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Linus

Seufzend starrte ich auf ins Buch und versuchte die Aufgaben zu verstehen. Langsam war ich es leid diese Hausaufgaben zu machen. Seit einer Stunde hing ich hier und kam einfach nicht auf die richtige Antwort.
"Scheiß drauf.", murmelte ich und schmiss das Buch weg. 
Um auf andere Gedanken zu kommen, beschloss ich joggen zu gehen. Dies hab ich früher oft mit Dad gemacht. Mindestens zweimal in der Woche sind wir am Abend um den Block gelaufen. Es tat gut den Kopf freizubekommen und die frische Luft einzuatmen. 
Schnell zog ich mich um, schnappte mir meine Kopfhörer so wie mein Handy und lief vor die Tür. Ich atmete einmal tief durch und spürte bereits jetzt wie die Luft meinen Kopf reinigte.
"Gehst du joggen?", fragte meine Mom, welche gerade die Post reingeholt hatte.
"Ja, bin ich einer Stunde wieder da."
"Viel Spaß."
Und so lief ich los. Dad und meine berüchtigte Strecke lang. Sie führte durch die Straße, einen kleinen Abschnitt den Stadtrand entlang, durch den Park und zu Schluss zum Hafen. Dort holten wir uns dann einen Smoothie und setzten und auf einer der Bänke um die Meeresluft zu genießen. Beobachteten dabei die Leute, sprachen über unsere Probleme und gaben uns gegenseitig Ratschläge.
Fuck... Ich vermisse ihn wirklich.
Er hatte es nicht verdient so früh zu sterben. Aber dieser beschissene Krebs wurde zu spät erkannt. Er hat lange gekämpft, zahlreiche Chemotherapien mitgemacht. Verbrachte wochenlang in den verschiedensten Krankenhäusern. Für einen kurz Moment sah es so aus, als würde sein Körper gegen die Krebszellen ankämpfen. Er sah wieder gesünder aus, fühlte sich besser. Doch dann schlug der Krebs doppelt so stark zurück.
Die Ärzte versuchten alles, Dad versuchte alles, doch es brachte nichts.
Ich saß bei ihm als er gestorben ist. Habe seine Hand gehalten und mit ihm gescherzt bis zu seinem letzten Atemzug.
Bis zuletzt hat er seinen Humor nicht verloren. Und jedes Mal, wenn ich an ihn denke, denke ich an sein Lachen und seine blöden Witze, die mich trotzdem immer wieder zum Lachen gebracht haben.
Niemand wird ihn jemals ersetzen können.
Die Zeit verging wie im Flug, während ich in Erinnerungen schwelge. Zu spät bemerkte ich wie ich die ganze Zeit an meinen Unterarm kratzte und dieser bereits eine leicht blutige Stelle hatte. Das war wirklich eine verkackte Angewohnheit die ich mir unbedingt abgewöhnen musste.
Meinen leeren Smoothiebecher warf ich in den nächsten Mülleimer und joggte dann zurück.
Als ich am Stadtrand ankam und einen Blick auf die Kirchturmuhr warf, bemerkte ich, dass ich eine ganze Stunde am Hafen gesessen hatte.
In der Siedlung legte ich einen Sprint ein und stellte mir vor, wie mein Dad neben mir her sprintete. Wir lieferten uns zum Schluss immer einen Wettkampf wer schneller wieder zuhause war. Mal gewann er, mal gewann ich. Wir hatten irgendwann den Überblick verloren, wer mehrere Sprints gewonnen hatte und hörten auf zu zählen.
Schnaufend lief ich ins Haus und blieb erstmal im Flur stehen um zu Atem zu kommen. 
"Das kann ich nicht von dir verlangen.", hörte ich meine Mutter in der Küche sagen.
Küche. Gutes Stichwort. Ich brauchte jetzt unbedingt kaltes Wasser.
"Doch.", hörte ich Steves Stimme. "Das kannst du. Es ist okay."
"Linus wird damit nicht einverstanden sein."
Abrupt blieb ich vor der Küchentür stehen und lauschte.
"Was ist denn eure Alternative? Auf der Straße sitzen?"
"Wir können bei meinen Eltern unterkommen und-"
"Deine Eltern wohnen doch viel zu weit weg. Linus müsste auf eine andere Schule gehen."
Meine Mutter seufzte. "Du hast Recht..."
Das Gespräch unterbrach als ich die Tür aufstieß und zum Kühlschrank lief.
"Linus, Schatz.", sagte meine Mutter ernst.
"Hm?", fragte ich und setzte die Wasserflasche am Hals an. 
Das kühle Wasser war Balsam für meine Seele und ich spürte wie mein Körper dankbar über jeden Tropfen war.
"Ich lass euch mal kurz alleine.", entschuldigte sich Steve und verschwand aus der Küche.
"Ich hab eine Rechnung von dem Haus bekommen."
Oh fuck, ich hatte jetzt schon eine gewisse Vorahnung wo das hinführen wird.
"Und ich kann mir die Rechnungen alleine nicht mehr leisten."
Ich schaute Mom mit hochgezogenen Augenbrauen an und trank einen weiteren Schluck aus der Flasche. 
Sag es nicht, Mom. Sprich es nicht aus.
"Es wäre das Beste, wenn wir erstmal zu Steve ziehen."
"Nein.", sagte ich sofort.
"Linus..."
"Nein! Ich ziehe nicht zu dem!"
"Und bleibt doch nichts anderes übrig."
"Wir können uns doch eine billigere Wohnung suchen."
"Und wer soll die zahlen? Ich kann das im Moment nicht alleine stemmen. Der Umzug ist auch teuer und das Geld sitzt im Moment einfach nicht drin. Wir werden zu Steve ziehen müssen ob es dir passt oder nicht."
"Damit er sich noch mehr bei mir einschleimen kann?!"
"Was hast du gegen ihn?"
"Checkst du es nicht? Er versucht auf Krampf mein neuer Dad zu sein! Und du spielst da auch noch mit. Wenn wir zu ihm ziehen dann wird er diese beschissene Vaterrolle doch nur noch weiter ausbauen. Aber er ist nicht mein Vater und er wird auch nie mein Vater sein! Er ist niemand für mich und ich ziehe garantiert nicht in dieses verdammte Haus zu seinen scheiß Kindern!"
"Linus!"
Ich knallte die Glasflasche auf den Küchentresen, wobei diese durch den Schwung auf den Boden fiel und zersprang. 
"Das machst du sofort sauber!"
"Einen Scheiß mach ich!"
"Linus, so redest du nicht mit deiner Mutter."
Ein Lachen überkam meine Lippen. "Halt die Klappe, Steve! Wer denkst du, wer du bist!"
Ich stapfte wütend an ihm vorbei und raus aus dem Haus.
Dabei schrieb ich Jay eine Nachricht und erzählte ihm was meine Mutter vorhatte.

Jay
Scheiße, das ist nicht ihr Ernst. Komm vorbei. Wir kiffen uns das Problem weg.

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