Kapitel 21 | Der Halbblutprinz
„Hermine!", rief Ron in einem lautstarken Ton, sodass einige Schüler sich umdrehten und diese seufzend stehen blieb, um sich zu einem schnaufenden Ronald Weasley umzudrehen. Mit hochrotem Kopf und keuchendem Atem stützte er seine Hände auf den Knien ab und bat sie stumm für einen Moment Geduld.
„Ron, du musst wirklich mehr Sport machen.", schüttelte Hermine den Kopf und verschränkte ihre Arme vor der Brust. „Was ist los?"
„Nicht – hier.", brachte er heraus. „Komm mit."
Er packte sie am Arm, nicht grob, aber dennoch bestimmt, und zog sie in einen leeren Korridor.
„Ronald!", rief sie empört. „Verdammt, was ist los mit dir?"
„Mine. Wir müssen reden."
„Über was?"
Ein ungutes Gefühl machte sich in ihr breit.
„Harry, Mine! Bist du so mit deinem unnötigen Rebellieren beschäftigt, dass du unseren besten Freund vergisst?!", zischte Ron vorwurfsvoll. „Wir müssen es endlich beenden! Das Buch. Ihn zur Vernunft bringen. Harry wird nicht alleine..."
Er verstummte.
„Lord Voldemort töten können?", vollendete Hermine ihren Satz und er schaute sich nervös um.
„Genau.", nickte Ron. „Wir sind seine Freunde. Wir sind für ihn da."
Tief Luft holend lehnte sich die Musterschülerin an die steinerne Mauer. Wie sollten sie Harry nur zur Vernunft bringen? Und was, wenn das Buch wirklich von Riddle war?
„Hast du einen Plan?", durchbrach sie die Stille.
Ron grinste.
„Ja und nein. Vielleicht eine Idee. Aber dabei brauche ich natürlich deine Hilfe.", antwortete er leicht stolz.
„Erzähl."
„Wir müssen herausfinden, ob das Buch tatsächlich von Der-dessen-Namen-nicht-genannt-werden-darf...", erklärte Ron, doch sie unterbrach ihn.
„Mensch, Ronald! Nenn ihn endlich Voldemort. Er wird sicher nicht auftauchen und dich umbringen. Wir sind in Hogwarts! Der sicherste Ort der Welt.", schüttelte sie genervt ihren Kopf.
„Noch, ist er der sicherste Ort, Hermine. Was ist, wenn ein Krieg beginnt?"
Überrascht blickte sie in seine konzentrierten Augen. So ernst hatte sie ihren besten Freund selten erlebt.
„Wie ist dein Plan?", fragte sie nun.
„Nun ja...wir müssen Harry irgendwie dazu bringen, sein Buch wegzulegen. Und dann...musst du es an dich nehmen.", sagte Ron schulterzuckend.
„Wow. Das ist ein wirklich ausgeklügelter, toller Plan.", schüttelte Hermine genervt ihren Kopf. „Was meinst du, wie wir das bitte hinbekommen sollen?"
„Mithilfe von Dumbledore."
Als Snape an diesem Abend in seine Wohnräume zurückkehrte, ließ er sich kraftlos auf sein Sofa fallen. Schluckend und kalkweiß im Gesicht, griff er zitternd nach seinem Zauberstab und zauberte sich ein Glas Wasser herbei. Erst jetzt verspürte er den beißenden Hunger in seiner Magengrube, den er stundenlang ignoriert hatte. Wie hätte er auch etwas essen können? Bei dem beißenden Gestank von Riddle, der sich tief in seine Poren zog und nicht mehr entweichen wollte.
Eine Erkenntnis hatte er an diesem Tag jedoch erlangt. Er war zwar erst knapp vierzig Jahre alt, aber er wurde alt. Dieses ganze Gefühlschaos, die Mauer, das gewaltsame Eindringen in seinen Geist – das alles war definitiv zu viel für ihn. Er wollte Frieden. Seitdem er zugelassen hatte, dass Granger in seinem Kopf umherschwirrte, wollte er wieder das Gefühl, das er so lange verdrängt hatte. Hoffnung. Er wollte einfach wieder hoffen, glücklich sein, leben. Sie hatte in ihm das berauschende Gefühl von Leben hervorgerufen, Spaß – Liebe. Ja, Liebe. Auf eine vollkommen verquerte und merkwürdige Art und Weise.
Aber dieses Verlangen konnte die Tatsache nicht verherrlichen, dass er eine Mission zu erfüllen hatte. Wenn er jetzt versagen würde, dann würde er nicht nur Dumbledore und die komplette Zauberwelt enttäuschen, nein. Er würde sich selbst enttäuschen und was noch viel schlimmer war...Er würde Lily enttäuschen.
Schluckend holte der alte Tränkemeister tief Luft, erhob sich schwerfällig von seinem Sofa und schlurfte in sein Badezimmer. Eine kalte Dusche würde sein Nervensystem wieder auf Trapp bringen. Einen Trank wollte er dafür nicht schon wieder verwenden.
Als das kalte Wasser über seinen Kopf floss, seufzte Snape tief und schloss genüsslich seine Augen. Wenn er das hier überstehen sollte, wenn die Zauberwelt das überstehen sollte, dann hätte er vielleicht eine Chance. Eine Chance glücklich zu sein. Und zu leben. Konnte er tatsächlich mit dieser Hoffnung umgehen?
Gedankenverloren trocknete er sich ab, zog sich seine Pyjama Hose über und ging mit seiner Hand durch sein schwarzes, verstrubbeltes Haar.
Bevor er sich jedoch etwas zu Essen herbeizaubern konnte, klopfte es unwirsch an der Tür.
Alarmiert zuckte Snape zusammen, während er sich seinen Zauberstab schnappte und leise zur Tür schlich. Gewappnet öffnete er die schwere Eichentür, wenn auch ihm eine Sekunde später bewusst wurde, dass ihm in den Räumen von Hogwarts – noch – nichts passieren konnte.
Vor ihm stand Granger höchstpersönlich - mit hochrotem Kopf. Neben ihr blickte Albus durch seine halbrunde Mondbrille auf ihn herunter und hinter ihm erspähte er den Weasley Jungen.
„Severus!", begrüßte Albus ihn amüsiert, während seine Augen über seinen halbnackten Körper glitten. Erst jetzt wurde dem Professor bewusst, dass er in seiner Aufmachung vollkommen unprofessionell wirken musste.
Aus dem Augenwinkel spürte er Hermines brennenden Blick auf seiner Brust und sofort murmelte er „Accio T-Shirt", welches er im nächsten Atemzug angezogen hatte.
„Albus.", sprach Snape ruhig. „Was beehrt mich zu dieser späten Stunde mit deiner Anwesenheit?"
„Eine Frage, mein lieber Freund.", antwortete Dumbledore gelassen. „Können wir in dein Büro gehen?"
Nickend zog Snape seine Tür hinter sich zu und rauschte an den Dreien vorbei. Das Buch, das Granger in der Hand hielt, hatte er noch nicht gesehen.
Wenige Minuten später stand er mit verschränkten Armen vor der Wand, Granger und Weasley blieben in der Mitte des Raumes stehen. Der Rothaarige schien unsicher und nervös zu sein, während Hermine ihn permanent ansah, was Snape wiederum umso nervös machte.
„Severus.", ergriff Albus das Wort, der es sich auf einem Sessel bequem gemacht hatte und sich anerkennend umschaute. „Ich war schon lange nicht mehr hier."
„Albus, was ist los?", unterbrach der Tränkemeister ihn nun unwirsch. „Ich denke nicht, dass du um diese Uhrzeit einen Blick in mein Büro werfen wolltest. Und schon gar nicht in Anwesenheit mit zwei Schülern."
Seufzend nickte Albus und dabei wackelte sein langer Bart hin und her. Jetzt sah er hundert Mal älter aus, als er eigentlich war.
„Kennst du dieses Buch, Severus?"
Granger trat vor und reichte ihm ein zerfetztes, abgetragenes Buch. Auf dem Umschlag waren noch undeutlich die Worte „Potion Advances Making" zu lesen.
„Das ist ein Buch aus „Verteidigung gegen die dunklen Künste"...", räusperte Snape sich und schlug es mit zitternden Fingern auf. Ja, es war ein Lehrbuch. Aber nicht irgendeins. Es war seins. Das Buch des Halbblutprinzen.
„Erkennst du irgendeinen schwarzmagischen Fluch?", fragte Albus ruhig, der ihn jetzt mit Argusaugen beobachtete.
„Wie bitte...was?", schüttelte Snape seinen Kopf und kniff irritiert seine Augen zusammen. „Schwarze Magie? Wieso?"
„Wir glauben...", erhob Hermine die Stimme und automatisch wanderten Snapes Augen zu ihr. „Dass das Buch von Riddle ist."
Stille.
Der Weasley Junge schluckte lautstark und knetete nervös seine Hände, während er unwohl das Geschehen beobachtete. Snape, der Hermine anstierte, Albus, dessen Augen zwischen ihr und ihm hin und herglitten und Granger, die dem Blick ihres ehrfürchtigen Professors standhielt.
„Ihr glaubt, dass das Buch von Voldemort ist?", durchbrach Snape nach einer Weile die Stille, was die Schüler nicken ließ. „Wieso?"
„Harry ist besessen davon. Er kann das Buch nicht mehr loslassen, wir glauben, dass es eventuell ein Horkrux ist...", flüsterte die Musterschülerin leise.
„Was habt ihr damit gemacht?"
„Ähm..."
„Wieso sieht es so zerfetzt aus?", fragte Snape erneut. Seine Stimme klang dabei rauer als normal.
„Sie haben Harry davon überzeugt, dass das Buch überprüft werden muss. Auch wenn ihre Überzeugungen dabei etwas...gewaltsamer zugingen, als erhofft.", antwortete Dumbledore für die beiden Schüler, die betreten ihre Augen zu Boden gesenkt hatten. „Severus, kannst du es bitte überprüfen?"
Erst jetzt schien der Professor zu erwachen, denn er ließ das Buch langsam auf seinen Schreibtisch fallen, verschränkte griesgrämig seine Arme vor der Brust und kniff bedrohlich seine Augen zusammen.
„Wieso Horkruxe? Seit wann weißt du davon, Hermine?"
Granger zuckte willkürlich zusammen, Albus riss entgeistert seine Augen auf und der Rotschopf schnappte laut nach Luft.
„Wir haben mit Harry gesprochen.", hauchte sie als Antwort und blickte ihm tief in die Augen. „Aber das Buch ist nicht von Riddle, oder?"
Ihre braunen Augen hinterließen in Snape ein wohliges, warmes Gefühl. Es schien, als würde er ihr – ungewollt – Einblick in seine tiefsten Empfindungen geben.
„Nein.", murmelte er kühl. „Es ist von mir."
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