Kapitel 34
Lachend steigen wir den sandigen Pfad gemeinsam hoch und ich bin unendlich froh, dass Jason so ein unkomplizierter Mensch und Bruder ist.
Mittlerweile ist es schon sehr dunkel draußen, doch das stört uns nicht wirklich. Ich verschränke meine Finger mit denen von Jason und wir stapfen stillschweigend weiter.
Durch das große Panoramafenster im Erdgeschoß der Villa scheint grelles Licht und ich kann die fünf Jungs erkennen, die auf uns warten. Gut gelaunt stoße ich die Tür auf und betrete zusammen mit meinem Bruder den Raum.
„Na endlich", murrt Chris und steht mit verzogener Miene auf.
„Wir hatten schon die Befürchtung, dass ihr euch gegenseitig umgebracht habt", ergänzt Felix und lacht fröhlich.
„Jaja", schnaube ich und springe in die Arme von Nico.
Dieser wirbelt mich herum und ich strahle ihn an. „Alles wieder gut?", will mein Freund von Jason wissen und dieser nickt.
„Ja allerdings. Und genau aus diesem Grund möchte ich jetzt etwas essen", lasse ich die Anwesenden im Raum wissen.
Für meine Bemerkung kassiere ich nur merkwürdige Blicke, doch diese beachte ich nicht weiter. „Okay, okay. Wie die Dame befiehlt", belustigt tauschen Nico und mein Bruder blicke. „Freundchen überspann den Bogen heute nicht mehr! Verstanden!", drohend deute ich mit dem Zeigefinger auf Jason und der streckt mir nur die Zunge heraus.
„Ich habe seit heute Morgen nichts mehr gegessen", erinnere ich also und laufe dann mit erhobenen Armen in Richtung Küchenzeile. Dort öffne ich den Kühlschrank und schaue mich verwirrt um: „Ähm!?"
Mein Blick gleitet von Obst und Gemüse zu Joghurt und wieder zurück. Ich schlage die Kühlschranktür wieder zu und wende mich mit verschränkten Armen zu meinen Mitbewohnern um.
„Hat hier eine Party stattgefunden oder was!? Wieso haben wir nichts Richtiges mehr im Kühlschrank? Wir waren doch erst vor ein paar Tagen einkaufen", vernehme ich jetzt etwas schockiert und schaue die anderen vorwurfsvoll an.
„Was denn? Wir hatten Hunger. Außerdem ist es schon sechs Tage her, dass wir einkaufen waren", verteidigen sie sich.
„Ihr seid echt total verfressen", schnaube ich leise vor mich hin. „Gar nicht", protestiert Chris sofort und erntet von mir nur ein ungläubiges Schnauben.
Ich hebe meine beiden Augenbrauen und deutet auf den Kühlschrank: „Wie soll ich das denn sonst nennen?! Dafür gibt es keine bessere Definition als verfressen, Chris. Der gesamte Kühlschrank ist leer!"
Die anderen Jungs versuchen sich ein Grinsen zu verkneifen, angesichts dessen wie ich Chris gerade in den Boden debattiere.
„Ihr braucht gar nicht so zu lachen, denn mitschuldig seid ihr nämlich auch", werfe ich ihnen jetzt auch vor und blicke sie tadelnd an. Betreten scharren sie mit den Füßen.
„Gut dann muss ich jetzt wohl oder übel los und bestelle uns ein paar Pizzen", ich greife schon nach meinem Schlüssel, aber Fabian hält mich mitten in der Bewegung auf.
„Ähm", mache ich fragend und probiere meine Hand aus seinem Griff zu winden, was nur mittelmäßig funktioniert.
„Hältst du das wirklich für so eine gute Idee jetzt noch rauszugehen? Ich meine, draußen ist es schon dunkel und du kennst dich hier überhaupt nicht aus", äußert er seine Bedenken und ich verdrehe die Augen.
„Fabian. Ich bin fast siebzehn Jahre alt und kein fünf mehr", erkläre ich ihm dann sanft und er legt noch einen Drauf.
„Chiara du bist ein Mädchen. Und für ein Mädchen ist es keine so gute Idee...", versucht Fabian mich umzustimmen, doch ich falle ihm in das Wort.
„Was meinst du mit ‚du bist ein Mädchen'?", will ich spitz wissen.
„Das war ein Fehler mein Freund", raunt Nico in Fabians Ohr, aber der schaut weiter unbeeindruckt drein.
„Was willst du mir damit sagen? Dass ich mich nicht verteidigen kann? Nein, falsch gedacht mein Lieber!"
Ich hasse es, wenn der männliche Teil der Bevölkerung denkt, dass wir Frauen und Mädchen unfähig sind uns zu verteidigen.
Wieso denken wirklich alle, dass wir schwach und nicht durchsetzungsfähig sind?
Ich funkel ihn wutentbrannt an und mein Bruder probiert zu schlichten. „Ich glaube, dass was Fabian damit sagen will ist, dass er einfach nicht möchte, dass du alleine draußen rumspazierst. Dort laufe zu viele schwanzgesteuerte Idioten herum."
Leicht angesäuert blicke ich zur Seite, aber mein Bruder flüstert mir noch zu: „Ich bin echt nicht scharf auf eine Wiederholung!"
Besorgnis spiegelt sich in seinen grünen Augen, die wie meine sind.
„Glaubst du ich? Aber es wird nie mehr eine Wiederholung geben Jason! Nur über meine Leiche", halte ich standhaft dagegen und er schüttelt wiederwillig den Kopf.
„Nun gut. Du musst es wissen..."
„Von was redet ihr?", skeptisch wandern die Blicke meiner und Jasons Freunde zwischen uns hin und her. „Geht euch rein gar nichts an. Nur so viel: Schwanzgesteuerte Idioten", gebe ich missmutig von mir und knalle meinen Schlüssel auf die Anrichte.
„Sag mir jetzt bitte, dass du nicht irgendwann mal vergewaltigt wurdest", Fabian klingt leicht hysterisch, weswegen ich ihm Luft zu fächele.
„Habt ihr alle Sexentzug oder was ist mit euch los", kopfschüttelnd wende ich mich ab und setze mich auf die Kücheninsel.
„Sexentzug!?", Nico bricht in albernes Gelächter aus und auch mein Bruder kann nicht mehr an sich halten.
„Du ähm...Chiara. Wie soll ich das sagen?", beginnt Chris, nachdem sich mein Bruder und Freund weitgehend beruhigt haben, und grinst süffisant.
„Ein paar von den werten Herren hier sind noch Jungfrau", lässt er mich dann wissen und ich beiße mir auf die Lippen um krampfhaft ein Lächeln zu unterdrücken.
In einer gewissen Weise ist das voll süß!
Nur wüsste ich gerne, welche werten Herren das sind.
„Ich auch", sage ich aber nur und springe dann auf den Boden. „Was meinst du jetzt, damit dass ich ein Mädchen bin?", erneut wende ich mich zu Fabian, in der Hoffnung eine Antwort zu erhalten.
„Das sage ich dir ein anderes Mal. Bei einem besser passenden Zeitpunkt", frech zwinkert er mir zu und ich schüttel sauer den Kopf.
„Aber ich finde es trotzdem nicht gut, wenn du jetzt alleine losziehst. Ganz abgesehen davon bist du heute ohnmächtig geworden. Also noch ein Grund wieso du zu Hause bleiben solltest!"
„Hör auf mit deinen unschlagbaren Argumenten. Das nervt echt bis zum äußersten Rand", murre ich und zu allem Übel muss mein Bruder jetzt auch noch seinen Senf dazu geben, in dem er heftig mit dem Kopf nickt.
„Ich stimme Fabian vollkommen zu", vernehme ich da auch noch meinen besten Freund und ich funkel ihn wütend an.
„War ja sowas von klar", gebe ich zurück und alle Jungs lachen mich eiskalt aus.
Vielen Dank auch dafür!
„Wer geht dann?"
„Keine Ahnung. Leon und Fabian oder so", schlägt Chris gedankenversunken vor und ich schüttel warnende den Kopf.
„Hast du eine Meise oder was?", zischel ich ihm leise zu und er reißt erschrocken die Augen auf.
Ups, formt er mit seinen Lippen und ich bedeute ihm leise zu sein.
„Jason sollen wir gehen? Ich muss ohnehin noch etwas mit dir besprechen, wegen den neuen Trainingszeiten. Schließlich bist du Captain!", lenkt Felix da schnell ein und wir werfen ihm alle einen dankbaren Blick zu.
„Klar. Aber wer sagt, dass ich dich ins Team nehme", scheinheilig verzieht mein Bruder spöttisch den Mund und Felix schlägt ihm freundschaftlich auf die Schulter.
„Das würdest du nicht tun! Schon allein aus dem Grunde, weil ihr dann echt am Arsch wärt!"
„Da ist aber jemand von sich überzeugt", schnaubt Jason, aber lacht gleichzeitig und die beiden verabschieden sich von uns.
„Wie immer?", erkundigt sich mein Bruder noch bei mir und ich nicke einfach nur.
Zum Glück hat Felix die Situation noch in letzter Sekunde retten können!
Kein Mensch will wissen, was passiert wäre, wenn die beiden Brüder alleine zum Pizza bestellen losgegangen wären.
Höchst wahrscheinlich, hätte es einer von beiden nicht überlebt.
Das bringt mich dazu, darüber nachzudenken, was wohl zwischen Fabian und Leon vorgefallen ist. Die beiden verhalten sich so distanziert gegenüber einander, dass man nie auf den Gedanken kommen könnte, dass sie verwandt sind, wenn man es nicht wissen würde!
Es ist als würden sie sich abgrundtief hassen.
Seufzend lehne ich mich an die Wand und Nico kommt zu mir. „Alles super", sage ich gleich von mir aus und mein bester Freund legt seinen Arm um mich.
„Ich bin so froh, dass dir nichts Schlimmes passiert", gesteht er mir und ich nicke. „Ja ich auch. Wer hätte dich denn sonst nerven sollen?"
Nico zeigt mir ein strahlendes Lächeln und macht mir dadurch deutlich, wie froh er ist, dass wir so gute Freunde sind.
Im Stillen bedanke ich mich bei dem Schicksal und dem Universum, dass ich Nico treffen durfte.
Wie mein Leben ohne ihn wohl sein würde?
Wahrscheinlich nur halb so schön wie wirklich!
„Wäre es ein Problem für dich, wenn ich Leana zu der Beach Party in St. Tropez einlade?", fragt er mich da nervös und spielt mit einer meiner Haarsträhnen herum.
„Was? Quatsch! Natürlich nicht! Ich freue mich schon voll auf sie. Ich möchte doch wissen, welches Mädchen meinem besten Freunden den Kopf verdreht hat", lächel ich ihn an und er atmet erleichtert aus.
„Wieso sollte es mir überhaupt etwas ausmachen?", möchte ich von ihm wissen.
„Na ja... Wir sehen uns nach so vielen Jahren wieder und ich kann verstehen, wenn du jetzt viel Zeit mit mir verbringen möchtest. Ja klar, die Jungs sind auch die ganze Zeit dabei, aber ich kann es nachvollziehen, wenn du sie nicht kennenlernen möchtest", stammelt Nico vor sich hin und ich lege ihm einen Finger auf die Lippen.
„Sh, wie kommst du denn auf sowas? Ich möchte sie gerne mal sehen!", verdeutliche ich ihm und er nickt dankend. Dann zieht er mich an seine Brust und ich kuschel mich eng an ihn.
„Ich hab dich lieb", nuschelt er in meine Haare und ich grinse an seiner Brust. „Lass das bloß nicht Leana hören, sonst hast du noch Stress! Das würde ich an deiner Stelle vermeiden."
„Hast recht, aber wenn ich sowas sagen, dass weißt du ja, dass es etwas anderes bedeutet", zwar sehe ich das Gesicht von meinem Freund nicht, aber ich kann hören, dass er lächelt.
„Ich gehe mich mal umziehen", teile ich ihm nach einer Weile mit, in der wir einfach schweigend da stehen und uns im Arm halten. „Tu das."
Nico senkt seinen Kopf herab und ich drücke ihm einen leichten Kuss auf die rechte Wange. „Los du Mädchen. Geh hoch und zieh dich um", neckt er mich und erntet für diese äußerst unangebrachte Bemerkung einen Schlag auf die Schulter.
Ohne ein weiteres Wort zu sagen, werde ich aus den Armen meines Freundes entlassen und gehe die Treppe zu meinem Zimmer hoch.
Dort angekommen nehme ich eine weiße Jogginghose und einen schwarzen langärmligen, kurzgeschnittenen Hoodie aus meinem Kleiderschrank.
Zufrieden betrachte ich mich in dem Spiegel der an der Wand hängt und schüttele meine Haare aus. Ich lege alle meine Armbänder auf die Kommode und greife nach meinem Handy welches auf einem kleinen Tisch, der in meinem Zimmer steht, liegt.
Bella und ich müssen unbedingt mal wieder mit einander reden!
Während ich die Treppe wieder zu den Jungs hinunter gehe, tippe ich auf meinem Display herum und starte einen Videoanruf.
Es dauert keine zehn Sekunden bis meine beste Freundin abnimmt und mir erfreut entgegen grinst.
„Hey Süße", begrüßt sie mich freudestrahlend und ich gebe ein „Hi" von mir. „Na, wie ist es so in Portugal?", verlange ich von ihr zu wissen und Bellas Augen beginnen zu glänzen.
„Es ist Mega cool", schwärmt sie begeistert.
„Die Strände hier sind super toll, auch wenn es für meinen Geschmack etwas zu viele Leute gibt. Aber was willst du machen?
Schließlich sind wir nicht die einzigen die Ferien haben. Wir haben uns gestern für ein eneinwöchigen Tauchkurs eingeschrieben und nächste Woche beginnt der auch schon.
Meine kleine Schwester und meine Mum kommen aber nicht mit, weil Maya noch zu klein ist.
Außerdem waren wir auch schon shoppen.
Ich sage dir, die Läden hier sind echt endlos geil! Ich habe in unserem Hotel auch schon ein paar nette Leute kennengelernt.
Das ist so eine Clique mit circa sieben Personen. Dann muss ich mich nicht die ganze Zeit mit meiner kleinen Maya rumschlagen..."
Sie grinst. „Hoffentlich keine Jungs", werfe ich ein und Bella beginnt zu kichern.
„Doch Jungs sind auch dabei. Aber keine Sorgen. Ich habe nur Augen für deinen Herr Bruder. Den würde ich um nichts in der Welt eintauschen", versichert sie mir und ich recke grinsend den Daumen.
Also sind meine Sorgen von vorhin unbegründet.
Hoffentlich bleibt das auch so...!
Da fällt mir noch etwas ein. „Apropos Jason. Gibt es da vielleicht etwas, was du mir eventuell mitteilen möchtest?", merke ich an und warte gespannt auf ihre Reaktion.
„Was meinst du denn?", runzelt Bella die Stirn und daraufhin hebe ich eine Augenbraue.
Sie weiß ganz genau von was ich spreche!
Dann bleibt mir jetzt wohl nichts anderes mehr übrig, als meiner besten Freundin auf die Sprünge zuhelfen.
„Hast du dich mit Jason vor unserer Abreise noch getroffen?", bohre ich weiter nach.
„Ähm... das weißt du doch", teilt sie mir mit, doch selbst über den Videoanruf kann ich erkennen, dass sich auf ihrem Hals hektische rote Flecken bilden.
Auch ihre Wangen färben sich leicht rötlich. „Mein Gott Isabell!",stöhne ich, halb genervt, halb belustigt.
„Könnte es sein, dass ihr da eventuell zusammen..."
Ich komme gar nicht mehr dazu meinen Satz zu vollenden, denn meine beste Freundin wird jetzt knallrot, falls das überhaupt noch möglich ist, und reißt ihre Augen weit auf.
„Woher? Wie?... Wann?", stottert sie völlig überfordert und ich beiße mir auf die Unterlippe um einen Lachanfall zu unterdrücken.
„Mein Bruder hat es mir zufällig gesagt. Na ja, besser gesagt ist es mir rausgerutscht...", informiere ich sie und Bella lacht nervös auf.
„Ich hätte es dir ja auch noch gesagt, nur nicht so. Das wollte ich in Ruhe machen, aber jetzt..." „Jetzt bin ich dir zuvorgekommen", beende ich ihren Satz und wir grinsen uns beide an.
„War es wenigstens gut? Hat es sich gelohnt mir das zu verschweigen?", will ich von meiner Freundin wissen.
„Gar nichts habe ich dir verschwiegen", hält Bella eisern dagegen und ich verdrehe nur die Augen.
„Ingewisser Weise schon", berichtige ich dann.
„Aber ja es war gut. Er war total vorsichtig und es war einfach nur himmlisch. Niemals hätte ich erwartet,dass...", fängt Bella an zu berichten, aber als sie meinen verstörten Gesichtsausdruck bemerkt hält sie inne.
„Was denn?", will sie dann wissen.„Bella sei mir echt nicht böse, aber so detailliert will ich es eigentlich gar nicht wissen.
Immerhin handelt es sich bei deinem festen Freund um meinen großen Bruder und ehrlich gesagt ist es mir etwas peinlich und unangenehm das alles zu hören.
Ich muss nicht unbedingt über alles Bescheid wissen, was mein Bruder in seiner Freizeit treibt", teile ich meiner Freundin und die zuckt mitden Achseln.
„Du wolltest es wissen. Nicht ich war diejenige, die dir irgendetwas aufgezwungen hat." „Ja ich weiß. Eigentlich wollte ich mich aber nur vergewissern, dass es dir gut geht."
„Klar ist alles gut", versichert mir meine Freundin glücklich und ich atme erleichtert aus.
„Dann ist ja gut", gebe ich von mir.
„Und wie läuft es bei dir so? Wie es aussieht hast du dir noch kein Rückflugticket gebucht", witzelt Bella und ich schüttel den Kopf. „Ne,aber vielleicht überlege ich mir das bei Gelegenheit nochmal."
„So schlimm?",mustert mich meine beste Freundin besorgt.
„Ach Quatsch. Alles cool hier!",winke ich ab.
„Es ist echt schön, dass ich Nico wiedersehe und mit den Jungs ist auch alles weitgehend in Ordnung. Ein um das andere Mal gab es kleine Streitereien, aber abgesehen von diesen null-acht-fünfzehn-Problemen ist alles prima."
Vielleicht soll ich Bella von meinem beschissenen Tag heute erzählen, doch gleich darauf entscheide ich mich dagegen.
Es macht jetzt wirklich keinen Sinn meine beste Freundin unnötig zu beunruhigen, zumal das eh schon passiert ist und die Vergangenheit kann man nicht verändern.
Leider...
Außerdem will ich das Ganze persönlich erzählen, wenn ich es ihr überhaupt irgendwann anvertrauen werde. Bringen und ändern würde das ja dann nichts mehr!
„Worüber grübelst du?", reißt Bella mich aus den Gedanken, aber ich lächele nur und gebe ihr somit Entwarnung.
„Nichts alles gut."
„Und?", das klingt irgendwie neugierig.
„Was und!?", begriffsstutzig widme ich meine Aufmerksamkeit wieder meinem Handy.
„Wie läuft es mit Leon? ... Und Fabian?", fügt meine Freundin nach einer kleinen Kunstpause noch hinzu.
Wieso Fabian?
Was haben alle gerade so mit Fabian!?
„Hm... ganz gut", murmel ich also etwas verstimmt vor mich hin. „Ganz gut? Jetzt erzähl schon. Immerhin habe ich dir auch gerade mitgeteilt, dass Jason und ich gemeinsam geschlafen haben, also...", bestürmt meine Freundin mich aufgeregt.
Und wenn ich meine aufgeregt, dann rede ich von sehr aufgeregt!
„Bella! Ich sagte, keine Details! Und abgesehen davon hast du mir gar nichts mitgeteilt. Die Grundinformation ist von meinem Bruder", ich strecke Bella die Zunge heraus, aber sie schüttelt nur warnend den Kopf. „Hör auf mich abzulenken." „Okay, okay ich habe es ja schon kapiert", gebe ich mich geschlagen.
Einfach Augen zu und durch, denke ich mir und hole tief Luft.
„Fabian war in den letzten Tagen echt süß zu mir. Es gab einige Momente in denen er sehr aufmerksam war und deutlich gezeigt hat, dass er mich mag. Aber dann war er wieder abweisend und sehr distanziert. Ich weiß nicht. Vielleicht bilde ich mir das alles aber auch nur ein und er ist genauso zu mir, wie er zu allen ist. Mit Leon habe ich in den letzten Tagen eher weniger gemacht. Vor ein paar Tagen hat er übrigens mit Amy Schluss gemacht", informiere ich meine beste Freundin und sie grinst spöttisch.
„Ich wette die Zicke war total sauer und hat rum geheult wie sonst was", funkelt sie herablassend. „Weißt du, ich habe eh nie verstanden was Leon an ihr findet. Die ist doch so eine klassische Tussi."
Ich nicke zustimmend: „Allerdings glaubeich nicht, dass die ganze Beziehung von Leon ausging. Ich habe das Gefühl, dass da mehr dahinter steckt, aber genauere Angaben habe ich leider nicht."
Bella wendet den Kopf zur Seite und scheint zu überlegen. Schlussendlich teilt sie ihre Meinung zu meiner Vermutung mit mir: „Ehrlich gesagt kann ich mir das sogar sehr gut vorstellen. Das war für mich eher immer so eine On – Off Beziehung. Weißt du was ich meine?" Ja ich weiß sehr gut, woraufhin Bella hinaus will!
„Wie dem auch sei", fahre ich damit vor, meine Freundin auf den neusten Stand der Dinge zu bringen. „Letztens haben wir ein Lagerfeuer am Strand gemacht. Das war echt schön! Und danach bin ich halb auf meinem Bruder eingeschlafen und Fabian hat mich hochgetragen. Als er mich dann in mein Bett gelegt hat, habe ich ihn darum gebeten, dass er bei mir bleibt. Bevor du jetzt anfängst rum zu kreischen, sage ich dir lieber gleich, dass ich nicht wusste,dass es sich dabei um Fabian handelt!"
Doch diese letzte Information scheint Bellas Freude nicht zu trüben- Sie bekommt leuchtende Augen und beginnt auf der Stelle hoch und runter zu hüpfen, dass das Videobild sehr wackelt. Auf ihrem Gesicht liegt ein irres Grinsen und sie dreht sich im Kreis. „Oh mein Gott!",formt sie lautlos mit den Lippen und wackelt dann mit dem Augenbrauen.
„Da geht aber jemand ran, du!" „Was!? Nein! Spinnst du?", hektisch schaue ich mich um und decke vorsichtshalber noch den Lautsprecher meines Handy ab, um mich zu vergewisser, dass mir und Bella wirklich niemand zu hört.
Dann flüstere ich fast schon ärgerlich: „Ich habe dir doch gesagt, dass ich nicht wusste wen ichda bitte. Eigentlich dachte ich, dass es Nico ist."
Der letzte Teil ist glatt gelogen, aber das braucht Bella ja nun wirklich nicht zu wissen! „Ihr habt aber nichts gemacht oder?" „Heiße ich Bella zwei-Punkt-null oder wie?", gebe ich sarkastisch zurück und sie wird prompt feuerrot.
„Hey, du bist gemein! Ich bin aber auch in einer festen Beziehung. Du hingegen bist Single. Bei mir ist dasalso nicht schlimm, doch da du nicht mit Fabian zusammen bist, wäre das eine ganz andere Nummer." „Es ist aber keine ganz andere Nummer, weil wir nichts miteinander haben, hatten oder haben werden! Kapiert?", wiederspreche ich ihr hitzig.
„Ja ich habe es kapiert, aber du solltest dir endlich mal über diene Gefühle im Klaren werden. Entweder Leon oder Fabian. Entscheide dich, denn diese Aufgabe kann dir niemand abnehmen. Ein letztes Mal. Was sagt dir dein Herz?", leicht genervt sieht Bella in die Kamera. Zeitglich spiegelt sich Mitgefühl in ihren braunen Augen und überwiegen den genervten Ausdruck weitgehend.
Was sagt mir mein Herz?
Ich muss kurz in mich gehen und grabe fieberhaft nach einer Antwort, die ichBella erteilen könnte. Frustrierend muss ich feststellen, dass ich nur gähnendeLeere identifizieren kann. „Ich weiß es nicht", nuschele ich schließlichdeprimiert und lasse den Kopf hängen. „Falsche Antwort", kommt es zeitgleichvon vorne, wie aus der Pistole geschossen.
„Das ist die Antwort deines Kopfes!Was möchte dein Herz?", probiert meine Freundin es erneut. Sie ist einewirklich geduldige Person, was solche Sachen betrifft. Verzweifelt zucke ich mitden Schultern und schaue geknickt wieder auf.
„Sobald du deine Entscheidunggetroffen hast lass es mich bitte wissen! Um keinen Preis möchte ich dich zuetwas drängen, denn mit seinen Gefühlen sollte man vorsichtig umgehen! Die sindkein Fußball. Lass dir Zeit, aber nicht zu lange, denn im schlimmsten Fall ist einer oder sogar beide weg. Hör auf deinHerz und lass dich von diesem leiten! Du wirst dann sehr schnell feststellen,dass das gar nicht so schwer ist", sanft redet Bella auf mich ein und ihre schokoladenfarbenenAugen strahlen eine gewisse Beruhigung aus.
„Okay ich werde es versuchen", gebeich geschlagen von mir, aber meine Stimme klingt alles andere als überzeugend.Das höre ich selbst. Wie zu einer Bestätigung ertönt ein leises Seufzen aus meinemHandy. „Ich muss jetzt aufhören. Meine Mutter ruft mich zum Abendessen",durchbricht meine Freundin nach einigen Minuten des bedrückten Schweigens, dieStille.
„In Ordnung. Wir essen wahrscheinlich auch gleich", antworte ichachselzuckend. „Lass uns nochmal so in vier Tagen telefonieren, weil dann kannich dir auch von meinem Tauchkurs erzählen. Zumindest von dem ersten Tag",schlägt Bella vor und ich nicke zustimmend.
„Bis dann", verabschiede ich michvon ihr und lächele noch einmal in die Kamera, was sie erwidert, bevor ich dasGespräch wegdrücke und meine Hände stöhnend in meinen Haaren vergrabe. Wiesoist es alles gerade so derart kompliziert, dass es fast so scheint, als würdeich niemals mehr einen Ausweg aus der ganzen Verwirrung finden. Während ich soüber meine Gefühle nachdenke, kommt Leon auf den Flur. Als er mich sieht läufter sofort auf mich zu und mustert mich warm.
„Ist alles gut bei dir?" „Jaaa,alles super. Ich habe nur gerade mit Bella telefoniert", winke ich schnell ab.Leon soll mir nicht ansehen, wie ich mich gerade fühle! „Darf ich", er deutetauf die Stufe auf welcher ich sitze und daraufhin gebe ich ihm mit einemKopfnicken zu verstehen, dass er darf.
„Sicher, dass alles gut ist?", hakt ernochmal vorsichtig nach und ich zucke ertappt mit den Schultern. „Ich binselbst gerade etwas verwirrt und deshalb kann ich dir auch nicht genau sagenwas mit mir los ist", gestehe ich ihm niedergeschlagen.
Leon versteht wohl,aber er fragt nicht weiter nach, sondern nimmt wortlos meine Hand und hält sietröstlich fest. Unwillkürlich durchzuckt ein Schauder meinen Körper und meinArm beginnt zu kribbeln. Nach einer Weile der Stille bin ich schließlichdiejenige, die das Schweigen bricht: „Kann ich dich etwas fragen Leon?"
Etwasverwundert wendet er mir sein Gesicht zu, aber nickt sofort: „Klar schieß los!"Anfänglich druckse ich etwas herum, was völlig untypisch für mich ist, doch ichweiß nicht wie ich anfangen und fragen soll, ohne das es eskaliert.
„Los fragschon. Ich werde schon nicht sauer sein oder so. Ist ja nur eine Frage... undaußerdem. Wenn ich im Nachhinein doch nicht antworten will, dann bekommst duschlimmsten Falls keine Antwort. Chiara du brauchst wirklich keine Angst zuhaben!", ermutigt mich Leon und ich nicke.
„Zwischen dir und Fabian steht einegewisse Spannung", platzt es letzten Endes aus mir hervor und Leon ziehtüberrascht die Luft ein. Ich erwarte, dass er jeden Moment wortlos aufsteht undgeht...
Hätte ich das lieber doch nicht fragen sollen?
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