29. Jodie
Die letzten Tage hatte ich es geschafft mich irgendwie abzulenken, um die Trennung von Robin einigermaßen erträglich zu machen. Mein Bruder wurde nun endlich, in die Entzugsklinik in Miami gebracht und das Zusammenleben mit Scott war angenehm. Er kümmerte sich sehr gut um mich und war mittlerweile ein echter Freund geworden. Wenn ich jetzt daran dachte, wie wir uns kennengelernt hatten, konnte ich sogar darüber schmunzeln. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass Scott sich manchmal mehr von mir erhoffte, als nur Freundschaft, doch mir war bewusst, dass Robin der einzige Mann war, den ich lieben konnte und ich würde ihn auch immer lieben, egal was er gemacht hatte. Jedoch wusste ich einfach nicht, ob ich ihn jemals wieder vertrauen könnte. Dieser Gedanke an den Betrug, schmerzte noch mehr als von ihm getrennt zu sein. Das Training mit Scott verlief gut. Wir hatten schon einige Szenen durchgetanzt und für heute hatte er mich darum gebeten, nicht nur die Tanz sondern auch die Schauspielszenen mit ihm durchzuspielen. Ich war nicht sicher, ob ich das überhaupt konnte. Immerhin hatte ich in meinen Leben noch nie Schauspielunterricht. Den Text der Szene, hatte ich so gut es ging auswendig gelernt, die Tanzszene stellte sowieso kein Problem dar und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich wohl gar nicht wirklich schauspielern musste, denn es ging ja schließlich nicht um meine Fähigkeiten, die Rolle zu spielen sondern um seine. Mein Plan war es den Text der Schauspielerin herunterzusagen und er konnte dabei problemlos nicht nur seinen Text sondern auch seine Rolle verinnerlichen. Schnell sprang ich unter die Dusche bevor ich hinunter zu Scott lief. Er wartete bereits auf mich. Ich setzte mich auf die Couch und er nahm neben mir Platz.
„Du warst heute nicht beim Training.", fing er an seine Rolle zu spielen, „Das kannst du nicht machen, wir haben bald unseren Auftritt.", sagte er in einem bösen Ton „Ich weiß, doch ich habe nächste Woche meine Abschlussprüfung an der Uni und ich konnte heute einfach nicht schwänzen.", sprach ich meinen Text. „Bitte tu das nicht nochma,l ohne mir vorher Bescheid zu sagen.", seine Stimme war nun weicher. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr ich dich vermisst habe, es ist einfach nicht das Gleiche wenn ich mit einer anderen Frau tanzen muss.", setzte er fort. „Ach, das sagst du doch nur, weil du Lucy nicht ausstehen kannst.", antwortete ich. „ Das ist nicht wahr, ohne dich, ist es nur halb so schön.", sagte er und zog mich in seinen Arm. Augenblicklich hoffte ich, dass das Teil seiner Rolle war. Ich blickte ihn an. „Du weißt, dass es dein Bruder nicht dulden würde uns so miteinander zu sehen.", sprach ich meinen Text weiter. Er wandte sich mir zu, fuhr mir mit einer Hand in die Haare und hielt den Kopf ganz nahe an meinen. „Es ist mir scheißegal was mein Bruder duldet und was nicht.", meinte er und drückte seine Lippen auf meine. Kurz blieb mir die Luft weg. Ich wusste nicht, ob ich bereit war, die Rolle so zu spielen, versuchte mir aber einzureden, dass es sich hierbei nur um Arbeit handelte und ich nicht so kindisch sein sollte, immerhin bezahlte er mich auch für die Schauspielszenen. Deswegen ließ ich mich vorsichtig auf seinen Kuss ein. „Oh Jodie, darauf habe ich so lange gewartet.", flüsterte er. Abrupt brach ich den Kuss ab. „Aber das ist doch gar nicht dein Text.", entfuhr es mir. Er grinste mich entschuldigend an.
Die Tür wurde lautstark zugeworfen.
„Du hast allen Ernstes ihre Gutgläubigkeit ausgenutzt, um sie zu küssen?", schrie Robin, der plötzlich im Raum stand und aussah, als würde er jeden Augenblick explodieren. Er rannte zum Sofa und zog Scott am Pullover hoch. „Du scheiß Wichser.", fauchte er ihn an.
„Wenigstens ficke ich keine Schlampen, während ich Jodie als Freundin habe.", schrie Scott zurück. Robin holte aus und verpasste ihm einen Schlag, mitten auf die Nase. Scott hielt sich die Hände vor die nun blutende Stelle und taumelte zwei Schritte zurück. Dann holte er aus, um Robin ebenfalls einen Fustschlag zu verpassen. Ich konnte nicht glauben, was hier gerade geschah und ich hatte auch noch nicht verstanden, warum es so weit gekommen war. Was machte Robin hier und hatte mich Scott wirklich nur deswegen geküsst, weil er es gerne wollte und nicht weil es seine Rolle verlangte. Ohne nachzudenken sprang ich zwischen die beiden Männer, die schon wieder versuchten aufeinander loszugehen. Doch nun schienen beide zu viel Angst davor zu haben, mich treffen zu können, denn sie stoppten ihre Auseinandersetzung. Sofort spürte ich wie Erleichterung mich durchzog. Bevor noch irgendjemand etwas sagen konnte, packte ich Robin am Ärmel und zog ihn durch die Eingangstür hinaus. „Was machst du hier, Robin?", fragte ich genervt. Er war vollkommen außer Atem und ich konnte sehen, wie er versuchte sich zu beruhigen um ein normales Gespräch mit mir führen zu können. „Es tut mir leid. Ich wusste ich sollte nicht kommen, aber ich vermisse dich so sehr. Ich musste dich einfach sehen. Alles ist so leer ohne dich. Nichts macht Sinn. Glaube mir, du bekommst alle Zeit der Welt, dir über deine Gefühle klar zu werden. Ich werde dich zu nichts drängen, aber bitte lass mich dich hin und wieder sehen. Lass mich wissen, dass es dir gut geht und bitte halte dich von Scott fern. Möglicherweise wäre er der bessere Freund, von uns beiden und wahrscheinlich würde er dich auch niemals so verletzen wie ich es getan habe, aber ich bin mir ganz sicher, dass er dich auch niemals so lieben könnte wie ich es tue.", erklärte Robin. Ich nickte, denn ich wusste, dass es die Wahrheit war. „Können wir uns nicht vielleicht einmal treffen? Wie gesagt ich will dich nicht drängen und es kann alles ganz freundschaftlich bleiben, aber ich halte es nicht aus, mich nochmal so lange von dir fernzuhalten.", fuhr er fort. Seine Augen waren blutunterlaufen und er sah aus, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen. Am liebsten hätte ich ihn einfach in den Arm genommen und einen Kuss auf die Lippen gedrückt. Doch ich wusste nicht, ob ich für diese Art einer Beziehung mit ihm wieder bereit war. Deswegen antwortete ich: „Okay, vielleicht können wir ganz freundschaftlich was unternehmen. Was schlägst du denn vor?" „Naja, das wird nicht ganz so einfach werden, wir sollten uns wahrscheinlich momentan nicht in der Öffentlichkeit zeigen, um nicht noch mehr Öl ins Feuer zu gießen. Wäre es für dich denn okay wenn ich dich abhole und wir dann einfach gemeinam überlegen, was wir machen? Mir ist es ganz egal. Von mir aus können wir einfach nur in meinem Wohnzimmer sitzen und uns ansehen. Wir müssen nicht mal sprechen.", meinte er. Wieder nickte ich: „Wann holst du mich denn?" „Sag du mir wann, ich werde da sein.", versprach er, „und Jodie das gilt nicht nur für dieses Treffen, wann auch immer du bereit bist, mich zu sehen und es auch gerne möchtest, dann ruf mich bitte an. Egal was ich auch gerade mache. Nichts wird so wichtig sein, dass ich es für dich nicht unterbreche." Wieder hatte ich keinerlei Zweifel daran, dass er die Wahrheit sprach. „Wie wäre es denn mit Dienstag?", schlug ich vor, „Morgen besuche ich meinen Bruder und am Montag muss ich arbeiten.", Robin strahlte: „Danke Jodie!" Er nahm meine Hand und drückte sie leicht. Dann ließ er sie sofort wieder los, um mich nicht in Bedrängnis zu bringen. Doch ich fühlte mich, als würde ich gerade nichts dringender brauchen als seine Berührung, deshalb schnappte ich nach seiner Hand. Sofort strich er mit dem Daumen über meine Finger und mich durchfuhr ein warmer Strom. Ich befürchtete mich in Teufels Küche zu bringen, wenn ich so zweideutige Signale aussendete, obwohl ich selber nicht so genau wusste was ich wollte, aber es war mir egal. Schnell verdrängte ich deshalb alle negativen Gedanken. „Um welche Uhrzeit holst du mich denn ab?", fragte ich. „Wie wäre es mit Achtzehn Uhr?", wollte er wissen. Ich nickte. Bereits jetzt war ich nervös obwohl noch zwei Tage zwischen heute und unserem Date lagen. Sofort machte ich mir klar, dass es sich um kein Date handelte, sondern nur um ein freundschaftliches Treffen. Trotzdem fiel es mir wahnsinnig schwer seine Hand loszulassen und ihn gehen zu lassen. Schnell rief ich mir diesen Kuss zurück in Erinnerung. Er schauderte als er erkannte woran ich dachte. Ich entzog ihm meine Hand. „Es tut mir wirklich so leid. Ich hoffe du kannst mir irgendwann verzeihen.", sagte Robin traurig und machte kehrt. Nun stand ich alleine vor der Türe und wusste nicht recht, was ich machen sollte. Wie sollte ich mich jetzt gegenüber Scott verhalten? Es blieb mir wohl nichts anderes übrig, als herauszufinden, wie er sich gegenüber mir verhielt, also ging ich zurück ins Haus. Kaum hatte ich einen Fuß ins Haus gesetzt, sah ich Scott. Er hielt sich einen Eisbeutel an die Nase. „Bitte entschuldige Jodie.", setzte er an als ich näher kam. „Das war nicht richtig von mir, doch ich fühle mich unglaublich zu dir hingezogen. Als ich die Szene las, machte ich mir immer und immer wieder klar, dass ich dich nicht küssen durfte, aber während ich dir dann beim Spielen dieser Rolle zugesehen habe, konnte ich einfach nicht mehr anders. Dann hattest du meinen Kuss auch noch erwidert und ich dachte es wäre deshalb, weil du es auch wolltest. Sorry Jodie, so etwas wird nicht wieder vorkommen, versprochen. Solltest du mich dennoch jemals küssen wollen, dann sage es mir bitte. Ich werde unsere Freundschaft nicht unnötig verkomplizieren, denn ich habe dich lieber nur als Freundin, als überhaupt nicht. Auch wenn es mir wahnsinnig schwer fäll,t dich nicht andauern anzuschmachten.", sagte er. Mir wich alle Farbe aus dem Gesicht. Obwohl ich schon geglaubt hatte, dass er mehr wollte als nur Freundschaft hatte ich keine Ahnung gehabt, dass er so intensiv für mich fühlte. Die ganze Zeit über, dachte ich, er wäre einfach nur ein Freund der sich möglicherweise Sex erhoffte. „Scott, ich wusste nicht, dass du so für mich fühlst und es tut mir leid, wenn ich dir mit diesem Kuss falsche Hoffnungen gemacht habe. Ich habe nur freundschaftliche Gefühle für dich und ich denke, dass ich auch für niemand anderen jemals wieder mehr empfinden kann, denn ich liebe Robin. Ich weiß nur nicht, ob ich ihm jemals verzeihen kann, was er gemacht hat und falls ich es ihm doch verzeihen kann, weiß ich nicht ob ich im Stande bin, ihm wieder zu vertrauen. Nicht zusammen zu sein hört sich nach einer besseren Alternative an, als sich ständig Gedanken zu machen, ob er nicht vielleicht gerade mit jemand anderen schläft.", erklärte ich mein Dilemma. „Okay verstanden.", versprach Scott „Mir war klar, dass du noch nicht über Rob hinweg bist. Trotzdem wäre es mir liebe,r du würdest dich von ihm fernhalten, aber ich werde versuchen mich nicht in dein Leben einzumischen. Lass uns einfach Freunde sein."
Am nächsten Morgen machte ich mich zu Paul in die Klinik auf, ich hatte fast nicht geschlafen und fühlte mich ziemlich erschlagen. Laut klopfte ich an die Tür seines Zimmers. „Herein.", hörte ich ihn rufen. Als ich vor seinem Bett stand sah er mich schockiert an. „Willst du, dass ich dem Arschloch eine reinhaue.", fragte Paul. Ich versuchte zu verstehen was er meinte. „Eigentlich möchte ich, dass sich niemand mehr meinetwegen prügelt, aber was meinst du denn damit?", wollte ich wissen. „Niemand mehr deinetwegen prügelt?", er blickte mich prüfend an. „Paul, könntest du mir bitte sagen, worauf du hinaus willst?", ersuchte ich ihn. „Na diesem Schauspiel-Vollidioten der dich betrogen hat.", antwortete er. Es hatte sich also bis in die Entzugsklinik gesprochen. „Naja betrogen ist ein großes Wort, eigentlich weiß ich gar nicht genau was passiert ist, aber er ist auch einer der Gründe warum es dir so schlecht gegangen ist und deswegen versuche ich mich momentan von ihm fernzuhalten, bis ich weiß was ich wirklich fühle.", erklärte ich und hoffte einfach, dass er ohne weitere Erklärung verstand was ich meinte. „Du überlegst also, ob du ihn noch eine Chance gibst obwohl er eindeutig der größte Dummkopf, dieser Welt ist, wenn er dich betrügt?", wollte er wissen. „Ich liebe ihn und ich weiß, dass er mich niemals anlügen würde. Er weiß ja nicht mal, was er getan hat. Es gibt ein Foto auf dem er eine seiner Schauspielkolleginnen küsst und obwohl er einfach sagen konnte, dass da nichts weiter gelaufen ist, gab er zu, nicht zu wissen ob er mit ihr geschlafen hat, nur um sicher zu gehen, dass er mich nicht belügt.", erklärte ich. „Aber wie kann er denn nicht wissen, ob er dich betrogen hat?", fragte Paul. Kurz überlegte ich wie ich das am besten erklären konnte. „Ich hatte ihn ziemlich vernachlässigt, weil ich ständig bei dir im Krankenhaus und wütend auf ihn war. Meiner Meinung nach trug er einen Teil der Schuld daran, dass es dir überhaupt so schlecht ging. Nachdem ich ihm mehrere Tage aus dem Weg gegangen war, ist er ausgegangen und hat sich betrunken. Danach hatte er wohl einen beträchtlichen Filmriss.", erzählte ich. Mein Bruder blickte mich verständnislos an. „Ich kann es nicht glauben. Womöglich würdest du ihm vergeben, dass er dich offensichtlich betrogen hat, wenn auch vielleicht nur durch einen Kuss, ihm aber eine Sache nicht verzeihen, für die er meiner Meinung nach nicht verantwortlich ist. Klar hatte er irgendwann mal mit irgendeiner Schlampe Drogen genommen. Doch das kann ich ihm in meiner Situation bestimmt nicht vorwerfen. An der Lage in der ich mich befunden hatte, war ich ganz alleine Schuld. Ich habe die Drogen genommen. Ich habe mir die Überdosis verpasst. Klar, diese Schlampe hatte es genau darauf abgesehen, aber ganz ehrlich, das konnte niemand vorhersehen. Wenn du auf jemanden böse, wegen dieser Sache sein willst, dann sei es bitte auf diese Beth und mich, aber brich dir nicht selbst das Herz, nur weil ich einen Rückfall hatte.", sagte Paul und fügte dann hinzu: „Aber vergiss nicht, dass er dich betrogen hat, denn das kann ich ihm nicht verzeihen und für den Fall, dass er das nochmal macht, bringe ich ihn um." Ich lächelte: „Wie gesagt ich habe genug von körperlichen Auseinandersetzungen, also halte dich bitte von Robin fern." „Bitte sag mir, dass ihm bereits jemand anderes anständig verletzt hat.", grinste Paul. „Nein, jemand anderes hat mich geküsst und deshalb hat ihm Robin, schon das zweite Mal, die Nase gebrochen.", erklärte ich. Mein Bruder schmunzelte: „Du verwandelst dich also, von der braven, schüchternen Jodie in eine richtige Herzensbrecherin, was?" Jetzt musste ich auch lachen. „Ich habe keinerlei Interesse daran irgendjemandes Herz zu brechen, jedoch möchte ich mein eigenes gerne wieder heilen. Allerdings weiß ich nicht ob das möglich ist, ich weiß nicht ob ich diesen Betrug vergeben kann, auch wenn ich Robin sehr liebe.", meinte ich. „Lass dir das gut durch den Kopf gehen, Fremdgeher sind echt das Letzte.", warnte mich mein Bruder.
Der darauffolgende Tag begann früh morgens mit dem Training für „Mambo 2". Scott fand schön langsam zu seiner alten Form zurück und es machte großen Spaß mit ihm zu tanzen. Auch wenn ich seine Küsse nicht genossen hatte, ein großartiger Tänzer war er auf jeden Fall. Am Ende der Tanzstunde ließ ich mich auf den Boden nieder um zu dehnen. Scott setzte sich neben mich. „Jodie, ich wollte mich nochmals dafür entschuldigen was gestern vorgefallen ist. Es tut mir leid, meine Gefühle sind einfach mit mir durchgegangen. Obwohl ich weiß, dass das falsch war kann ich es trotzdem nicht bereuen. Natürlich werde ich es nicht wieder tun jetzt wo ich weiß, dass es gegen deinen Willen ist. Aber nun wo du weißt wie wichtig du mir bist, könntest du mir vielleicht einen Gefallen tun?", wollte er wissen. „Was ist das denn für ein Gefallen?", fragte ich. „Ich weiß ich wollte mich nicht einmischen, aber bitte Jodie halte dich fern. Er war immer schon ein erbarmungsloses Arschloch was Frauen anbelangte. Klar, auch ich dachte, dass er sich geändert hat, nachdem ich euch beide gemeinsam gesehen hatte. Doch die Vorkommnisse in letzter Zeit haben eindeutig das Gegenteil bewiesen. Ich habe verstanden, dass du mich nicht willst. Aber bitte lass dir von diesem Typen nicht dein Herz brechen. Er ist es wirklich nicht wert.", antwortete er. „Scott, ich habe mich noch nicht entschieden, wie es mit mir und Robin weitergehen soll. Doch bin ich mir sicher, dass er kein schlechter Mensch ist, also bitte sprich nicht so über ihn.", bat ich. „Heißt das, du wirst ihn weiterhin treffen?", stocherte er nach. Sofort wusste ich, dass ich ihm das heutige Treffen verheimlichen würde. Dennoch hatte ich nicht vor ihn anzulügen, deswegen erklärte ich: „ Er fehlt mir wahnsinnig und ich denke nicht, dass ich ihn nie wieder treffen werde. Du brauchst dir keine Sorgen machen. Ich passe schon auf mich auf." Scott sah enttäuscht aus. „Was hältst du denn davon, die erste Woche meines Drehs, mit mir nach New York zu kommen?", fragte er.
Ich versprach darüber nachzudenken, war aber nicht sicher, ob ich nicht lieber wieder zurück nach Hause sollte, wenn dieser Job vorbei war. Bisher wusste ich nicht so genau, wie ich mir wünschte, dass mein Leben weiterging und ich dachte, etwas Abstand von allem könnte nicht schaden. Jedoch wusste ich auch nicht, ob mich das Leben zu Hause auf einen noch härteren Boden der Tatsachen werfen würde. Immerhin saß mein Vater weiterhin in Untersuchungshaft und mit meinem Bruder zurück an den Ort zu gehen, an dem erst alles angefangen hatte, hörte sich auch nicht nach der besten Idee an.
Die letzte Nacht waren mir andauernd meine Optionen durch den Kopf gegangen. Mir kam es vor als hätte ich nicht eine Minute geschlafen. Dazu hatte mich auch die Nervosität, vor dem bevorstehenden Treffen fest im Griff. Schnell verdrängte ich alle Gedanken aus meinem Kopf und schenkte mir Kaffee ein. Kaum hatte ich einen Schluck genommen, musste ich aber wieder an Robin denken. Bisher hatte ich mir keinen angemessenen Plan zurechtlegen können wie ich mich, gegenüber ihm verhalten sollte. Ich wollte ihm keine Hoffnungen machen, solange ich nicht wusste, ob ich mir vorstellen konnte, wieder mit ihm zusammen zu sein, doch ich wusste auch, dass es mir schwer fallen würde ihm körperlich nicht näher zu kommen. Jedes Mal wenn ich ihn sah, stieg mein Verlangen nach ihm fast ins Unermessliche. Schnell schlüpfte ich aus meinem Pyjama und sprang unter die Dusche. Endlich fühlte ich mich etwas wacher und überlegte was ich anziehen sollte. Was würden wir wohl unternehmen und welche Kleidung wäre dafür wohl die richtige? Vorsichtig öffnete ich die Schublade in der sich meine Unterwäsche befand und zog einen lila Spitzen-BH und das dazu passende Höschen heraus. Schnell stopfte ich es wieder zurück und griff doch lieber zu etwas Unauffälligeren. Doch dann änderte ich meine Meinung noch mal. Für den Fall, dass ich mich nicht unter Kontrolle haben sollte, wollte ich wenigstens gut aussehen, wenn er mich zu sehen bekam. Dann streifte ich ein knielanges schwarzes Kleid über, das meiner Meinung nach zu vielen Anlässen passte.
Bereits jetzt zog sich der Tag als würde er niemals enden. Ich wusste nicht ob Robin sich etwas für uns ausdenken würde oder ob ich mir was einfallen lassen musste, hoffte aber, dass er einen Vorschlag bringen würde. Denn egal wie oft ich darüber nachdachte, was wir gemeinsam machen könnten, mir fiel nur ein mich mit ihm ins Bett zu legen und mich an ihn zu schmiegen. Sogar seine Idee einfach im Wohnzimmer zu sitzen und einander anzusehen ohne zu sprechen, hörte sich gut an. Er fehlte mir wahnsinnig und ich wollte bei ihm sein, obwohl ich wusste, dass mein Herz jedes Mal brechen würde, wenn meine Gedanken zurück zu diesem Kuss wandern würden. Es war eine Sache, jemanden zu küssen, weil es sein Job verlangte, aber wieder eine ganz andere es aus freien Stücken zu tun. Außerdem wusste ich ja auch nicht wirklich, was sonst noch alles geschehen war und daran litt ich fast noch mehr. Hatte er dieselben Dinge zu ihr gesagt, die er normalerweise in mein Ohr flüsterte? Berührte er sie an den gleichen Stellen und mit der gleichen Hingabe mit der er mich berührte? Ich nahm mir fest vor, heute nicht mehr darüber nachzudenken. Heute wollte ich mich verhalten als wäre all das niemals passiert. Irgendwie erleichterte es mich, dass Scott weggegangen war und ich den restlichen Tag alleine hier im Haus sein konnte. Keiner sollte mit mir sprechen und womöglich meine Entscheidung beeinflussen, ich wollte den Abend einfach mit Robin verbringen, um herauszufinden ob es noch eine Chance für uns gab. Nachdem ich meinen Kaffeebecher geleert hatte, begab ich mich in das Wohnzimmer und zappte mich durch das Fernsehprogramm. Gerade als ich wieder abschalten wollte, sah ich ein Bild von Robin. Ich war mir nicht sicher ob es eine gute Idee war, diese Art von Klatschnachrichten zu verfolgen, doch ich konnte einfach nicht umschalten. Er sah schlecht aus. Genauso wie ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Immer noch sah man ihm von weitem an, dass er in letzter Zeit wohl nicht sehr viel Schlaf bekam. Die Reporterin begann zu sprechen: „Gerüchten zufolge soll Robin Bradley die Produktion für seine Nebenrolle in dem neuen Action Film „Toxic" abgesagt haben. Der Grund dafür soll die Trennung von Choreografin Jodie Meier sein.", es wurde ein Bild von mir eingeblendet, „Robin wollte sich dazu nicht äußern und auch sein Management wollte keine Stellung dazu abgeben ob der Film mit ihm gedreht wird oder nicht. Die einzige öffentliche Stellungnahme die wir erhalten haben, betrifft die Trennung von Robin und Jodie und die Gerüchte einer Affäre von Robin", ein Brief wurde eingeblendet indem mehrere Zeilen markiert waren und die Reporterin begann zu lesen: „Die Trennung von Jodie hat Robin sehr zugesetzt, er ist momentan nicht bereit sich öffentlich zu äußern und bittet um ein bisschen Privatsphäre vor allem um Jodies Willen, die es in letzter Zeit nicht leicht hatte. Außerdem schämt er sich wahnsinnig für sein eigenes Verhalten und wünscht sich nichts mehr, als es wieder Rückgängig machen zu können. Seiner eigenen Aussage zufolge hat er sich mit seinem Benehmen das Wichtigste genommen, was er je hatte und er wird alles tun um Jodie von diesen Schmerzen zu heilen. Des Weiteren dementieren wir hiermit alle Gerüchte die sich um eine Affäre mit der Hauptdarstellerin von „Toxic" drehen. Sämtliche Aussagen die sie selber darüber trifft, sind aus der Luft gegriffen. Daher werden all Äußerungen ihrerseits bereits, seitens Robins Anwälten verfolgt." Ich wusste nicht so recht was ich davon halten sollte. Unterstellte ihm diese Frau eine Affäre? Schon seit Längeren hatte ich mich von sämtlichen Medien ferngehalten um nicht Gefahr zu laufen, noch mehr verletzt zu werden. Trotzdem wusste ich, dass es eine Lüge war, wenn sie Robin eine Beziehung mit ihr unterstellte. Robin ging keine Beziehungen ein. Ich konnte mir ohne große Probleme vorstellen, dass er einen One-Night-Stand mit ihr hatte, aber alles was darüber hinausging war vollkommen unmöglich. Natürlich war er mit mir auch eine Beziehung eingegangen. Aber ich war mir absolut sicher, dass ich die einzige Ausnahme in seinem Leben war und auch immer bleiben würde. Wieder hatte ich das Bild dieses Kusses vor Augen. Er schien nicht im Geringsten irgendetwas Liebevolles an sich zu haben, es sah eher so aus als würden die beiden gleich übereinander herfallen. Hätte er das Gleiche gefühlt wie er mit mir fühlte würde ich es erkennen. Das wusste ich mit Sicherheit. Leider bedeutete das noch lange nicht, dass er nicht trotzdem mit ihr geschlafen hatte und obwohl ich es ständig zu verdrängen versuchte, glaubte ich in Wahrheit, dass er es getan hatte. Wahrscheinlich würde ich aber niemals erfahren, wie es wirklich war und damit zu leben fiel mir unglaublich schwer. Gedankenverloren schaltete ich den Fernseher aus, lief hinauf in mein Zimmer, stellte mir den Wecker auf fünf Uhr dreißig und schloss die Augen.
Als der Wecker klingelte, konnte ich kaum glauben, dass ich so lange geschlafen hatte. Jetzt fühlte ich mich viel besser als zuvor, stand auf und packte alle Dinge in meine Handtasche die ich heute brauchen würde. Dann ging ich ins Bad und trug etwas Mascara und Lipgloss auf. Mein Kleid hatte unter meinem Schläfchen gelitten und ich entschied mich, mich doch nochmal umzuziehen. Nicht ohne Hintergedanken wählte ich das schwarze Kleid, dass ich mir damals für die Clubnacht mit Maja gekauft hatte. Bisher hatte ich es erst einmal getragen und diese Nacht war eine Katastrophe. Hoffentlich würde es heute anders sein. Nervös zupfte ich den Stoff noch etwas zurecht und lief hinunter zum Eingangsbereich. Leicht zitternd stieg ich in die silbernen High Heels die ich erst vor kurzem erstanden hatte. Dann hängte ich mir die Tasche über die Schulter und betrachtete mich im Spiegel. Für ein freundschaftliches Treffen hatte ich eindeutig maßlos übertrieben. Aber sollte dies unser letztes Treffen sein, könnte ich mich zumindest an das schöne Kleid und meine Lieblingsschuhe zurückerinnern.
Die Tür flog auf und Scott kam herein. Er telefonierte und schien mich nicht wahrzunehmen. Als er noch zwei Schritte von mir entfernt stand blieb er abrupt stehen. Das Handy hatte er immer noch am Ohr, jedoch hatte er seinen Satz einfach in der Mitte abgebrochen. Sein Mund stand offen und er klappte sein Telefon ohne eines Wortes der Verabschiedung zu. „Wo willst du denn hin, Jodie?", fragte er und musterte mich von oben nach unten. „Ich treffe mich mit einem Freund.", antworte ich, ließ bei dem Gedanken an die Prügelei aber lieber Robins Namen weg. „Und du hast vor, deinen Freund völlig den Kopf zu verdrehen?", wollte er wissen. Verwirrt blickte ich ihn an: „Was meinst du denn damit?" Er deutete von meinem Kopf bis auf meine Beine „Naja damit. Hast du denn vor ihn keinen vernünftigen Gedanken mehr fassen zu lassen, weil er sich nur noch darauf konzentrieren kann, wie heiß du bist?", stocherte er. „Ach Scott, ich bin sicher meinen Freund deutlich klargemacht zu haben, dass er nur ein Freund ist.", versicherte ich. „Bei diesem Anblick will keiner mehr nur dein Freund sein.", meinte er dann. „Bitte pass auf dich auf. Es gibt viele schlechte Menschen da draußen und ich könnte es nicht ertragen wenn du schon wieder verletzt wirst.", fügte er schnell hinzu. Ich nickte. „Wir sehen uns später.", ließ ich ihn wissen, bevor ich durch die Tür hinauslief. Obwohl ich wusste, dass dieser Gedanke völlig unfair und egoistisch war, hoffte ich, dass Robin genauso auf mich reagierte wie Scott. Denn egal wie es mit uns auch weiterging, er sollte wissen, was er mit diesem dämlichen Kuss aufs Spiel gesetzt hatte. Robins Wagen stand bereits in der Einfahrt und als er mich kommen sah, ging er zur Beifahrerseite und öffnete mir die Tür. „Robin, ich war mir eigentlich noch nie so recht sicher, ob sich Freunde gegenseitig die Autotür aufhalten.", sagte ich und grinste, dann drückte ich ihm einen Kuss auf die Wange bevor ich einstieg. Er hielt die Tür noch geöffnet und betrachtete mich. „Sorry Jodie, ich werde mein Bestes geben, aber mit diesem Outfit hast du eindeutig das falsche gewählt um mich nur freundschaftliche Gefühle für dich empfinden zu lassen.", erklärte er und stoß einen Pfiff aus. Ich schmunzelte, denn ich hatte erreicht was ich wollte. Gleichzeitig wusste ich aber auch, dass dieses Spiel, das ich spielen wollte ziemlich gefährlich war.
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