Kapitel 52
"Ich muss kurz hoch", bringt mein Bruder zwischen zusammengepressten Zähnen hervor und macht auf dem Absatz kehrt, um den Strand entlang zu stapfen. Gleichdarauf verschluckt ihn die Dunkelheit und ich runzel verwirrt die Stirn.
Mein Bruder verhält sich seit der Beachparty total komisch, abgesehen von diesem einen Vormittag, an dem wir surfen waren.
Und auch Chiara verbringt ihrerseits nur noch bei mir oder bei Jason.
Selbst mit Nico habe ich sie nicht wirklich reden sehen und wenn, dann war es belangloses Zeug. Das Verhalten fällt nicht wirklich auf, vor allem Chris scheint von dem Stimmungsumschwung nichts mitbekommen haben.
Trotzdem komme ich nicht drum herum mir Sorgen um die beiden zu machen.
"Haben wir irgendwas falsch gemacht?", erkundige ich mich und sehe fragend in die Runde, bekomme aber nur ratlos Gesichter zurück.
Nur Thierry mustert Chiara und mich mit einem finsteren Ausdruck und öffnet dann den Mund.
"Nein", sagt er dann stumpf und sieht Fabian nachdenklich hinterher.
"Nun, er wird schon wieder auftauchen", beschwichtigt Jason uns, sieht aber selbst nicht wirklich überzeugt von seiner Aussage aus.
„Egal, lasst uns was spielen", beendet Leana diese drückende Unterhaltung und zaubert kurzerhand rote Plastikbecher und eine Flasche Wodka hervor.
„Wo hast du dieses Zeug denn jetzt her?", argwöhnisch beäugt Chiara die durchsichtige Flasche und ihr steht der Ekel deutlich ins Gesicht geschrieben.
„Beziehungen Süße", Lena zwinkert ihr zu und Chiara macht daraufhin ein undefinierbares Geräusch, allerdings grinst sie dabei.
Währenddessen füllt Thierry die Becher mit Wodka und Nico kippt überall noch einen Schuss Cola hinterher.
„Der Moment, wenn man beides verabscheut", murmelt Chiara neben mir und ich muss ein Grinsen unterdrücken.
„Gut, wer will anfangen?", euphorisch schwenkt Chris sein Getränk im Becher herum und funkelt uns mit blitzenden Augen an.
„Anfangen womit?", gebe ich dümmlich zurück und höre postwendend ein synchronisches Aufstöhnen aller Anwesenden.
„Ich habe noch nie Sex gehabt", macht Jason also den Anfang und hebt seinen Becher an die Lippen. Auch Thierry, Chris, Leana und ich trinken, während die Becher von Felix, Chiara und Nico unberührt bleiben.
„Wenn wir schon bei dem Thema anfangen, mache ich doch gleich weiter."
Chris grinst dreckig und leckt sich über die Lippen.
"Ich habe noch nie davon phantasiert Sex mit einem meiner Freunde oder Freundinnen zu haben."
„Himmel, bist du versaut", Leana schmunzelt und sieht auf ihren Becher.
„Aber trinken muss ich trotzdem."
Sie legt den Kopf in den Nacken und leert den Becher in zwei Zügen. „Uhhh, wer war denn der Glückliche?"
Thierry sieht Nico spöttisch an und dieser zeigt ihm augenblicklich den Mittelfinger und Leana?
Leana deutet auf ihren Freund: „Logischerweise waren wir da aber noch nicht zusammen."
„Ich bin dran", meldet sich Felix da zu Wort und sieht mich teuflisch lächelnd an.
„Ich habe noch nie per Textnachricht mit jemandem Schluss gemacht."
„Nö, ich habe angerufen."
Ich wackele mit den Augenbrauen und Jason prustet los.
Lachend fällt Chris in den Sand und auch ich muss leise auflachen.
Allein nach ein paar Schlucken von dem Wodka merkt man schon deutlich, dass wir leicht angetrunken sind, bis auf Chiara und Felix. Nun ja, das Bier von vorhin hat auch schon die nötige Arbeit geleistet.
„Schenk mal nach", fordert Leana Thierry auf und er geht ihrem Wunsch sofort nach.
Ich will gerade eine neue These aufstellen, da erscheint ein schwarzer Schatten in der Dunkelheit. Unbemerkt taucht mein Bruder da aus dem Nichts aus und legt Chris die Hände auf die Schultern, während er sich hinter ihn in die Hocke setzt.
Ich kann erkennen wie sich die Lippen Chris' zu einer stummen Frage bewegen. Es macht den Anschein, dass er meinen Bruder fragt, wo dieser gewesen ist.
Die Antwort meines Bruders kann ich beim besten Willen nicht identifizieren, allerdings trägt er ein leichtes Grinsen auf den Lippen, das aussagt, dass seine Laune wenigstens etwas gehoben wurde, wodurch auch immer.
Dennoch: Fabian sieht nicht glücklich aus.
„Bekomme ich auch so einen hübschen Becher", erkundigt sich mein Bruder an Thierry gewandt und dieser hält ihm keine fünf Sekunden später einen Getränk hin.
Dankend nimmt Fabian es an und quetscht sich zwischen Chris und Felix.
Seit wann trinkt ihr?
Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich ihn noch nie Alkohol anrühren sehen, bis auf die Ausnahme von vor zwei Jahren als er danach kotzend über der Toilettenschüssel hing.
„Wer war dran?", fragend sieht Chiara in die Runde und ich deute stumm auf mich.
„Ich habe mich noch nie alleine betrunken."
„Getrunken generell oder wirklich so, dass man am nächsten Morgen Wissenslücken hat?", hackt Jason nach und ich schüttel den Kopf.
„Wenn du ein Bier trinkst, wenn du vor dem Fernseher sitzt, ist das ja nicht schlimm. Ich meine abschießen, aus welchem Grund auch immer."
Einzig und allein mein Bruder hebt seinen Becher an die die Lippen und trinkt einen großen Schluck. Ich kann nicht anders als schnaufend auszuatmen.
„Was!? Wann?"
„Wir spielen kein Wahrheit oder Plicht Leon", entgegnet Fabian mir eiskalter, ruhiger Stimme und sieht mir gleichgültig in die Augen.
„Darüber hinaus bin ich dir keine Rechenschafft schuldig, also muss es dich nicht kümmern."
Sein distanzierter Ton fordert mich dazu auf meine Kiefermuskulatur anzuspannen und nur mit Mühe zwinge ich mich nichts zu erwidern, denn das würde nur in einem Streit ausarten. Und langsam bin ich es leid, dass unsere Freunde ständig von unseren Miseren erfahren, gerade aus dem Grund, weil sie fast schon involviert sind, wenn auch nur gezwungenermaßen.
Nico sieht unschlüssig von mir zu Fabian und wieder zurück.
Dann öffnet er den Mund: „Ich bin noch nie betrunken angefahren."
Allein schon bei dem Satz muss er schmunzeln, während Leana in haltloses Gelächter ausbricht und Thierry peinlich berührt rot anläuft.
„Was ist passiert?", feixend sieht Chris Thierry ungeduldig an. Auch seine Wangen sind gerötet, doch liegt dies wohl eher an der Menge Alkohol, die er bereits konsumiert hat.
„Ehrlich gesagt erinnere ich mich nicht einmal richtig", verlegen fährt Thierry sich über den Nacken, aber Leana schnaubt.
„Du willst dich einfach nur nicht daran erinnern."
„Ach, was du nichts sagst du Zwerg."
„Hey, ich bin vielleicht klein, aber-"
„...dafür ist mein Charakter umso stärker", sprechen Nico und Thierry unisono aus, was Leana beleidigt schmollen lässt.
Jetzt kommt Thierry aber wieder zu seiner Geschichte zurück.
„Meine Eltern waren auf eine Houseparty eingeladen. Einige Geschäftsleute waren anwesend und eben auch die Kinder von denen. Ich glaube es ist nicht nötig zu erwähnen, dass wir uns dort zu Tode gelangweilt haben. Nun ja, lange Rede kurzer Sinn: Wir haben uns unerlaubterweise den teuersten Champagner geholt und ich bin mir nicht mehr sicher, aber ich glaube, dass ich mindestens eine ganze Flasche ausgetrunken habe. Irgendwie waren wir danach alle so betrunken, dass wir vollbekleidet in den Pool gesprungen sind und dort sind einige interessante Dinge passiert, wenn man es so ausdrücken kann. Letztlich kam jemand auf die bescheuerte Idee, dass wir uns in den Jeep setzten und runter an den Strand fahren. Und da es nicht wenige Achtzehnjährige gab und ich der Einzige war, der halbwegs nüchtern war, musste ich fahren."
„Du warst stockbesoffen", nuschelt Nico und Thierry schlägt mit seiner Faust leicht gegen Nicos Schulter, doch die beiden Grinsen.
„Wurdest du wenigstens angehalten?", fragt Fabian grinsend, aber Thierry schüttelt den Kopf. „Schade, ich dachte jetzt kommt noch das ganze Drama mit Polizei, Krankenwagen und Feuerwehr."
„Wieso Krankenwagen?", hakt Thierry verwirrt nach und Fabians Gesichtsausdruck wird boshaft. „Könnte ja sein, dass du jemanden oder etwas umgefahren hast", meint er dann schulterzuckend.
„Immer mit der Ruhe mein Freund. Ich kann selbst im Schlaf perfekt Auto fahren. Wir können es sofort ausprobieren gehen."
„Danke, ich verzichte." Mein Bruder verzieht das Gesicht: „Ich ziehe es vor mein Leben weiterzuleben, ohne lebensgefährliche Aktionen."
„War ja nur ein Angebot", Thierry grinst.
„Hier geht sich niemand umbringen", sagt Jason nachdrücklich und sieht Thierry dabei mit bohrendem Blick an.
„Hey", entgegnet Thierry. „So habe ich das nie formuliert."
„Ja, aber gemeint", gluckst Chiara und die beiden Mädchen beginnen zu kichern.
„Ich bin dran", wirft Thierry da ein und die albernen Gespräche ebben ab. „Ich habe mir noch nie einen Fake Account angelegt, damit ich jemanden ausspionieren kann."
Leana und Chiara heben ohne zu zögern ihren Becher und beäugen uns mit kritisch hochgezogenen Augenbrauen.
„Also lügen müsst ihr noch üben."
„Wen wolltest du bitte ausspionieren?", amüsiert sieht Jason Chiara an und für einen kurzen Blick zuckt ihr Blick zu Fabian.
„Wir spielen kein Wahrheit oder Plicht Jason", wiederholt sie seine Worte und ich könnte schwören, dass für einen kurzen Augenblick ein erfreutes Lächeln seine Gesichtszüge erhellt.
Doch als ich blinzle, ist es bereits verschwunden und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es mir nur eingebildet habe.
"Wollen wir nicht langsam schlafen gehen?" Jason sieht fragend in die Runde und erhält zustimmendes Nicken.
Zu meinem Erstaunen stelle ich fest, als ich auf die Uhr schaue, dass es bereits kurz nach halb eins ist.
Die Müdigkeit macht sich vor allem bei meinem Bruder bemerkbar.
Mal wieder.
Irgendwas stimmt hier gewaltig nicht, denn seit mehr als einem Jahr kann ich bei Fabian deutliche Veränderungen erkennen und diese sind keineswegs positiv.
Abgesehen von seiner schnellen und ständigen Müdigkeit ist er des Öfteren auch sehr gereizt und dies grundlos.
Ich weiß nicht: Ist es begründet?
"Das sieht super gemütlich aus", meint Leana da und deutet auf unser provisorisches selbst errichtete Zeltlager, oder was auch immer das darstellen soll.
Aber ich muss ihr zustimmen, denn durch die vielen Kissen, Matratzen und Decken sieht es nach einer federweichen Angelegenheit aus und ich kann mir nichts Besseres vorstellen, als jetzt unterhalb des Sternenhimmels am Strand einzuschlafen.
Noch dazu mit dem sanften Rauschen der Wellen...
"Willst du noch", reißt Thierry mich aus meinen Gedanken und ich sehe wie er sich leise flüsternd Fabian wendet und ihm noch etwas zu essen anbietet, doch mein Bruder lehnt dankend ab, während er hinter hervorgehaltender Hand gähnt.
Wie als ob er meinen Blick auf sich spüren könnte, dreht er sich in meine Richtung und seine azurblauen Augen bohren sich abwertend in meine.
Hart schluckt Fabian, bevor er sich schließlich abwertend abwendet und den anderen folgt, die bereits entspannt in den "Betten" liegen.
Auch ich begebe mich seufzend dort hin und lasse mich neben Jason fallen. Nur das Lagerfeuer, beziehungsweise die Fackeln, welche wir mit Hilfe des Lagerfeuers entzündet haben, spenden etwas Licht, doch ich kann deutlich erkennen, wie mein Bruder just in dieser Sekunde erschöpft die Augen schließt und sich zurücklehnt.
Obwohl seine Augen geschlossen sind, unterhält er sich leise mit Nico und Chris, die beide unmenschlich energiegeladen sind...
„Wann wollen wir eigentlich das mit dem Katamaran machen?"wende ich mich fragend an Jase, der die bereits schlafende Chiara im Arm hält und etwas abwesend in den tiefschwarzen Himmel starrt.
Sekunden verstreichen, doch Jason antwortet nicht, weshalb ich ihn leicht an der Schulter anstupse.
Verwirrt sieht er auf und blinzelt: „'tschuldige, hast du etwas gesagt?"
"Ich habe gefragt, wann wir mit dem Katamaran fahren wollen?" "Ach so, das. In drei oder vier Tagen sollte noch einmal eine Fahrt angeboten werden. Wir sind ja auch nur noch elf Tage hier und haben noch einige Orte zu entdecken."
"Irgendwie ist es surreal, dass wir schon fast drei Wochen hier sind und bald zurück fliegen müssen", sage ich leise und wickel mich in eine warme Decke ein, denn langsam beginne ich zu frösteln und bereue keinen Pullover mit nach unten genommen zu haben.
„Was hältst du eigentlich von der Idee, wenn wir alle, die wir hier kennengelernt haben an unserem letzten Tag zu einer kleinen Abschiedsfeier einladen? Wobei wir wahrscheinlich auf eine Zahl von etwa zwanzig Personen kommen werden."
Fragend schaut Jase mir entgegen und ich nicke überlegend.
„Das ist eigentlich eine tolle Idee. Vor allem, weil wir einige nette Menschen hier kennengelernt haben. Abgesehen davon haben die bestimmt alle Zeit aufgrund der Ferien. Ich glaube sie würden sich auch sehr über die Einladung freuen", bestärke ich Jasons Idee und lächle...
„Hast du mitbekommen, dass dieses Schuljahre ein paar Neue kommen werden? Sowohl in unsere, als auch in Fabians und Chiaras Stufe. Prinzipiell ist das ja nichts Ungewöhnliches, aber ich habe in den letzten Jahren nie wirklich gehört, dass jemand in die Abschlussklasse wechselt. Abgesehen nimmt die Brookside für gewöhnlich dann auch niemanden mehr auf. Einfach, weil sie es nicht sinnvoll finden, dass man in so zwei wichtigen Stufen auf eine andere Schule wechselt und man so viele neue Eindrücke bekommt."
„Ja, ich habe davon gehört, aber ich habe da ehrlich gesagt die selbe Einstellung wie unsere Lehrer. Was natürlich nicht heißt, dass ich mich nicht auf die neune Schüler freue", gibt Jase zu.
Dann herrscht Stille.
„Hast du schon gehört, dass Mr. Wright einen Autounfall hatte?"
„Was?!" Mein Bruder setzt sich so plötzlich kerzengerade hin, dass ich erschrocken zusammen zucke.
„Wie hat er das jetzt bitte hören können?", brumme ich tonlos, erkenne aber nur Fabians entsetztes Gesicht mir gegenüber.
„Wann?", ungeduldig trommelt mein Bruder mit den Fingerspitzen auf seinem Knie herum.
„Gestern. Soll anscheinend wirklich übel sein. Er liegt im Koma", erwidert Jason leicht bedrückt. „Shit", flucht Fabian leise und lässt sich langsam wieder zurück nach hinten sinken.
„Ich denke nicht, dass er so bald wieder zurück kommt. Ganz zu schweigen vom trainieren."
„Das ist beschissen", knurrt Fabian aufgebracht.
Seine Müdigkeit ist so schnell verschwunden, wie er vorhin weg war.
Stattdessen liegt etwas Finsteres in seinen Augen und er murmle unzufrieden vor sich hin.
„Vielleicht kommt er ja zurück", meint Felix aufmunternd, aber Fabian schnaubt.
„Zunächst einmal geht es darum, dass er überhaupt wieder aufwacht, aber er zurück kommt steht in den Sternen", sagt Fabian bedrückt.
„Mann, ich hatte Pläne! Wieso kann nicht einmal etwas nach Plan laufen, ohne, dass mich das Leben komplett ficken muss?"
-------------------------------------------------------------------------
Ähm, hallo :)
Ja, ihr habt richtig gelesen, ich bin zurück (mal wieder nach einer langen Pause).
Es tut mir leid, aber ich glaube es macht einfach nicht viel Sinn etwas auf das Papier zu kltschen, wenn man eine Schreibblockade hat, bloß, damit dort etwas steht.
Kleines Versöhnungsgeschenk: Es gibt 2 Kapitel!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top