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Linus
Niemals werde ich in dieses verdammte Haus ziehen. Niemals.
Lieber sitze ich auf der Straße.
Diese Sätze verfolgten mich noch einige Tage später.
Und trotzdem stand ich jetzt hier vor diesem Haus, mit gepackten Koffern, neben meiner Mutter.
Die Wut in mir war nicht mal ansatzweise abgeflacht. Sie stieg eher wieder auf, als ich dieses beschissene Haus sah und den beschissenen Steve, mit seinem beschissenen Grinsen.
Von außen wirkte das Haus, wie ein normales Einfamilienhaus. Doch als Steve uns hereinbat und ich mich in dem großen Flur umschaute, bemerkte ich, dass das Haus größer war als gedacht.
Der Flur war groß, nicht protzig groß, aber groß.
"Willkommen.", begrüßte Steve uns.
Meine Mutter grinste, während ich Steve einen Todesblick zuwarf und ich wünschte mir gerade nichts mehr als das dieser Blick töten könnte.
In den Augen meiner Mutter war er jetzt der Retter in der Not und ich war das undankbare Arschlochkind.
Steve führte uns weiter in die Küche in welcher seine Tochter saß.
"Das ist Luise. Luise das ist Linus. Ihr kennt euch vielleicht aus der Schule?"
"Nope.", antwortete sie und sah mindestens genauso unzufrieden aus damit, dass wir hier sind wie ich auch.
Auch ich hatte Luise noch nie in der Schule gesehen. Wir sind uns bestimmt ein paar Mal über den Weg gelaufen, aber ich hab sie einfach nie wahrgenommen. Steve erzählte Mom und mir, dass Luise zwei Klassen unter mir ist, wie alt sie ist und bei allem anderen hörte ich schon nicht mehr zu. Ich weiß, dass er das nur wegen mir erzählt, meine Mom wusste bestimmt schon alles über Luise.
"Marlon ist gerade mit seinem Freund unterwegs, aber zum Abendessen ist er wieder da. Linus, soll ich dir dann dein Zimmer zeigen?"
Ich nickte und so führte Steve mich die Treppe hoch. Den Flur fast bis nach hinten hoch.
Das Zimmer ist größer als mein Zimmer in unserem Haus, was jedoch nicht heißt, dass es besser aussieht. Bis auf zwei weißen Kommoden, einem grauen, großen Bett sowie einem grauen Nachttisch stand nicht in diesem Zimmer. Am Ende des Zimmers, führte eine Tür auf den Balkon.
"Der Balkon ist mit Marlons Zimmer verbunden. Ihr teilt euch den Balkon."
"Super.", gab ich ironisch wieder.
"Na dann richte dich mal häuslich ein. Der Umzugswagen mit deinen restlichen Sachen müsste auch jeden Moment auftauchen."
Er drehte mir den Rücken zu und schloss die Tür hinter mir.
Ich seufzte und schaute in meinem neuen Zimmer um.
Alles hier war kahl und öde, doch ich musste jetzt das Beste daraus machen. Auf der Straße leben ist nicht besser als hier, auch wenn ich das am Anfang die ganze Zeit gesagt habe.
Ich tat das hier meiner Mutter zu Liebe und ich hoffe sie weiß das auch zu schätzen.
Die nächsten Stunden verbrachte ich damit meine Kartons auszuräumen und das Zimmer umzuräumen um es zumindest ein wenig heimisch zu machen.
Als ich fast fertig war, kam meine Mutter in mein Zimmer und schaute sich um.
"Das sieht doch schon mal ganz gut aus."
"Kann ich eine LED für den Fernseher kriegen?"
"Wie kommst du da denn jetzt drauf?", fragte sie etwas belustigt.
"Meine Alte hat den Umzug nicht überlebt.", meinte ich und zeigte ihr die kaputte LED Kette aus welchem mehrere Kabel hingen.
Meine Mutter nickte. "Hol ich dir die Woche mal."
"Danke."
"Kommst du essen? Marlon ist auch da."
"Und? Was interessiert mich das?"
"Er möchte dich gerne kennenlernen. Kann sein, dass ihr euch kennt. Ihr seid in einem Alter und müsste in deine Parallelklasse gehen."
Marlon sagte mir vom Namen her absolut gar nichts. Und wenn ich ihn mit Luise verglich, dann war er wahrscheinlich genauso unscheinbar und ich hab ihn nie wahrgenommen.
Als ich mit meiner Mutter die Küche betrat und Marlon erblickte, wurde ich aber vom Gegenteil überzeugt. Ich kannte ihn vom Sehen, jedoch wusste ich nie seinen Namen. Er spielte im Handballteam der Schule und war da sowas wie der Captain. Wenn es da sowas gab. Auf jeden Fall weiß ich, dass er in der Mannschaft was zu sagen hatte.
Nun sah Marlon auch mich und kam mit einem Lächeln auf mich zu.
"Hey Linus. Freut mich dich kennenzulernen, ich bin Marlon."
Er streckte mir seine Hand aus, welche ich nur mit hochgezogenen Augenbrauen betrachtete.
Meine Mutter warf mir einen warnenden Blick zu, welchen ich jedoch ignorierte.
Marlon zog seine Hand zurück, lächelte mich aber weiterhin an. "Hast du dich schon etwas eingelebt?"
"Nein.", antwortete ich ihm und setzte mich an den Tisch.
Luise schaute mich mit einem neutralen Blick an, bevor sie wieder auf ihr Handy schaute.
"Verständlich.", meinte Marlon. "Ist nicht so einfach plötzlich in eine neue Familie und ein neues Haus zu kommen."
Gott, kann er auch mal seinen Mund halten? Wie viele Andeutungen, dass ich keinen Bock hab mit ihm zu reden, muss ich ihm denn noch geben?
"Und wie geht es dir?", fragte Marlon meine Mom und half dabei seinem Vater mit dem Geschirr.
Wow, er ging mir jetzt schon auf den Sack mit seiner übertriebenen Freundlichkeit. Ich wusste nicht ob er das nur spielte um einen guten ersten Eindruck zu machen oder ob er immer so freundlich war.
Während des Essens glaubte ich aber immer mehr, dass Marlon tatsächlich immer so kackenfreundlich ist und der vorzeige Sohn. Das bestätigte sich noch einmal mehr als er half das Geschirr wegzuräumen und den Tisch saubermachte.
"Morgen werde ich erst spät nach Hause kommen.", meinte Steve. "Ich hab noch eine Sitzung am Abend."
"Ich werde wohl auch erst gegen 18 Uhr zuhause sein. Hab noch einen Termin mit einem Kunden.", sagte meine Mutter.
"Kein Problem.", meinte Luise. "Sollen wir was zu Essen machen?"
"Super Idee.", sagte Steve. "Ihr könntet ja zu dritt was kochen um euch besser kennenzulernen."
"Klar.", schnaub lachte ich. "Nur über meine Leiche."
Damit stand ich auf und verschwand aus der Küche in mein neues, verhasstes Zimmer.
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