38. Zahltag
♪ Girl – Maren Morris
❃ ❃ ❃ E L E A N O R ❃ ❃ ❃
Seit Tagen vergrub ich mich in meiner Arbeit.
Die Planung für die Hochzeit der Tochter des Bankdirektors war nun in vollem Gange und ich schuftete bis in die Nacht hinein, da ich noch einen weiteren Auftrag angenommen hatte.
Eigentlich war es nie gut auf zwei Hochzeiten zu tanzen, wie man so schön sagte, aber in diesem Fall erachtete ich es als dringend notwendig. Dies lenkte mich nämlich von meinem Herzschmerz ab.
Ich wollte nicht an Louis denken und nicht an das, was er mit mir gemacht hatte. Wie konnte man nur so boshaft sein? Er nutzte mich aus und ich fiel auf seinen Charme, sein gutes Aussehen und den tollen Sex rein wie ein pubertierender Teenager.
Wo zum Teufel war meine Menschenkenntnis geblieben? Die hatte sich wohl vor Louis in der hinterste Ecke versteckt und ich besaß nun das Nachsehen.
Jedes Mal, wenn mir nach Heulen zumute war, und das kam leider ziemlich oft vor, holte ich die Unterlagen für eine der beiden Hochzeiten hervor und brütete darüber, um alles perfekt zu machen.
Horan und Tomlinson sollten in der Zukunft keine Chance haben, irgendeinen Auftrag zu ergattern. Ich wollte hier in Midland die Nummer eins werden und diesen beiden Vollpfosten zeigen, dass sie ohne mich gar nichts auf die Reihe kriegten.
Obwohl ich auch von Niall sehr enttäuscht war, richtete sich mein größter Groll gegen Louis.
Mir eine Beziehung vorzuspielen und mich hinterrücks auszuhorchen, damit er Kohle verdienen konnte, das fühlte sich an, als ob man mir ein Messer ins Kreuz gerammt hätte.
Ich war unglaublich wütend. Aber ich war auch traurig, denn ich hatte mich tatsächlich in Louis verliebt.
Wieso geriet ausgerechnet ich an so einen miesen Typen?
Nach einer Weile raffte ich seufzend die Unterlagen wieder zusammen. Ich konnte mich einfach nicht so konzentrieren, wie ich es brauchte. Und das ging seit einiger Zeit so. Kopfschmerzen quälten mich und permanente Müdigkeit. Meine Gliedmaßen fühlten sich an, als seien sie mit Blei gefüllt und bei jedem Schritt, den ich machte, hatte ich die Befürchtung, beinahe umzufallen.
Es war neun Uhr abends und ich beschloss, eine Pause einzulegen. Mit dem Handy in der Hand lief ich in die Küche, füllte Wasser in den Wasserkocher und suchte nach meinem Lieblingstee, den ich immer dann trank, wenn ich mich nicht gut fühlte.
In der hintersten Schrankecke fand ich schließlich die Packung, aber leider hatte der Tee das Mindesthaltbarkeitsdatum um mehr als drei Monate überschritten.
„Mist", murmelte ich und überlegte, ob ich schnell in den nächsten Walgreens Shop fahren sollte, um neuen Tee zu besorgen. Aber mittlerweile war ich so müde, dass ich diesen Gedanken verwarf. Dann musste es eben der frisch gekaufte Orangensaft tun. Er schmeckte zwar nicht so gut wie Louis Selbstgepresster, aber in der Not fraß der Teufel fliegen. Im Grunde genommen schiss ich auf den selbstgepressten Orangensaft, Hauptsache ich war nicht mehr mit diesem blöden Mistkerl zusammen, dessen Verantwortungsbewusstsein vermutlich geringer war, als das einer Stubenfliege.
Missmutig öffnete ich die Kühlschranktür und wurde durch das Läuten der Türglocke überrascht. Wer besuchte mich denn zu dieser Uhrzeit?
Unmotiviert schlich ich zur Eingangstür und betätigte die Sprechanlage.
„Hey, ich bin's, Max."
Mein bester Freund war natürlich immer willkommen und als er mich kurze Zeit später in seine Arme schloss, fühlte ich mich geborgen.
„Es ist schön, dass du da bist", murmelte ich, den Kopf in seiner Brust vergraben.
„Ich wollte nach dir schauen. Gestern hast du mir überhaupt nicht gefallen und um ehrlich zu sein, siehst du heute nicht besser aus."
Wenn ich etwas liebte, dann war das seine ungeschminkte Aufrichtigkeit, mit der er mich gerade bewarf.
„Mir geht es auch beschissen, noch dazu ist mein Lieblingstee alle, oder besser gesagt, abgelaufen."
Max griff nach der Packung, studierte sie kurz und meinte: „Wenn du möchtest, besorge ich dir welchen. Walgreens ist ja praktisch um die Ecke."
„Ach lass nur", winkte ich ab, da ich ihn nicht herumscheuchen wollte. Seine Gesellschaft war mir im Moment wichtiger als der Tee.
Wir beide kuschelten uns auf dem Sofa in meine riesige Patchworkdecke ein und ich schloss kurz die Augen. Selbst meine Lider fühlten sich schwer wie Blei an, das war doch nicht normal.
„Hast du letzte Nacht überhaupt geschlafen?", schlich sich Max' Stimme in mein Ohr und ich murmelte: „Wie ein Stein."
„Wenigstens etwas."
Max spielte mit meinen langen Haaren und prompt erzeugte dies ein Lächeln auf meinen Lippen. Er war immer so süß und vor allem stets zur Stelle, wenn man ihn brauchte. Ein richtig bester Freund eben.
Ich kuschelte mich näher an ihn heran und als er fragte, ob er mir eine Fußmassage verpassen sollte, da sagte ich nicht nein. Max machte das ganz hervorragend und tat dies regelmäßig bei mir. Vielleicht bekam ich so meinen Kopf ein wenig frei.
Während Max sich mit meinen Füßen vergnügte, scrollte ich über das Display meines Handys, öffnete den Kalender und überprüfte meine Termine. Morgen lag zum Glück nichts außer Haus an und somit würde ich mich in aller Ruhe der Sitzordnung von Hochzeit Nummer eins widmen können. Sitzordnungen nahmen immer besonders viel Zeit in Anspruch, zudem mussten sie akkurat ausgearbeitet werden. Nicht ein einziger Fehler durfte dabei unterlaufen, sonst kam es unweigerlich zu einer Katastrophe.
Gehässig grinste ich in mich hinein. Vermutlich würden weder Niall noch Louis eine gescheite Sitzordnung für die Hochzeit des Jahres auf die Reihe kriegen. Und schon wieder spürte ich den Klumpen in meiner Kehle, der sich zusehends in Richtung Magen bewegte. Mir wurde plötzlich kotzübel und ich zog reflexartig die Füße zurück.
„Eleanor, was zum Teufel-?"
Weiter kam Max nicht, denn ich stürzte förmlich ins Bad, wo ich es gerade noch bis zur Kloschüssel schaffte.
Es fühlte sich an, als würde ich all das Gift und die Galle ausspeien, die sich in letzter Zeit in mir angesammelt hatten, einschließlich der Tränen und der Wut.
Als ich endlich total entkräftet neben dem weißen Porzellangebilde zu Boden sank, spürte ich kurz darauf eine Hand, die meine Wange streichelte. Max war bei mir und das machte vieles einfacher.
„Soll ich dir aufhelfen?"
„Nein, geht schon."
Entschlossen rappelte ich mich hoch, unterstützt durch Max, der seine Hände an meinen Hüften platzierte. Er hatte wohl Angst, dass ich umfiel, aber ich war in dieser Hinsicht schon immer zäh.
Max betätigte die Toilettenspülung und ich spülte am Waschbecken meinen Mund aus, um den ekelhaften Geschmack loszuwerden. Dabei fiel mein Blick auf die Packung mit den Tampons, die auf der Ablage unterhalb des Spiegels lag.
Ich stutzte kurz, versuchte mich zu erinnern, wann ich sie zum letzten Mal gebraucht hatte und mich überkam leichte Panik.
Das lag eine Ewigkeit zurück.
Hektisch lief ich ins Wohnzimmer, Max hinter mir her und als wir fast gleichzeitig die Couch erreichte, hörte ich ihn sagen: „Könntest du mir bitte mal erklären, was mit dir los ist? Du läufst hier herum wie eine aufgescheuchte Tarantel."
„Charmant, mich mit einer Spinne zu vergleichen", entfuhr es mir, während ich nach meinem Handy griff, das unter der Decke verborgen lag.
Schnell öffnete ich den Kalender, ließ meine Augen unruhig über die Zahlen wandern und schrie laut auf: „Verdammte Scheiße! Das darf jetzt nicht wahr sein!"
Wie immer blieb Max die Ruhe selbst. „Würdest du mir bitte erklären, was los ist, Eleanor?"
Langsam drehte ich mich in seine Richtung und als unsere Blicke sich trafen, holte ich zum Rundumschlag aus. „Meine Tage sind nicht gekommen. Ich bin vermutlich schwanger."
„Was?!" Innerhalb der nächsten Sekunden erlebte ich, wie Max zum ersten Mal fast die Beherrschung verlor. „Von diesem Mistkerl? Habt ihr denn nicht verhütet?"
„Natürlich haben wir das, aber in den letzten Wochen ohne Kondome. Wir haben beide einen Aidstest gemacht und diese waren negativ. Also schenken wir uns die blöden Gummis. Das ist sowieso immer eine Sauerei und da ich eine Spirale eingesetzt habe, hatten wir ja quasi Verhütung."
„Aber-." Max brach kurz ab, holte lief Luft und setzte erneut zum Sprechen an: „Aber wie kannst du dann schwanger sein?"
Seufzend ließ ich mich auf dem Sofa nieder. „Weil auch eine Spirale nicht 100 Prozent schützt. Das tut nur Abstinenz. Fakt ist, ich bin lange über der Zeit, fühle mich nicht gut und-."
Der Kloß in meinem Hals wurde dicker, ich schluckte schwer und würgte die nächsten Worte buchstäblich heraus: „Ich brauche einen Schwangerschaftstest, sofort."
Max stiefelte umgehend los und ich rief ihm hinterher: „Bringe am besten gleich zwei Tests mit!"
Während ich wie auf heißen Kohlen saß, zappte ich mich durch sämtliche Fernsehkanäle. Leider kam nur Schrott, sodass ich es schließlich aufgab und mich genervt in die großen Sofakissen zurücklehnte.
Warum musste ausgerechnet mir das passieren? Warum nur war Louis so ein Idiot?
Das Geräusch des sich drehenden Schlüssels im Türschloss ließ mich hochschrecken und Sekunden später trat Max über die Schwelle. In seiner Hand trug er ein Einkaufsnetz und schon von weitem erkannte ich die Teepackung, die er mitgebracht hatte.
„Du bist ein Engel, ich danke dir." Mit diesen Worten nahm ich die Einkäufe in Empfang und fischte den Tee aus dem Netz. „Den können wir gleich aufbrühen, oder?"
„Einverstanden."
Als ich in der Küche stand, las Max laut vor, dass ich den Schwangerschaftstest morgen früh durchführen sollte.
„Das wusste ich schon, es ist nicht mein Erster", gab ich zur Antwort. „Mit sechzehn dachte ich mal ich sei schwanger, aber das war zum Glück blinder Alarm."
„Dann wollen wir hoffen, dass es sich jetzt genauso verhält", meinte Max zuversichtlich.
Seine positive Ausstrahlung ging ein wenig auf mich über und als wir später gemütlich bei einer Tasse Tee zusammen saßen, spürte ich, wie ich langsam runterkam. Das innerliche Zittern verschwand, ebenso das Magendrücken und ich merkte, wie mich die Müdigkeit überkam.
Wie ich es von meinem besten Freund erwartete, übernachtete er bei mir auf dem Sofa im Wohnzimmer. Man konnte es ausklappen und es war richtig bequem. Schnell versank ich im Reich der Träume, bis der Wecker mich am nächsten Morgen aus dem Tiefschlaf holte. Ich stellte ihn immer, auch wenn kein Termin außer Haus anstand, denn ich brauchte eine gewisse Regelmäßigkeit, die lediglich durch das Wochenende unterbrochen wurde.
„Okay, murmelte ich, gehen wir es an."
Langsam ließ ich die Beine nach unten sinken, schlüpfte in meine Flip-Flops und als ich die Schlafzimmertür aufstieß, kam Max mir entgegen.
„Ich hörte, dass du wach bist", sprach er und reichte mir die geöffnete Packung mit dem Schwangerschaftstest. Ohne Umstände griff ich hinein, holte das wichtige Utensil hervor und trat den Weg ins Badezimmer an.
„Weißt du, wie du es richtig machen musst?", hörte ich Max Stimme auf der anderen Seite der Tür.
„Natürlich, ich muss nur drauf pinkeln", brummte ich unwirsch.
Da meine Blase schon mächtig drückte, war es auch kein Problem den Test durchzuführen, nur das Warten auf das Ergebnis nervte.
Max war bei mir, als der Test einen kleinen, freundlichen Smiley anzeigte. Seit wann gab es diese Smileys? Die ließen sich ja echt mal was einfallen.
„Scheiße, er ist positiv", keuchte ich entsetzt, als Max mir die Bilder auf dem Beipackzettel zeigte. Das war es dann wohl.
Aber mein bester Freund gab nicht so schnell auf. „Ich habe zwei gekauft, du solltest noch einen machen, um absolut sicher zu sein."
„Den muss ich dann aber morgen machen, denn es sollte der erste Urin sein", klärte ich ihn auf, worauf er sagte: „Ich bleibe auch noch eine Nacht hier, wenn du mich darum bittest."
Das tat ich, da ich seine moralische Unterstützung mehr als nur gebrauchen konnte. Allerdings musste ich tagsüber auf Max Anwesenheit verzichten, da er zur Arbeit fuhr. Ich ließ Grüße an Sophia ausrichten und mein bester Freund versprach, später für unser Abendessen zu sorgen.
Es juckte mich in den Fingern, Louis zu schockieren, aber ich ließ es dann doch, weil ich erst den zweiten Test machen wollte, um ganz sicher zu gehen.
Der Tag verging eher schleppend, ich beschäftigte mich mit der Sitzordnung und machte zwischendurch immer Pause, da ich müde wurde. Immerhin war nun geklärt, weshalb ich mich körperlich in dieser merkwürdigen Verfassung befand. Eine Schwangerschaft kostete Energien, das hatte ich bei einer meiner Freundinnen gesehen.
Max brachte am Abend Pizza mit, die wir vor dem Fernseher verdrückten, während wir eine Serie auf Netflix schauten. Wir sprachen nicht viel und irgendwann fielen mir die Augen zu. Dass mein bester Freund mich ins Bett trug, nahm ich nur am Rande wahr, den Wecker am nächsten Morgen hörte ich hingegen deutlich.
„Auf ein Neues", murmelte ich und schwang die Beine aus dem Bett.
Blind griff ich nach dem Schwangerschaftstest, den Max gestern bereits hingelegt hatte und pinkelte darauf, nur um einige Minuten später festzustellen, dass das positive Ergebnis auch dieses Mal zustande kam.
Jetzt war es amtlich. Ich trug Louis' Kind in mir.
Bei dem Versuch das Bad zu verlassen, traten Tränen in meine Augen und ich schluckte schwer. Im gleichen Moment spürte ich, wie Max seine Arme um mich legte.
„Ich werde immer für dich da sein, Eleanor", wisperte er. „Selbst wenn du in eine Abtreibungsklinik gehst."
Das war der Moment, indem ich mich aus seiner Umarmung befreite und ihn anbrüllte: „Du hast sie wohl nicht mehr alle! Das ist ein Lebewesen, das da in mir heranwächst! Du kennst doch meine Einstellung zur Abtreibung! Hier liegt weder ein medizinischer Notfall, noch eine Vergewaltigung vor!"
„Aber ich dachte, du willst mit diesem Kerl nichts mehr zu tun haben", brachte er hervor und ich steckte sofort die Fronten ab: „Ja, aber das Kind kann nichts dafür. Außerdem wird er dafür aufkommen müssen, das lasse ich mir nicht nehmen."
Für mich war klar, dass ich dieses Kind austragen, großziehen und lieben würde. So, wie ich Louis einst geliebt hatte. So, wie ein Teil meines Herzens ihn noch immer liebte. Das war auch der Grund, weshalb es so schrecklich wehtat.
Ich musste es ihm sagen, egal wie es um uns beide stand. Und es kam nicht in Frage, solch ein wichtiges Thema per WhatsApp anzuschneiden. Dazu bedurfte es eines persönlichen Gesprächs unter vier Augen.
Vielleicht bekam ich vorher sogar einen Termin bei meiner Frauenärztin und würde ihm den Mutterpass auf den Tisch knallen, sodass ihm Hören und Sehen verging. Nur alleine die Vorstellung daran beflügelte mich immens und ich griff nach dem Telefon, um meine Frauenärztin anzurufen. Leider meldete sich nur der Anrufbeantworter mit dem Hinweis, dass die Praxis wegen Urlaub diese Woche geschlossen sei und man in dringenden Fällen die Vertretung aufsuchen sollte.
„Nein, danke", sprach ich, als Max vorschlug, es dort zu versuchen. „Das habe ich einmal gemacht und hatte das Gefühl, dass die mir die Eierstöcke rausreißt. Zu dieser Schnalle gehe ich nie wieder hin, da warte ich lieber die paar Tage."
Max musste das hinnehmen, ob es ihm passte oder nicht und da er nicht der Vater war, konnte mir das herzlich egal sein.
Das Treffen mit Louis rückte in meinen Focus und ich beschloss, die Sache nicht auf die lange Bank zu schieben. Je eher er es erfuhr, desto besser würde ich mich fühlen. Ich konnte es kaum erwarten, sein vermutlich entsetztes Gesicht zu sehen, wenn ich die Karten, oder in diesem Fall den Schwangerschaftstest, auf den Tisch legte.
Er hatte sich mit mir vergnügt, mit mir gespielt und nun würde er dafür bezahlen müssen.
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Hallo meine Lieben, ein Überraschungskapitel aus Eleanors Sicht. Ich denke, damit habt ihr nicht gerechnet und auch mit dem Inhalt nicht. Klischee, brüllen jetzt alle, aber... ihr seid hier bei Ambi..., also seid gespannt, wie es weitergeht.
Wie wird Louis wohl auf diese Neuigkeit reagieren?
Denkt ihr, er wird für das Kind finanziell aufkommen?
Wie fandet ihr Max in diesem Kapitel?
Danke für all die lieben Kommentare und auch für die Votes.
LG, Ambi xxx
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