Kapitel 53
Meine Zähne mahlen aufeinander und mein Kiefer ist so angespannt, dass ich ihn vor Schmerzen lockern muss, nur um ihn wenige Sekunden später wieder zusammenzupressen.
Auf der anderen Seite des Raumes albert Chiara grinsend mit meinem Bruder herum und des Öfteren legt dieser ganz unschuldig seinen Arm um das Mädchen was mein Herz seit Wochen schneller schlagen lässt.
Erneut lacht Chiara auf und widerwilliger Weise zieht sie dadurch meinen Blick wieder auf sie.
Ich wünschte mir ich hätte es bleiben lassen.
Chiara liegt auf dem flauschigen Teppich, mein Bruder kniet neben ihr und kitzelt sie, während Chiara haltlos lacht und um Gnade fleht. Das Bild brennt sich in meinen Kopf und will nicht verschwinden.
Genervt seufzte ich auf, fahre mit durch die Haare und selbst das registrieren die zwei Turteltäubchen nicht.
Komplett überfordert und gleichzeitig enttäuscht ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche und öffne es, um meine verpassten Nachrichten zu checken.
Steve hat mir ein Bild von Kiran und ihm geschickt, wie sie direkt vor einem Abgrund stehen und in die Kamera lachen. Aber selbst der kurze Zwischenbericht meiner Freunde kann mich nicht aufheitern, sondern macht es nur noch schlimmer.
Irgendwie hat jeder um mich herum eine schöne und vor allem unbeschwerte Zeit während ich hier einsam versauere.
Auch die Nachricht, dass sich Coach Wright im Koma befindet, liegt mir immer moch schwer im Magen.
Esist mir natürlich bewusst, dass ich hier gerade etwas zu sehr übertreibe ich kann nicht nachvollziehen weshalb Chiara so sehr an meinem Bruder hängt.
Was hat er denn bitte, was ich nicht habe?
"Wie lange willst du dich noch weiter quälen?"
Mit diesen Worten kommt Chris seufzend auf mich zu und folgt meinem Blick, der immer noch starr auf meinen Bruder und Chiara gerichtet ist.
"Es bringt nichts jemanden aus der Ferne anzuschmachten. Wenn du etwas von Chiara willst, und das macht ganz den Anschein, denn sonst würdest du sie nicht rund um die Uhr anstarren, dann unternimmt auch etwas. Doch es bringt nichts hier zu stehen und sich selbst zu bemitleiden."
Ich weiß, dass Chris recht hat und unauffällig schiele ich nach draußen: Jason, Felix, Thierry und Nico liefern sich eine heftige Wasserschlacht.
Gerade tunkt Nico Jase unter Wasser oder zumindest versucht er es, denn Jason ist stark genug um Nico von sich zu stoßen und ihn seinerseits unter zu tunken.
Gegen meinen Willen muss ich Grinsen und lege mein Handy beiseite, bevor ich mein Shirt ausziehe und mit Chris zum Pool nach draußen gehe.
Er hat recht.
Trübsal blasen bringt niemanden weiter.
Die warmen Sonnenstrahlen liegen sofort auf meiner Haut, sobald ich auf die Terrasse trete. Ich setzte mich an den Rand und lasse meine Beine ins Wasser baumeln.
"Komm rein", fordert Felix mich lachend auf aber ich winke ab, lehne mich nach hinten und stütze mein Gewicht auf meine Ellenbogen.
Erschöpft schließe ich die Augen und genieße das Kitzeln, der Sonne auf meiner Haut. Minutenlang ist es friedlich still um mich herum, doch die Freude währt nicht lange. Eisige Wassermassen brechen über mir zusammen und ich reiße geschockt meine Augen auf.
"Du elender Bastard", knurren ich den Blondhaarigen vor mir an und stürze mich auf ihn. Zusammen fallen wir unter lauten Jubelrufen der Jungs in den Pool und eine turmhohe Fontäne wird erzeugt.
"Was sollte das denn?"
Als wir auftauchen, werfe ich Chris einen bitterbösen Blick zu und spritze ihm Wasser entgegen. Er lacht allerdings nur und legt mir den Arm um die Schulter. "
Schlafen kannst du heute Nacht. Jetzt hast du mal bitte Spaß!"
"Sonnen kann ich mich aber nicht heute Nacht", kontere ich und Chris zuckt mit den Achseln.
"Mir egal, wir spielen jetzt Wasservolleyball."
In Windeseile haben wir ein Netzt an der langen Seite aufgespannt und die Teams gebildet. Jason, Nico und Felix gegen Thierry, Chris und mich. Gerade schmettert Jason den Ball zu mir und wiederholt landet er im Wasser.
Eine hohe Fontäne spritzt mir ins Gesicht und ich seufze entnervt auf.
„Okay, das schaue ich mir nicht länger an. Das ist nicht zum Aushalten", sagt Jason in dem Moment kopfschüttelnd, taucht unter den Netzt auf unsere Seite und packt mich am Handgelenk.
Mühelos zieht er mich an den Rand und bedeutet er mir mich abzutrocknen.
„Zieh dir etwas an und komm mit. Meine Güte ist das schlimm mit euch", murrt mein Freund und verdreht die Augen.
„Chiara", meint er nachdrücklich, als wir das Wohnzimmer betreten und seine Schwester kommt mit fragendem Gesichtsausdruckt kommt sie auf ihn zu. Und wie schon seit mehreren Tagen ignoriert sie mich dabei komplett.
„Mitkommen. Beide."
Jasons Ton duldet keinen Widerspruch und genervt folge ich ihm hinauf in unser Zimmer, genau wie Chiara. Stumm bedeutet er uns in das Zimmer zu gehen.
Ich habe keine Ahnung was er vorhat, aber gut wird es wahrscheinlich für keinen der Beteiligten sein.
Abwartend setzte ich mich auf mein Bett und starre auf den Boden, während Chiara im Raum stehen bleibt. Da knallt die Tür zu und ein Schlüssel dreht sich im Schloss.
„Was zum...?"
Ich springe auf und rüttele an der Klinke, doch die Türe bleibt verschlossen.
„Jason, das ist jetzt nicht dein scheiß Ernst oder? Was ist das für ein Kindergarten!?", murre ich und höre Jason erbarmungslos lachen.
„Klärt ihr euren Kindergartenstreit erst und dann könnt ihr raus. Mal ehrlich ihr benehmt euch wie zwei Siebzehnjährige, die in ihrer Pubertät stecken geblieben sind. Ach stimmt, seid ihr ja..."
„Toll, danke", murmel ich angepisst und trete gegen die Tür bevor ich mich zu Chiara umdrehe. Während meinem Ausbruch hat sie mich die ganze Zeit beobachtet, doch jetzt wendet sie schnell den Blick ab.
„Echt jetzt?", fahre ich sie an, schüttel dann aber den Kopf.
„Glaubst du ich merke nicht, dass du mir aus dem Weg gehst?", fahre ich sie dann wütend an. Meine Stimme zittert mit einem Mal vor Verständnislosigkeit und unterdrücktem Frust.
„Seit Tagen ignorierst du mich und immer wenn ich etwas sage oder dich anschaue, dann wendest du den Blick ab und starrst auf den ach so interessanten Boden! Siehst du? Das ist genau das was ich meine!"
Mit einer harschen Handbewegung deute ich auf sie und zeige Chiara dadurch worauf ich hinauswill. Sie hat den Kopf gesunken und starrt Löcher in die Luft.
„Weißt du wie beschissen sich das anfühlt? Was habe ich denn bitte gemacht, dass du mich nicht einmal mehr ansehen kannst wenn ich mit dir rede? Wieso verhältst du dich so abweisend? Wirklich ich verstehe dich nicht! Auf der Beachparty war alles cool und auch an dem Tag danach hatten wir Spaß, aber seit dem blockst du total ab. Grundlos. Hörst du? Grundlos! Ich dachte wirklich, dass es dir so geht wie mir, dass du mich auch magst. Wir haben uns so gut verstanden und ja vielleicht hast du mich die letzten Jahre für ein Arschloch gehalten, das jeden fickt, der nicht bei drei auf dem Baum sitzt. Aber nur weil solche beschissenen Gerüchte über mich in der Schule herum kursieren, heißt das noch lange nicht, dass sie der Realität entsprechen! Aber habe ich dir nicht genau das Gegenteil in den letzten Wochen bewiesen? Habe ich dir nicht genau das probiert näherzubringen!? Was ist mit dir, verdammt?"
Ich atme heftig und meine Brust hebt sich, als ob ich gerade kilometerweit gerannt wäre. Chiara schweigt immer noch, antwortet mir einfach nicht. Es wäre mir lieber, ich hätte nicht gestoppt, sondern meinem Ärger mehr Raum gegeben hätte, denn die anhaltende Stille ist unerträglich.
„Weißt du was?", zische ich.
„Spar dir dein Verhalten für jemanden, dem es am Arsch vorbeigeht. Hör auf so mit mir zu spielen und glaub ja nicht, dass ich diesen Mist toleriere oder sogar mitmache. Wieso bist du...?"
„Weil ich nicht weiß, was ich machen soll!
Weil ich nicht weiß was ich will!
Weil ich verdammt nochmal nicht weiß wie ich mich in dieser Scheißsituation verhalten soll!", bricht es aus Chiara hervor.
Sie reißt den Kopf hoch und ihre Augen blitzen, doch hinter der Fassade der Erzürnung versteckt sich Trauer und Verwirrung.
Das Mädchen vor mir spielt nervös mit ihren Fingern herum und sieht mich zum ersten Mal seit Tagen richtig an.
Normalerweise trägt sie nie Make-Up was ihr auch deutlich besser steht, denn so wirkt sie hübscher und natürlicher. Doch jetzt schimmern dunkle Augenringe unter Chiaras Foundation, was allerdings nur auffällt, wenn man sie genauer betrachtet.
„Du hast mich einfach weggestoßen ohne jegliche Begründung", merke ich neutral an und mustere sie aber mit einem angespannten Gesichtsausdruck. Ich möchte ihr nicht den Schmerz offenbaren, den ich eigentlich spüre, denn Chiara hat mich schon zu oft wie ein verletztes Häufchen Elend gesehen.
Sie muss nicht auch noch wissen wie einsam ich mich gefühlt habe und das nur, weil Chiara sich von mir distanziert hat.
Eigentlich ist es wirklich lächerlich.
Stumm blinzelt Chiara mich an und on ihren Gesichtszügen kann ich Reue sehen, genauso wie das Verständnis, was sie mit ihrem Verhalten angerichtet hat.
„Ich verstehe mich ja selbst nicht", seufzt Chiara und reibt sich müde die Stirn. Kopfschüttelnd wende ich mich ab.
Wie soll ich es dann verstehen? möchte ich ihr am liebsten ins Gesichts brüllen, aber ich halte mich zurück, denn ein Streit ist nicht das, was ich will.
Stattdessen lege ich meinen Kopf in den Nacken, schließe für einen Moment die Augen, denn ich weiß, wenn ich Chiara weiter ansehen werde, dann verzeihe ich ihr sofort. Einerseits will ich das, aber auf der anderen Seite möchte ich Antworten auf meine Fragen.
Die ganze Zeit nach Strich und Faden verarscht zu werden fühlt sich zum kotzen an.
Und trotzdem hat mir ihr abweisendes Verhalten wehgetan, mehr als ich mir je eingestehen könnte.
Auf einmal nehme ich kalte Fingerspitzen wahr, die über meinen Unterarm fahren und erschrocken öffne ich die Augen. Chiara steht mir direkt gegenüber, hat die Unterlippe vorgeschoben und macht große runde Kulleraugen.
Der bettelnde Hundeblick gelingt ihr überhaupt nicht, weshalb ich es mir verkneifen muss los zu prusten, dennoch kann ich meinen ernsten Gesichtsausdruck aufrecht erhalten.
„Und wenn ich ganz lieb bitte sage? Bitte, mit einer großen Kirsche oben drauf?", sagt Chiara und hinter ihrem gespielten Satz erkenne ich die Verzweiflung.
„Zu der Kirsch noch die Sahne. Dann sind wir quitt", beschließe ich den Kompromiss und das Mädchen vor mir sieht mich ungläubig an, bis sie mir freudestrahlend um den Hals fällt.
„Danke", haucht sie mir ins Ohr und ich unterdrückt überglücklich grinsen, denn es gefällt mir Chiara so nah zu sein.
„Du wirst es nicht bereuen", verspricht sie mir, als wir uns voneinander lösen und ihre Augen strahlen Dankbarkeit aus, während ihr Lächeln mit der Sonne um die Wette strahlt.
„Das hoffe ich stark, aber ich bin optimistisch, weil ich dir genau das am Flughafen versprochen habe und wie du siehst, hast du es nicht bereut. Aber tu mir bitte einen Gefallen", ergänze ich und Chiara hebt den Kopf.
„Bitte, bitte lass das mit dem Hundeblick. Du weißt gar nicht wie idiotisch das aussieht."
Da lacht Chiara auf und ich befürchte, dass sie jeden Moment an ihrem Lachen erstickt.
„Lass uns zu den anderen zurück. Nicht dass sie denken, wir hätten uns gegenseitig umgebracht", bringt sie dann mühsam hervor, woraufhin ich zustimmend nicke. Als ich jedoch die Türklinke herunterdrücken will, rührt sich die Türe nicht.
„Er hat uns ernsthaft eingeschlossen?", irritiert wende ich mich Chiara zu, doch sie hebt nur ratlos die Schultern.
„Frag mich nicht was in seinem Kopf los ist..."
Fordernd klopfe ich gegen die Tür: „Jase! Mach die Tür auf."
Auch Chiara hämmert gegen das Holz und kurz darauf ertönt Jasons hämische Stimme.
„So wie ihr gegen die Tür schlagt, könnte man meinen, dass sich nichts geändert hat. Ich weiß nicht wie gut es wäre euch jetzt raus zu lassen."
Der Zweifel in seiner Stimme lässt mich grinsen.
„Wir haben alle klären können", beteuert jetzt auch Chiara und verdreht währenddessen die Augen in meine Richtung.
„Glaub ich euch nicht."
„Wir klettern aus dem Fenster", drohe ich und Jasons feixende Stimme kommt mir entgegen.
„Versucht's doch. Viel Spaß beim Sterben!"
Damit entfernen sich seine Schritte und kurz darauf dringt lautes Gelächter durch die Tür, höchstwahrscheinlich von den anderen.
„Gut, wie der Herr will", murmel ich kopfschüttelnd und gehe dann zum Fenster, welches ich ohne zu zögern öffne ich.
„Das machst du nicht wirklich?", skeptisch verschränkt Chiara die Arme vor der Brust und zieht die Augenbrauen hoch.
„Was soll schon großartig passieren?"
Sie sieht nicht besonders begeistert von meiner Idee aus.
„Schau mal, wir sind nur im ersten Stock. Von hier aus können wir locker in den Pool springen, wenn wir etwas nach unten geklettert sind. Abgesehen ist der Pool äußerst tief, weshalb du dir praktisch nicht wehtun kannst", versuche ich sie zu überzeugen.
„Du bist irre! Wie hast du geschafft so lange am Leben zu bleiben?"
„Wenn du wüsstest", seufze ich und steige dann aus dem Fenster, um mich nicht erklären zu müssen.
Ich reiche Chiara die Hand und gemeinsam gehen wir zu der Seite des Balkons.
„Schau. Wir halten uns an der Regenrinne fest und springen dann auf diesen kleinen Mauervorsprung."
„Wir sterben gleich", murmelt Chiara, schwingt sich aber als Erste über das Geländer. „Ich schlage dich, wenn wir unten ankommen das schwöre ich dir", knurrt sie und ich grinse frech.
„Wenn..."
Boshaft klettere ich hinter ihr her und nun befinden wir uns direkt über dem Pool.
„Ehrlich gesagt bin ich mir nicht so sicher ob das eine gute Idee ist", nachdenklich kratze ich mich am Hinterkopf. Hoffentlich brechen wir uns nicht beide Beine und die Arme noch dazu...
„Ach, das fällt dir aber früh auf", meckert Chiara und funkelt mich an.
„Mach mir einfach nach", weise ich ihr an.
Mit viel Kraft stoße ich mich von der Wand ab und nehme mit den Armen noch Schwung. Lachend gleite ich durch die Luft und drehe meinen Kopf nach links.
Mit Vergnügen stell ich fest, dass Jason, Chris und Leon mich mit offenem Mund entgeistert anstarren, während Thierry anerkennend pfeift. Lachend tauche ich ins Wasser ein und kurz darauf spüre ich, wie Chiara neben mich ins Wasser plumpst.
Während sie die Augen unter Wasser geschlossen hat, sind meine geöffnet und ich betrachte das Mädchen für einige Sekunden.
Bin ich froh, dass wir unser Dilemma klären konnten.
„Du. Bist. So. Ein. Verdammter. Arsch."
Chiara schlägt mir gegen die Schulter, lacht aber laut auf.
„Es hat Spaß gemacht", meine ich achselzuckend, spritze ihr dabei ein paar Wassertropfen ins Gesicht.
„Seid ihr eigentlich irre!?"
Wütend steht Jason über und hat die Arme in die Seiten gestützt.
„Kaum habt ihr euch wieder vertragen, macht ihr nur Scheiße zusammen. Was denkt ihr euch eigentlich dabei aus dem ersten Stock in den Pool zu springen? Das ist lebensgefährlich. Seid ihr Kinder oder was stimmt mit euch nicht?"
„Darf ich auch?", fragt Thierry da unschuldig und schlingt Jason die Arme um die Brust.
„Verarschen kann ich mich selbst", knurrt dieser zurück.
„Sei nicht so spießig."
Aufmunternd sieht Thierry ihn an, schubst Jason dann aber eiskalt in den Pool. Lachend springen auch noch die anderen hinterher und fröhlich schließen sie sich unserer Wasserschlacht an.
„Schaut mal", sagt Chiara und deutet hinauf in den Himmel.
Ich habe gar nicht gemerkt, dass sich die Sonne hinter schwarze Wolken zurück gezogen hat und mittlerweile ein starker Wind weht.
„Vielleicht sollten wir reingehen", meint Thierry zweifelnd.
„Teilweise sind die Stürme hier nicht ganz ungefährlich."
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