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Marlon
"Dad? Caroline? Ich geh noch unterwegs."
Ich versuchte so ruhig wie möglich zu klingen um niemandem Sorgen zu bereiten. Das konnte nach den ganzen Wochen jetzt wirklich keiner gebrauchen. Vorallem Dad und Caroline so kurz vor ihrem Urlaub nicht.
"Wo geht es hin?", fragte Dad.
"Ich treffe mich nur mit ein paar Freunden. Wartet nicht auf mich."
"Alles, klar. Viel Spaß."
Auf der Auffahrt nahm ich dann die Beine in die Hand und rannte zum Bahnhof. Der Zug war Gott sei Dank noch da und fuhr erst ab, als ich gerade Platz genommen hatte.
Saß Linus auch in diesem Zug als er abgehauen ist? Was ist ihm durch den Kopf gegangen, als er sich das Ziel gesetzt hatte nie wieder nach Hause zu kommen?
Was geht ihm jetzt gerade durch den Kopf? Was war los, dass er mich anrief und um Hilfe bat? Er klang überhaupt nicht gut und ich drehe gleich durch vor Sorge.
Marlon
Bin unterwegs. Wo bist du?
Alles okay?
Halte durch, ja?
Wo bist du?
Scheiße, ich hatte ja keinen blassen Schimmer wo er genau steckte. Ich kannte nur den Weg zum Stripclub in welchem er arbeitete. Ich hatte keine Ahnung wo er jetzt wohnte. Aber Jay könnte es vielleicht wissen.
Marlon
Weißt du wo Linus wohnt?
Jay
Sorry, ich kann dir wirklich nichts sagen...
Am Liebsten hätte ich das ganze Zugabteil zusammengeschrien. Stattdessen rief ich Jay an.
"Man, ich meine es ernst. Ich werde es dir nicht sagen.", begrüßte er mich.
"Jay, bitte. Er hat mich gerade angerufen und um Hilfe gebeten. Er schreibt mir nicht mehr, ich weiß nicht wo er steckt."
"Anscheinend will er dann ja doch keine Hilfe von dir."
Ich war kurz davor ihn durchs Telefon meine Meinung zu sagen. Doch dann fiel mir ein, dass Jay vielleicht gar nicht alles von Linus wusste.
"Weißt du, dass er in einem Stripclub arbeitet?"
Kurz wurde es still in der Leitung, bevor Jay antwortete: "Und?"
Ich atmete tief durch. Er wusste es nicht, aber er tat so als würde er es wissen.
"Weißt du, dass er kokst um die Arbeit da zu ertragen? Dass er dafür bezahlt wird anderen Männern einen Blowjob zu geben? Ich hab ihn gesehen Jay. Ich war in diesem Stripclub. Ich habe seine leeren Augen gesehen. Ich habe gesehen wie labil er ist und dass er unbedingt Hilfe braucht. Und jetzt sag mir nicht, dass du es nicht auch gesehen hast, wenn du ihn schon mal wieder getroffen hast. Er braucht Hilfe. Und die kann ich ihm nur geben, wenn du mir jetzt sagst wo er wohnt."
"Scheiße...", nuschelte er ins Telefon. "Fuck, das wusste ich nicht. Ich muss die Adresse raussuchen, aber ich schicke sie dir. Versprochen."
"Okay."
"Kannst du mir bitte Bescheid geben, wenn du mehr weißt?"
"Ja."
Die Zugfahrt verging viel zu langsam. Jay schickte mir die Adresse bereits eine Minute nach unserem Telefonat.
Das Haus lag nur fünf Minuten Fußweg vom Bahnhof entfernt. Doch ich schaffe das auch in zwei Minuten.
Am Wegesrand lagen und saßen überall obdachlose, besoffene und zugedröhnte Menschen. In der Partymeile, wo auch der Stripclub war, bekam man dies gar nicht so wirklich mit. Ich brauchte wirklich nicht lange zu der Wohnung. Traf auf dem Weg jedoch zweimal den Rettungswagen und dreimal die Polizei.
Scheiße Linus, wo bist du da bloß reingeraten?
Die Wohnungstür stand offen, da diese augenscheinlich mal eingetreten wurde. Und so konnte ich ohne Probleme das Treppenhaus betreten und zu der Wohnungstür laufen. Hier musste ich zweimal klingeln, bevor mir jemand aufmachte.
"Ja?", fragte der Typ mit den dunkelbraunen Augen verschlafen.
"Wo ist Linus?"
"Ich weiß nicht. Was willst du von ihm?"
"Er... Er hat mich angerufen. Dass ich kommen soll. Wann hast du ihn zuletzt gesehen?"
"Heute morgen, als ich von meiner Schicht kam. Er hat heute frei, deswegen hat es mich gewundert, dass er schon wach ist. Ich weiß nicht wo er hin ist. Vielleicht joggen oder so?"
Joggen oder so? Dann würde er mich doch nicht anrufen. Scheiße, wo war er? Ich checkte nochmal mein Handy, doch er hatte mir immer noch nicht geschrieben.
Ich verabschiedete mich von seinem Mitbewohner mit der dringenden Bitte, dass Linus sich bei mir melden soll, falls er ihn eher sieht als ich.
Er versprach mir das zwar, aber ob das wirklich bei ihm ankam, mag ich zu bezweifeln. Während ich das Treppenhaus hinunterlief, rief ich Linus nochmal an, doch er ging nicht ran.
Ich lief die ganze Straße hoch und die andere Seite wieder runter in der Hoffnung ihn zu finden. Dabei versuchte ich weiterhin bei ihm anzurufen. Aber er ging einfach nicht ran. Meine Panik drohte mich übermannen. Vielleicht sollte ich einfach die Polizei rufen? Aber was soll die machen? Sie konnten den Anruf nicht mehr zurückverfolgen und ich hatte ja auch weder Beweise, dass er wirklich Hilfe braucht noch wusste ich wo er war. Außerdem suchte die Polizei nach mir, also vielleicht war es doch besser, wenn ich denen nichts sage.
Auch nach dem zehnten Anruf ging er nicht ans Handy.
Was ist, wenn er eine Panikattacke hat und aus dieser nicht rauskommt? Oder wenn er Halluzinationen hat die ihn in Gefahr gebracht haben?
Panikattacken...
Meine Schritte verlangsamten sich.
Ich hatte einen Verdacht wo er sein könnte. Doch, wenn er wirklich dort war, dann war ich weit entfernt und verlor wertvolle Zeit.
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