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Es war tatsächlich einfacher Himchan aus dem Weg zu gehen, was aber vielleicht auch daran lag, dass dieser ihn bisher nicht erkannt hatte. Würde er ihn überhaupt noch erkennen? Unwahrscheinlich, immerhin lag dieser Vorfall nun schon mehrere Jahre zurück. Wahrscheinlich hatte er ihn bereits vergessen, kaum dass Jongup aus seinem Gesichtsfeld verschwunden war, nachdem dieser eingesehen hatte, dass er sich nur weiter blamieren würde, wenn er nicht endlich das Weite suchen würde. Und das hatte er dann auch, mit hochrotem Kopf und den ersten Tränen in den Augenwinkeln.
Er erinnerte sich nicht sonderlich gerne an diesen Tag zurück, aber das war wohl auch nicht weiter verwunderlich, immerhin war es der Tag, an dem ihm zum ersten Mal in seinem Leben das Herz gebrochen worden war. Zugegeben, jetzt im Nachhinein war es vorhersehbar gewesen, aber sein siebzehnjähriges Ich (jung, naiv und verliebt) war in dieser Hinsicht noch ziemlich blauäugig gewesen. Wenigstens hatte er daraus gelernt, das war das einzig Positive.
Und wenn er jetzt noch diesen Abend überlebte, dann konnte er die Sache endgültig abhaken. Zumindest dachte er das, denn im selben Moment fiel ihm auf, dass er Himchan aus den Augen verloren hatte. Er fluchte leise und sah sich dabei hektisch im Raum um. Er war so abgelenkt, dass er nicht die Person bemerkte, die auf einmal wie aus dem Nichts vor ihm auftauchte und als er es tat, war es bereits zu spät. Er stolperte und die Gläser flogen in einem hohen Bogen davon, ehe sie klirrend zu Boden kamen. Das zersplitternde Glas erzeugte ein unschönes Geräusch und sorgte dafür, dass sämtliche Anwesende im Saal verstummten und ihre Köpfe zu ihm umdrehten, ihn mit missbilligenden Blicken musterten, doch davon bekam Jongup gar nichts mit. Einzig das Augenpaar von der Person, mit der er zusammengestossen war, nahm er noch war.
Es war Himchan. Natürlich war es Himchan.
Für einen kurzen Augenblick war Jongup wie gelähmt. Er sah langsam von der Sauerei, die er veranstaltet hatte, auf und blickte dann stattdessen in das schöne Gesicht von Himchan, welches nun allerdings von einem leicht genervten Ausdruck geziert wurde. Beinahe zeitgleich rutschte ihm sein Herz in die Hose. Er hasste ihn, dachte er.
Noch für ein paar weitere Sekunden stand er wie angewurzelt da, dann überkam ihn die nackte Panik. Es fühlte sich an, als würde ihm jemand die Luft abschnüren. Er musste hier raus, schnell! Er drehte sich auf dem Absatz um und rannte dann nach draussen. Hinter sich glaubte er Schritte zu hören, die ihm folgten, doch er dachte nicht im Traum daran, jetzt stehen zu bleiben. Er wollte einfach nur noch weg.
Er rannte den Flur entlang, obwohl er schon nach kurzer Zeit keine Ahnung mehr hatte, wo er überhaupt war. Auf seinen Wangen spürte er plötzlich etwas Feuchtes. Wütend wischte er sich die einzelne Träne, die sich ihren Weg nach unten bahnte, weg. Er wollte jetzt nicht weinen.
Vor ihm bogen auf einmal zwei Männer auf diesen Flur ab, weshalb Jongup kehrt machte, doch gleichzeitig fiel ihm ein, dass er auch nicht zurückkonnte, weshalb er sich kurzerhand dafür entschied, die Treppe zu nehmen, die praktischerweise im selben Moment zu seiner Linken auftauchte.
Er öffnete die grosse Tür, welche sich am Ende der Treppe befand und trat nach draussen. Die kühle Nachtluft strömte in seine Lungen und Jongup liess sich erleichtert gegen die kleine Mauer sinken, welche das gesamte Dach einrahmte. Noch immer schwer atmend fuhr er sich durch die leicht feucht gewordenen Haare. Er schloss die Augen. Dieser ganze Abend war eine einzige Katastrophe.
Wahrscheinlich würde er gefeuert werden. Toller Start ins neue Jahr, wirklich, ganz grosse Klasse. Er liess den Kopf auf seine Knie sinken, welche er mit beiden Armen umschlungen hielt. Ein leichter Windhauch erfasste ihn und er fröstelte. Lange würde er nicht hier oben bleiben können, wenn er nicht erfrieren wollte und auch wenn ihm diese Option gerade unglaublich verlockend vorkam, hatte er trotz allem nicht vor, jetzt schon draufzugehen. Er war noch zu jung zum Sterben.
Er rappelte sich also mühsam wieder auf und klopfte sich dann den Staub vom Hosenboden. Die Erkenntnis, dass er in der Klemme steckte, erfasste ihn erst, als er die Tür aufstossen wollte, welche sich allerdings auch nach mehrfachem Rütteln, nicht öffnen liess.
Er hatte sich selbst ausgesperrt.
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