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Linus
"Was sagst du da Luise?", fragte Steve ruhig.
"Ich hab sie schon zwei mal gesehen, wie sie sich geküsst haben. Linus macht das alles kaputt! Sie sind Stiefgeschwister!"
"Warum sagst du sowas?", fragte ich und versuchte die Situation noch irgendwie zu retten.
"Stimmt das?", fragte Steve an uns gewandt.
Bevor ich irgendwas sagen konnte, holte Luise ihr Handy raus und zeigte Steve ein Video.
Das Video zeigte Marlon und mich wie wir uns im Hausflur küssen. Kurz bevor Luise uns erwischte. Sie hatte die Scheiße auch noch gefilmt. So eine hinterhältige Bitch.
"Marlon, Linus...", sagte Mom. "Warum...?"
Sofort entflammte die Wut in mir. Ich machte ein paar Schritte auf Luise zu.
"Du hast das gefilmt du Bitch?!"
"Linus!", ermahnte meine Mutter mich, doch ich ignorierte sie.
"Ich werde dir sowas von-"
Marlon legte eine Hand auf meine Schulter und brachte mich damit zum Schweigen.
Fragend schaute ich zu ihm.
"Es ist meine Schuld... Ich... Ich glaube ich hab ihn einfach etwas verführt..."
"Jungs, das geht wirklich nicht... Ihr seid Stiefgeschwister...", sagte Steve.
"Ja... Sorry.", meinte Marlon, während ich Luise immer noch vor Wut ins Gesicht treten will.
"Wir sind doch nicht verwandt.", meinte ich. "Ist doch egal."
"Aber die Leute werden reden, wenn sie das herausfinden.", sagte meine Mom.
"Und? Dann lass sie doch reden. Was interessiert mich das?"
"Nein, Linus. Sowas unterbinde ich.", meinte Steve. "Ihr beide werdet euch jetzt aus dem Weg gehen."
Ich schnaubte nur. "Und wie? Wenn wir in einem Haus wohnen? Sollen wir getrennt essen? Getrennt von der Schule kommen?"
Steve schaute mich an. "Fangt doch damit an, dass ihr euch außerhalb des gemeinsamen Essens nicht mehr seht."
"Ja.", sagte Marlon. "Tut mir leid."
Er drehte sich um und ging aus der Tür.
Ich schaute wütend zu Luise. "Fick dich."
"Linus! Geh auf dein Zimmer!", sagte Mom.
Ich tat was sie sagte, aber nicht um dort zu bleiben, sondern um joggen zu gehen. Ich spürte wie die Panik in mir hochkam. Wie sie nach mir griff und mich in den Abgrund ziehen will.
Beim Joggen versuchte ich mich darauf zu konzentrieren, dass gleichmäßig der Sauerstoff in meine Lungen kam.
Aber meine Angst verschwand nicht. Ich hatte Angst, dass die Panikattacken jetzt wieder schlimmer werden. Dass sie mich dieses Mal zu Boden zwingen. Dass meine Noten wieder schlechter wurden, dass ich keinen Abschluss mache.
Was ist, wenn mir wieder alles zuviel wird? Wer holt mich daraus? Ich will nicht wieder so abrutschen. Will nie wieder zugekokst in einem Stripschuppen arbeiten.
Marlon war mein Anker gewesen. Mein Licht, welches mich aus der Dunkelheit geführt hat. Er hat mir gezeigt, dass ein Neuanfang nichts schlechtes sein muss. Dass man sich seinen Ängsten manchmal stellen muss.
Dieses Mal joggte ich nicht meine gewohnte Strecke, sondern joggte geradewegs zum Friedhof. Das Joggen ließ meine Panik nicht verfliegen, aber vielleicht half es mir, wenn ich kurz bei Dad sein konnte.
Dank Marlon konnte ich sein Grab endlich besuchen. Dank ihm war mein Leben besser. Dank ihm hatte ich keine Zukunftsangst mehr. Ich habe ihn bereits einmal fast verloren. Und jetzt sollte ich ihn ein zweites Mal verlieren?
Für immer?
18.10.
Der Tag schwirrt immer noch in meinem Kopf rum. Der Tag an dem er wieder wach wurde und ich wusste, dass ab jetzt alles besser werden wird.
Ich seufzte und setzte mich neben den Grabstein von Dad. Ich schaute über den Friedhof ein wenig in der Hoffnung Greta vielleicht zu entdecken. Doch sie war nicht hier. War sie vielleicht noch im Krankenhaus? Ich schaute zu dem Grab von ihrem Mann und sah dort einen großen Strauß. Hatte Greta ihm diesen gebracht?
Langsam stand ich auf und lief zu diesem.
Er war wirklich schön.
Ich schaute auf den Grabstein und sank langsam auf die Knie, als ich sah was dort stand.
Greta Haas
* 02.05.1938 †18.10.2024
Sie war verstorben. Und das an dem Tag, an dem Marlon seine Augen wieder öffnete.
War das Zufall?
Ich glaubte nicht an übernatürliches. Aber das, war doch schon ein großer Zufall.
Hatte Greta Platz in der Welt geschaffen, damit Marlon bei mir blieb?
Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht ich schwor mir bald mit einem Blumenstrauß wieder zu kommen.
"Danke.", flüsterte ich und joggte wieder nach Hause.
Meine Tränen trockneten schnell, meine Wut war weiterhin da. Genauso wie meine Angst. Die Panik war etwas abgeflacht.
Als ich das Haus betrat, hörte ich die Stimmen von Mom und Steve in der Küche. Mom streckte ihren Kopf raus und lächelte mich warm an.
"Alles okay?"
"Klar.", antwortete ich ihr wütend und ironisch. Dann lief ich die Treppen hoch und traf dort auf Luise.
Fuck, das hatte mir noch gefehlt. Wegen dieser Schlampe war mein Leben zerstört. Sie lief ins Badezimmer und sah mich nicht kommen.
Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen. Dann sollte ich ihr Leben auch zerstören. Das ist nur fair.
Ich ging in ihr Zimmer und fand ihren Laptop. Dieser war noch offen und nicht gesichert.
Okay, denk nach Linus. Wie zerstörst du ihr Leben am Besten?
"Was machst du da?", fragte Luise wütend, welche im Türrahmen stand.
"Dein Leben zerstören."
"Geh weg!"
Ich stand von ihrem Schreibtisch auf und ließ ihren Laptop auf den Boden fallen.
"Spinnst du?!"
Sie bückte sich nach diesem. Ich packte sie am Kragen, sodass sie mich angucken musste.
"Ich hab dir gesagt, wenn du Marlon und mich verpetzt, werde ich dein Leben zerstören."
Sie hatte Tränen in den Augen.
Perfekt.
Ab jetzt wird sie sich wünschen, dass sie Steve und Mom nie das Video gezeigt hätte.
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