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Linus

"Alles okay?", fragte ich an die Polizisten gewandt. 
"Wir haben eine vermissten Anzeige. Ihre Mutter sucht nach Ihnen."
Scheiße, sie meinte das wirklich ernst oder? Sie wollte mich unbedingt zurück haben.
"Ja, aber ich bin doch aus freien Stücken gegangen. Also können sie mich nicht mitnehmen."
"Nein, das können wir nicht. Und Sie wohnen hier?"
"Richtig. Richten Sie meiner Mutter bitte aus, dass ich nicht mehr nach Hause kommen werde. Nie wieder."
Die Polizisten schwirrten zum Glück schnell ab. 
Entweder hat die Polizei lange gebraucht um mich zu finden, oder Mom hat mich erst später als vermisst gemeldet. Bestimmt wollte sie erst ihre Hochzeit genießen, bevor sie nach mir sucht. Wenn ich an die Hochzeit dachte, stieg die Wut sofort wieder hoch. Damals hab ich sie zugedröhnt angerufen, weil ich es lustig fande.
Nüchtern betrachtet... ist es immer noch lustig.
"Wie war die Nacht?", fragte Zade, welcher übrigens im gleichen Schuppen wie ich arbeitete.
"Erfolgreich. Aber die Hälfte davon willst du ja haben.", sagte ich und gab ihm einen Stapel Geld für die Miete.
"Nice, du hast ja ordentlich Kohle gemacht."
"Was soll ich sagen? Die Typen lieben meinen Mund."

Marlon

Ich war gerade erst aufgewärmt, als der Typ unter mir schon bewusstlos wurde. Die Menge jubelte und schrie meinen Namen, während ich zu David ging.
"Dem hast es aber ordentlich gezeigt.", lobte er mich.
David sah eigentlich nur die Scheine, welche ihm zu flatterten, wenn ich gewinne. Die letzten Kämpfe war ich ordentlich in Fahrt gekommen und ich nahm auf niemanden Rücksicht. Dies lag aber vor allem in der ganzen Wut die sich bei mir aufgestaut hatte.
Wut auf Linus, dass er einfach abgehauen ist und seine Mutter im Stich gelassen hat. Dass er mich im Stich gelassen hat.
Fuck, was labere ich. Wir waren nicht mal zusammen, obwohl es sich in manchen Momenten so angefühlt hat und ich es mir in manchen Momenten auch gewünscht hätte.
Ich nahm David die Wasserflasche aus der Hand und schaute auf mein Handy. Die Nachrichten von Linus standen immer noch auf ungelesen. Ich weiß nicht warum, aber jedes mal hatte ich die Hoffnung, dass er sie vielleicht doch las und er mir sagt wie es ihm geht. 
Als er mich vor ein paar Wochen angerufen hat, klang er nicht wie er selbst. Ich machte mir wirklich Sorgen und hoffte, dass er keine Scheiße anstellte. 
"Ich brauch einen Drink.", nuschelte ich und drückte David die Wasserflasche in die Hand.
Sofort folgten mir Rascal und Joris. Sie folgten mir immer auf Tritt und Schritt in der Halle. Denn David hatte Angst, dass die Leute auf mich losgehen, weil sie es nicht einsehen, dass ihr Wetteinsatz gegen mich verloren hat. Diese Angst teilte ich tatsächlich mit David. Wenn ich mir die Leute hier so angucke gibt es darunter immer welche, die mir auf die Fresse hauen wollen. Aber alleine im Boxring trauen sie es sich dann doch nicht.
"Wollt ihr auch was trinken, Mario und Luigi?"
"Fick dich.", sagte Rascal.
Also bestellte nur ich mir etwas.
Der Typ neben mir drehte sich um und stieß mit mir zusammen.
"Sorry... Oh, hey.", begrüßte Jay mich. "Guter Kampf."
"Danke."
Er wollte gerade an mir vorbei, als ich ihn an der Schulter festhielt.
"Hast du was von Linus gehört?"
Ich hatte mir eigentlich geschworen mit ihm abzuschließen und nicht auf ein Lebenszeichen zu hoffen, doch so ganz klappte das nicht. Er war mir wichtiger, als ich es mir eingestehen will.
"Es geht ihm gut."
"Hast du Kontakt zu ihm?"
"Ja. Es geht ihm wirklich gut."
"Wo ist er?"
"Kann ich dir nicht sagen."
"Jay, bitte. Seine Mutter macht sich Sorgen. Seit Wochen schläft sie nicht, sie isst nicht und jedes Mal, wenn es an der Tür klingelt hofft sie, dass Linus davor steht."
"Sorry, aber ich kann es dir nicht sagen. Ich hab es ihm versprochen. Er ist aus einem bestimmten Grund gegangen."
"Er ist aus einem bescheuerten Grund gegangen! Er hatte kein Recht abzuhauen!"
Jay schaute mich stirnrunzelnd an. "Das kann er ja wohl immer noch selbst entscheiden. Und ganz ehrlich, ich hätte es an seiner Stelle auch getan. Hör einfach auf dich um ihn zu kümmern. Vergiss ihn. Denn ganz ehrlich, er hat dich schon lange vergessen."
Dieser Satz verletzte mich mehr als er sollte. Meine Finger krallten sich in meine Handballen. Eine ganz neue und viel stärkere Wut flammte in mir auf.
Er hatte mich vergessen.
Damit hab ich meine Antwort wohl endgültig erhalten. Er wird nicht wiederkommen. Und ich werde ihn ab sofort auch vergessen.
Ich versuche es zumindest...
Wieder ertönte Jubel. Das war mein Zeichen, dass der nächste Kampf vorbei war und ich dran war. Schnell exte ich mein Getränk und lief mit Trick und Track zurück zu David.
"Jetzt wird es ernst Marlon.", sagte David. "Der Typ ist wirklich verdammt heftig. Du musst alles geben."
Ich nickte nur und knackte mit meinen Finger um jede Anspannung zu lösen.
Er hatte mich vergessen.
Ich stieg in den Ring und dieses mal ertönte nicht nur Jubel, sondern auch Buh-Rufe. Das war ich gar nicht gewöhnt. Was für ein Typ wird da wohl auf mich zukommen, wenn er bereits so eine Fanbase hat?
Es war ein tätowierter, muskulöser Schrank. Aber ich wusste, dass die Muskeln nichts zu sagen hatten. 
Klar, sie spielten eine große Rolle in den Kämpfen, aber es zählte auch die Technik, wie man sie am Besten einsetzt. Und das war mein Geheimnis. Vielen hier ging es nur um das reine Zuschlagen.
Und schon ging es los. Der Schrank kam wütend auf mich zu und holte aus, doch ich wich nach links aus und verpasste ihm einen ordentlichen Schlag ins Gesicht. Fluchend taumelte er kurz zurück, was mich dazu veranlasste ihm einen Tritt in die Weichteile zu geben. Der Schwachpunkt eines jeden Mannes. Wenn das so weiter geht, sind wir hier schnell durch.
Der Schrank drehte jetzt jedoch komplett durch, packte meinen Hals und drückte zu. Sein Griff war so stark, dass ich seine Hände auf jeden Fall nicht losbekam. Die Menge jubelte ihm zu.
Versager. Denen werde ich es schon zeigen.
Ich trat seinen Fuß weg, was ihn aber nicht zum Fallen brachte, wie ich es mir erhofft hatte.
Er schmiss mich mit vollem Körpereinsatz auf den Boden. Einen Raunen ging durch die Menge, als mein Kopf hart auf den Boden aufprallte. 
Er hatte mich vergessen.
Ich vergesse ihn auch.
Ich werde ihn vergessen.
Ich muss ihn vergessen.
Erneut flammte Wut in mir auf, welche sich durch den Drink gerade erst verflüchtigt hatte.
Schnell rollte ich mich zur Seite, bevor der Schrank auf mich drauffallen konnte.
Erneut trat ich seinen Fuß weg, dieses mal taumelte er. In dem Moment stand ich auf und schubste ihn hart auf den Boden.
Sofort setzte ich mich auf ihn drauf und schlug ihm ins Gesicht. Immer und immer wieder.
Auch er verpasste mir einen Schlag, doch diesen ignorierte ich. Ich schlug weiter auf sein Gesicht ein. 
Er packte nach meinem anderen Arm, welcher um seinen Hals lag und verdrehte diesen schmerzhaft. Kurz zischte ich schmerzerfüllt, ließ mich davon jedoch nicht unterkriegen. Ich stand auf und gerade als er es mir gleich machen wollte, trat ich mit meine Fuß in sein Gesicht und dann gegen seine Brust. Danach gab ich ihm noch einen Tritt in seine Weichteile. Ich zog seinen Kopf an den Haaren hoch und ließ ihn auf den Boden fallen. 
Eine Blutlache aus seinem Blut bildete sich auf dem ganzen Ring. Diesem Idioten und seiner Gang werde ich es zeigen.
"STOP!"

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