der mitfühlend den Kopf senkte. Wie schrecklich ... wie überaus schrecklich. Erneut umarmte sie Elpida.,,Sie hatte aber recht. Ich werde dich beschützen, meine Kleine." Eine einladende Melodie ließ sie beide aufschauen. Die Nyreanen formten einen Kreis und die ersten fingen bereits an zu tanzen.
,,Du kannst nicht zufällig auch den Tanz der Nyreanen, oder?", fragte sie schmunzelnd. Grinsend nahm Elpida ihre Hand und zog sie zu den anderen. Entschuldigend sah Lelaenia kurz über die Schulter zu Manion, der ihr aber nur warm zu lächelte. ,,Die Tänze unterscheiden sich nicht großartig in den einzelnen Ländern.", erklärte sie kurz und nickte dann. ,,Keine Sorge, ich werde dir helfen!", versicherte sie ihr grinsend. Kurz darauf fing Elpida an, grün zu leuchten. Lelaenia spürte, wie sie geführt wurde, wie sie automatisch die richtigen Bewegungen traf und wie ihre Haare im Takt der Musik wehten.
Als sie einmal ihren Blick durch die tanzende Menge schweifen ließ, erkannte sie, wie Manion mit einem nyreanischen Krieger tanzte. Neugierig betrachtete sie, wie sie sich angrinsten und wie Manion ihm einmal zu zwinkerte.
Die Musik endete, woraufhin Lelaenia Elpida ein letztes Mal drückte, bevor sie zu den anderen Zraonen rannte. Die Stimmung hatte sich plötzlich geändert und alle Nyreanen sahen erwartungsvoll zum Himmel. Eine Hand legte sich auf ihre Schulter, die sofort anfing zu prickeln. ,,Warte ab.", hauchte Manion ihr ins Ohr und legte wie alle anderen den Kopf in den Nacken.
Als Lelaenia es sah, konnte sie ihren Augen nicht trauen. ,,Was ..." Die Sterne am Himmel, die zu den Nyreanen hier gehörten, schienen ganz langsam näher zu kommen, größer zu werden. Lelaenia konnte genau sagen, welcher Stern zu welchem Nyreanen gehörte. Sie hatte das Gefühl, das unsichtbare Band zwischen ihnen erkennen zu können. Deshalb wusste sie auch genau, dass es Manions Stern war, der nun direkt über ihr schien. ,,Er ist .. wunderschön.", hauchte sie fasziniert, was Manion nur lächeln ließ.
Mit der Zeit wurde die Nacht dunkler und die Sterne entfernten sich wieder. Die Zraonen wurden in der Nähe des Palasts untergebracht und die Nyreanen verabschiedeten sich von einander, wohl wissend, dass diese Nacht wahrscheinlich die letzte war, in der sie unbeschwert feiern konnten. ,,Ich möchte dir etwas zeigen.", raunte Manion als nur noch eine handvoll Nyreanen da waren. Neugierig nickte Lelaenia und ließ sich führen. Dementsprechend war sie etwas verwirrt, als sie am Heiligen See ankamen. Und noch verwirrter war sie, als Manion plötzlich auf dem See stand ohne zu versinken.
Lächelnd hielt er ihr eine Hand hin, doch Lelaenia schüttelte hastig ihren Kopf. ,,Ich weiß ja nicht, wie du das machst, aber bei mir wird es nicht funktionieren!", warnte sie ihn. Grinsend deutete Manion auf seine Füße, woraufhin sie genau hinsah und erkannte, dass kleine, aber feste Eisschollen ihn hielten. ,,Ich lasse dich schon nicht fallen.", versicherte er ihr, weshalb sie vorsichtig seine Hand nahm und auf das Wasser zu lief. Und tatsächlich blieb sie auf der Oberfläche.
Als sie etwa die Mitte des Sees erreicht hatten, blieben sie stehen. Die ganzen Sterne schienen vom Marktplatz hierher gewandert zu sein, was am Wasser gespiegelt wurde. Da sich auf der Oberfläche kleine Bläschen bildeten und wieder platzten, sah es so aus, als würde es zahlreiche Sternenexplosionen um sie herum geben.
Manion ging einen weiteren Schritt nach vorne. Augenblicklich stand er auf eine große Eisplatte. Lelaenia folgte ihm und ließ sich nieder.
Sie sah zum Himmel und erkannte etwas weiter entfernt ihre Zwillingssterne. Ihre Augen funkelten, als sie zu Manion sah. ,,Nyrea und Lelaenia ... haben sich ein Jahrhundert lang jeden Monat auf einer Eisplatte getroffen.", flüsterte sie und spürte, wie ihre Wangen sich dabei erhitzten. Langsam legte Manion seine Hände an ihren Wangen. ,,Ich weiß.", raunte er und legte seine Lippen auf ihren.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top