7. Kapitel

„Alsooo", zieht Mila das Wort endlos in die Länge und schaut mir dabei ganz tief in die Augen. Ihre Pupillen sind durch den ganzen Alkohol, denn sie in Höchstgeschwindigkeit in sich hinein geleert hat und das gedämmte Licht stark erweitert. „Wenn du also den einzigen Mann, den du im realen Leben kennengelernt hast, nicht treffen willst und allem Anschein nach das Online-Dating, nicht sehr erfolgreich verläuft, suche ich dir nun einen Mann."

Da auch ich bereits einen im Tee sitzen habe, pruste ich beim Trinken meines Weines laut los. Mila hat absolut keine Ahnung, wie man jemanden heutzutage kennenlernt. Sie uns Asher sind schon so lange ein Paar, dass sie mit dem heutigen Kennenlernprozedere überhaupt nicht vertraut ist. Es ist nicht mehr so einfach. Die Auswahl eines potenziellen Partners ist beinah unmöglich geworden. Es reicht nicht mehr aus, jemanden einfach anzusprechen und dass man kurz darauf zusammenkommt.

Nein. Heute sucht man Online nach dem perfekten Mann.

Er muss gut aussehen, aber nicht zu gut, weil sonst die Angst besteht, dass zu viele Frauen sich an ihn ran machen oder er fremd geht. Weil er weiß, wie gut er aussieht. Dabei wird auf jedes Detail geachtet. Passt seine Nase zu seinem Gesicht, ist sie nicht zu groß, aber auch nicht zu klein. Passt seine Augenfarbe zu meiner? Die Haare. Welche Farbe haben sie? Wie stylt er sie sich? Hängen sie nur platt auf seinem Kopf oder sind sie in Form gebracht? Was trägt er für Klamotten? Ist er eher sportlich und lässig oder doch elegant und schick?

Erst danach wird darauf geschaut, was er für Interessen hat. Macht er Sport? Liest er gerne? Mag er Tiere? Geht er gerne Reisen? Was macht er in seiner Freizeit? Was macht er beruflich? Will er Familie? Was sucht er für sein Leben? Etwas Lockeres? Eine Beziehung? Eine Zwischenlösung? Immer mit der Hoffnung, etwas Besseres zu finden. Immerhin ist die oder der nächste nur einen Wisch entfernt. Entspricht alles, was auf seinem Profil steht, der Wahrheit? Oder sind das alles nur Lügen, um sich gut darzustellen?

„Einfühlsam. Danke. Meinst du, wenn es so einfach wäre, jemanden kennenzulernen, dann wäre ich jetzt noch Single?" Mit hochgezogenen Augenbrauen sehe ich zu ihr herüber und lehne mich in der Bank zurück und verschränke demonstrativ die Arme vor der Brust. Mila hat keine Ahnung.

„Du hattest deine Chance. Jetzt bin ich also dran", flötet sie und dreht sich auf ihrem Stuhl herum, um die Menge an Menschen, die in der letzten Stunde hier eingetroffen sind zu begutachten. Milas Blick wandert durch den gesamten Raum und ich kann erkennen, wie sie die Männer von oben bis unten mustert.

„Wie wäre der?" Sie zeigt auf einen Mann, der am anderen Ende des Raumes sitzt. Er hat hellblondes Haar, das nach meinem Geschmack viel zu lang ist, da es ihm bis unter das Kinn geht. „Nein."

„Und der?" Als Nächstes nickt sie zu einem, der nur zwei Tische von uns entfernt sitzt. Auch er trägt seine Haare blond, aber diesmal ein dunklerer Ton. Er hat ein nettes Lächeln und kurz bin ich tatsächlich am überlegen, doch dann sehe ich sein Gegenüber. Eine Frau. Eine wirklich hübsche Frau. Im selben Moment greift er nach ihrer Hand.
„Es sieht aus, als wäre er mit der Frau, deren Hand er hält, verabredet, also nein."

Nach dem achten Mann, den mir Mila zeigte, hörte ich auf zu zählen, denn allmählich komme ich mir blöd vor. Nicht nur, dass sie mir Männer zeigte, die absolut nicht in mein Beuteschema passen, waren nicht mehr viele übrig. 

Ich muss gestehen, dass auch meine Ansprüche über die Zeit immer größer werden.

„Okay, das ist er, versprochen!", gestikuliert Mila wild herum und verschüttet dabei etwas von ihrem Cocktail über ihre Hand. Das beachtet sie nicht und zeigt auf einen Mann, der sich hinter mir an der Bar befindet.

Obwohl ich keine Lust mehr auf dieses Spiel habe, drehe ich mich zu dem Mann um. In der Hoffnung, dass auf Mila das Spiel nun endlich auf die Nerven geht und sie es gut sein lässt. Doch dieses Mal hat Mila tatsächlich ins Schwarze getroffen. Der Mann an der Bar, der einen eleganten dunkelblauen Anzug trägt, finde ich tatsächlich attraktiv. Äußerlich. Sein Haar ist pechschwarz und ordentlich nach hinten gestylt, jedes einzelne Haar sitzt an Ort und Stelle. Er ist groß und lehnt cool mit seinem Drink in der Hand gegen die Bar, dabei unterhält er sich mit einem weiteren Mann, dessen Aussehen mein Interesse nicht sonderlich weckt.

„Und?", will Mila von mir wissen und trommelt nervös mit ihren Fingerspitzen auf dem Tisch herum. Die Pfütze, die sie eben noch durch ihren Cocktail verursacht hat, hat sie bereits mit einer Servierte weggewischt.

Ich löse mich von dem attraktiven Mann, der an der Bar sitzt und widme mich wieder Mila, die mich gespannt mustert. „Er ist heiß", gebe ich zu und in Milas Augen funkelt die Vorfreude, dass sie jemanden für mich gefunden hat. „Aber ich bin nicht interessiert", erwidere ich und nippe an meinem Chardonnay.

Mila schüttelt den Kopf. „Warum denn nicht?"
Ich zucke mit den Schultern. „Ist nicht mein Typ."
„Aber du hast gerade gesagt, dass er heiß ist", wiederholt sie meine Worte.
„Ja schon..", stammle ich und suche nach einer plausiblen Antwort. Erneut drehe ich mich zu ihm um, um mir ein genaueres Bild von ihm zu machen. Kaum habe ich mich zu ihm umgedreht, um ihn von oben bis unten zu mustern, muss er mein Starren bemerkt haben und fängt meinen Blick auf. Seine eiskalten blauen Augen treffen auf meine, aber lange bleiben sie nicht dort ruhen.

Angefangen bei meinen Augen, zu meinen Lippen, bis hinunter zu meinen Brüsten unterzieht er mich einer ausgiebigen Prüfung. Die unverschämt lange auf meinen Brüsten weilt. Und schon wird mir klar, was er von Frauen will, denn er zwinkert mir zu und prostet mir mit seinem Glas entgegen.

Abrupt beende ich den Blickkontakt und wende mich von ihm ab.

„Was war denn das?"
„Er hat mein Starren bemerkt", trällere ich und schüttele dabei angestrengt den Kopf. Der Mann an der Bar und ich suchen eindeutig nicht dasselbe. Nicht, dass ich noch länger auf der Suche bin.
„Ich glaube, er steht auf dich."
„Schön für ihn", rolle ich mit den Augen. „Ich aber nicht auf ihn." Auch wenn er durchaus attraktiv zu sein scheint.

„Er kommt geradewegs auf dich zu", kichert Mila und zeigt mit ihren Augen in seine Richtung. Reflexartig und schockiert zu gleich, folge ich ihrem Blick und lande direkt bei ihm. Kaum einen Meter von mir entfernt, grinst er mir lasziv entgegen.

„Darf ich den Damen einen Drink ausgeben?", fragt er mit tiefer und sexy Stimme, als er an unserem Tisch angelangt und sich mit beiden Händen darauf ab stemmt.
„Nein!", platzt es aus mir heraus, doch kaum hat meine Absage meinen Mund verlassen, spüre ich einen plötzlichen Schmerz gegen mein Schienbein, den mir Mila zufügt.
„Sehr gerne", klimpert Mila dem Mann an unserem Tisch entgegen.

Mila verabschiedete sich an diesem Abend nach dem ersten Drink, den uns Derek ausgegeben hat. Sie erzählte irgendetwas von einem persönlichen Notfall und dass sie unverzüglich nach Hause müsste. Derek ließ sie nur zu gerne gehen, um mit mir alleine zu sein. Ich hingegen versuchte sie an ihrem Arm zurück auf ihren Platz zuziehen. Allerdings erfolglos. Mila flüsterte mir lediglich ins Ohr, dass sie morgen früh einen Anruf von mir erwarte. Dieses Biest.

„Wie wäre ein Absacker bei mir Zuhause? Ich wohne nicht weit von hier", raunt Derek verführerisch in mein Ohr. Die Härchen in meinem Nacken stellen sich bei seinem heißen Atem, der meine Haut berührt, auf. So attraktiv ich Derek in seinem Anzug und dem anziehenden Parfüm auch finde, sucht er etwas in mir, dass ich nicht bereit bin zu geben.

Dennoch war es unverhofft nett, mich mit einem Mann zu unterhalten und einen Drink zu genießen, den ich gerade erst kennengelernt habe, aber das war es auch schon. Derek ist ein Mann, den ich lesen kann wie ein Buch. Er weiß genauso gut wie ich, dass er verdammt gut aussieht und macht daraus kein Geheimnis. Genauso wie er weiß, wie er auf Frauen wirkt und welche Knöpfe er bei ihnen drücken muss, damit sie genau das tun, was er möchte.

Derek ist kein Mann, den man mit zu seinen Eltern nimmt und ihn als seinen Freund vorstellt, mit dem man eine gemeinsame Zukunft plant. Vielmehr ist er ein Mann, für eine Nacht.

„Derek, ich danke dir für diesen netten Abend, aber ich denke, ich werde lieber alleine nach Hause gehen." Kaum haben die Worte meinen Mund verlassen, rückt er ein kleines Stück von mir fort, um mein Gesicht genauer betrachten zu können. Seine Augen liegen zuerst auf meinen Lippen, doch letztendlich finden sie meine Augen.

„Du hast eine schlimme Trennung hinter dir", während er das sagt, blinzelt er nicht ein einziges Mal.
„Ja, aber das ist lange her", gestehe ich ehrlicherweise und halte seinem Blick stand. „Es ist viel mehr, dass..."
„Dass du nach mehr als nur Spaß suchst?"
Ich nicke.
„Klassiker", lacht er in sich hinein und nippt an seinem Whiskyglas. Sein Arm ist noch immer über meinem Stuhl gelehnt und er streicht mir sachte mit dem Daumen über meinen Nacken. Der leichte Druck, den er auf meiner Haut ausübt, lässt mir kalt und heiß werden, aber ich bleibe standhaft.

„Vielen Dank für den schönen Abend", bedanke ich mich höflicherweise bei ihm, trinke mein Glas aus und verschwinde, ohne ein letztes Mal mich zu Derek umzudrehen.

___________

Hallo Leute :)

Ja, einige haben damit gerechnet, dass Aiden in der Bar auftaucht.. Ich hoffe, ihr seid nicht zu sehr enttäuscht.. Aber ein netter Mann, hat ihr Gesellschaft geleistet, auch wenn es nicht das ist, wonach Vivian sucht..

Euch allen ein schönes Wochenende :)

Eure Liarie :)

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top