25

Linus

Luise kam mir im Flur entgegen und schubste mich.
"Bitch."
"Hast du verdient. Wegen dir hab ich Hausarrest."
Ich lachte nur und zuckte mit den Schultern. "Tu nicht so als ob du ein anderes Leben hättest und sonst unterwegs gehen würdest."
"Hör auf gemein zu sein.", hörte ich seine dunkle Stimme.
Marlon kam die Treppen hinunter, doch ich schaute ihn nur stirnrunzelnd an. "Du hast mir gar nichts zu sagen."
"Achja?", fragte er und zwinkerte mir zu, während er an mir vorbeilief.
Seit gestern morgen haben wir kein Wort miteinander gesprochen. Und irgendwie war die ganze Situation zwischen uns jetzt echt komisch. 
"Alles gut bei euch?", fragte Steve, welcher nun auch den Flur betrat.
"Ja, alles in Ordnung.", meinte Marlon und ging in die Küche.
Ich folgte ihm um mir einen Energy aus dem Kühlschrank zu holen.
"Wieviele davon trinkst du?", fragte er zweifelnd.
"Kann dir doch egal sein."
"Die Scheiße ist echt ungesund."
"Und? Sterben werde ich so oder so."
Ich stellte den Energydrink auf den Küchentresen ab und nahm mein Handy raus. Plötzlich spürte ich seine Hand an meiner Hüfte.
"Mir würde es aber gefallen, wenn du nicht so früh stirbst. Dann können wir die Sache von gestern wiederholen."
Sofort stellten sich meine Nackenhaare auf.
"Oder willst du das nicht?"
Bevor ich antworten konnte, kam meine Mutter in die Küche. Sofort zog Marlon seine Hand zurück.
"Marlon, was hast du denn an deinem Arm?", fragte Mom geschockt. 
Auch ich schaute zu ihm und sah einen fetten blauen Fleck auf seinem Oberarm.
"Oh der... Ist nichts."
"Sieht aber ganz schön heftig aus."
Da hatte Mom recht. Der Fleck war nicht blau sondern lila und zog sich den ganzen Oberarm lang.
"Bin beim Handball hingefallen und dann auf den Boden. Mach dir keine Sorgen. Soll ich dir beim Essen helfen?"
"Das wäre wirklich lieb."
Ich verdrehte die Augen über seine Nettigkeit. Marlon bekam das mit und schaute mich finster an. Er denkt wirklich er hätte die Kontrolle über mich, nur weil er mir gestern einen geblasen hat. Aber soweit wird es nicht kommen und das wird er auch merken.
Marlon lief an mir vorbei und strich dabei mit seiner Hand leicht über meinen Hintern. Dieses Mal verkniff ich es mir die Augen zu verdrehen und lief mit meinem Energy ins Wohnzimmer um dort auf das Essen zu warten.
"Na, Linus. Alles gut?", fragte Steve, welcher auch im Wohnzimmer saß.
Scheiße, hätte ich das eher gesehen, wäre ich gar nicht erst hergekommen.
"Mhm.", antwortete ich ihm und setzte mich auf das Sofa.
"Wie ist es denn im Moment mit der Schule? Werden die Noten besser?"
"Vielleicht."
"Also Ja? Oder Nein?"
"Ja.", log ich.
"Schön. Ist doch gut. Das freut deine Mom."
"Ja klar..."
"Tut mir wirklich leid, dass Luise dich beschuldigt hat. Ich werde darauf achtgeben, dass sie sich ab jetzt benimmt."
"Sie ist mir egal."
"Trotzdem ist das keine schöne Situation für dich, wenn immer jegliche Schuld auf dich geschoben wird."
"Wird es doch so oder so."
"Nein, das stimmt nicht."
"Natürlich. Ich bin immer derjenige der sich nicht benehmen kann. Aber daran hat Mom selbst Schuld, wenn sie nicht mit mir hierhergezogen wäre, würde ich mich besser benehmen."
"Naja, Linus. Das Thema hatten wir ja jetzt schon öfters und-"
"Und ich will deine Meinung dazu nicht hören. Ich hoffe einfach, dass ihr euch bald trennt."
"Linus!", rief meine Mutter, welche im Türrahmen stand. "Das nimmst du sofort zurück."
"Absolut nicht. Es ist mein sehnlicher Wunsch."
"Du gehst jetzt auf dein Zimmer! Essen ist für dich gestrichen!"
"Hatte eh keinen Hunger."
"Ich will dich den ganzen Abend nicht wiedersehen."
"Ich euch auch nicht."
"Und für die nächsten zwei Wochen, gehst du nirgends mehr hin!"
"Ist das dein Ernst? Was soll das? Nur, weil ich meine Meinung gesagt habe!"
"Deine Meinung interessiert hier aber keinen. Ein bisschen Empathie für deine Mitmenschen wäre angebracht."
Ich schaute Mom wütend an, welche mich mindestens genauso wütend zurück anschaute.
"Ich wünschte Dad wäre noch hier und nicht du."
Damit stapfte ich in mein Zimmer und wusste, dass ich den Vogel abgeschossen habe. Mom schrie mir nichts hinterher, womit ich eigentlich gerechnet habe. 
Als die Zimmertür ins Schloss fiel, brachen die Tränen aus mir heraus. 
Ich hasse dieses Leben. Ich hasse alles hier.
Ich will Dad zurück...
Mein Arm fing an unausstehlich zu jucken. So wie jedes Mal, wenn ich in so einer Stresssituation bin.
Es dauerte eine Weile bis das Jucken meines Armes aufhörte und meine Tränen versiegten.
Draußen auf dem Flur hörte ich Schritte näherkommen. Es waren nicht die von Mom. Aber das hätte mich auch gewundert. Sie wird bis morgen definitiv nicht mit mir reden.
Meine Tür ging auf und Marlon trat herein.
"Verpiss dich."
Still hoffte ich, dass man nicht mehr sah, dass ich geheult habe.
"Du hast deiner Mutter richtig wehgetan."
Ich zuckte nur mit den Schultern und schaute auf meine Finger, in welche ich mir unbewusst kniff.
"Sie hat geweint, Linus."
Scheiße... Das wollte ich wirklich nicht. Ich kniff mir noch fester in die Finger.
"Hör auf damit."
Ich schaute fragend zu ihm hoch, als er sich neben mich setzte und seine Hände auf meine legte.
Sofort zog ich meine Hände zurück. "Was willst du? Verpiss dich jetzt. Du brauchst hier nicht den Moralapostel zu spielen."
"Will ich auch nicht."
"Gut, dann kannst du ja gehen."
"Hör mal, ich hab nichts gegen dich und will einfach nur, dass mein Dad und deine Mom glücklich sind miteinander. Und ich sehe, dass du darunter leidest. Du verletzt jeden verbal, weil du nicht weißt wohin mit deiner Wut. Ich kenne dieses Gefühl, besser als du denkst."
"Und was willst du mir jetzt sagen?"
"Nichts. Ich will dir was zeigen, was dir helfen könnte."
Abwartend schaute ich ihn an. Doch er stand auf und lief zur Tür.
"Komm mit."
"Ich hab leider Hausarrest.", sagte ich mit einem ironischen Grinsen.
Marlon zuckte lässig mit den Schultern. "Ich krieg dich hier schon rausgeschmuggelt."
Ich seufzte und folgte ihm die Treppen hinunter.
"Ich geh los!", rief Marlon und öffnete die Haustür um mich raus zu scheuchen.
"Okay, bis später! Grüß deine Jungs!", rief Steve aus dem Wohnzimmer.
Marlon schloss die Tür und führte mich durch die Straßen.
"Du wirst niemanden erzählen wo wir jetzt hingehen, verstanden?"
"Weiß ich noch nicht."
"Das tust du nicht, Linus. Ich kann deiner Mom genauso gut sagen, dass du weiterhin schlechte Noten schreibst und kiffst."
"Ja, das mit dem Kiffen hast du schon mal angedroht. Woher weißt du von meinen Noten?"
"Ich weiß mehr als du denkst."
"Und wo gehen wir jetzt hin?"
"An den Hafen."
"Und was ist da?"
"Wirst du gleich sehen."

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