30. Offenbarung
♪ Fight from the inside - Queen
❃ ❃ ❃ L I A M ❃ ❃ ❃
Tief atmete ich ein und wieder aus.
Mein Herz arbeitete gerade wie ein Bohrhammer und das Blut rauschte unkontrolliert in meinen Ohren.
„W- was soll das heißen, du bist schwanger?", fragte ich dümmlich. Ich kam mir vor wie im falschen Film. Das durfte alles nicht wahr sein.
„Liam,", begann Sophia, „wir hatten ungeschützten Sex und ich wurde schwanger."
Wie von einer Tarantel gestochen sprang ich auf: „Du hast mir gesagt, du nimmst die Pille, verdammt! Ist es nicht so?"
Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte war ein Kind mit einer Frau, die ich nicht liebte.
„Ja, das ist richtig."
„Du hast mich gelinkt!" Hilflos fuhr ich mit beiden Händen durch mein Haar und wurde in der nächsten Sekunde völlig vor den Kopf gestoßen, als ich sie flüstern hörte: „Nicht so, wie du denkst."
„Was?" In diesem Moment verstand ich gar nichts mehr.
Sophia rappelte sich vom Boden hoch, langte nach der Tüte Chips, die auf dem Tisch lag, öffnete diese in aller Seelenruhe und stopfte sich die scharfen Dinger in den Mund. Als ich Tränen in ihren Augen schimmern sah, stutzte ich allerdings. Sie schluckte die Chips hinunter, schaute mich an und sagte leise: „Es tut mir so leid, Liam. Ich wollte - ich wollte es dir gar nicht sagen, aber du warst so ehrlich zu mir und da konnte ich einfach nicht lügen."
Das Ganze wurde immer merkwürdiger. „Du wolltest mir die Schwangerschaft verschweigen? Darf ich fragen, wieso? Wolltest du etwa abtreiben?"
Der Gedanke, dass sie mein Fleisch und Blut in sich trug, kam plötzlich in mir hoch. Und wenn ich ehrlich war, behagte mir die Vorstellung, dass sie das Baby vielleicht abtreiben könnte, überhaupt nicht. Das war nicht fair. Auch wenn es nicht aus Liebe entstanden war, so hatte es doch das Recht zu leben.
Sophia schüttelte ihren Kopf. „Nein, ich werde es nicht abtreiben."
Inzwischen saß sie auf dem Plüschsessel und spielte nervös mit dem Zipfel ihrer Strickjacke.
„Bitte hasse mich nicht, Liam, wenn ich dir jetzt die Wahrheit sage. Und bitte lass mich alles erzählen."
Da ich keine Wahl hatte, nickte ich und setzte mich in den anderen Sessel, um anschließend meine Aufmerksamkeit auf Sophia zu lenken. „Schieß los, ich höre dir zu."
Kurz wischte sie sich die Tränen aus den Augen, atmete tief durch und begann zu reden: „Ich wollte immer unabhängig sein in meinem Leben. Meine Karriere ist mir wichtig, aber ich wollte auch ein Kind." Sie machte eine kurze Pause, deren Bedeutsamkeit mir bewusste wurde, als sie den nächsten Satz aussprach: „Aber ich wollte nie einen Mann."
Eine seltsame Stille machte sich breit.
„Du wolltest nie einen?", hakte ich nach.
„Nein und ich möchte auch jetzt keinen Mann. Weder heiraten noch mit ihm zusammenleben. Aber ich möchte noch immer ein Kind. Mein Wunsch hat sich erfüllt, aber anders, als ich es anfangs geplant hatte."
Geplant? Alles in meinem Kopf schwirrte, ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen und ohne darüber nachzudenken, sprach die Frage aus: „Was war denn dein ursprünglicher Plan?"
Ihre Antwort fühlte sich an, als hätte man mir mit einem Hammer auf den Kopf geschlagen: „Ich hatte geplant, zu einer Samenbank zu gehen und mich künstlich befruchten zu lassen."
Sekundenlang rang ich nach Luft, aber dann kam mein Sarkasmus zum Vorschein: „Na, das Geld konntest du dir jetzt ja sparen."
Sofort hob Sophia ihre Hand und deutete auf diese Art und Weise an, dass sie noch nicht fertig war mit ihren Ausführungen.
„Wenn man zu einer Samenbank geht, meldet man sich zunächst online an, um unbegrenzten Zugang zu Fotos aus der Kindheit des Spenders sowie Sprachaufnahmen zu erhalten. Es gibt sogar verschiedene Filter, um anhand der körperlichen Merkmale genau den Spender zu finden, den man sucht. Ich habe mich da sehr genau informiert." Sie machte eine kurze Pause und ich war viel zu baff, um etwas entgegnen zu können. „Was man nicht weiß ist, wie der Mann sich gibt, welche Ausstrahlung er hat und wie er Menschen behandelt."
Eine Gänsehaut lief über meinen Rücken, während ich eine ungefähre Vorstellung ihrer Intension bekam.
„Dann habe ich dich getroffen und näher kennengelernt. Du-." Sie brach kurz ab, um sich zu sammeln. „Du bist perfekt, Liam. Genauso habe ich mir den Vater meines Kindes vorgestellt. Du wirst all diesen Anforderungen gerecht."
Sollte ich mich jetzt geschmeichelt fühlten, weil sie meinen Samen wollte?
„Ich wollte dir nicht in dein Leben reinpfuschen. Du sollst weder für das Kind bezahlen noch irgendwelche anderen Verpflichtungen haben. Deswegen habe ich nichts von meiner Schwangerschaft erzählt. Ich wollte-. Sie stoppte erneut und ich sah wie Tränen ihre Wangen hinunterliefen. „Ich wollte in den nächsten Tagen mit dir Schluss machen, damit du nichts von meiner Schwangerschaft mitbekommst. Ich wäre aus deinem Leben verschwunden."
Alles in meinem Kopf drehte sich.
Wie sollte ich das bloß Niall erklären? Sicher dachte er, ich würde ihn erneut verarschen. Meine Angst, ihn wieder zu verlieren, war enorm groß. Wie ein nicht bezwingbarer Berg türmte sich diese vor mir auf und meine Seele zog sich schmerzhaft zusammen.
Meine Gedanken sprangen hin und her. Von Sophia zu Niall, zu meiner Mutter, zu meinem Vater, den ich geschlagen hatte. Eltern waren etwas Einmaliges. Sie schenkten einem das Leben und egal, ob man zu ihnen Kontakt hatte oder nicht, ohne sie wäre man nicht auf der Welt.
„Bitte sag doch was, Liam." Flehend erklang Sophias Stimme in meinen Ohren, während ich versuchte, all die Informationen zu ordnen, mit denen sie mich regelrecht überfallen hatte.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll", erwiderte ich noch immer halb benommen, bevor ich fragte: „Hast du einen Scotch da?"
„Sicher."
Sie erhob sich und ich sah ihr nach, wie sie eine Flasche aus dem Schrank holte. „Warte, ich helfe dir." Sofort sprang ich auf, denn plötzlich kam ich mir unhöflich vor, weil ich mich von einer schwangeren Frau bedienen ließ.
Von einer Frau, die mein Kind unter ihrem Herzen trug.
Die hübsche Brünette reichte mir die Eiswürfel und ich kippte diese ins Glas. Seltsamerweise ertappte ich mich dabei, wie ich einen Blick auf ihren Bauch erhaschte, der noch ganz normal wirkte. Jedenfalls konnte ich keine Veränderung erkennen. Als Sophia meinen Blick bemerkte, hob sie ihren Pullover an, zog die Jogginghose nach unten und da bemerkte ich zum ersten Mal, dass ihr Bauch eine deutliche Wölbung zeigte. Es lag eine ganze Weile zurück, seit wir miteinander geschlafen hatten und ich Sophia nackt sah.
Langsam führte sie meine Hand zu ihrem Bauch und ich zitterte leicht, als meine Finger ihre Haut berührten.
„In welcher Woche bist du?", entfuhr es mir rau.
„Ende der zwölften."
Wenn ich sie richtig verstand, dann wollte sie keinen Kontakt mit mir. Kein Geld, keine Verpflichtungen. Aber das würde wohl auch bedeuten, dass ich das Kind nie sah. Eine Sache, die mir schlagartig gar nicht schmeckte.
Wenn ich schon ein Kind hatte, dann wollte ich auch Kontakt zu diesem halten, sehen wie es heranwuchs, sprechen und laufen lernte. Wir würden zwar nie eine Familie sein, dennoch sollte das Kind Teil meines Lebens werden. Einen Teil, den ich nie verleugnen wollte.
„Sophia." Meine Stimme klang leicht belegt. „Ich denke, wir sollten reden. Ich möchte nicht, dass wir keinen Kontakt mehr miteinander haben. Ich möchte unser Kind in regelmäßigen Abständen sehen können."
„Aber Liam, ich möchte dir keine Bürde auferlegen. Ich will dein Geld nicht, ich will nur dieses Baby."
Tränen schimmerten in ihren Augen und ich schluckte hart. Es war verdammt schwer, böse auf Sophia zu sein, auch wenn sie und dieses Baby mein Leben gerade völlig durcheinanderbrachten.
Gedankenverloren kippte ich den Whiskey hinunter, stellte das Glas ab und schloss für einen kurzen Moment die Augen: „Wie soll ich das nur Niall erklären?"
„Niall?", kam es überrascht.
In diesem Augenblick fiel mir ein, dass ich Sophia gar nicht gesagt hatte, mit wem ich zusammen war. Ich hatte nur von einem Mann gesprochen.
„Ja, Niall. Ich bin mit Niall zusammen."
Als ich den Kopf hob, sah ich ihr Lächeln. „Niall ist wundervoll. Ich mag ihn so gerne und es freut mich für dich, dass du jemanden gefunden hast, den du liebst."
„Ob er mich dann noch liebt, wird sich zeigen", murmelte ich zerknirscht. „Sophia, was hast du dir nur dabei gedacht? Du hättest mich fragen können. Ich hätte vielleicht sogar mitgemacht und das Kind mit vollem Wissen gezeugt", machte ich meinen Standpunkt klar.
„Ich dachte, du bist in mich verliebt", verteidigte sie sich. „Und das hätte in meinen Augen nur Komplikationen gegeben."
Wenn man es auf diese Art und Weise betrachtete, musste ich ihr recht geben. Ein klein wenig fühlte ich mich sogar geschmeichelt, weil meine Schauspielkünste wohl doch nicht so schlecht waren, wie gedacht.
„Ich muss nachdenken", sprach ich, „wie ich das Niall beibringe, denn ich möchte ihn weder anlügen noch etwas vor ihm verheimlichen. Ich habe versprochen, ihn heute noch anzurufen, aber diese Sache kann ich nicht am Handy klären."
Sophia stimmte mir zu: „Auf keinen Fall. Das solltest du unter vier Augen mit ihm besprechen. Vielleicht kannst du ja morgen zu ihm fliegen."
Leicht gequält lachte ich auf. „Das kannst du vergessen. Onkel Ken gibt mir sicher nicht noch einen Tag frei. Ich hatte letzte Woche schon Urlaub, wegen Großvater."
„Einen Versuch ist es wert. Vielleicht gewährt er dir noch einen Tag", meinte Sophia zuversichtlich.
Ihr Optimismus schien grenzenlos und dafür beneidete ich sie. Schnellstmöglich wollte ich nur nach Hause, meine Sachen packen und morgen in aller Frühe nach Vermont fliegen.
„Ich muss gehen, Sophia. Bitte pass auf dich auf." Hatte ich das wirklich gerade gesagt?
„Liam, bitte warte einen Moment."
„Das kann ich nicht, Sophia."
„Dann musst du mir versprechen, vorbei zu kommen, bevor du zu Niall fliegst, okay?"
Was sollte das nun schon wieder? Genervt gab ich dir das Versprechen und machte mich schleunigst auf den Weg.
Es war kurz nach neun, als ich das Haus betrat und sofort von Onkel Ken im Flur abgefangen wurde. „Bitte begleite mich in den Salon, ich hätte da einige Fragen an dich."
Auch das noch! Heute war irgendwie nicht mein Tag.
Zu meiner großen Überraschung war der Salon nicht leer, sondern alle, die in diesem Haus wohnten, glänzten durch ihre Anwesenheit.
„Wow, was ist denn hier los? Eine Familienfeier?", versuchte ich die leicht angespannte Atmosphäre aufzulockern.
„Mitnichten", riss Onkel Ken das Wort an sich. Er klang äußerst barsch und voll böser Ahnung setzte ich mich in den großen Ohrensessel. Mit Magendrücken im Bauch beobachtete ich, wie Onkel Ken sein iPad in die Hand nahm und mir dieses überreichte.
„Man hat diese Bilder von dir und Niall veröffentlicht. Deine Mutter meinte, ich solle dich selbst darauf ansprechen. Das tue ich hiermit. Was hat das zu bedeuten?"
Niall und ich am Flughafen in Houston, wie wir uns zum Abschied küssten und umarmten. Gestochen scharfe Fotos, da kam kein Zweifel auf. Jetzt war es soweit, mein Outing vor der ganzen Familie stand an. Überraschenderweise fühlte ich so etwas wie Erleichterung in mir aufsteigen, denn ich konnte nicht mehr länger Versteck spielen. Meine Seele und mein Herz platzten fast vor Emotionen und diese noch weiter zurückzuhalten ging einfach nicht mehr. Ich war am Limit.
Kurz räusperte ich mich. „Also ich denke, man sieht genau was da passiert. Ich verabschiede mich von dem Mann, den ich liebe. Er ist nach Vermont geflogen."
Ich hörte wie Onkel Ken tief atmete, sah wie meine Mum und Harry mir anerkennend zunickten, wie Gillian grinste, Milo ein klein wenig überrascht dreinschaute, Tante Charly erst zuckte und dann lächelte und Großvater sich nachdenklich am Kinn kratzte. Er war auch der Erste, der das Schweigen brach: „Das bedeutet dann wohl keine Enkelkinder von dir. Wie schade."
Wenn der wüsste. Da ich nicht vorhatte, meine Familie an diesem Abend noch weiter zu schockieren, schwieg ich beharrlich.
„Ist das alles, was du dazu zu sagen hast, Liam?" Onkel Ken stand vor mir und ich sah, wie die Adern an seiner Stirn anschwollen. Bevor er jedoch noch ein weiteres Wort an mich richten konnte, griff meine Mutter ein.
„Ken, wir leben doch nicht mehr im letzten Jahrhundert. Mein Sohn ist bisexuell und er liebt einen Mann. Er hat es mir und Harry bereits vor einigen Tagen erzählt. Aber ich sah es nicht als meine Aufgabe, dich darüber zu informieren."
„Nicht deine Aufgabe, Flora?", schnaufte mein Onkel und wieder fiel ihm jemand ins Wort. Gillian baute sich direkt vor ihm auf: „Ich wusste es auch und ich finde es ist egal, wen man liebt. Wenn Liam sich zu Niall hingezogen fühlt, dann können wir uns glücklich schätzen, dass er so einen tollen Partner an Land gezogen hat."
Am liebsten hätte ich sie für diesen Satz geknutscht. Gillian war so ein Goldstück, jemand, der sich nichts gefallen ließ und für andere einstand, wenn es darauf ankam.
„Ich hätte eine Frage, Liam", mischte Tante Charly sich ein. „Was ist mit Sophia?"
„Oh, wir sind nicht mehr zusammen. Wir haben uns in gegenseitigem Einvernehmen getrennt", erklärte ich, wobei mein Herz wie ein Dampfhammer arbeitete.
Getrennt und doch erwartete sie ein Kind von mir.
Meinen eigentlichen Plan im Kopf, erhob ich mich aus dem Sessel. „Tut mir leid, Leute, ich werde morgen mit der Presseabteilung von Dearing Oil sprechen, damit sie das alles in der Öffentlichkeit darlegen." Anschließend wandte ich mich gezielt an meinen Onkel: „Ich brauche für morgen einen Tag frei, denn ich muss nach Vermont, zu Niall. Es ist sehr wichtig."
Bevor er darauf antworten konnte, erwiderte Mum: „Urlaub ist genehmigt. Gute Reise und viele Grüße an Niall."
Unangefochten hatte ich die beste Mutter der Welt. Aber auch die besten Freunde an meiner Seite.
Milo leistete mir später Gesellschaft, als ich am Pool stand und auf das Wasser blickte, um meine Gedanken und Gefühle zu ordnen.
„Saustarke Aktion von dir, Liam", sprach er, wobei er mir auf die Schulter klopfte. „Ich fand das sehr mutig von dir und was Ken angeht, der wird sich schon wieder einkriegen."
Leise lachte ich auf. „Das hoffe ich doch."
Milo reichte mir ein Bier und wir stießen miteinander an. Weißt du, was ich an der Geschichte am besten finde?", meinte er.
„Was denn?"
„Dass Niall dein Auserwählter ist. Er passt so richtig gut in unsere Familie. Mit ihm kann man Pferde stehlen und ich hoffe, dass ihr so glücklich miteinander werdet wie Gillian und ich."
Mit größter Mühe hielt ich meine Tränen zurück. Ich hatte elendige Angst, dass morgen alles vorbei sein würde.
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Hallo meine Lieben, ein neues Kapitel, das ein wenig Aufklärung gebracht hat.
Hättet ihr vermutet, dass dies Sophias Absicht war? Und wie steht ihr dazu?
Mochtet ihr Liams Reaktion und sind seine Gedanken nachvollziehbar?
Was denkt ihr, wie Niall auf das alles reagiert?
Danke für eure Kommentare und Votes und dass ihr diese Geschichte noch immer lest.
LG, Ambi xxx
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