01. Lasagne

♪ Hungry - Lita Ford


G I L L I A N


Eine Mischung aus Traurigkeit aber auch Verständnis befand sich seit Tagen in meinem Herzen.

Genauer gesagt, seit dem Moment, in dem Niall uns mitgeteilt hatte, dass er Texas verlassen würde, um in seine Heimat zurückzukehren. Obwohl ich ihn verstand, nachvollziehen konnte, dass er diese Erbschaft nicht ausschlug, vermisste ich ihn jetzt schon.

Niall war persönlich verbeigekommen, um uns diese Hiobsbotschaft mitzuteilen. Aber er versprach Milo und mir, dass er sich nach wie vor um die Hochzeit kümmern würde. Das Meiste war Gott sei Dank bereits erledigt und die Dinge, die noch offen standen, konnte er per E-Mail erledigen.

Auf meine Frage, ob er denn trotzdem bei unserer Hochzeit Gitarre spielen und auch als Gast anwesend sein würde, hatte er mit einem klaren Ja geantwortet. Dennoch gab es etwas, das ich unter vier Augen mit ihm besprechen wollte, soweit man ein Gespräch über die Webcam als solches bezeichnen konnte.

Dank der modernen Kommunikationstechnik war das möglich, obwohl uns viele Meilen trennten. Per Whatsapp vereinbarten wir einen Tag sowie die Uhrzeit und ich hatte bei diesem Termin extra darauf geachtet, dass Milo uns nicht in die Quere kam. Schließlich ging es um ihn oder besser gesagt, um seinen Junggesellenabschied.

Pünktlich um ein Uhr saß ich am Freitagmittag vor meinem Tablet und wartete auf Nialls Anruf. Er hatte versprochen sie zu melden, sobald er seine Mittagspause antrat und wie immer, hielt er die Abmachung ein.

„Hallo Gillian", begrüßte er mich lächelnd und ich erwiderte den Gruß des jungen Mannes: „Hallo Niall, wie geht es dir?"

„Ach, ich habe viel Arbeit im ehemaligen Geschäft meines Großonkels." Seine blauen Augen leuchteten mir voller Tatendrang entgegen. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass sie einen Hauch von Trauer trugen. Verständlich, wenn man bedachte, dass sein Großonkel erst vor einigen Tagen gestorben war.

„Vergiss nicht, es ist jetzt dein Geschäft", erinnerte ich ihn an die Tatsache, die man nicht mehr wegdiskutieren konnte.

„Ich weiß, dennoch fühlt es sich für mich komisch an. Es ist-." Er brach kurz ab, sammelte sich, um dann erneut zu reden: „Es fühlt sich an, als ob mein Großonkel jeden Moment zur Tür hineinkommt und überprüfen will, was ich fabriziert habe."

Auch das vermochte ich mir gut vorzustellen. Manchmal sah ich meine Großmutter noch immer in der Küche werkeln, wie sie Kuchen backte und bildete mir ein, den Duft des Apfelkuchens zu riechen. Ich vermisste meine Oma aber zum Glück weilte Großvater, mit dem ich meine Leidenschaft zu alten Autos teilte, noch unter uns.

„Also, weshalb wolltest du mich unter vier Augen sprechen?", holten Nialls Worte mich aus den tiefen Gedanken. Dabei zwinkerte er mir zu und das produzierte ein Lächeln auf mein Gesicht.

„Es geht um den Junggesellenabschied. Ich konnte dich schlecht danach fragen, als wir zu dritt redeten."

„Das ist wahr", stimmte Niall zu und in diesem Moment bildete ich mir ein, eine Sorgenfalte auf seiner Stirn zu sehen.

„Sag bitte nicht, dass du das nicht machen kannst." Ich hatte echt Schiss, dass er abspringen würde, aber wie so oft bewies Niall aus welchem Holz er geschnitzt war.

„Nein, keine Sorge. Ich habe dir das versprochen. Es ist ja kein Problem, alles von hier aus zu organisieren."

Mir fiel ein Stein vom Herzen, was ich durch ein erleichtertes Aufatmen äußerte.

„Ich bin dir echt dankbar dafür, weißt du das? Und irgendwann kommen wir dich mal besuchen. Meine Schwester lebt ja in Burlington, von daher würde sich das anbieten."

Da ich die Einladung an Cheyenne und Stanley persönlich verschickt hatte, wusste Niall das natürlich nicht und reagierte umso erstaunter. „Wirklich? Was hat sie denn dahin verschlagen?"

„Die Liebe."

Im Grunde genommen entsprach dies der Wahrheit. Nachdem Cheyenne von zuhause abgehauen war, lebte sie zunächst in New York, wo sie als Messe-Hostess arbeitete. Dort lernte sie Stanley auf einer Musikmesse kennen. Die beiden blieben in Kontakt, verliebten sich und Cheyenne ging mit ihm nach Burlington, seine Heimat.

Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, glaubte ich einen Schatten über seinem Gesicht zu sehen. Fast hatte es den Anschein, als wäre Niall unglücklich verliebt, aber fragen wollte ich ihn nicht danach. Meines Erachtens wäre das taktlos.

Stattdessen richtete ich eine andere Frage an ihn: „Hast du dich schon in Burlington eingelebt?"

Sein Blick hellte sich auf. „Ein bisschen, aber ich vermisse das warme Wetter in Texas. Das hat mich viel zu sehr verwöhnt."

Wir auf Kommando lachten wir beide los. „Soll ich dir ein wenig Sonne mitbringen, wenn ich mal vorbeikomme?", wollte ich wissen und Niall lächelte.

„Du bist Sonne genug, Gillian."

Ein wenig errötete ich, als er das so offen aussprach, andererseits schätzte ich seine Offenheit über alles. Niall trug sein Herz auf der Zunge, genau wie Milo und diese Eigenschaft imponierte mir einfach.

Wir unterhielten uns noch eine Weile und Niall klagte mir sein Leid bezüglich Isabella. „Wenn du möchtest, kann ich gerne mal nach ihr schauen", bot ich an. Ich mochte den alten Wagen, denn er besaß Persönlichkeit, genau wie Rusty.

„Ich denke Louis kümmert sich um sie", meinte Niall seufzend. „Ich vermisse sie einfach aber leider kann ich sie nicht kaufen."

„Vielleicht ändert sich das ja irgendwann", sprach ich ihm Mut zu und hatte dabei im Hinterkopf, ihm einen extra Bonus wegen des Junggesellenabschieds auszuzahlen.

Nachdem ich die Webcamunterhaltung mit Niall beendete hatte, spurtete ich in die Küche, wo Harry stand und konzentriert auf sein Tablet starrte. Freitags hatte er meist früher Feierabend, war sogar schon geduscht und umgezogen und schien voller Tatendrang zu sein.

„Du kommst wie gerufen, Gillian", meinte er. „Liam bringt morgen seine Freundin zum Essen mit nach Hause aber Sophia isst nur vegan."

„Vegan?" Entsetzt blickte ich Harry an. „Und was habe ich mit Pfanzenfressern zu tun? Du weißt, wie sehr ich Fleisch liebe. Ich kann nicht vegan kochen."

„Man kann alles kochen, wenn man das entsprechende Rezept findet", kam es zurück. „Und ich suche nach einem, das uns allen schmeckt."

Ein wenig überrumpelt ging ich auf ihn zu, erhaschte dabei einen Blick auf das Tablet. „Vegane Zucchini-Linsen-Lasagne, das klingt-."

„Gewöhnungsbedürftig, wolltest du wohl sagen", vollendete Harry meine Gedanken.

„Das trifft es auf den Punkt", kommentierte ich lachend. „Aber weißt du was? Wenn wir danach noch Hunger haben sollten, fahren wir einfach zu Hardee's und essen Burger."

Harry brach in lautes Gelächter aus und ich stimmte mit ein.

„Also lass uns die Einkaufsliste schreiben und dann losfahren. Du kommst doch mit?"

Noch niemals konnte ich ihm etwas abschlagen, denn er war auch immer für mich da, wenn ich ihn brauchte.

„Vielleicht sollten wir nach einem Laden schauen, der speziell auf vegane Ernährung ausgerichtet ist", schlug ich vor, was Harry begeistert annahm.

Tatsächlich fanden wir im Internet eine Adresse, die Harry in der Navigation eingab, als wir später in seinem Wagen saßen. In meinem Handy war die Einkaufsliste gespeichert, die ich nochmals gründlich studierte.

Vor dem Laden angekommen, parkte Harry seinen Pick-Up fast direkt am Eingang und ich hüpfte buchstäblich nach draußen. Gemeinsam marschierten wir hinein und begannen mit der Suche der benötigten Zutaten.

„Zucchini sind hier." Harry suchte die größten Teile aus und packte sie sorgfältig in den Einkaufswagen, der sich nach wenigen Minuten füllte.

Linsen, Zwiebeln, Tomatenmark, Knoblauch, Pflanzenöl, Margarine, Paprikapulver, Balsamico Essig, Rosmarin- und Thymianzweige, mehrere Dosen gehackte Tomaten, Kreuzkümmel, sowie Dinkelmehl, Pflanzendrinks und Hefeflocken landeten darin.

„Scharfen Senf haben wir zuhause, den müssen wir nicht mitnehmen", erklärte ich, als Harry danach suchte. Grundsätzlich aß ich meine Hot Dogs mit scharfem Senf, deswegen wusste ich das.

„Wer kocht das Gericht eigentlich?", fragte ich, als wir an der Kasse standen.

Harry zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung. Mir wurde nur aufgetragen, für die Einkäufe zu sorgen."

„Von wem?"

„Flora."

Wie es sich später herausstellte, wollte meine Tante gemeinsam mit meiner Mutter am morgigen Tag in der Küche stehen, um das vegane Gericht zuzubereiten. Liam war ihr Sohn und da ließ es Flora sich nicht nehmen, seine Freundin zu verköstigen. Gott sei Dank war ich raus aus dieser Nummer.

Immerhin bot ich an diesem Abend an, den Tisch zu decken, wobei Milo mir half. Harry kümmerte sich um die Auswahl der Getränke und mein Vater glänzte durch Abwesenheit. Erst als das Essen im Ofen verweilte, tauchte er plötzlich mit Großvater im Schlepptau auf.

„Das duftet ja herrlich", meinte er.

„Es ist auch gleich fertig und Liam und Sophia sollten jede Minute hier sein", kam es von Mum, die gerade ihre Schürze ablegte. Darunter kam ein Kleid vom Vorschein, das ihr ausgezeichnet stand. Insgeheim bewunderte ich meine Mutter wegen ihrer guten Figur. Immerhin hatte sie zwei Kinder zur Welt gebracht, setzte aber keinen Speck an. Ich hingegen musste aufpassen, was ich aß, damit mein Hintern nicht zu dick wurde.

Pünktlich um sieben hörten wir das Geräusch eines Motors und kurz darauf Schritte im Flur. Wie gewöhnlich standen alle vor dem Essen im Salon, um den Aperitif einzunehmen. Dieses Mal war Harry dafür zuständig gewesen und hatte sich für einen Cassis-Aperitif entschieden, in dem ein Rosmarinzweig steckte. Vermutlich handelte es sich dabei um die übriggebliebenen, die keinen Platz mehr in der Lasagne fanden. Wie so oft kam hier Harrys Einfallsreichtum zum Vorschein.

Alle Augen richteten sich auf das Paar, das nun eintrat und als ich Sophia anschaute, fiel mir erneut auf, welch tolle Ausstrahlung sie hatte. Bereits bei Tarzan auf dem Ball hatte ich dies bemerkt und mich gefragt, weshalb sie nicht liiert war. Allerdings erwartete ich nicht, dass ein Playboy wie Liam solch eine tolle Frau an Land zog. Sollte er am Ende mal vernünftig geworden sein und seinem Lotterleben abschwören?

„Hallo Leute, ihr kennt Sophia ja bereits von Tarzans Party", stellte er uns die junge Frau vor, die daraufhin ein wenig errötete. Ich konnte das nachvollziehen, denn unsere Familie war nicht nur groß, sondern auch laut und forsch.

„Natürlich, ich erinnere mich", sprach Tante Flora und ging auf Sophia zu. „Herzlich willkommen im Hause der Dearings. Ich bin Liams Mum."

„Darf ich einen Aperitif anbieten?" Harry reichte ihr das Glas und Sophia bedankte sich artig.

Nachdem jeder einen Aperitif in der Hand hielt, stießen wir an und ich beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Großvater den edlen Drink auf ex abkippte. Anschließend wischte er sich mit dem Hemdsärmel über den Mund. Mit aller Gewalt verbiss ich mir das Lachen, drehte mich zu Milo und verbarg meinen Kopf in seiner linken Schulter.

„So zutraulich heute", wisperte er mir ins Ohr und automatisch begann ich zu grinsen.

In der nächsten Minute rief Mum zu Tisch und alle verließen den Salon.

Neugierig musterte ich Liam, der seinen Platz neben Sophia einnahm und ganz plötzlich musste ich an Niall denken. Er hätte sicher in die heutige Runde gepasst und Spaß gehabt, einmal veganes Essen auszuprobieren. Vielleicht sollte ich ihm davon erzählen.

„Was gibt es denn zu essen?" Misstrauisch blickte Großvater auf die Auflaufformen, die Tante Flora und Mum auf dem Tisch abstellten.

„Das ist vegane Lasagne, Dad", meinte Tante Flora. „Wir wollten das schon lange einmal ausprobieren und als Liam erwähnte, dass Sie vegan leben, Sophia, haben wir das zum Anlass genommen. Nicht war, Charly?"

Sie blickte meine Mutter an, die eifrig nickte.

Während mein Vater gute Miene zum bösen Spiel machte, hielt Großvater nicht mit seiner Ansicht zurück. „Kein Fleisch? Nicht mal Fisch? Und davon soll ich satt werden?"

„Du wirst es überleben, Dad. Außerdem schadet es dir nicht, mal einen fleischlosen Tag einzulegen", wies Flora ihn zurecht.

Großvater murmelte irgendwas von Grünzeugfresser und ich verkniff mir erneut das Lachen.

„Es ist wirklich sehr lieb von Ihnen, dass Sie sich solche Mühe gegeben haben", ließ Sophia sich vernehmen. „Die Lasagne schmeckt ausgezeichnet."

Liam grinste zufrieden drein, während Milo seinen ersten Bissen mit zweifelndem Gesichtsausdruck kaute. Schlecht schmeckte es beileibe nicht, zumal die Lasagne gut gewürzt war, dennoch fehlte mir der Geschmack von Fleisch.

Milo schien es ähnlich zu gehen, wir verständigten uns mit Blicken, sprachen jedoch ansonsten nicht über das Essen.

Wie zu erwarten gefiel es meiner Familie sehr, dass Liam sich eine Modedesignerin geangelt hatte, die zudem mein Brautkleid entworfen hatte. Sophia kam richtig gut in der Runde an, aber ich fragte mich, weshalb Liam mir gegenüber nie etwas gesagt hatte. Für gewöhnlich erzählten wir uns solche Dinge nämlich.

Da ich neben Sophia saß, sprach ich natürlich länger mit ihr und spürte von Minute zu Minute wie sie lockerer wurde. Sie trank bereits ihr zweites Glas Wein, ebenso wie Liam und ich fragte mich, ob sie wohl heute Nacht hier schlafen würde. Auch beim dritten Glas sagten die beiden nicht nein, weshalb ich immer gespannter wurde, wie dieser Abend wohl für die beiden endete.

„Sophia bleibt übrigens heute Nacht hier", verkündete mein Cousin, als Dad die harten Getränke auffuhr. Scotch auf Eis. Den lehnte mein Liam niemals ab und brauchte das heute auch nicht zu tun.

Während sich das Hungergefühl in meinem Magen erneut aufbaute, wartete ich darauf, dass die beiden endlich zu Bett gehen würden. Wenn man frisch verliebt war, wollte man doch so viel Zeit wie möglich in trauter Zweisamkeit genießen.

Dann, nach einer gefühlten Ewigkeit verkündete Liam, dass er sich nun mit Sophia zurückziehen wollte.

„Bis morgen und viel Spaß euch noch", rief ich den beiden hinterher.

Als wir hörten, wie die Tür sich schloss, war es Harry, der mit einem Satz herausplatzte, der mir aus der Seele sprach: „Und wer fährt jetzt zu Hardee's, Burger holen?"

Milo war der Einzige, der nur ein Glas Wein getrunken und seinen Scotch noch nicht angerührt hatte. „Ich und Gill kommt mit. Also, was sollen wir mitbringen?"

Ich wurde fast fünfzig Dollar bei Hardee's los, aber es lohnte sich. Noch im Auto fing ich an, meinen Viertelpfünder zu verspeisen und ließ Milo abbeißen, der mit den Satz: „Mir hängt der Magen in den Kniekehlen", mein Herz erweichte.

Auch der Rest der Familie saß bereits wie auf heißen Kohlen und als wir die Packungen mit den Burgern auf den Tisch legten, stürzten sich alle wie die Geier darauf. Allen voran Großvater.

„Vegan", schnaufte er erbost, „das ist der größte Scheiß, den ich jemals gehört habe. Davon wird man niemals satt. Hoffentlich setzt Liam sich da durch und mutiert nicht auch zu einem Grünzeugfresser."

Damit hatte er alle Lacher auf seiner Seite.

Als ich später mit Milo im Bett lag und mich in seine Armel kuschelte, nahm ich mir fest vor, meinen Cousin Liam in den nächsten Tagen auszuhorchen.

Ich wollte wissen, wie ernst es ihm mit Sophia war.

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Hallo meine Lieben, pünktlich zum Sonntag ist hier das neue Update.

Was denkt ihr darüber, dass Liam Sophia mit nach Hause genommen hat? Und sie sogar bei ihm schläft?

Könnt ihr verstehen, dass Gillian Niall vermisst?

Glaubt ihr, sie besucht ihn tatsächlich in Burlington?

Und was wird wohl in der Nacht zwischen Liam und Sophia passieren?

Danke an alle, die auch diesen zweiten Teil lesen. Wenn euch das Kapitel gefallen hat, lässt mir doch bitte ein Sternchen da. Wenn nicht, tretet mir in den Hintern. ^^

LG, Ambi xxx

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