69
Linus
Samuel und ich hatten definitiv etwas zu viel getrunken. Deswegen war ich froh, als ich aus dem stickigen Zelt raus war und kurz an die frische Luft konnte. In einer ruhigen Ecke zündete ich mir eine Zigarette an und hoffte, dass Mom es nicht sah.
Samuel war bereits gegangen, doch es waren immer noch viele Gäste da. Die Nacht wird wohl noch lang gehen.
"Ich kiffe nicht.", verteidigte ich mich als Marlon auf mich zukam.
Er lachte nur und klaute mir eine Zigarette aus meiner Schachtel. "Hast du etwa Angst?"
"Nein."
Er schaute mich von oben bis unten an, während er seine Zigarette anzündete.
"Du hast dich gut mit Samuel unterhalten.", stellte Marlon fest.
"Wie gesagt, ich mag ihn."
"Dad war echt genervt, dass er da war."
"Mir hat er die Langeweile vertrieben."
"Ja, ich merks. Ihr habt ein bisschen getrunken, was?"
"Minimal."
Marlon lachte. "Ich würde dich echt gerne küssen."
Ich schaute über seine Schulter zu den anderen Gästen, welche draußen standen. "Ja, ich dich auch... Oh fuck."
Ich schnappte mir seine Zigarette und trat beide schnell auf dem Boden aus.
Im nächsten Moment war Steve schon bei uns angekommen.
"Mögt ihr noch ein paar Eiswürfel holen?"
"Ich mach das.", sagte ich.
"Marlon kannst du mir kurz mit den Bierkisten helfen?"
Marlon und Steve verschwanden und ich machte mich auf den Weg in die Küche.
Gott, ich hatte gut einen im Tee. Aber so hielt ich die langweilige Party wenigstens aus.
Auch Luise war in der Küche und schaute sich das 3D Bild an.
"Ist cool oder?", fragte ich.
"Meinst du dadurch wird Steve dich jetzt lieben?"
Ich verdrehte nur die Augen. "Es war gar nicht mein Plan, dass Marlon ihm das sagt. Mir war sein Geburtstag egal."
"Anscheinend ja nicht, wenn du ihm sowas schenkst."
"Luise, ich versuche wirklich Steve und dich zu akzeptieren. Warum kannst du das nicht auch?"
"Weil ich das nicht will."
"Uns wird aber nichts anderes übrig bleiben. Ich hab es auch gemerkt und es wäre wirklich gut, wenn du es auch merkst."
Luise schnaubte und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. "Ich hasse es, dass Dad dich mag."
"Pech. Damit wirst du leben müssen. Du bist die einzige die mich nicht mag."
"Marlon-"
"Marlon mag mich.", sagte ich grinsend. "Er mag mich sehr..."
"Ihr habt euch nur einmal geküsst."
"Nein.", sagte ich lachend.
Sie schaute zu meinem blauen Hals, weswegen ich wieder lachte.
"Das war Marlon."
Geschockt schaute sie wieder in mein Gesicht.
"Seine Finger passen genau auf diese Flecken. Das ist passiert als wir gevögelt haben. Heute. Und du wirst niemandem davon erzählen. Denn wenn du das machst, mache ich dir dein Leben in diesem Haus zu Hölle."
"Ich werde es Steve sagen!"
"Und dann? Marlon wird auch rausgeschmissen. Dann ist er böse auf dich. Dann hast du niemanden mehr. Das willst du doch nicht wirklich. Ab jetzt musst du mit dem Gedanken leben, dass ich deinen Bruder vögle."
"Du lügst! Er würde niemals was von dir wollen! Er weiß wie sehr das diese neue Familie zerstören würde. Du willst mich nur provozieren."
Ich zuckte mit den Schultern. "Okay, wie du meinst."
Dann nahm ich die Eiswürfel und ging damit wieder in das Zelt.
"Hey.", sagte Marlon hinter mir. "Steve meinte, wir müssen nicht die ganze Zeit dabei sein. Wenn du willst, können wir rein gehen und noch einen Film gucken."
"Ich wäre sowieso nicht die ganze Nacht hier geblieben. Aber das können wir gerne machen."
"Okay, ich warte auf dich."
Marlon ging schon mal vor, während ich noch kurz mein Glas auftrinken wollte.
"Hey, Linus.", sagte Steve und kam auf mich zu. "Ich wollte mich nochmal bei dir bedanken. Ich sehe wie sehr du dir Gedanken über ein Geschenk gemacht hast."
"Kein Problem."
"Du bist wirklich ein toller Junge. Und ich finde es gut, dass du dich so gut mit Marlon verstehst."
Ich nickte nur und unterhielt mich noch kurz mit ihm, bis ich mein Glas aufgetrunken habe.
Dann ging ich ins Haus und fand Marlon im Flur.
"Du bist aber nicht weit gekommen."
"Ich wollte uns noch was zu trinken holen. Such dir schon mal ein Film aus."
Ich versperrte ihm den Weg und schaute zu ihm hoch. Marlon schnaubte lachend, schob mich leicht gegen die Wand, nahm mein Gesicht in seine Hand und gab mir einen sanften Kuss. Ich erwiderte den Kuss und verlor mich in diesem. Genau wie Marlon.
Das war unser Problem, denn so hörten wir nicht wie jemand ins Haus kam. Erst als die Tür ins Schloss fiel, schraken wir auseinander und sahen Luise vor uns stehen.
Ihr Gesicht war blass.
"Scheiße...", murmelte Marlon.
"Luise das...."
"Ihr seid zusammen?"
"Nein!", log Marlon. "Ich... Wir wollten das gar nicht."
Ich grinste Luise nur an, weil sie realisierte, dass ich nicht gelogen habe.
"Das sah aber ganz anders aus! Wenn Steve das erfährt!"
"Wird er ja nicht.", meldete ich mich zu Wort. "Denk an meine Worte Luise. Du wirst ganz alleine da stehen."
Und damit verschwand ich aus dem Flur in Marlons Zimmer. In der Hoffnung, dass meine Drohung gezogen hatte.
(...)
Meine Drohung war ein Erfolg. Die Party war eine Woche her und Luise hat nichts erwähnt. Marlon hatte mich gefragt womit ihr gedroht habe und ich habe ihm die Wahrheit erzählt. Daraufhin wurde ich bestraft, aber das war es mir wert.
Meine Hände zeichneten immer noch blaue Striemen vom Gürtel ab. Im Unterricht schaute Marlon ab und an unauffällig zu meinen Handgelenken und fing an zu Grinsen. Auf eine Art machte mich das an und ich überlegte mir ob ich nicht mit Absicht nochmal etwas machen sollte, damit er mich bestraft.
Was ist eigentlich los mit mir, dass ich auf sowas stehe?
"...und zum Schluss ist Benji dann auf ihn losgegangen.", erzählte ich Marlon meine Geschichte gerade zu Ende, während wir von der Schule nach Hause liefen.
"Und jetzt ist er im Knast?"
"Er ist in Untersuchungshaft. Aber wahrscheinlich wird er das Schuljahr nicht mehr zu Ende machen."
"Ach du Scheiße... Und wie geht es Dima jetzt?", fragte Marlon, während er die Haustür aufschloss.
"An sich ganz gut. Seine Nase ist gebrochen, aber-"
Ich unterbrach mich, als wir einen Streit aus der Küche hörten.
"Gott, was ist da denn los?", fragte Marlon.
"Ich schwöre dir, dieses mal habe ich damit nichts zu tun."
Wir betraten den Flur und hörten die Auseinandersetzung zwischen Luise und Steve.
"Du führst dich auf wie eine Furie!", schrie Steve sie an.
"Ich hab darauf einfach kein Bock! Ich will nicht, dass Linus hier weiterhin wohnt!"
"Hey, du redest immer noch über meinen Sohn.", mischte meine Mom sich ein.
"Aber er wird alles kaputt machen!"
"Luise!", rief Steve. "Es reicht jetzt! Ich erkenne dich gar nicht wieder! Du musst es jetzt akzeptieren. Das hat Linus doch auch. Und du passt dich jetzt gefälligst auch an!"
"Nein! Ihr wisst ja gar nicht, was Linus alles tut!"
An Luises Stimme konnte ich hören wie sie weinte.
"Du wirst ihm jetzt nicht irgendwas vorwerfen! Außerdem hast du Hausarrest für die nächste Woche um mal darüber nachzudenken, wie du dich aufführst!"
"Wieso wundert ihr euch nicht, warum Marlon und Linus sich so gut verstehen?!"
"Sei doch froh, dass sie es wenigstens versuchen eine Patchworkfamilie zu sein."
"Das versuchen sie gar nicht!"
"Scheiße...", fluchte Marlon.
Und ich dachte genau das Gleiche. Luise war kurz davor uns auffliegen zu lassen. Und das mussten wir unbedingt unterbinden.
In schnellen Schritten liefen wir gemeinsam in die Küche um den Streit zu unterbrechen.
Doch gerade als Marlon die Tür zur Küche aufmachte, sagte Luise: "Sie schlafen miteinander!"
Und plötzlich waren alle Augen auf uns gerichtet.
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