25. Jodie
Obwohl Paul immer noch in Lebensgefahr schwebte, war mir ein Stein von Herzen gefallen, als ich hörte, dass er hier war. Ich wurde das Gefühl nicht los, dass Robin das bereits gewusst hatte und mich nur deshalb hierher verlegen ließ. Kurz war ich sauer, weil ich sofort wissen wollte, wenn es Neuigkeiten von meinem Bruder gab. Andererseits verstand ich ihn auch, da er sich bestimmt Sorgen um meinen Gesundheitszustand machte. Mir würde es nicht anders gehen wäre Robin in meiner Situation. Nachdem ich mich wieder einigermaßen gestärkt fühlte, rief ich die Schwester und ließ mich von ihr auf die Station meines Bruders bringen. Langsam ging ich auf sein Zimmer zu und öffnete die Tür. Augenblicklich war ich erleichtert, als ich erkannte, dass Paul genauso aussah wie immer. Als würde er schlafen, so friedlich. Kurz wanderten meine Gedanken zu Beth, die für das Ganze erst verantwortlich war. Leider war ich zu schwach, um die Wut aufzubringen, die nötig gewesen wäre. Ich hoffte einfach nur, dass sie nicht freikam oder wenn sie doch aus dem Gefängnis entlassen wurde, zumindest in eine geschlossene Anstalt gesteckt werden würde. Denn eines wusste ich mit Sicherheit, diese Frau war krank. Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Das war der einzige Grund, warum ich ihr gestern nicht sofort an die Gurgel gesprungen war. Ich wünschte einfach, Robin hätte nie mit ihr geschlafen und uns wäre der ganze Mist erspart geblieben. Aber so war es leider nicht und für den Fall, dass mein Bruder sterben würde, wusste ich nicht, ob ich das Robin je verzeihen könnte.
Sollte ich Paul und damit auch Robin verlieren, wäre ich wahrscheinlich selber verloren. Eines wusste ich aber ganz sicher, danach würde ich nie wieder auch nur den kleinsten Funken Liebe spüren können. Ich würde für immer alleine sein und trauern. Schnell schob ich die Gedanken beiseite und versuchte mir einzureden, dass Paul jeden Moment aufwachen würde. Ich griff mir ein Buch, welches in seinem Zimmer lag und begann daraus vorzulesen. Ganze 5 Stunden saß ich so da, doch leider war er auch danach nicht aufgewacht. Die Ärzte kamen in das Zimmer und versuchten mich zu beruhigen, ließen mich jedoch auch wissen, dass sich sein Zustand momentan nicht weiter verbessert hatte. Es war schon spät und ich wollte nach Hause. Doch bei dem Gedanken daran Robin anzurufen graute mir. Ich wusste nicht so recht wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte, denn irgendwie war ich wütend auf ihn, obwohl ich wusste, dass diese Wut unbegründet war. Deshalb schrieb ich ihm einfach eine kurze Nachricht:
Könntest du mich bitte abholen?
Prompt kam die Antwort.
Bin gleich da.
Ich stellte mich vor den Haupteingang während ich auf Robin wartete und blickte in den Sternenhimmel von Miami. War es vielleicht doch ein Fehler hierher zu kommen. Hatte ich womöglich das Leben meines Bruders aufs Spiel gesetzt? Robins SUV hielt vor mir und er drückte von innen die Tür auf. Ohne einen Blick auf ihn zu richten stieg ich ein. „Hey Süße, bekomm ich denn keinen Kuss? Ich habe dich so unglaublich vermisst. Bitte bleib nie wieder so lange von mir weg.", bat er. Schnell drehte ich mich in seine Richtung und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. „Was ist denn los?", fragte Robin.
„Es tut mir leid, Robin, es hat nichts mit dir zu tun. In den letzten Tagen ist einfach so viel vorgefallen und ich brauche ein bisschen Ruhe.", versuchte ich ihm sachlich mitzuteilen. Er sah traurig aus und mein Herz zog sich zusammen. Wie konnte ich den Menschen den ich so sehr liebte gleichzeitig auch so sehr dafür verabscheuen was er getan hatte, lange bevor ich ihn überhaupt kennengelernt hatte. Als wir zu Hause ankamen, sprang ich aus dem Auto und rannte in unser Schlafzimmer. Dort legte ich mich auf meine Seite des Bettes, von seiner abgewandt, und stellte mich schlafend, als er ebenfalls ins Zimmer kam. Er setzte sich auf die andere Seite des Bettes und obwohl ich die Augen geschlossen hatte spürte ich seinen traurigen Blick auf mir. Dann legte er sich zu mir, streichelte mir übers Haar und küsste mich auf die Wange, bevor er sich an mich schmiegte. Sofort kamen mir die Tränen. Ich hatte keine Ahnung, wie ich das alles überstehen sollte. Der Kampf den ich in mir austrug, verletzte nicht nur Robin, sondern auch mich selbst zutiefst. Mir war klar, dass ich hier wegmusste bis Paul wieder außer Lebensgefahr war oder ich würde uns beiden das Herz brechen.
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Am Morgen wachte ich mit dem ersten Sonnenstrahl auf. Robin hatte seine Arme noch immer um mich gelegt und ein weiterer Kampf in mir begann. Als Freundin wollte ich diesen Moment einfach nur genießen, doch als Schwester wollte ich ihn am liebsten von mir wegstoßen und ich ekelte mich vor mir selbst, weil ich ihn trotzdem, immer noch so anziehend fand. Vorsichtig befreite ich mich aus seinem Griff und ging ins Badezimmer. So schnell und leise es ging machte ich mich fertig und begab mich in den Proberaum, wo ich auf Scott wartete.
Lange musste ich das gar nicht, denn er stand bereits im Aufzug.
„Guten Morgen, Jodie. Du siehst nicht gut aus. Es tut mir wahnsinnig leid, was meine Schwester dir angetan hat. Bitte glaube mir, dass ich alles machen werde was in meiner Macht steht um das wieder in Ordnung zu bringen. Ich habe sogar gegen sie ausgesagt.", teilte er mir mit.
„Wenn jemand gar nichts dafür kann, dann bist du das. Mach dir bitte keine Vorwürfe, du hättest das nicht verhindern können. Deine Schwester ist krank und leider hat diese Krankheit mein Leben zerstört.", erklärte ich und konnte die Trauer nicht unterdrücken, die in meiner Stimme mitschwang. „Was meinst du denn damit? Ich bin sicher, dein Bruder wird wieder gesund und du und Robin seit so ein tolles Paar. Es wird alles wieder gut.", versuchte er mich zu trösten. Jedoch schien ihn der Ausdruck auf meinem Gesicht nicht zufrieden zu stellen. „Bei dir und Rob ist doch alles in Ordnung, oder?", stocherte er nach.
Ich wollte gerne sagen, dass alles in Ordnung sei, doch es ging nicht. Stattdessen fing ich an zu schluchzen und schüttelte den Kopf. Scott nahm mich in den Arm. „Aber was ist denn los? Er liebt dich doch so sehr, mehr als ich es für möglich gehalten hätte und du hast auch immer den Eindruck gemacht, als wärst du ihm komplett verfallen. Wie könnt ihr beide denn ein Problem haben?", fragte er. Wieder schluchzte ich. „Meine Gefühle für ihn sind momentan so verdammt verwirrend und ich weiß, dass es nicht richtig ist was ich fühle, aber irgendwie mache ich ihn mitverantwortlich, dafür was passiert ist. Hätte er nicht mit jeder Frau geschlafen, die ihm über den Weg gelaufen war, würde mein Bruder jetzt wahrscheinlich nicht mit einer Überdosis im Krankenhaus liegen.", erklärte ich und die Tränen liefen mir über die Wangen.
„Was hältst du davon, wenn wir das Training heute, einfach ausfallen lassen? Komm wir fahren zu Starbucks und danach bringe ich dich wieder zu deinen Bruder, ins Krankenhaus. Ich denke, momentan macht es sowieso nicht viel Sinn zu arbeiten. Nächste Woche können wir ja dann weitersehen.", schlug Scott vor. „Vielen Dank Scott. Das ist wahnsinnig lieb und einen Kaffee könnte ich wirklich gebrauchen.", antwortete ich.
Ich hoffte, wir würden Robin nicht über den Weg laufen, während wir das Haus verließen und war froh, dass er nirgends zu sehen war, als wir aus dem Aufzug kamen. Schnell lief ich zur Tür und Scott schien zu begreifen was ich vorhatte, denn auch er beschleunigte seinen Schritt. Dann hielt er mir die Tür seines Wagens auf.
Bei Starbucks angekommen setzten wir uns in eine Ecke. Mein Handy vibrierte. Es war Robin:
Wo bist du, Süße?
Scott bringt mich ins Krankenhaus. Melde mich wenn ich abgeholt werden muss.
Jodie, ich weiß, dass es ein Problem zwischen uns gibt und es bricht mir das Herz, bitte sprich mit mir. Ich kann diese Kälte nicht ertragen. Ich liebe dich so sehr.
Es liegt nicht an dir, Robin. Könntest du bitte einfach durchhalten, bis Paul wieder aufwacht. Ich verspreche dir, dann wird wieder alles so wie es vorher war.
Scott blickte mich an: „Ist alles in Ordnung?" Ich nickte: „Ja es ist Robin und es tut einfach weh ihn verletzen zu müssen, aber ich muss durchhalten, es wird schon alles wieder gut werden." Natürlich wusste ich, dass ich mir das immer wieder einredete, um nicht darüber nachdenken zu müssen, was geschehen würde, würde nichts mehr gut werden. Scott grinste: „Gut so. Positiv denken hilft mit Sicherheit auch deinem Bruder weiter. Jodie ich weiß, dass es ein seltsames Angebot ist, welches ich dir jetzt unterbreite, da wir uns noch nicht so lange kennen und unter ziemlich blöden Umständen kennengelernt haben. Aber für den Fall, dass du irgendwelche Hilfe brauchst, bin ich immer für dich da. Ich fühle mich verdammt schuldig daran, was meine Schwester getan hat und es bringt mich um, zu wissen, dass ich dich und deinen Bruder nicht davor bewahrt habe. Robin war immer mein bester Freund und ich will ihm eigentlich nicht in den Rücken fallen, aber für den Fall, dass du es bei ihm nicht mehr aushältst, kannst du gerne bei mir wohnen. Jetzt wo Beth und Anna weg sind, habe ich genug Platz." „Vielen Dank", antwortete ich, „Möglicherweise werde ich auf dein Angenbot zurückkommen."
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