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Abermals zupfte der junge Mann an der schwarzen Fliege an seinem Hemdkragen herum. Das Ding störte ihn nun schon den gesamten Abend und der einzige Grund, weshalb er es noch nicht in irgendeine Ecke gepfeffert hatte, war der, dass er an seinem Job hing oder zumindest an dem damit verbunden Gehalt. Er brauchte dieses Geld, er brauchte es wirklich und er konnte es sich nicht leisten, wegen so einer Kleinigkeit gefeuert zu werden.

Sein Boss war pingelig, mindestens genau so sehr, wie der Kunde und Jongup hasste es. Er hasste es hier zu sein, an diesem Ort, wo er sich so unglaublich fehl am Platz vorkam, zwischen diesen ganzen Leuten, die vermutlich allesamt der Oberschicht angehörten. Überall schwirrten Frauen in eleganten Kleidern und Männer in teuren Anzügen herum, lachten und tranken Champagner, von dem sich Jongup vermutlich noch nicht einmal ein einziges Glas hätte leisten können.

Stattdessen war er derjenige der den Herrschaften diesen servierte, stets darum bemüht, sich möglichst unauffällig zu verhalten, ja nie länger als nur unbedingt nötig an einer Stelle stehen zu bleiben. Er musste unsichtbar sein, so war es der Wunsch des Kunden. Im Grunde genommen waren er und seine Mitarbeiter nichts weiter als ein nötiges Übel auf dieser Veranstaltung, doch anders als ihn selbst, schien das die anderen nicht zu stören.

Er beobachtete gerade wie sich sein bester Freund elegant durch die Menschenmenge schlängelte, hier und da einem der Gäste ein neues Glas Champagner anbot, wenn deren eigenes leer war. Die Leichtigkeit mit der er das tat, erstaunte Jongup immer wieder und manchmal, da beneidete er den anderen sogar darum. Ihm selber fiel das Ganze um einiges schwerer, ganz besonders an Tagen wie heute.

Eigentlich hatte er sowieso nicht vorgehabt, an diesem Abend zu arbeiten, doch dann musste er kurzfristig für einen Kollegen einspringen. Es war nicht so, als hätte er etwas Besseres vorgehabt, doch es ärgerte ihn trotzdem, denn wenn er eines verabscheute, dann waren es solche Veranstaltungen, wie diese hier eine war, die hauptsächlich deswegen existierten, weil sie eine gute Möglichkeit darstellten, um den Leuten unter die Nase zu reiben, dass man Geld hatte.

Dass ihr heutiger Kunde davon tatsächlich eine ganze Menge zu besitzen schien, hatte Jongup bereits geahnt, als sie hier eingetroffen waren. Das gesamte Gebäude schrie quasi nach Geld, aber das war wohl nicht weiter verwunderlich, sie hatten es hier schliesslich mit einem der reichsten Geschäftsmänner von ganz Korea zu tun, der nun zusammen mit seinen Freunden auf ein weiteres, von Erfolg gekröntes Jahr zurückblicken wollte.

Zu Gesicht bekommen hatte Jongup ihn jedoch bisher noch nicht, doch das würde sich wahrscheinlich noch früh genug ändern, wenn dieser dann um Punkt Mitternacht seine grosse Rede schwang. So zumindest malte er sich das aus, denn wie gesagt, er vermied es eigentlich weitestgehend an Silvester zu arbeiten. Dieser Tag zog ihn runter. Eigentlich sollte er ja froh darüber sein, denn es bedeutete, dass er ein weiteres Jahr über die Runden gekommen war, doch auf der anderen Seite hiess es eben auch, dass die ganze Scheisse nun wieder von vorne anfing.

Bei diesem Gedanken verzog er das Gesicht zu einer missmutigen Miene, wurde aber nur wenige Sekunden darauf von Junhong angestupst, der wie zufällig an ihm vorbeilief. »Lächeln nicht vergessen, Uppie«, raunte er ihm ins Ohr und ging dann schnell weiter, ehe einer der Umstehenden etwas davon bemerken konnte. Jongup, der sich bemühte den Rat seines besten Freundes so gut wie möglich Folge zu leisten, setzte sich ebenfalls wieder in Bewegung.

Er war gerade auf dem Weg in die Küche, als er ihn sah. Gross, breite Schultern und alles in allem einfach nur verdammt gut aussehend. Er stand etwas abseits und liess seinen Blick wachsam über die Menge schweifen. Seine Lippen zierte ein verhaltenes Lächeln und seine Aura strahlte etwas Unnahbares aus.

Er schluckte schwer. Sein Hals fühlte sich auf einmal wie ausgetrocknet an und sein Herz klopfte mindestens doppelt so schnell, wie es das normalerweise tat. Dort drüben stand tatsächlich Kim Himchan, von dem Jongup inständig gehofft hatte, dass er ihm nie wieder begegnen musste. Im Nachhinein war er noch nicht einmal überrascht, ihn hier anzutreffen und nun fiel ihm auch wieder ein, weshalb ihm der Name ihres Kunden so bekannt vorgekommen war.

Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen und jetzt bereute er es wirklich, dass er nicht zu Hause geblieben war. Wieso musste es auch unbedingt Himchans Vater sein, der diese Party schmiss? Das war doch einfach mal wieder scheisse. Vermutlich lachte ihn das Universum gerade aus. Wie Jongup diese sogenannten Zufälle doch hasste.

Er hatte gar nicht bemerkt, dass er unterdessen stehen geblieben war und einfach nur ungläubig den jungen Mann am anderen Ende des Raumes angestarrt hatte. Erst als einer seiner älteren Mitarbeiter an ihm vorbeiging und ihm ein ungehaltenes »Jongup!«, zu zischte, löste er sich wieder aus seiner Starre.

Schnell machte er, dass er verschwand. Erst als er in der Küche angekommen war, konnte er aufatmen. Noch immer zittrig stellte er das Tablet mit den leeren Gläsern auf der Theke ab und wischte sich über die Stirn. Er musste das erstmal verdauen. Am liebsten würde er sich ja hier drin verkriechen, aber das würde mit der Zeit bestimmt irgendjemandem auffallen.

Nur Sekunden später betrat sein bester Freund ebenfalls die geräumige Küche und steuerte zielgenau auf ihn zu. »Sag mal, was war das da gerade eben?«, wollte er auch gleich wissen und einmal mehr verfluchte Jongup den anderen für seinen aufmerksamen Blick, dem leider so gut wie nichts entging.

»Was meinst du denn?«, fragte Jongup unwissend. Sein bester Freund starrte ihn ungläubig an. »Sag mal willst du mich verarschen?! Du bist da draussen gerade quasi zur Salzsäule erstarrt, als dieser Mann den Raum betreten hat. Kennst du ihn?« Damit traf er den Nagel wohl so ziemlich auf den Kopf.

»Und wenn schon«, fauchte Jongup genervt. Er hatte nun wirklich keine Lust, mit seinem besten Freund ausgerechnet über Kim Himchan zu reden. Er wollte mit niemanden über ihn reden. Das war ein Thema, mit dem er schon vor langer Zeit abgeschlossen hatte.

»Sah aber ganz danach aus«, informierte Junhong ihn besserwisserisch und er stöhnte entnervt auf. »Ausserdem glaube ich, dass du etwas für ihn übrig hast.« Jongup schnaubte unwirsch. »Na und?« Dann fand er Kim Himchan eben toll, das war aber auch egal, weil sie beide nämlich in einer ganz unterschiedlichen Liga spielten.

»Er hat sowieso eine Freundin«, murrte er, auch wenn das ganz gewiss nicht das einzige war, was gegen eine nähere Bekanntschaft zwischen ihnen sprach. Junhong zog skeptisch eine Augenbraue in die Höhe. »Ach und das weisst du weil...?« Er ihn seit Jahren auf Instagram stalkte? Nein, das konnte er hier vor Junhong unmöglich einfach so zugeben. Wie würde ihn das auch aussehen lassen?

»Ich weiss es halt«, erwiderte er deshalb bockig und zuckte dann mit den Schultern. »Ist so oder so egal, als ob so jemand wie Kim Himchan sich freiwillig mit jemandem wie mir abgeben würde.« Dieses Mal war es Junhong, der die Augen verdrehte. »Du bist immer so pessimistisch. Vielleicht solltest du erstmal dein Glück bei ihm versuchen, bevor du so etwas sagst«, belehrte er ihn. Als ob das so einfach war! Und er musste es wissen, schliesslich hatte er es bereits versucht.

Er sagte nichts darauf, musste er aber zum Glück auch nicht, denn im selben Moment betrat eine weitere Person den Raum. »Sagt mal was trödelt ihr hier eigentlich rum? Los jetzt, ab mit euch«, sagte er mit einem deutlich angesäuerten Unterton in der Stimme und machte dabei eine verscheuchende Handbewegung.

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