14. Kapitel
Aiden
Selbst nach zwei Tassen Kaffee, einem Frühstück und einer kalten Dusche, wollen die Kopfschmerzen nicht nachlassen. Allem Anschein, komme ich nicht um eine Schmerztablette drumherum. Meine morgendliche Runde durch den Park kann ich heute vergessen. Die letzte Nacht hängt mir noch viel zu sehr nach, als dass ich mich sportlich betätigen könnte.
Wieder ein Grund, warum ich meine Freitagabende inzwischen lieber Zuhause verbringe, anstatt mich in einer Bar volllaufen zu lassen. Auch wenn, der letzte Abend sehr schön und zugleich etwas verstörend war. Nach den ersten Tequila Shots wurde er allerdings unterhaltsam. Sehr unterhaltsam, wenn ich ehrlich bin.
Die Erinnerung, an die letzte Nacht, lässt mich vergnügt auflachen. Sofort lässt mich der hämmernde Schmerz zusammenfahren und ich begebe mich auf die Suche nach den Tabletten.
Schon bei unserer ersten Begegnung wollte ich Vivian auf einen Drink einladen. Was ich auch gemacht habe. Dummerweise hat sich kurz danach herausgestellt, dass mein neuer Job so aussieht, dass ich ihr direkter Vorgesetzter bin. Mich hat es nicht abgestreckt, zumindest mich mit ihr auf einen Drink einzulassen. Sogar trotz der Vorschrift der Firma, dass Romanzen unter Mitarbeiter nicht erlaubt sind. Aber offensichtlich, hält sich Vivian genau an diese Regel.
Mit einem Glas eiskalten Wasser und dem Schmerzmittel verziehe ich mich wieder ins Schlafzimmer. Nehme die Tablette ein, lege mich wieder auf mein Bett und starre aus dem großen Fenster auf die Skyline von New York. Meine Gedanken driften wieder ab, zu Vivian.
Ich kann spüren, dass auch sie die nicht zu übersehende Anziehungskraft zwischen uns bemerkt hat. Ihre Blicke, die auf mir ruhen, wenn sie denkt, ich bekomme es nicht mit. Wenn ich zu ihr aufsehe, sieht sie schnell weg. Wie könnte ich das übersehen? Jeder Blinde würde das erkennen. Doch sie wehrt sich mit Händen und Füßen gegen mich. Erst am Montag hat sie erneut meine Einladung auf einen Drink abgeschmettert. Aber, immerhin hat sich mich sie auf einen Kaffee einladen lassen.
Auch ihre Reaktion von gestern. Schon bei der kleinsten Berührung, war sie alles andere als entspannt und das, obwohl sich ausschließlich unsere Knie berührten. Zumindest so lange, bis Alice seltsam wurde und der Alkohol in Massen floss. Danach wurde alles etwas entspannter. Vivian wurde entspannt. Sehr viel entspannter.
Und trotz meiner Gefühle, die ich für Vivian hege und sie meine Ausnahme sein könnte, bin ich heute Abend mit einer anderen Frau verabredet. Es ist nicht irgendeine Frau. Sie ist eine Freundin, die ich bereits seit über zwei Jahren kenne. Ihr Name ist Rolexa. Wir kennen und nicht persönlich, sondern kommunizieren über eine Plattform im Internet. Und obwohl wir uns noch nie begegnet sind, fühle ich mich in gewisser Weise zu ihr hingezogen. Nicht wie bei Vivian, aber so stark, dass ich der Sache nachgehen möchte.
Und dieser Tag ist heute.
Noch bevor die Schmerztablette, ihre volle Wirkung zeigt, klopft es lautstark immer und immer wieder an meiner Wohnungstür. Sodass ich es bis in mein Schlafzimmer wahrnehme. Stöhnend vor Schmerz, hieve ich mich auf, schnappe mir das erst beste T-Shirt und schlurfe zur Tür.
Ich erwarte niemanden. Doch kaum habe ich die erreicht, erahne ich, wer mich an einem Samstagmorgen vor 10 Uhr besuchen kommt.
„Lilian", begrüße ich meine Schwester, die meine kleine Nichte auf der Hüfte trägt. Die Tür öffne ich ihr komplett, sodass sie eintreten kann, doch sie tut es nicht. Mit funkelnden Augen stiert sie mich an, lediglich Katie streckt ihre kleinen Arme nach mir aus und ich nehme sie. Ziehe sie in eine liebevolle Umarmung. Sie erwidert sie, schmiegt sich an mich und quiekt fröhlich auf.
„Willst du nicht hereinkommen?", versuche ich es diesmal mit einer direkten Einladung. Doch statt einer Antwort stemmt sie ihre nun freien Arme in die Hüfte. Sie ist sauer. Richtig sauer. Was habe ich getan, dass sie so... Oh..
„Wir waren zum Frühstück verabredet", kommt sie mir zuvor. „Vor fast einer Stunde, Aiden!" Von unten herauf funkelt sie mich wütend an. Obwohl es sich bei Lilian um meine fünf Jahre ältere Schwester handelt, habe ich sie seit ich 16 Jahre alt bin überholt. Um einen ganzen Kopf.
„Richtig", gestehe ich klein mit Hut. Wie konnte ich das vergessen? Immerhin war ich derjenige, der das ganze angeleiert hat. Lilian wollte Sonntag frühstücken gehen, aber ich habe darauf bestanden heute zu gehen, weil... ich ein Idiot bin. „Lilian, es tut mir so leid. Ich habs total verschwitzt, wenn du noch Zeit hast, können wir in fünf Minuten los", erkläre ich mich und komme mir wieder wie ein Teenager, der seine große Schwester anbettelt Mom und Dad von der zerbrochenen Vase zu erzählen, die beim Fußball spielen, im Wohnzimmer zerschossen wurde.
Lilian mustert mich von oben bis unten. „So wie du aussiehst, wirst du länger als fünf Minuten brauchen. Beeil dich."
Ich sehe an mir herunter. Mehr als ein T-Shirt und eine Jogginghose trage ich nichts. „Danke", erwidere ich, gebe ihr Katie wieder und verschwinde.
♡
Verzweifelt, versuche meine Krawatte zu binden, immerzu verknoten sich meine Finger miteinander. Es ist beinah schon peinlich. Jeden Morgen binde ich mir eine Krawatte, nur jetzt will es verdammt nochmal nicht funktionieren.
Kurzerhand ziehe ich die Krawatte aus dem Kragen und lege sie zurück in die Schublade. Erster Knopf offen und ich brauche keine. Geht auch so. Sieht ohnehin lässiger aus.
So passe ich äußerlich in das Bild des Restaurants, dass ich ausgewählt habe. Ich war selbst erst einmal dort, mit Lilian, als sie noch mit Katie schwanger war und sie mich fragte, ob ich Katies Patenonkel sein möchte. Es ist also ein besonderer Ort für mich. Besonders genug, um mit Rolexa dort essen zu gehen.
Je näher unsere vereinbarte Zeit rückt, desto ruheloser werde ich.
Mit einem Drink sitze ich an der Küchentheke, um meine Nerven zu beruhigen. Heute lerne ich die Frau kennen, über die ich so viel weiß, aber wiederum gar nichts. Am Ende handelt es sich bei Rolexa gar nicht um eine Frau, sondern um einen Mann. Oh Gott. Heftig schüttele ich den Kopf, um diesen Gedanken loszuwerden und kippe den Rest meines Drinks herunter.
Das Restaurant ist nicht weit von mir, sodass ich den Weg zu Fuß zurücklege. Nicht, dass ich eine andere Wahl hätte. Mein Auto steht noch immer in der Tiefgarage der Kanzlei.
Den Weg dorthin habe ich im Nachhinein etwas unterschätzt und komme ein paar Minuten zu spät an. Ich öffne das Tor und trete in den Innenhof ein, der, wie in meiner Erinnerung, mit etlichen Lichterketten versehen ist und dem ganzen eine wohlfühlende Atmosphäre verleiht.
Auf dem kleinen Pult des Kellners halte ich an, um nach meinem Tisch zu fragen. Bei der Reservierung habe ich nach einem Tisch drinnen gebeten. Zwar ist es im Innenhof sehr schön, aber die kleinen Tische mit den Metallstühlen sahen damals schon nicht sehr bequem aus.
„Guten Abend, kann ich Ihnen helfen? Haben Sie einen Tisch reserviert?", begrüßt mich der Kellner, mit dem silbernen Streif in seinen sonst dunklen Haaren.
„Ich habe einen Tisch auf Alpha reserviert", erwidere ich und werfe einen flüchtigen Blick durch das Fenster ins Innere. Ob sie wohl schon da ist? Einige Tische sind bereits besetzt.
„Ah ja, ich hab sie gefunden. Ich bringe Sie zu ihrem Tisch", entgegnet mir der Kellner und kommt hinter seinem Pult hervor.
„Stopp!", entfährt mir plötzlich und der Kellner sieht verunsichert zu mir rüber. „Ist denn Rolexa, also meine Begleitung schon hier?"
„Ja, die Dame ist schon an Ihrem Tisch", bejaht er meine Frage und noch immer stehe ich wie angewurzelt an Ort und Stelle. Sie ist also wirklich hier. Ich schlucke schwer.
„Erstes Date?", hakt er nach und ein amüsiertes Zucken seiner Mundwinkel ist nicht zu übersehen.
Erstes Date. Ja, genau das ist es. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal ein richtiges Date hatte. Zumindest, dass ich ehrenhafte Gedanken damit habe. Ich habe Rolexa nicht angelogen, dass ich eine Ausnahme bin. Es ist lediglich lange her, dass ich eine Frau getroffen habe, auf die das zutraf. Aber es genau das wonach ich nun suche.
„Ja", nicke ich. „Es ist sogar ein Blind Date. Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet", erkläre ich und spüre, wie meine Stimme zu einem nervösen Ton annimmt und meine Hände schwitzig werden.
„Machen Sie sich keine Sorgen", lacht der Mann. „Die Frau, die auf Sie wartet, sieht umwerfend aus. Wenn ich das so sagen darf." Im selben Moment dreht er sich zum Fenster und zeigt hinein. „Sehen Sie die Frau im dunkelroten Kleid?" Ich komme ihm näher und folge seinem Zeigen. „Das ist sie."
Die Frau in dem dunkelroten Kleid sitzt mit dem Rücken zu mir. Ihre langen braunen Haare, fallen weit in den Rücken. Rolexa ist eine Frau. Der erste beruhigende Punkt. Der zweite ist, dass mir allein ihre Rückansicht unfassbar gut gefällt. Das Kleid, das sich perfekt an ihren Körper schmiegt und eine wunderbare Silhouette zaubert. Der Kellner hat recht. Sie ist wirklich umwerfend. Wenn sie jetzt nur noch ihr Gesicht zeigen würde...
Und auf einmal geht alles ganz schnell. Ein anderer Kellner, der noch eben draußen einen Tisch abgeräumt hat, läuft zielstrebig an uns vorbei und drückt sich mit dem Rücken gegen die Flügeltür und Rolexa dreht sich zum Geräusch hin um.
Und das mir unbekannte Gesicht ist mir alles andere als unbekannt. Rolexa.. ist... Vivian?
Wie erfroren, heftet mein Blick auf ihrem Gesicht und tausende Erinnerungen prasseln auf mich ein. Wie kann das sein? Wie zum Teufel, kann es sein, dass es sich bei Rolexa um Vivian handelt? Warum ist mir das nicht schon viel früher aufgefallen? Wie soll ich ihr beibringen, dass die Ausnahme, die sie sich erhofft, ihr Vorgesetzter ist? Mit dem sie auf keinen Fall eine romantische Beziehung will? Fuck. Nicht nur die Erinnerungen, die ich an Vivian habe, sondern die auch die, die ich an Rolexa habe. Ich weiß Dinge über sie, die sie einer unbekannten Person im Internet erzählt hat. Wie kann ich ihr nun gegenüber treten und ihr sagen, dass ich diese Person bin? Das würde sie nicht verkraften. Aber ich kann und will sie nicht einfach dort sitzen lassen.
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Hallo Leute :)
Jaaa!! Die meisten von euch, haben es ja bereits vermutet, dass Misteralpha Aiden ist. Aber was macht unser guter Aiden denn nun? Und wie wird Vivian reagieren?
Ich wünsche euch ein schönes, langes Wochenende :)
Eure Liarie :)
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