1. Kapitel

„Es war die reinste Katastrophe", verkünde ich zum wiederholten male in mein Telefon und steige die Treppen hinunter in die U-Bahnstation. Die Absätze meiner Schuhe verursachen ein Klacken, dass alle Anwesenden mich kommen hören. „Ich hab keine Lust mehr auf dieses Online-Dating. Mit jedem weiteren Treffen werden die Männer seltsamer. Nicht nur, dass er ohne Punkt und Komma von sich gesprochen hat, zudem hat er auch noch in der dritten Person von sich gesprochen. Irgendwann war ich mir nicht mehr sicher, ob er das scherzhafterweise macht oder es sich um eine Persönlichkeitsstörung handelt", erörtere ich meiner besten Freundin, ziehe meine viel zu lauten Schuhe aus und nehme sie in die Hand.

Nicht nur, dass mir meine Füße höllisch schmerzen, weil das Date mit Jeremy, drei Stunden zu lang ging, sondern um die Aufmerksamkeit, die meine lauten Schuhe auf sich ziehen zu unterbinden.

„Das muss grauenhaft gewesen sein", antwortet mir Mila und ich höre sie durch das Telefon leise kichern. Sie macht sich lustig über mich.
„Mila, das ist nicht witzig", unterbreite ich ihr und lese auf der Anzeigetafel, dass die nächste Bahn, die mich nach Hause bringt, in 3 Minuten hier sein sollte. Ich positioniere mich an das richtige Gleis und versuche die gaffenden Menschen um mich herum auszublenden.

„Doch, ein bisschen schon", lacht sie nun aus vollem Halse und fängt an nach Luft zu japsen.
„Aber auch nur, weil du keine Ahnung hast, wie anstrengend Daten ist. Du und Asher, ihr seit ja schon wie lange zusammen? Acht Jahre? Dir sind diese ganzen Tiraden erspart geblieben", pflichte ich ihr bei.

Nach der Trennung von meinem Exfreund sind jetzt zwei ganze Jahre vergangen und zu Beginn haben Mila und ich uns noch über die ganzen Reinfälle lustig gemacht. Aber inzwischen, strengt es mich emotional sehr an, keinen passenden Mann zu finden. Mila kann sich so glücklich schätzen, dass sie einen Mann wie Asher gefunden hat. Sicher wird es nicht mehr lange dauern, bis er ihr die wichtigste aller Fragen stellt.

„Und darüber bin ich sehr dankbar, aber Vivian, du wirst auch noch den richtigen finden, irgendwann steht er einfach vor dir und ihr werdet in den Sonnenuntergang reiten", bestärkt mich meine beste Freundin und versucht meine Laune zu heben. Doch vergebens.
„Aber sicher doch", sind meine letzten Worte, bevor ich auflege und in die U-Bahn steige.

Frisch geduscht, mit Turban auf dem Kopf und in meinen flauschigen Bademantel gewickelt, mache ich es mir mit einem Glas Wein auf dem Sofa, vor dem Fernseher bequem. Nach diesem Reinfall von Date, will ich nur noch meine Lieblingsserie schauen und den heutigen Tag hinter mir lassen.

Trotz der zwei oder vielleicht auch drei Gläser Wein, die ich bereits intus habe, lässt mich der heutige Tag nicht zur Ruhe kommen. Nach all diesen miserablen Dates, die ich die letzten Jahre über mich ergehen lassen habe, fange ich allmählich an, an mir zu zweifeln. Mit jedem Date, jedem Typ, wird mir immer mehr bewusst, was ich mir von einem Partner nicht wünsche. Keiner von ihnen konnte mich überzeugen über die erste Kennenlernphase oder gar dem ersten Date hinaus zu gehen.

Es gab ein paar von ihnen, mit denen ich es ein paar Monate ausgehalten habe, aber mehr als „Spaß" war nie dabei. Aber selbst der „Spaß" war nicht sehr befriedigend.

Nach der dritten Folge der Serie, die ich kaum verfolge, beschließe ich mir ein weiteres Glas Wein zu holen, um mich vollständig im Selbstmitleid zu suhlen. In der Küche greife ich nach der offenen Flasche Weißweines und leere den restlichen Inhalt in mein Glas ein. Wieder auf dem Weg in Richtung Wohnzimmer, mache ich einen kleinen Abstecher an meinen Schreibtisch, um dort die Packung Studentenfutter zu holen, die ich nun vollständig verdrücken werde.

Etwas ungeschickt, lande ich auf dem Schreibtischstuhl und erwecke durch meine Landung meinen Laptop. Kurz bevor ich zu meinem Date aufgebrochen bin, habe ich noch meine E-Mails gecheckt und anscheinend habe ich ihn nicht heruntergefahren.

Mit dem Cursor logge ich mich aus meinem E-Mail-Account und will gerade den Browser schließen, als mir in einem anderen Tab eine neue Nachricht angezeigt wird. Einen Moment zögere ich, doch klicke schlussendlich auf den Tab und sofort erscheint die Plattform Chaospisser. Ich öffne den aufleuchtenden Brief in der Ecke des Bildschirmes. Die Seite hat noch nicht vollständig geladen und ich weiß bereits vorab, von wem die Nachricht ist.

Der Chat von MisterAlpha öffnet sich und die neue Nachricht erscheint.

MisterAlpha: Wie ist dein Date gelaufen?

Ich schüttele verärgert den Kopf. Nicht wegen MisterAlpha oder Nachricht, lediglich, weil ich wieder an den heutigen Abend erinnert werde. Doch so sehr ich mich auf über Jeremy weiterhin ärgern könnte, kann ich ein leichtes Zucken meiner Mundwinkel nicht verbergen. Dass er daran gedacht hat, freut mich und lässt mich zufrieden aufseufzen.

Rolexa: Die reinste Zeitverschwendung.

Kaum habe ich die Nachricht abgeschickt und will den Browser schließen, tanzen drei kleine Punkte in unserem Chat und signalisieren mir, dass MisterAlpha eine Antwort schreibt. Verblüfft, dass er an einem Samstagabend, überhaupt online ist, warte ich gespannt auf seine Antwort.

MisterAlpha: So schlimm also? Willst du darüber reden?

MisterAlpha und ich haben uns vor circa zwei Jahren über die Webseite Chaospisser kennengelernt. Es ist ein Forum, auf dem sich Katzenliebhaber auf Diskussionen einlassen, welches Katzenfutter oder Katzenstreu das richtige für ihre pelzigen Lieblinge sei. Nicht, dass ich eine Katze oder ähnliches besäße. Kurz nach der Trennung von meinem Exfreund, hatte ich viel angestaute Wut in mir, für die ich ein Ventil brauchte, um all die negative Energie schnellstmöglich loszuwerden. Und was bietet sich besser dafür an, als ein Forum, in dem solche hitzigen Themen besprochen werden. Inzwischen weiß ich nicht einmal mehr, um was es in besagten Beitrag ging, unter dem ich mich ausließ, nur, dass ich jede Menge Shitstorm geerntet habe. Aber unter allen, die sich gegen mich aufgestellt haben, gab es einen, der sich auf meine Seite geschlagen hat. MisterAlpha.

Nachdem wir uns beinah täglich in den Kommentaren verschiedener, dämlicher Beiträge wiederfanden und uns über die Angelegenheiten lustig gemacht haben, wurden wir für die Kommentarfunktion gesperrt. Schnell haben wir die Privatnachrichten Funktion für uns entdeckt. Erst haben wir uns darüber, alle paar Wochen, über die Probleme der Katzenmenschen unterhalten. Aus alle paar Wochen wurde wöchentlich und aus wöchentlich wurde beinah täglich.

Das Ganze ist nun schon fast zwei Jahre her und inzwischen geht es nicht mehr um Katzen. Es geht um alles und nichts. Über Freunde, Familie, die Arbeit, den Alltag und über Dates.

Doch ein paar entscheidende Faktoren weiß keiner von uns über den anderen. Ich weiß nicht, wie er heißt, wie alt er ist, wie er aussieht, wo er wohnt, noch ob er wirklich ein Mann ist oder gar ein Krimineller. Alles was ich weiß, könnte genauso gelogen und erfunden sein. Aber das ist okay. Er ist der einzige, neben Mila, dem ich von meinem chaotischen Liebesleben erzähle und er hört immer gespannt zu.

Rolexa: Das ist eine lange Geschichte, du hast bestimmt besseres an einem Samstagabend zu tun, als dir meine Katastrophe von Date anzuhören.

MisterAlpha: Ich bin ganz Ohr.

Das schwache Zucken wird zu einem ausgeprägten Lächeln und ich beginne MisterAlpha von meinem Date zu berichten.

Rolexa: Ich glaube, ich sollte das Dating einfach aufgeben. Mein Traumprinz existiert wohl nicht.

MisterAlpha: Sag das nicht. Irgendwann steht der Richtige einfach vor dir.

Rolexa: Wow.

MisterAlpha: Zu kitschig?

Rolexa: Eindeutig und du klingst eins zu eins wie meine beste Freundin.

MisterAlpha: Dann ist deine beste Freundin wohl eine ganz weise Frau.

Rolexa: Oder eine hoffnungslose Romantikerin.

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Hallo Leute :)

Ich bin wieder zurück! Und das mit der guten Vivian. Ich bin schon sehr gespannt, was ihr zu der Story sagen werdet :)

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