15
Linus
"Oh Gott, ist alles okay bei dir?", hörte ich Steve geschockt fragen.
Ich saß ihm Wohnzimmer und hörte seine Stimme aus der Küche.
"Ja, war ein dummer Unfall.", sagte Marlon.
"Wie ist das denn passiert?"
"Tom hat nicht aufgepasst und die Tür aufgestoßen hinter der ich stand."
Ich legte meine Füße auf den Tisch und scrollte durch mein Handy.
Meine Mutter kam durch die Küchentür auf mich zu und setzte sich neben mich.
"Hey, wie war die Schule?"
"Gut."
"Und der Test?"
"War scheiße. Hab ein schlechtes Gefühl."
"Ehrlich? Aber du hast doch gelernt oder?"
"Ja, hab ich. Konnte es aber trotzdem nicht gut."
"Naja, oftmals trügt das Gefühl ja auch. Warten wir erstmal ab."
Ich nickte nur.
"Hast du am Wochenende schon was vor?", fragte sie weiter.
"Weiß nicht. Denke wir treffen uns wieder irgendwo mit der Clique."
"Wir sind nämlich am Wochenende auf einen Geburtstag eingeladen."
"Bei wem?"
"Steves Mutter. Also Marlons und Luises Oma. Sie wird 80, feiert das groß und würde uns gerne kennenlernen."
Ich schnaubte nur. "Nein."
"Was?"
"Ich geh da bestimmt nicht mit hin."
"Sie will uns beide kennenlernen."
"Ich sie aber nicht. Wir sind keine Familie, also brauche ich auch nicht auf den Geburtstag."
"Linus, diese ganze Sache hier kann nur funktionieren, wenn du auch mitmachst."
"Ich will ja gar nicht, dass sie funktioniert. Ich bin nur hier, weil ich kein Geld habe um auszuziehen und obdachlos sein ist ein wenig beschissener als das hier."
"Du wirst da mit hingehen und da werde ich auch nicht mit dir diskutieren."
"Ich geh nicht."
"Du gehst. Sonst kannst du dein Handy abgeben und brauchst für die nächsten zwei Wochen nicht auf die Idee kommen unterwegs zu gehen."
"Dein Ernst? So drohst du mir jetzt?"
"Anders verstehst du es ja nicht."
Ich seufzte genervt und verdrehte die Augen. "Okay."
"Du kommst mit."
"Jahaa, ich hab doch nicht anderes mehr behauptet.", sagte ich genervt.
Meine Mutter stand auf, im gleichen Moment, kam Marlon aus der Küche. Er hatte ein dickes blaues Auge.
"Heilige Scheiße.", lachte ich. "Wer hat dich denn verprügelt?"
"Eine Tür."
"Sogar schwächer als eine Tür.", lachte ich weiter. "Naja, wirst du wohl verdient-"
"Linus!", unterbrach meine Mutter mich drohend.
Ich beließ es einfach dabei, aber Marlons finsterer Blick, gab mir für den Moment genug Freude.
(...)
Der Tag an dem ich gehofft hatte, dass er nie kommen wird, kam dann schneller als gewünscht. Wir saßen in einem großen Festsaal neben alten Leuten und anderen nicht so alten Leuten.
Natürlich musste ich neben Marlon sitzen. Rechts von mir saß meine Mom.
Es gab keinen Tag an dem ich mir mehr gewünscht hätte, dass ich krank im Bett liege. Doch das Schicksal hasst mich und gönnt es mir nicht mal krank zu sein.
Nachdem essen, wurde der Alkohol ausgeschenkt, was mein einziger Lichtblick war. Meine Mom war damit einverstanden, dass ich ein wenig was trinke.
Sie weiß, dass ich es so oder so gemacht hätte.
"Oh nein, was will der denn hier?", fragte Luise, welche neben Marlon saß.
"Oma hat ihn wahrscheinlich eingeladen..."
Ein großer Mann mit vielen Tattoos kam auf uns zu.
"Wer ist das?", fragte ich Marlon.
"Unser Onkel."
"Und was ist daran so schlimm?"
"Er ist ein Arschloch. Hat sich nie um die Familie gekümmert und kam immer nur, wenn er Geld wollte."
"Guten Tag, liebster Bruder.", begrüßte er erst Steve und stellte sich dann meiner Mutter vor.
Danach kam er auf uns zu und begrüßte Marlon und Luise. Sie setzten ein gefaketes Lächeln auf und unterhielten sich kurz mit ihm.
"Und du bist?", fragte er dann an mich gewandt.
"Nicht freiwillig hier."
Er lachte und streckte mir die Hand aus. "Samuel. Marlon und Luises Onkel."
"Linus.", sagte ich und schüttelte seine Hand aus Höflichkeit.
Siehst du, Mom. Ich kann auch höflich sein.
Steve sagte etwas zu Mom und die beiden erhoben sich. Wahrscheinlich wollten sie einfach nur schnell weg von Samuel.
Samuel nahm einen leeren Stuhl, zog ihn zu sich heran und setzte sich mir gegenüber.
Er nahm die Wodkaflasche vor uns und schenkte sich ein Glas ein.
"Ihr trinkt das ja wohl nicht?", fragte er ironisch.
"Nein.", meinte Marlon.
"Ich wohl.", antwortete ich ihm. "Sonst halte ich den Scheiß hier nicht aus."
Samuel lachte erneut. "Du bist gut drauf. Gefällt mir. Und schon eingelebt in deiner neuen Familie?"
"Das ist nicht meine Familie."
Samuel nickte und trank einen Schluck aus seinem Mischgetränk.
"Warum bist du dann hier?"
"Weil meine Mom mich zwingt."
Ich spürte wie mir jemand einen Schlag gegen den Oberschenkel gab. Ich schaute fragend zu Marlon, der mir nur einen warnenden Blick gab, welcher bedeuten sollte, dass ich mit benehmen soll.
Tja, aber er ist nicht mein fucking Aufpasser. Also hat er mir nichts zu sagen.
"Ich kenn die Scheiße.", sagte Samuel. "Meine Mom musste mich auch immer zwingen irgendwo mit hinzugehen. Steve war da anders. Er hat immer zu allem Ja und Amen gesagt."
So langsam verstand ich, warum Steve und die Anderen ihn nicht ausstehen konnten. Er passte einfach nicht in ihr Bild. Er fiel aus dem Raster und ließ sich nichts sagen. Genau wie ich.
Ein Grinsen schlich sich auf meine Lippen. Vielleicht könnte der Abend doch noch gut werden. Wenn Steve sieht wie gut ich mich mit Samuel verstehe, wird er vielleicht wütend werden. Er wird nicht wollen, dass ihn einer hier willkommen heißt.
"Kann ich mir von Steve gut vorstellen.", sagte ich und griff nach der Wodkaflasche.
"Aber du hältst es bei denen noch aus?", fragte er weiter.
"Mir bleibt ja nichts anderes übrig. Ich versuche einfach so oft wie möglich unterwegs zu sein."
Im Augenwinkel sah ich wie Marlon aufstand und sich etwas weiter wegsetzte um sich mit irgendwelchen alten Leuten zu unterhalten. Luise tat es ihm gleich. Sie wollten die Vorzeigeenkelkinder spielen. Ganz im Gegensatz zu mir.
"Und wo bist du dann so?"
"Feiern."
"Mädels aufreißen?"
"Genau."
Er lachte und hob sein Glas um mit mir anzustoßen. Ich tat es ihm gleich und wir tranken gemeinsam. Über meinen Glasrand hinaus, schaute ich zu Steve, welcher uns beobachtete.
Perfekt. Mein Plan ging auf.
Die Kellner kamen heran und stellten ein paar Shotflaschen auf die Tische, sowie Knabberkram.
"Du gefällst mir, Linus.", sagte Samuel und schenkte uns beiden einen Shot ein. "Misch die Familie ruhig mal ein bisschen auf. Sie sind sooo langweilig."
"Das kannst du laut sagen."
Wir kippten den Shot herunter, bevor Samuel wieder anfing zu reden: "Weißt du, ich glaube nicht, dass irgendjemand hier froh darüber ist, dass ich hier bin. Außer Mom, sie hat mich schließlich eingeladen. Und ich bin auch nur ihr zuliebe hier. Die Anderen hier, werden sich nachher das Maul über mich zerreißen. Wie viel ich doch wieder getrunken habe und wie ich mich gekleidet habe. Wie schlecht ich mich benommen habe. Dass ich dir zu viel Alkohol anbiete."
Beim letzten Satz schenkte er uns einen neuen Shot ein.
"Scheiß doch drauf.", meinte ich. "Guck dir die Leute doch mal an. Wenn die meinen keinen Spaß auf so einer Feier haben zu müssen, ist das doch deren Problem."
"Du sprichst mir aus der Seele. Bist ein cooler Typ, Linus."
Samuel und ich verstanden uns gut und leerten die Wodkaflasche schneller als ich dachte.
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